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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 2 UF 9/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1693
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 e
1. Das Rechtsmittel gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft durch das Familiengericht ist die befristete Beschwerde nach § 621 e ZPO.

2. Die Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 1693 BGB umfasst alle Verfahren, in denen Eltern in der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert sind. Sie beschränkt sich nicht nur auf Fälle mit besonderer Dringlichkeit.


Beschluss

des 2. Zivilsenats -Familiensenats- des Oberlandesgerichts Bamberg vom 12. Januar 2005

2 UF 9/05

in der Familiensache

wegen Ergänzungspflegschaft.

Tenor:

1. Die befristete Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Bayreuth vom 13. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens, sowie die den übrigen Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten.

3. Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 3.000,-- Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1)

Mit Beschluss vom 13.12.2004 ordnete das Amtsgericht -Familiengericht- Bayreuth für das Kind Larissa geboren 16.07.1987, gemäß §§ 1693, 1909 BGB die Ergänzungspflegschaft an mit dem Wirkungskreis der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bzw. der Überprüfung des gezahlten Unterhalts gegenüber den verfahrensbeteiligten Eltern. Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wurde damit begründet, dass die Kindeseltern als Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind Larissa bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nicht vertretungsbefugt seien. Gegen diesen ihr am 15.12.2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde vom 16.12.2004. Sie hält die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht mehr für gerechtfertigt, da nach ihrer Rechtsansicht lediglich eine Barunterhaltspflicht des Kindesvaters bestehe. Das Kind befinde sich in ihrer eigenen Obhut und sie als Kindesmutter könne daher den Barunterhalt für das Kind gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB vom Kindesvater einfordern. Zudem sei die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichtes Höxter gegeben, da das Kind dort seinen ersten Wohnsitz habe.

2)

a) Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Bayreuth, mit der gemäß §§ 1693, 1909 BGB i.V.m. § 3 Nr. 2 a RPflG vom Rechtspfleger des Amtsgerichts -Familiengerichts- Bayreuth die Ergänzungspflegschaft angeordnet war, ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde statthaft, da die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für das minderjährige Kind Larissa eine im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung über einen Teilbereich der elterlichen Sorge, also eine Familiensache im Sinne von § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO darstellt und förmlich das Familiengericht entschieden hat. Das Rechtsmittelverfahren richtet sich daher nicht nach §§ 19 f. FGG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, sondern nach den spezielleren und damit vorgehenden Vorschriften der §§ 64 Abs. 3 FGG, 621 e ZPO, 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG.

Für die befristete Beschwerde gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für das minderjährige Kind wegen rechtlicher Verhinderung seiner Eltern ist jeder Elternteil im eigenen Namen beschwerdeberechtigt, denn die Eltern wären, wenn die Ergänzungspflegschaft zu Unrecht angeordnet wäre, in den ihnen nach §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB zustehenden Rechten zur Vermögenssorge und Vertretung des Kindes beeinträchtigt (BayObLG FamRZ 1989, 1342 f., NJWE-FER 2000, 177 f.).

Zwar kann die befristete Beschwerde des § 621 e ZPO nur beim Beschwerdegericht selbst eingelegt werden (§ 621 e Abs. 3 Satz 1 ZPO). Dies schadet aber dann nicht, wenn - wie hier - die Beschwerdeschrift noch innerhalb der Notfrist von einem Monat ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 517 ZPO) dem Beschwerdegericht vorgelegt wird (vgl. BGH FamRZ 1978, 232; 1979, 30). Da die Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 15.12.2004 erfolgt war und die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 16.12.2004 bereits am 22.12.2004 zur Beschwerdevorlage gebracht worden war, ist die Notfrist von einem Monat gewahrt.

b) Die damit zulässige befristete Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Gemäß § 621 e Abs. 4 ZPO kann die Beschwerde nicht auf die fehlende Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges gestützt werden. Unabhängig davon gilt Folgendes:

Das Amtsgericht -Familiengericht- Bayreuth war für die Entscheidung örtlich zuständig. Gemäß § 621 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 64 Abs. 3 Satz 2, 37 Abs. 1 Satz 2, 36 Abs. 1 FGG ist örtlich zuständig das Familiengericht, in dessen Bezirk der Minderjährige zu dem Zeitpunkt, in dem die Sache anhängig wird, seinen Wohnsitz hat (BGH FamRZ 1994, 299; OLG Bamberg FamRZ 2001, 777). Da hier die Minderjährige mit Zustimmung ihrer beiden sorgeberechtigten Eltern bei der Großmutter mütterlicherseits auf unbestimmte Zeit seit Oktober 2003 in Bayreuth wohnt, wurde dort wirksam ein Wohnsitz des Kindes im Sinne der §§ 7, 8 und 11 BGB durch eine entsprechende elterliche Bestimmung begründet.

Das Familiengericht und nicht etwa das Vormundschaftsgericht war auch sachlich zuständig. Dies ergibt sich eindeutig aus § 1693 BGB. Mit dieser Vorschrift wurde eine von §§ 1915, 1774 BGB abweichende Regelung über die Anordnungskompetenz getroffen, um die Verfahren, welche die elterliche Sorge betreffen, einheitlich der Zuständigkeit des Familiengerichts zuzuweisen.

Nach herrschender Ansicht, der der Senat folgt (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 568; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1601), normiert § 1693 BGB eine generelle Anordnungsbefugnis des Familiengerichtes und ist nicht etwa nur auf Fälle mit besonderer Dringlichkeit (so OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 568) beschränkt.

Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist auch sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich. Die sorgeberechtigten Eltern sind für die Geltendmachung eventueller Barunterhaltsansprüche des Kindes aufgrund der bestehenden Interessenkollisionen von dessen Vertretung ausgeschlossen (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 BGB).

Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht erfolgreich auf § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB berufen, denn das Kind befindet sich nicht in ihrer Obhut im Sinne dieser Vorschrift. Zwar kann sich ein Kind auch dann in der Obhut eines Elternteils befinden, wenn es von diesem bei Verwandten untergebracht wurde. Ein Obhutsverhältnis setzt jedoch voraus, dass der betreffende Elternteil sich nach wie vor maßgeblich um das Kind kümmert und für die tatsächliche Fürsorge verantwortlich zeichnet. Dies kann nur dann bejaht werden, wenn dieser Elternteil für die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes sorgt, für dieses erreichbar ist, für Problemlösungen zur Verfügung steht und ihm die erforderliche emotionale Zuwendung zukommen lässt. Hier jedoch liegt die 17-jährige Tochter mit ihrer Mutter, der Beschwerdeführerin, im Streit. Beide unterhalten nahezu keinen Kontakt zueinander und stehen auf emotionaler Distanz. Der Aufenthalt des Kindes bei der Großmutter beruht vorrangig auf dem Willen des Kindes selbst, der von beiden Elternteilen toleriert wird. Hinzu kommt, dass nach dem Bericht des Jugendamtes der Stadt Bayreuth vom 02.12.2004 davon auszugehen ist, dass der Kindesvater sich umfassender um die Angelegenheiten des Kindes kümmert, als dies die Beschwerdeführerin tut. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Bericht des Jugendamtes (Bl. 13 d.A.) Bezug genommen.

Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Die angeordnete Ergänzungspflegschaft ist weiterhin erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Entscheidung über den Beschwerdewert auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO) vorliegen, weil die Frage des statthaften Rechtsmittels gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft durch das Familiengericht noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.



Ende der Entscheidung

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