Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 14.01.2005
Aktenzeichen: 2 WF 156/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 120 Abs. 4
1. Macht ein Elternteil Kindesunterhalt im Wege der Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB geltend, dann ist für die Prozesskostenhilfebewilligung hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Partei des Prozesses maßgeblich.

2. § 120 Abs. 4 ZPO bietet keine Möglichkeit eine im Nachhinein betrachtet falsche Prozesskostenhilfeentscheidung zu korrigieren.


Beschluss

des 2. Zivilsenats - Familiensenats - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Januar 2005

2 WF 156/04

in der Familiensache

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Bayreuth vom 9. August 2004 - 3 F 451/00 (Prozesskostenhilfe) - aufgehoben.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin, die als Prozessstandschafterin gemäß § 1629 Abs. 3 BGB den Unterhalt für ihr leibliches Kind Corinna xxx geboren 05.02.1996, eingeklagt hatte, gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Bayreuth vom 09.08.2004. Durch diese Entscheidung wurde der Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 01.08.2000 abgeändert, der der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zugebilligt hatte, obwohl diese neben einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.317,-- DM auch über ein Bausparguthaben von 18.000,-- DM, eine Lebensversicherung im Wert von 33.072,-- DM und Wertpapiere im Gesamtwert von 25.156,--DM verfügte. Es wurde angeordnet, dass die Klägerin nunmehr die Prozesskosten aus ihrem Vermögen zu bezahlen hat. In seiner Begründung stützt sich der Beschluss auf die zwischenzeitlich erheblich verbesserten wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin. Gegen diese ihr am 11.08.2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die Beschwerde, die am 16.08.2004 bei den Justizbehörden Bayreuth einging. Die Klägerin rügt, dass im Fall der Prozessstandschaft des § 1629 Abs. 3 BGB nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des klagenden Elternteils, sondern auf die des unterhaltsberechtigten Kindes abzustellen sei.

Der Bezirksrevisor des Landgerichts Bayreuth und die Bezirksrevisorin des Oberlandesgerichts Bamberg vertreten unter Hinweis auf die konträren Rechtsansichten zu dieser Problematik in der Rechtsprechung und Literatur die Meinung, maßgeblich seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des klagenden Elternteils. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahmen Blatt 42 und 46 des Sonderheftes Bezug genommen. Mit Beschluss vom 21.12.2004 hat der Einzelrichter die Sache dem Senat übertragen.

2.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft. Sie ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 567 ff ZPO).

Das Rechtsmittel hat auch Erfolg. Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung verkannt, dass sich die für die Prozesskostenhilfebewilligung maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht im Sinne des § 120 Abs. 4 ZPO nachträglich wesentlich geändert haben.

Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt es auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Elternteils als Partei im zivilprozessualen Sinne an, nicht auf die des Kindes. Der Senat folgt damit der zwischenzeitlich herrschenden Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 636; OLG Köln, FamRZ 84, Seite 304; OLG Koblenz, FamRZ 88, Seite 637; OLG Nürnberg, Juristisches Büro 1998, 754; OLG Köln, MDR 93, 805; OLG München, FamRZ 96, 1021; OLG Naumburg, FamRZ 2001, 924; OLG Dresden, OLG-NL 2001, Seite 261 f.). Für diese Rechtsansicht spricht bereits der Wortlaut des § 114 ZPO, der auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei abstellt und nicht auf die der Person, die materiell-rechtlich Rechtsinhaber ist. Partei im Zivilprozess ist auch der gesetzliche Prozessstandschafter im Sinne des § 1629 Abs. 3 BGB, da er staatliche Rechtsschutzhandlungen im eigenen Namen begehrt. Weder der Sinn und Zweck der Regelung des § 1629 Abs. 3 BGB noch eine analoge Anwendung des § 116 ZPO machen es erforderlich, in Abweichung des Wortlautes des § 114 ZPO auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kindes abzustellen. Gerade weil es Sinn und Zweck der Regelung des § 1629 Abs. 3 BGB ist, das Kind in Krisenzeiten verheirateter aber nicht geschiedener Eltern aus gerichtlichen Streitigkeiten herauszuhalten und dies nur erreicht werden kann, wenn das Kind auch im Prozesskostenhilfeverfahren nicht dadurch involviert wird, dass seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse überprüft werden müssen, ist der Gegenmeinung, die u. a. vom OLG Karlsruhe, FamRZ 87; OLG Stuttgart, MDR 99, Seite 41; OLG Dresden, FamRZ 97, Seite 1287; vertreten wird, nicht zu folgen. Der Senat gibt insoweit seine frühere Rechtsprechung (OLG Bamberg, FamRZ 94, Seite 635) auf. Das Kind würde entgegen der Intention des § 1629 Abs. 3 BGB faktisch in den Unterhaltsrechtsstreit der Eltern einbezogen, würden im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens inzident evtl. Prozesskostenvorschussansprüche des Kindes gegen den einen oder anderen Elternteil, die zum Vermögen des Kindes zu zählen wären, abgeklärt werden müssen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2004, 1631). Sinn und Zweck des § 1629 Abs. 3 BGB steht damit auch einer analogen Anwendung des § 116 ZPO und eines daraus abgeleiteten allgemeinen Rechtsgedankens, wonach es sachgerecht sei, überall dort wo eine Partei die Interessen eines Dritten wahrnehme, zumindest auch auf die Hilfsbedürftigkeit des Dritten abzustellen (so Kammergericht, FamRZ 1989, Seite 82) entgegen.

Sind somit die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin maßgeblich, lässt sich die angefochtene Entscheidung nicht auf § 120 Abs. 4 ZPO stützen, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin stellen sich nahezu identisch zu denen im August 2000 dar, als der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden war. Bereits damals verfügte die Klägerin über ein einzusetzendes Vermögen von ca. 77.760,-- DM (39.758,-- €). § 120 Abs. 4 ZPO bietet keine Möglichkeit, bei gleich bleibenden Vermögensverhältnissen der Partei die ursprüngliche Entscheidung deshalb zu ändern, weil die tatsächlichen Vermögensverhältnisse nicht berücksichtigt und fälschlich nicht in die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch eingestellt worden waren (vgl. OLG Celle, FamRZ 91, Seite 207 f.). Da auch keine Veränderungen im Kindesvermögen evident sind, bestünde auch dann keine Abänderungsmöglichkeit im Sinne des § 120 Abs. 4 ZPO, wenn man entgegen der nunmehr vertretenen Rechtsansicht des Senats die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kindes als Prüfungsmaßstab im Sinne der §§ 114, 115 ZPO zu Grunde legen würde.

3.

Auf Grund der oben dargestellten divergierenden Rechtsprechnung der Oberlandesgerichte und der bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage, ob die ursprüngliche Entscheidung nachträglich gemäß § 120 Abs. 4 ZPO geändert werden darf, wenn die Vermögensverhältnisse der Partei zwar unverändert geblieben sind aber in der Ausgangsentscheidung fehlerhaft beurteilt wurden, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).



Ende der Entscheidung

Zurück