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Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 3 U 105/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 826 | |
BGB § 830 Abs. 2 | |
BGB § 840 Abs. 1 | |
BGB § 254 Abs. 1 | |
BGB § 138 Abs. 1 | |
BGB § 762 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 817 Satz 2 | |
BGB § 814 |
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
3 U 105/00 2 O 637/98 LG Bamberg
Verkündet am 7. März 2001
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle: Justizangestellte
in dem Rechtsstreit
Gründe:
1. Unstreitig hat sich der Kläger an dem von dem Beklagten zu 1) veranstalteten Systemspiel "Countdown 3000" beteiligt. Die von ihm geschlossenen Spielverträge sind wegen Sittenwidrigkeit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).
Durch die Spielvereinbarung soll der Mitspieler verpflichtet werden, für einen Basisplatz einer Pyramide der ersten Spielebene einen Einstiegspreis von mindestens 275,-- DM bzw. - ab 18.6.1993 - 300,-- DM zu zahlen. Sodann muß er weitere Mitspieler werben, um von dem Basisplatz in die nächsthöheren Spielstufen und schließlich in die Gewinnposition, den sogenannten Goldplatz, zu gelangen und von dort aus in die zweite Spielebene vorzurücken (Ziffer 2 der "Verbindlichen Spielregeln"). Der Teilnehmer, der sich in der sogenannten Bronzeposition befindet und dem Spiel keine neuen Spieler zuführt, muß auf sogenannte "Dynamikeinstiege" warten. Kommt er auf diese Weise auf den Goldplatz, erhält er von seinem Einstiegspreis 225,-- DM zurück; er bekommt aber nicht den für diese Position sonst anfallenden Gewinn von 800,-- DM und erreicht auch nicht die zweite Spielebene (Ziffer 2.2 der "Verbindlichen Spielregeln"). Die Gewinnerwartung der Teilnehmer beruht somit allein darauf, daß nach Art des sogenannten Schneeballsystems eine immer stärker ansteigende Zahl von Mitspielern hohe Einsätze einzahlt. Ein solches Spielsystem, das darauf angelegt ist, daß die ersten Mitspieler einen (meist) sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muß, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in absehbarer Zeit keine neuen Mitspieler mehr geworben werden können, verstößt gegen die guten Sitten (BGH NJW 1997, 2314, 2315; vgl. auch Senat, Urteile vom 19.6.1996 - 3 U 217/95 - und vom 27.11.1996 - 3 U 41/96 -, OLG Celle NJW 1996, 2660, OLG München NJW 1986, 1880, OLG Karlsruhe GRUB 1989, 615, 616, LG-Gießen NJW-RR 1996, 796, 797).
2. Das dem Spielsystem immanente hohe Risiko hat sich beim Kläger verwirklicht, denn er hat 23.800,-- DM verloren ... (wird ausgeführt).
3. Der Kläger hat gemäß §§ 826, 830 Abs. 2, 840 Abs. 1, 254 Abs. 1 BGB Anspruch darauf, daß der Beklagte zu 2) ihm von diesem Vermögensschaden 15.866,67 DM ersetzt.
Der Veranstalter des Spiels, der Beklagte zu 1), hat dem Kläger den Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (siehe die Ausführungen unter 1.) und zumindest bedingt vorsätzlich zugefügt im Sinn von § 826 BGB. Er war sich ohne Zweifel darüber im klaren, daß nur die ersten Spieler Gewinne erzielen konnten, die Masse der späteren Teilnehmer aber leer ausgehen und ihre Einsätze verlieren mußte; deren Schaden hat er zu seinem eigenen Vorteil zumindest billigend in Kauf genommen. Damit sind bei ihm die Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB auch ohne Hinzutreten weiterer belastender Umstände erfüllt (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., § 826 Rdnr. 64; Senat, Urteil vom 27.11.1996 - 3 U 41/96 -; LG Gießen, a.a.O.). Daß die Spielverträge gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig waren, steht dem nicht entgegen (BGH WM 1975, 325, 328).
Der Beklagte zu 2) hat zu der unerlaubten Handlung des Beklagten zu 1) Beihilfe geleistet (§ 830 Abs. 2 BGB). Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung Hilfe geleistet hat (§ 27 Abs. 1 StGB), wobei als Vorsatzform für Haupttat und Teilnahme dolus eventualis ausreicht (MünchKommBGB-Stein, 3. Aufl., § 830 Rdnr. 14, m.w.N.). Daß der Gehilfe den Erfolg der Tat ursächlich mitbewirkt hat, ist nicht erforderlich; es genügt, daß die den Tatbestand verwirklichende Handlung durch die Hilfeleistung gefördert wird (Staudinger/Belling/Eberl-Borges, BGB, 13. Aufl., § 830 Rdnr. 39, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind bei dem Beklagten zu, 2) erfüllt. Er hat unstreitig die Software für das Spiel entwickelt und war für dessen Verwaltung durch die EDV verantwortlich (Seite 11 des bereits zitierten Schriftsatzes der Beklagtenvertreter an das Landgericht Hof vom 9.4.1996). So gehörte es nach seinem Vortrag zu seinen Aufgaben, neue Mitspieler EDV mäßig zu erfassen, in die richtige Pyramide einzusetzen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Beteiligungen der Spieler graphisch in Pyramidenform dargestellt wurden. Für jede Plazierung erhielt er eine Vergütung von 2,-- DM. Daß er mit der Entwicklung der erforderlichen Software und der Verwaltung des Spiels durch die EDV willentlich die unerlaubte Handlung des Beklagten zu 1) unterstützt hat, steht außer Zweifel. Ohne seine Tätigkeit hätte das in den "Verbindlichen Spielregeln" ausdrücklich als "Computerspiel" bezeichnete Spiel so, wie es angelegt war, nicht durchgeführt werden können. Dabei wußte er allein aufgrund der Konzeption des Spiels - deren genaue Kenntnis für seine Tätigkeit unabdingbar war -, aber auch aufgrund seiner anläßlich der Verwaltung des Spiels gewonnenen Erkenntnisse, daß schon nach relativ kurzer Zeit die neugewonnenen Mitspieler ihre Einsätze verlieren mußten. Deren Schädigung nahm auch er zumindest billigend in Kauf, so daß ihm bedingter Vorsatz anzulasten ist. Damit haftet er gemäß §§ 826, 830 Abs. 2, 840 Abs. 1 BGB als Gehilfe gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1). Daß möglicherweise auch ein anderer in der Lage gewesen wäre, seinen Tatbeitrag zu leisten, ist dabei ohne Bedeutung. Ebensowenig kommt es darauf an, ob er durch Manipulationen zum Nachteil des Klägers in den Spielverlauf eingegriffen hat.
§ 762 Abs. 1 Satz 2 BGB steht der Schadensersatzforderung des Klägers nicht entgegen. Zum einen gilt diese Vorschrift nicht für sittenwidrige und deshalb nichtige Verträge (BGH, a.a.O.); zum anderen geht es vorliegend nicht um die Rückforderung geleisteter Einsätze, sondern ausschließlich um einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung.
Der Anspruch ist auch nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, denn diese Bestimmung findet über das Gebiet der Bereicherungsansprüche hinaus keine entsprechende Anwendung (Palandt/Thomas, a.a.O., § 817 Rdnr. 2, m.w.N.).
Da es sich vorliegend nicht um einen Bereicherungsanspruch handelt, kommt auch eine Anwendung von § 814 BGB nicht in Betracht.
Die Ersatzpflicht des Beklagten zu 2) mindert sich jedoch wegen des erheblichen Mitverschuldens des Klägers (§ 254 Abs. 1 BGB).
Einfache Fahrlässigkeit des Geschädigten im Hinblick auf die Entstehung des Schadens wirkt sich auf den Umfang der Haftung des mit direktem Vorsatz handelnden Schädigers nach § 826 BGB in der Regel nicht aus. Anders ist es jedoch bei einem grob fahrlässigen oder jedenfalls besonders leichtsinnigen Verhalten des Geschädigten, und zwar erst Recht, wenn dem eine nur bedingt vorsätzliche Schadenszufügung gegenübersteht (MünchKommBGB-Mertens, a.a.O., § 826 Rdnr. 81). Der Kläger hat sich mindestens besonders leichtsinnig, wenn nicht grob fahrlässig, verhalten, denn er hat in Erwartung des in Aussicht gestellten "großen Gewinns" Bedenken gegen die Seriosität des Spiels, die sich ihm hätten aufdrängen müssen, nicht aufkommen lassen. Da auf der anderen Seite dem Beklagten zu 2) nur bedingter Vorsatz angelastet werden kann, ist es gerechtfertigt, daß der Kläger 1/3 seines Schadens selbst trägt. Der Beklagte zu 2) hat deshalb von dem Gesamtschaden von 23.800,-- DM nur 2/3, d.h. 15.866,67 DM, zu ersetzen.
Ende der Entscheidung
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