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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 27.12.2001
Aktenzeichen: 3 U 176/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b
ZPO § 233
ZPO § 238 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 U 176/01

Beschluß

des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg

vom 27. Dezember 2001

in Sachen

wegen Forderung.

Tenor:

I. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 15. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen das Teilurteil des Landgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der Begründungsfrist (§§ 519 Abs. 2 S. 2, 222 Abs. 2 ZPO) begründet. Der Senat hat das Rechtsmittel deshalb mit gemäß § 519 b ZPO als unzulässig verworfen. Die Klägerin, deren Prozeßbevollmächtigten der Beschluß am 27.7.2001 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 3.8.2001, eingegangen am selben Tag, die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zum Wiedereinsetzungsgesuch trägt sie im wesentlichen vor:

In der Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten seien auf Anweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts im Fristenbuch und in der Handakte der 15.7.2001 als Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist sowie der 9.7., 10.7., 11.7., 12.7. und 13.7. als Fristen zur Fertigung der Berufungsbegründung notiert worden. In der Folgezeit sei wegen des Umfangs der Handakte für das Berufungsverfahren eine weitere Akte mit einer eigenen Prozeßregisternummer angelegt worden. In ihr seien widerum der 15.7. als Tag des Fristablaufs und fünf Vorfristen eingetragen worden. Die geschulte und zuverlässige Kanzleivorsteherin die die Fristenkontrolle seit vielen Jahren sorgfältig und fehlerfrei ausübe und als einzige der Mitarbeiterinnen der Kanzlei zur Streichung von Fristen befugt sei, habe dann die im ersten Handaktenband notierten Fristen gestrichen, nicht aber die im Fristenbuch eingetragenen. Bei der Fristenkontrolle habe die Kanzleiangestellte mangels eines Vermerks der Prozeßregisternummer der neu angelegten Handakte im Fristenbuch jeweils nur den ersten Handaktenband herausgesucht und sei aufgrund der Streichung der dort verzeichneten Fristen davon ausgegangen, daß die Berufungsbegründung bereits gefertigt und eingereicht worden sei; deshalb habe sie der Kanzleivorsteherin weder den ersten Handaktenband noch den neu angelegten zweiten Band - von dem sie keine Kenntnis gehabt habe - vorgelegt. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei mit der Zustellung des Senatsbeschlusses bemerkt worden.

II.

Das form- und fristgerecht (§§ 234 Abs. 1 und Abs. 2, 236 ZPO) gestellte Wiedereinsetzungsgesuch hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 233 ZPO setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, daß die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Dabei steht ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Vorliegend ist ein Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt.

Der Prozeßbevollmächtigte einer Partei hat dafür zu sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz hergestellt und rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingereicht wird. Zwar kann er die Führung des Fristenkalenders und die Fristenkontrolle einem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen; er muß dann aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, daß Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (BGH NJW 1996, 1349, 1350; BGH, Beschluß vom 15.4. - V ZB 7/99 -; BGH, Beschluß vom 9.9. - IX ZB 80/97 -). Vorliegend sind aber zwei anwaltliche Organisationsmängel für die Fristversäumung zumindest mitursächlich.

a) Nach dem Vortrag der Klägerin ist die Handakte ihren Prozeßbevollmächtigten nicht zu den im Fristenkalender notierten Fristen vorgelegt worden, weil versäumt worden war, die Prozeßregisternummer des nach den Eintragungen im Fristenkalender neu angelegten zweiten Handaktenbandes im Fristenkalender zu vermerken, mit der Folge, daß die Mitarbeiterin zu den Fristen nur den ersten Handaktenband heraussuchte, wo die Fristen gestrichen waren.

Daß die für die Führung des Fristenkalenders zuständige, zuverlässige, erfahrene und regelmäßig überwachte Kanzleivorsteherin versehentlich die neue Prozeßregisternummer nicht im Fristenkalender eingetragen hat, ist nicht von den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und somit nicht von dieser selbst zu vertreten (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rdnr. 23, Stichwort "Büropersonal und -organisation"). Es stellt aber einen Organisationsmangel dar, daß es ersichtlich an der allgemeinen Anweisung der Prozeßbevollmächtigten an ihre Mitarbeiter fehlt, alle Bände einer Handakte mit derselben Prozeßregisternummer zu versehen. Diese Maßnahme wäre unbedingt erforderlich gewesen, weil - wie aus dem Vorbringen der Klägerin und den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen zu schließen ist - die im Fristenkalender der Kanzlei eingetragenen Vorgänge nicht mit den Parteinamen oder dem Verfahrensgegenstand, sondern mit ihrer jeweiligen Prozeßregisternummer gekennzeichnet sind. Erhält ein neu angelegter Handaktenband eine neue Prozeßregisternummer wofür kein vernünftiger Grund ersichtlich ist und sind die für den Vorgang maßgeblichen Fristen im Kalender bei der Prozeßregisternummer eines älteren Handaktenbandes eingetragen, "liegt die Gefahr nahe, daß - wie hier - versäumt wird, nunmehr die neue Nummer im Kalender zu vermerken, und daß deswegen zu den Fristen nur der ältere, nicht einschlägige Band herausgesucht wird. Um dieser Gefahr vorzubeugen, ist es erforderlich, alle Bände einer Handakte jedenfalls dann mit derselben Prozeßregisternummer zu versehen, wenn die im Fristenkalender eingetragenen Vorgänge dort mit ihrer Prozeßregisternummer gekennzeichnet sind. Daß eine entsprechende Anweisung nicht erteilt wurde, ist den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin als eigenes Verschulden in Gestalt eines Organisationsverschuldens anzulasten.

b) Davon abgesehen besteht in der Kanzlei auch nicht die allgemeine Anweisung, Vorgänge, die im Fristenkalender mit nicht gestrichenen Fristen eingetragen sind, zu diesen Fristen auf jeden Fall dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt oder zumindest der Kanzleivorsteherin vorzulegen, denn nur so ist erklärlich, daß die Mitarbeiterin sich für befugt gehalten hat, die von ihr herausgesuchte Handakte nicht vorzulegen. Der Fristenkalender ist das maßgebliche Instrument zur Sicherung der Fristwahrung. Solange die in ihm vermerkten Fristen nicht gestrichen sind, muß die Vorlage erfolgen. Das gilt auch dann, wenn die Fristen - wie hier - in der herausgesuchten Handakte gestrichen sind, weil anhand dieser der Widerspruch zu den Eintragungen im Fristenkalender aufgeklärt werden muß. Hätte die Mitarbeiterin - die nicht für die Führung des Fristenkalenders zuständig war und zu deren Zuverlässigkeit, Erfahrung und Überwachung die Klägerin nichts vorgetragen hat - den von ihr herausgesuchten Handaktenband entsprechend einer allgemein erteilten Anweisung vorgelegt, wäre festgestellt worden, daß noch keine Berufungsbegründung gefertigt worden war. Daß es eine solche Anweisung nicht gab, stellt ebenfalls ein Organisationsverschulden der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin dar.

c) Unter diesen Umständen kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 238 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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