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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 06.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 249/01
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
ZPO § 936
ZPO § 916
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 249/01

in dem Rechtsstreit

wegen unlauteren Wettbewerbs.

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht des Richter am Oberlandesgericht und der Richterin am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 2. August 2001 abgeändert.

II. Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.

III. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.).

Entscheidungsgründe:

Das Landgericht hat es der Verfügungsbeklagten, einem Zeitschriftenverlag, im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, Zeitungsinserate zur Anpreisung eines bestimmten Schlankheitsmittels unter Hinweis auf die schlankmachende Wirkung des Mittels zu veröffentlichen insbesondere das konkrete in eigner Anzeigenbeilage der Verfügungsbeklagten erschienene Inserat zu wiederholen. Die Verfügungsbeklagte hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.

Das Rechtsmittel ist zulässig und auch in der Sache begründet. Nach Auffassung des Senats hat der beklagte Verlag nicht gegen die Prüfungspflichten verstoßen, die ihm bei der Veröffentlichung von Werbeinseraten Dritter in der von ihm herausgegebenen Zeitung obliegen.

1. Die Verfügungsbeklagte kann nur dann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn das Inserat des Dritten ein grober und eindeutiger Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht ist; die Prüfungspflicht des Zeitungsverlages ist im allgemeinen auf Verstöße dieser Art beschränkt. Ein eindeutiger Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht liegt hier aber nicht vor.

a) Insbesondere kann nicht von einem derartigen Verstoß gegen § 3 UWG ausgegangen werden (Irreführung über die schlankmachende Wirkung des angepriesenen Mittels).

Zwar spricht sehr viel dafür, daß die betreffenden Schlankheitskapseln die behauptete neuartige und geradezu sensationelle schlankmachende Wirkung, tatsächlich nicht haben. Letztlich aber können medizinische Laien, zu denen auch der Anzeigenredakteur der Verfügungsbeklagten zu rechnen ist, die Frage nicht abschließend beantworten. Ersichtlich deshalb vermeidet es auch das angefochtene Urteil, einen Verstoß des Inserates gegen § 3 UWG festzustellen. Tatsächlich müßte sogar im gerichtlichen Verfahren gegen den Inserenten selbst diesem zunächst Gelegenheit gegeben werden, die Richtigkeit seiner Behauptung zu beweisen. Dementsprechend käme allenfalls in Betracht, daß der Anzeigenredakteur vom Inserenten wissenschaftliche Belege für die Richtigkeit der Werbebehauptung anfordert. Dies aber ist, soweit ersichtlich, nicht üblich. Es würde den Redakteur zudem in die Verlegenheit bringen, die vom Inserenten etwa vorgelegten Unterlagen auch noch bewerten zu müssen. Dies alles ist insbesondere im Hinblick auf die gebotene Schnelligkeit unzumutbar, mit der ein Anzeigenredakteur über die Ausführung eines Anzeigenauftrags in aller Regel entscheiden muß. Hinter diesem Interesse des Verlages, schnell entscheiden zu können, tritt sogar das besondere Interesse der Allgemeinheit daran zurück, daß zum Schutze der Volksgesundheit gerade die gesundheitsbezogene Werbung nicht irreführend sein sollte (vgl. BGH GRUR 1994, 454) und ebenso das Interesse daran, daß im Ausland ansässigen Inserenten wegen der Erschwernis ihrer direkten gerichtlichen und außergerichtlichen Belangung irreführende Werbung im Inland möglichst von vornherein versagt bleiben sollte, nämlich dadurch, daß der Anzeigenredakteur des inländischen Anzeigenblattes das Inserat ablehnt (vgl. BGH NJW 1992, 3093).

Aus der genannten Entscheidung BGH GRUR 1994, 454 kann hier auch ansonsten keine Pflichtverletzung der Verfügungsbeklagten hergeleitet werden. Das Urteil geht vielmehr ebenfalls davon aus, daß im Falle nicht von vornherein unmöglicher Wirkung des angepriesenen Produkts eine Verpflichtung des Redakteurs zu näherer Überprüfung nicht besteht. Von Unrichtigkeit oder Irreführung mußte die Beklagte auch nicht deshalb ausgehen, weil die Bestelladresse in dem Inserat nur durch Telefonnummer und Postfachanschrift angegeben war. Die Erschwerung der unmittelbaren Inanspruchnahme des Inserenten erhöht nämlich nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1992, 3093) die Prüfungspflichten des Anzeigenredakteurs nicht. Die Konsequenz, aus dieser Erschwernis gleichzeitig auf die (eindeutige) Unzulässigkeit der Werbung zu schließen, hat der Bundesgerichtshof ersichtlich nicht gezogen. Sie kann nach Auffassung des Senats auch hier nicht ohne weiteres gezogen werden, selbst dann nicht, wenn man davon ausginge, daß der Inserent im vorliegenden Fall im Inland ansässig ist, gleichwohl aber seine Anschrift verheimlicht. Zu einem solchen Rückschluß hätte die Beklagte hier insbesondere auch deshalb keinen hinreichenden Anlaß, weil im Anzeigenauftrag (Bl. 74 d.A.) außer der Postfachnummer für Deutschland als Firmensitz immerhin auch eine vollständige Adresse in Österreich angegeben war, also (ebenso wie im Falle BGH NJW 1992, 3093) tatsächlich (auch) ein Sitz im Ausland vorlag.

Insgesamt kann deshalb dem Anzeigenredakteur der Verfügungsbeklagten und somit dieser selbst nicht der Vorwurf gemacht werden, die Richtigkeit der im Inserat aufgestellten Behauptungen nicht näher überprüft zu haben.

b) Eindeutige Verstöße gegen die zahlreichen speziellen gesetzlichen Vorschriften mit gesundheitlichem Bezug, die der Verfügungskläger und auch das Landgericht als verletzt angesehen haben, liegen ebenfalls nicht vor.

Nach Auffassung des Senats wäre es eine Überforderung des Anzeigenredakteurs, all diese speziellen Vorschriften zu kennen und in ihrer Anwendung geübt zu sein (vgl. BGH NJW 1995, 870, 871). Die Entscheidung BGH WRP 2001, 1406, 1408 besagt nichts anderes. Soweit ersichtlich, hält sie eine nähere Prüfung dieser Vorschriften durch den Verlag nicht allein wegen der herausragenden Größe des Inserats (die wohl auch vorliegend zu bejahen wäre) für zumutbar, sondern nur unter der gleichzeitig gegebenen weiteren Voraussetzung (die hier nicht vorliegt), daß im Hinblick auf die Frage etwaiger redaktioneller Werbung der Verleger das Inserat ohnehin einer näheren Prüfung unterziehen mußte.

c) Eine Ausnahme von vorstehendem Abschnitt b) gilt hier auch nicht im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Nährwertkennzeichnungsverordnung.

Zwar ist die Auffassung vertretbar, daß einem Anzeigenredakteur das grundsätzliche Verbot der Werbung für Lebensmittel mit einem Hinweis auf deren schlankmachende Wirkung einfach bekannt sein muß und ein Verstoß der Werbung gegen diese Vorschrift für ihn insoweit immer eindeutig ist. Hier aber ist der vom Landgericht tatsächlich angenommene Verstoß gegen die genannte Vorschrift gleichwohl nicht eindeutig. Es liegt nämlich nicht auf der Hand, daß Schlankheitskapseln Lebensmittel im gesetzlichen Sinne sind. Auch der Rückschluß, daß es bei Verneinung der Lebensmitteleigenschaft nur ein zulassungspflichtiges Arzneimittel sein könnte, für das mangels Zulassung ebenfalls nicht geworben werden dürfte, ist einem Redakteur nicht ohne weiteres und eindeutig möglich, zumal im Text des Inserates die Arzneimitteleigenschaft ausdrücklich verneint wird.

2. Insgesamt kann deshalb der Verfügungsbeklagten ein Verstoß gegen ihre Verpflichtungen zur Oberprüfung des Inserates auf grobe und eindeutige Wettbewerbsverstöße nicht angelastet werden. Auch eine Erstbegehungsgefahr kann nicht angenommen werden. Es fehlt deshalb an einem Verfügungsanspruch im Sinne von §§ 936, 916 ZPO. Somit ist unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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