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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 252/06 (1)
Rechtsgebiete: HWG


Vorschriften:

HWG § 3 S. 2 Nr. 1
HWG § 3 S. 2 Nr. 2a
HWG § 11 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 252/06

Verkündet am 28. März 2007

in dem Rechtsstreit

wegen unlauteren Wettbewerbs

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 10. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vortrags und der Anträge der Parteien im ersten Rechtszug wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 60-64 oben d.A.).

Das Landgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme mit Urteil vom 10.10.2006 stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien begründet, da die streitgegenständliche Werbung der Beklagten (Anlage K 2 im Anlagenkonvolut des Klägers) irreführend und nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 a HWG unzulässig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 64 - 70 d.A.).

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.10.2006 zugestellte Urteil am 19.10.2006 Berufung eingelegt und diese am 26.10.2006 begründet.

Mit dem Rechtsmittel verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie wendet sich gegen die Auffassung des Erstgerichts, dass es sich bei dem von ihr beworbenen "Bauchkurs" um ein Verfahren zur Linderung krankhafter Beschwerde handele und deshalb das HWG anwendbar sei. Im Übrigen wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist statthaft und zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht ist mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zustehen, weil die beanstandeten Werbeaussagen der Klägerin irreführend sind (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 a HWG, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 UWG). Außerdem ist die Werbung nach §§3, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG wettbewerbswidrig.

1. Die Beklagte hat in ihrer Werbung in der Tageszeitung, ... vom 10.9.2005 unter anderem versprochen, dass die Teilnehmer an ihrem 8-wöchigen und von den Krankenkassen unterstützten "Bauchkurs" bei genauer Befolgung der Anweisungen einfach und leicht, spielerisch und schnell sowie ohne Hungergefühl 15 Pfund am Bauch abnähmen. Als "Beleg" hat sie dazu ein Interview mit der 53-jährigen, ... abgedruckt. Diese schildert dort, dass sie wegen ihres Übergewichts einen Arzt aufgesucht habe, der sie damit schockiert habe, dass ihr Blutdruck und ihre Cholesterin-Werte viel zu hoch seien und dass ihr Übergewicht und der "Schwimmreifen" am Bauch noch unangenehme Folgen für sie haben würden. Die ihr vom Arzt angeratene Diät sei erfolglos geblieben. Die ihr daraufhin verschriebenen Medikamente hätten zwar in kurzer Zeit eine Gewichtsabnahme von 10 kg bewirkt. Nachdem Absetzen der Medikamente habe sie,... aber wieder zugenommen; es sei schlimmer als zuvor gewesen. Dann habe sie an dem "8-Wochen-Bauch-Weg-Kurs"der Beklagten teilgenommen und dabei 15 kg abgenommen, obwohl sie keine Diät gehalten und immer gegessen habe.

In diesem Interview wird dafür geworben, dass der "Bauchkurs" ein wirksames Verfahren zur Behebung oder zumindest Verminderung eines krankhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen - wie Bluthochdruck und überhöhte Cholesterin-Werte - verursachenden und deshalb behandlungsbedürftigen Übergewichts darstellt. Auf die zutreffenden Ausführungen unter 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (Bl. 64 f. d.A.). Es kommt hinzu, dass die Beklagte auch mit der Aussage wirbt, die Kurse würden von Krankenkassen unterstützt. Letzteres ist zweifellos nur dann der Fall, wenn das Übergewicht ein Ausmaß erreicht hat, das gesundheitliche Beeinträchtigungen befürchten lässt. Das Landgericht hat deshalb mit Recht festgestellt, dass auf die Werbung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz) Anwendung findet.

2. Die Werbung ist in mehrfacher Hinsicht wegen Verstoßes gegen Werbeverbote des Heilmittelwerbegesetzes nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig.

a) Nach dem Heilmittelwerbegesetz ist eine irreführende Werbung unzulässig (§ 3 S. 1 HWG). Eine Irreführung liegt u.a. dann vor, wenn Verfahren und Behandlungen Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben, oder wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann (§ 3 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 a HWG).

Die Beklagte erklärt in ihrer Werbung, dass die Teilnehmer an dem "Bauchkurs" mit Sicherheit in 8 Wochen leicht, einfach, spielerisch, schnell und ohne Hungergefühl 15 Pfund am Bauch abnähmen. Während dieses Kurses haben die Teilnehmer nach dem Vortrag der Beklagten wöchentlich dreimal eine Stunde an einem sogenannten HypoxiTrainer zu trainieren und einen bestimmen Ernährungsplan einzuhalten. Der Kläger hat die Richtigkeit der Erfolgsaussage der Beklagten bestritten und unter Vorlage eines Aufsatzes des Hochschuldozenten Dr. (Anlage K 7), eines Gutachtens des Professors Dr.... (Anlage K 8), einer Diplomarbeit des ... (Anlage K 9), eines Auszugs aus dem Werk "Ernährungsmedizin" (Anlage K 10), eines Gutachtens des Prof. Dr. ... (Anlage K 11) und eines Gutachtens des Prof. Dr. (Anlage K 12) vorgetragen, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Gewichtsabnahme bzw. ein Fettabbau nicht gezielt an einem Körperteil erreicht werden könne, schon gar nicht ohne Diät mit damit einhergehenden Hungergefühlen. Angesichts dieses Vorbringens hätte es der Beklagten - da es um eine gesundheitsbezogene Werbung geht - oblegen, die wissenschaftliche Absicherung ihrer Werbeaussage zu beweisen (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 UWG Rdnr. 2.95). Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter 2. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 65 - 69 d.A.), denen sich der Senat anschließt, Bezug genommen. Dass der Beweis der wissenschaftlichen Absicherung nicht durch die Vernehmung der benannten Zeugen geführt werden kann, die nach der Behauptung der Beklagten mittels des "Bauchkurses" Gewicht in unterschiedlichem Ausmaß verloren haben sollen (S. 9 der Berufungsbegründung, Bl. 86 d.A.; in welchen Zeiträumen die Gewichtsabnahmen stattgefunden haben, gibt die Beklagte nicht an), bedarf keiner näheren Ausführungen.

Da die Beklagte nicht bewiesen hat, dass der beworbene "Bauchkurs" in 8 Wochen zu einer, Gewichtsabnahme am Bauch von 15 Pfund führt und dieser Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann, ist ihre Werbung irreführend i.S.v. § 3 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 a HWG.

b) Die Werbung verstößt außerdem gegen das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG.

Nach dieser Vorschrift darf außerhalb der Fachkreise u.a für Verfahren und Behandlungen nicht mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf geworben werden. Unter "Krankengeschichten" sind nicht nur patientenbezogene Aufzeichnungen des behandelnden Arztes zu verstehen. Vielmehr kann die Krankengeschichte in Form, einer redaktionell aufgemachten Anzeige in eine "Story" eingebettet werden, etwa so, dass der Kranke in die Rolle eines die Dinge jetzt überblickenden Erzählers schlüpft (Gröning, Heilmittelwerberecht, § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG Rdnrn. 3 und 4). Vorliegend stellt das Interview mit ... eine solche Krankengeschichte - Schilderung eines früher vorhandenen behandlungsbedürftigen Übergewichts und dessen Beseitigung mittels des "Bauchkurses" - dar, mit der nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG nicht geworben werden darf. Dass in dem Interview nicht der volle Nachname der ... genannt wurde, ist dabei ohne Bedeutung (vgl. Gröning, a.a.O., Rdnr. 6).

c) Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die Werbung der Beklagten auch gegen § 12 Abs. 1 Nr. 5 b HWG verstieß, weil in ihr im Rahmen des Interviews mit ... mit der bildlichen Darstellung von deren Bauch vor und nach dem "Bauchkurs" geworben wurde ("Vorher und "Nachher"). Das hat aber außer Betracht zu bleiben, weil der Kläger in seinen Klageantrag I. 1. die "Nachher"-Abbildung nicht aufgenommen hat und deshalb ersichtlich sein Unterlassungsbegehren nicht auf diesen Wettbewerbsverstoß stützen will.

c) Da das Heilmittelwerbegesetz dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Verbraucher und ihrer Gesundheit zu regeln (vgl. Harte/Henning/v. Jagow, UWG, § 4 Nr. 11 Rdnr. 95 und Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 UWG Rdnrn. 11.134 und 11.135), ist die beanstandete Werbung der Beklagten wegen der Verstöße gegen § 3 HWG und § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig.

3. Die Werbung ist auch nach §§ 3, 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UWG wegen Irreführung wettbewerbswidrig.

a) Dass die Behauptung, mittels des "Bauchkurses" könnten mmit Sicherheit innerhalb von Wochen 15 Pfund am Bauch abgenommen werden, irreführend ist, ist vorstehend bereits unter II. 2. a) ausgeführt worden.

b) In der Überschrift und zu Beginn des Interviews mit ... wird die Behauptung aufgestellt, der Gewichtsverlust trete "ganz ohne Diät" und Verzicht ein. Das trifft nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht zu. Diese hat vorgetragen, neben dem Training mit dem HypoxiTrainer hätten die Kursteilnehmer einen bestimmten Ernährungsplan einzuhalten. Dieser Plan sieht - so die Beklagte - folgende Nahrungsmittelaufnahme vor:

5-7 Scheiben Brot am Tag,

Reis, Kartoffeln oder Nudeln am Tag (250 g gekocht),

3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst am Tag (eine Portion ist soviel, wie die eigene Hand fasst),

ein halber Liter Milch am Tag oder ein entsprechendes Milchprodukt,

3 Eier in der Woche incl. versteckte Eier,

600 g Fleisch- und Wurstwaren in der Woche,

1 - 2 Fischmahlzeiten in der Woche,

50 - 60 g Fett am Tag incl. das versteckte Fett in Wurstwaren, Käse und Gebäck für Frauen und Männer etwas mehr Fett am Tag zum Gewicht halten (25 - 30 g Fett am Tag zum Abnehmen),

ein kleines Genussmittel in Form von Chips, Schokolade, Gebäck (muss in den Fetthaushalt eingerechnet werden).

Dass es sich dabei um eine mit Verzicht verbundene Diät handelt (insbesondere, was den Verzehr von Fleisch, Wurst und Fett angeht), kann nicht zweifelhaft sein.

c) Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass zumindest eine nicht unerhebliche Anzahl der Kursteilnehmer bei Einhaltung dieser Diät entgegen der Werbung der Beklagten Hungergefühle verspürt. Eine Reduktionsdiät wie die vorliegende ist grundsätzlich mit dem Auftreten von Hungergefühl verbunden (Bundesinstitut für Risikobewertung MD Sonderheft III, S. 119 ff., 124; Landgericht Hamburg, MD 2007, 190; siehe auch die Anlage K 11).

d) Schließlich ist auch die Werbebehauptung der Beklagten, die versprochene Gewichtsabnahme sei einfach, leicht und spielerisch zu erreichen, unrichtig und deshalb irreführend.

Nach dem Vortrag der Beklagten müssen die Kursteilnehmer dreimal wöchentlich eine Stunde lang mit dem HypoxiTrainer arbeiten. Außerdem haben sie die beschriebene Diät einzuhalten. Angesichts dessen kann von einfach, leicht und spielerisch nicht die Rede sein.

4. Die für das Unterlassungsbegehren des Klägers erforderliche Wiederholungsgefahr ist wegen des begangenen Wettbewerbsverstoßes zu vermuten (Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rdnr. 1.33).

Die Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

5. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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