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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 10.12.2001
Aktenzeichen: 4 U 132/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO §§ 3 ff.
ZPO § 546 Abs. 1 S. 2
BGB § 847
BGB § 847 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 132/01

Verkündet am 10. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Schmerzensgeldes.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des Landgerichts Coburg vom 30. Mai 2001 in Ziffer 1 abgeändert.

II. Der Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 250.000,-- DM zu bezahlen.

Im übrigen wird die Schmerzensgeldklage abgewiesen.

III. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Beschwer beider Parteien beträgt jeweils 50.000,-- DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird in Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die (beschränkte) Berufung des Beklagten gegen das Teil- und Grundurteil des Landgerichts Coburg vom 30.5.2001 ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO). Sie hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Senat bemißt die Höhe des vom Beklagten an den Kläger zu zahlenden Schmerzensgeldes aus der ärztlichen Fehlbehandlung vom Juni 1997 auf 250.000,-- DM und weist die Schmerzensgeldklage im übrigen ab.

II.

Was die Schilderung der Folgen der ärztlichen Fehlbehandlung in Form des Diagnosefehlers (Krankenhaus- und Rehaaufenthalt sowie Form, Umfang und Grad des lebenszeitlichen Behinderung des Klägers) anbelangt, wird zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf den Tatbestand (S. 3 - 4) und die Entscheidungsgründe (S. 10 - 11) des Ersturteils des Landgerichts Coburg Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Trotz der enormen Leiden und des Grades bleibender Behinderung des Klägers hält der Senat im Ergebnis seiner Ermessensabwägung nach § 847 BGB i.V.m. § 287 ZPO ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000,-- DM für erforderlich, notwendig und angemessen und setzt damit den vom Landgericht ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrag um 50.000,-- DM herab.

Dabei hat der Senat den Umfang der klägerischen Beschwerden und die Dauer seiner stationären Aufenthalte ebenso berücksichtigt wie die Schwere und den Grad der lebenslang verbleibenden Behinderung. Auch die Tatsache rechtskräftig festgestellten groben Verschuldens des Beklagten beim Diagnoseirrtum und das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagtenseite wurden beachtet. Dem Senat ist auch die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung gerichtlich zuerkannter Schmerzensgeldbeträge in Deutschland nicht verborgen geblieben; ebenso ist der schleichenden Geldentwertung durch Inflation und Steigerung der Lebenshaltungskosten Rechnung zu tragen, wenn Vergleiche zu älteren Entscheidungen dieses oder anderer Gerichte gezogen werden.

Gleichwohl ist der Senat davon überzeugt, daß ein Schmerzensgeldbetrag von 250.000,-- DM dem hier zu entscheidenden Fall der Höhe nach gerecht wird. Höhere Schmerzensgeldbeträge sind in Deutschland in vergleichbaren Fällen - soweit erkennbar - nicht ausgeurteilt worden. Beträge über 250.000,-- DM sind bislang in vergleichbaren Fällen lediglich bei vollständigen Querschnittslähmungen mit Harn- und Darminkontinenz und/oder Impotenz, schweren Gehirnschäden mit vollständiger Tetraparese (Lähmung aller Extremitäten) oder Schädel-, Hirn-Traumata mit Querschnittslähmung und Hirnschädigung oder apallischen Syndromen zuerkannt worden (vgl. die Ziff. 2667 - 2685 der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm, ADAC-Verlag mit den dort zugrundeliegenden Entscheidungen und Slizyk, Beck'sche Schmerzensgeldtabelle, 3. Aufl., S. 254 - 265 m.w.N.).

Der hier vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich davon jedoch in entscheidenden Punkten:

Beim Kläger liegt keine hirnorganische Störung vor, er kann vernünftige Gedanken fassen und sich normal artikulieren. Der Kläger hat zwar eine Tetraspastik und eine Polyneuropathie, er kann sich jedoch gleichwohl aus eigener Kraft mittels einer Gehhilfe (Gehwagen) über kürzere Strecken selbst fortbewegen, in Begleitung auch über mehr als wenige Meter innerhalb der Wohnung.

Er kann - wovon sich der Senat in der Sitzung vom 10.12.2000 vergewissern konnte - seine Arme relativ frei bewegen und diese Bewegungen zielgerichtet koordinieren.

Er hat Willkürkontrolle über seine Blasen- und Darmentleerungsfunktionen; auch die Sexualfunktion ist erhalten geblieben.

Die epileptischen Anfälle können zur Zeit medikamentös beherrscht werden.

Damit ist zwar der Kläger auf Lebenszeit auf fremde Hilfe und erhebliche Mengen verschiedenster Medikamente angewiesen, leidet nach wie vor unter erheblichen Schmerzzuständen und kann seine Körperfunktionen nur eingeschränkt nutzen. Er hat aber nicht die gravierenden und totalen, irreversiblen Ausfälle des Gehirns, der Bewegungs- und Fortbewegungsmöglichkeit und der Blasen- und Darmentleerungsfunktionen, wie dies in den genannten Vergleichsfällen anderer Gerichte der Fall war, in denen Schmerzensgeldbeträge von über 250.000,-- DM ausgeurteilt wurden.

Der Senat betont ausdrücklich, die Tragik des klägerischen Schicksals angesichts seines Alters und die Schwere seines Leidensweges nicht zu verkennen, sieht sich jedoch aus Rechtsgründen gehindert, ein höheres Schmerzensgeld als 250.000,-- DM zuzusprechen, um den Ausgleichs- und Genugtuungsgedanken des § 847 Abs. 1 BGB Genüge zu tun.

III.

Die Kostenentscheidung erster Instanz bleibt dem Schlußurteil vorbehalten. Für die Berufungsinstanz werden die Kosten in Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufgehoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer wird nach §§ 546 Abs. 2 S. 1, 3 ff. ZPO festgesetzt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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