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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 17.06.2005
Aktenzeichen: 6 U 56/04
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 169
HGB § 169 Abs. 1
BGB § 488 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 56/04

Verkündet am 17. Juni 2005

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 18. November 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Am 9.6.1969 gründeten die drei Maurermeister ..., ... und ... die Transportbeton ... GmbH & Co.-KG, nachdem sie zusammen 1965 bereits die Komplementär GmbH gegründet hatten.

Die Klägerin fordert nun Auszahlung eines Gewinnanteils als Kommanditist in. Die Klägerin und die zwei in der Parteibezeichnung der Klageschrift genannten Geschäftsführer ... und ... sind Kommanditisten der GmbH & Co. KG. Durch Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 2.5.1985 trat die Klägerin an die Stelle ihres Vaters in die KG ein. Die Beklagte erwirtschaftete im Jahr 2002 Gewinn, von dem auf die Klägerin ein Anteil von 43.309,89 EURO entfiel. Ihr Gewinnanteil zum 31.12.2002 belief sich zusammen mit zuvor stehen gelassenen Gewinnen aus den Vorjahren auf 54.461,99 EURO. Durch Verlust im Jahr 2003 und durch Entnahmen verringerte sich der Gewinnanteil der Klägerin zum 31.12.2003 auf insgesamt 36.073,78 EURO, der Klagesumme.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe keine rechtlich wirksame, abweichende und damit sie bindende Beschlussfassung über die Gewinnverwendung in der KG getroffen; eine Beschränkung ihres Anspruchs aus § 169 Abs. 1 HGB auf Gewinnauszahlung sei im Gesellschaftsvertrag nicht bzw. nicht wirksam vorgenommen worden. Das Stehenlassen des Gewinnanteils aus dem Jahr 2002 genüge auch nicht für ein Vereinbarungsdarlehen. Im Übrigen sei im Schreiben vom 8.3.2004 eine Kündigung gemäß § 488 Abs. 3 BGB zu sehen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 36.073,78 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 29.6.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, die "Entnahmen der Gesellschafter bzw. die Gewinnausschüttung der Gesellschafter" würden von Jahr zu Jahr durch Gesellschafterbeschluss geregelt; der Satzung entsprechend sei jeweils Vorsorge getroffen worden, dass alle drei Gesellschafter gleichmäßig behandelt werden. Seit Jahren sei durch einheitliche oder zumindest durch Mehrheitsbeschlüsse die Entnahme jeweils geregelt worden, zuletzt für das Jahr 2002 mit 4.000,-- EURO für jeden Kommanditisten, für 2003 mit 5.008,33 EURO und für 2004 gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 9.3.2004 mit 3.000,-- EURO.

Die Beklagte führt weiter aus, dass die gleichmäßige Gewinnauszahlung an alle drei Gesellschafter die Beklagte unweigerlich in die Insolvenz führen würde. Der Verzicht der Mitgesellschafter auf eine höhere Ausschüttung als durch die Gesellschafterversammlung jeweils beschlossen sei erforderlich, um das Fortbestehen der Gesellschaft zu sichern.

Das Landgericht Coburg hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen, weil die Klägerin derzeit keinen höheren Ausschüttungsbetrag verlangen könne als in der Gesellschaftsversammlung beschlossen. Dies begründet das Landgericht unter Verweis auf § 17 Abs. 4 und 6 des Gesellschaftsvertrages der KG.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Ziele mit derselben Argumentation weiter verfolgt:

Die Satzung der KG ändere die grundsätzliche Gewinnverwendungsvorschrift des § 169 HGB im dafür entscheidenden § 17 des Gesellschaftsvertrages aus dem Jahre 1969 (vgl. Anlage K 1) nicht ab, Gewinne seien daher im Verhältnis der Kapitalanteile auszuschütten, sofern sie nicht zur Bildung von Rücklagen oder zur Abschreibung verwendet würden, was nicht der Fall gewesen sei. Es sei auch weder der Ausschüttungsbetrag seitens der Klägerin bis zum Jahresende "nicht entnommen" worden noch in ein langfristiges Darlehen umgewandelt worden, denn im Gegensatz zum GmbH-Gesellschaftsvertrag sehe der KG-Gesellschaftsvertrag dies gar nicht vor.

Die anders lautenden Gesellschaftsversammlungsbeschlüsse, die die Höhe der Entnahme gegen die Stimme der Klägerin bestimmten, verstießen gegen § 17 des Gesellschaftsvertrages, wobei § 17 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages seinerseits unwirksam sei, weil er zu unbestimmt formuliert und daher keine wirksame Beschränkung der Rechte des Kommanditisten aus § 169 HGB sein könne. Zudem fänden die Gesellschafterbeschlüsse auch in § 17 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages keine ausreichende gesellschaftsvertragliche Grundlage, weil dort keine hier einschlägige Verwendungsbestimmung bezüglich nicht entnommenen Gewinns verankert sei. Die Entnahmebeschlüsse seien daher unwirksam, also für die Klägerin nicht bindend; stattdessen sei der Gewinn nach § 169 HGB zu verteilen.

Hilfsweise stützt sich die Klägerin erneut auf ein - mittlerweile wirksam gekündigtes - Gesellschafterdarlehen. Eine Beschränkung des Kündigungsrechts sei insoweit ebenfalls unwirksam, weil sie nicht im Gesellschaftsvertrag verankert sei.

Die Klägerin beantragt in zweiter Instanz:

Aufhebung des Ersturteils des Landgerichts Coburg und Zahlung von 36.073,78 EURO nebst Zinsen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verweist auf den Zusammenhang von § 17 Abs. 4, 5 und 6 des Gesellschaftsvertrages, die so ausgelegt werden müssten, dass sie Wirksamkeit erlangten und die Handhabung auch in den vergangenen Jahren rechtfertigen würden. So seien die Gewinnverteilungen durch Gesellschafterbeschluss erfolgt und anschließend auf den Privatkonten der Gesellschafter gebucht worden. Nicht entnommener Gewinn bleibe daher automatisch als Kapitalanteil bei dem jeweiligen Gesellschafter stehen. Die Buchungssysteme von DATEV bezeichneten diese Kontengruppe mit der Überschrift "Gesellschafterdarlehen", obwohl sie tatsächlich Eigenkapitalcharakter hätten. Dies zeige auch die bisherige Buchungs- und Bilanzierungspraxis. Damit fänden die einschränkenden Gesellschafterbeschlüsse über die Gewinnentnahme sehr wohl - wie auch in der Vergangenheit geübt - in § 17 des Gesellschaftsvertrages ihre rechtliche Grundlage.

Zudem wiederholt die Beklagte ihre Argumentation, dass die Auszahlung der Gewinnanteile an die Klägerin und dementsprechend nach Gleichbehandlungsgrundsätzen auch an die anderen Kommanditisten der KG dieser soviel Liquidität entziehen würde, dass dies unweigerlich in deren Insolvenz führen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat vollinhaltlich auf den schriftsätzlichen Parteivortrag und den Akteninhalt. Der Senat hat keinen Beweis, erhoben.

II.

Die zulässige (§§ 511 ff., ZPO) Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Endurteil des Landgerichts Coburg ist jedenfalls im Ergebnis richtig.

Der Senat hat allerdings erhebliche Bedenken, ob § 17 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten die Kommanditistenrechte aus § 169 HGB für den hier vorliegenden Sachverhalt wirksam einzuschränken vermag. § 17 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages ist für den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht einschlägig, denn es fehlt ein Bilanzbeschluss, Rücklagenbildung, Abschreibung oder Vortragen auf neue Rechnung liegen ersichtlich nicht vor. Die Bedenken gegen den Wortlaut des § 17 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages ("über die Höhe der jährlichen Entnahmen beschließt die Gesellschafterversammlung") folgen aus den Grundsätzen der Klarheit und der Bestimmtheit der Norm, denn im Gesellschaftsvertrag ist in keiner Weise geregelt, was mit den nicht entnommenen Gewinnanteilen geschehen soll, ob diese den Kapitalanteil erhöhen sollen, auf ein eigenes Gesellschafterkonto gebucht werden oder der Gesellschaft als kurz- oder langfristiges Darlehen zur Verfügung gestellt werden sollen (vgl. im einzelnen hierzu Schlegelberger, HGB, § 168 Rdnr. 16 und § 169 Rdnr. 10).

Selbst wenn man § 17 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages als rechtswirksam anerkennen würde, stellt sich als nächste Frage, ob die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung für die Jahre 2002 bis 2004 inhaltlich wirksam sind. Nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur wären sie es dann nicht, wenn der Minderheitenschutz eines Kommanditisten umgangen würde, wenn das Mindesteinkommen des Kommanditisten unterschritten würde, wenn die Steuerabgeltung nicht gewährleistet wäre oder ungerechte Verteilungsgrundsätze angewendet worden wären.

Bejahendenfalls stellte sich die nächste Frage, was mit den nicht entnommenen Gewinnanteilen geschehen soll. Hierüber schweigt sich nicht nur der Gesellschaftsvertrag sondern auch der Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschafterversammlung aus.

Der Senat muss die geschilderten Rechtsfragen vorliegend jedoch nicht endgültig entscheiden. In allen denkbaren Fallkonstellationen steht dem derzeitig geltend gemachten Auszahlungsanspruch der Klägerin deren gesellschaftsvertragliche Treuepflicht entgegen (vgl. hierzu BGHZ 132, 276; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl., § 122 Rdnr. 9 und § 169 Rdnr. 3 bis 5; Röhricht/Graf von Westphalen, HGB Kommentar, 2. Aufl., § 169 Rdnr. 10 bis 11; Staub, HGB, 4. Aufl., Band 2, § 169 Rdnr. 4; Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch, Band 1, § 169 Rdnr. 13 ff.; Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Band 3, § 169 Rdnr. 7 jeweils m.w.N.).

Die Beklagte hat sowohl in erster wie auch in zweiter Instanz vorgetragen, dass bei Auszahlung aller Gewinnanteile an alle drei Gesellschafter die Kommanditgesellschaft insolvent werden würde; damit steht die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht, d.h. die Pflicht zur Erhaltung der Gesellschaft, der Geltendmachung der Ansprüche auf Gewinnanteilsauszahlung aus dem Jahr 2002 jedenfalls derzeit entgegen. Die Individualinteressen der Gesellschafter müssen den Interessen an der Erhaltung der Gesellschaft dann weichen, wenn die werbend tätige Gesellschaft durch die Auszahlung der Gewinnanteile insolvent werden würde.

Dies ist in erster wie in zweiter Instanz seitens der Klägerin nicht bestritten worden. Da diese gesellschaftsvertragliche Treuepflicht aber nicht uneingeschränkt gilt und auch nicht dazu führen kann, dass die Rechte des Minderheitenkommanditisten über einen längeren Zeitraum nicht geschützt werden, ist die Klage lediglich als derzeit unbegründet abzuweisen. Die Beschränkung der Entnahmerechte des Kommanditisten durch die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht gilt nur vorübergehend und nur soweit der Gesellschaft ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden (wie etwa die Insolvenz) droht (vgl. Literaturhinweise oben).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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