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Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 23.06.2003
Aktenzeichen: 8 U 85/02
Rechtsgebiete: DepotG, BGB
Vorschriften:
DepotG § 7 Abs. 2 | |
BGB § 242 | |
BGB § 172 | |
BGB § 172 Abs. 2 | |
BGB § 405 |
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 23. Juni 2003
in dem Rechtsstreit
wegen Forderung
Der Einzelrichter des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg, Richter am Oberlandesgericht, hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2003
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Hof vom 19. September 2002 abgeändert.
II.
Die Klage wird abgewiesen.
III.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits (ggflls. als Gesamtschuldner).
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger verlangen von der beklagten Anlagegesellschaft Schadensersatz (22.670,77 €) wegen positiver Vertragsverletzung im Zusammenhang mit der Auflösung eines Investmentkontos des (am 28.08.99 verstorbenen) Erblassers aufgrund eines Verkaufsauftrages vom 04.01.2000 (Anlage V - die Echtheit der Unterschrift des Erblassers ist strittig) und der Auszahlung des Guthabens an dessen Vermögensberater.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Anspruch aus pVV eines Geschäftsbesorgungsvertrages aus folgenden Gründen bejaht:
- nach der Beweislastregel des § 7 Abs. 2 DepotG sei davon auszugehen, dass die Eintragungen auf dem Überweisungsauftrag (insb. Auszahlungsanweisung) nicht vom Erblasser stammten,
- die Fälschung der Unterschrift des Erblassers könne dahinstehen, da für die Beklagte jedenfalls eine Blankettfälschung - so sie vorlag - bei Überprüfung des äußeren Erscheinungsbildes (mit der Folge einer Prüfpflicht) erkennbar gewesen sei wegen - der schräg, versetzten Unterschrift,
- der Unterscheidung der Unterschrift von Anlage I (Vergleichsschrift des Erblassers auf Kontoeröffnungformular) und - der Auszahlung an einen Dritten.
Die Beklagte erstrebt die Klageabweisung und begründet ihre Berufung im Wesentlichen wie folgt:
- es liege kein erhebliches Abweichen der Unterschriften vor, weshalb die Beklagte von der Echtheit habe ausgehen dürfen,
- jedenfalls seien die Grundsätze zur "Blankett - Haftung" anwendbar,
- die Unterschrift sei echt, eine Beweisaufnahme sei insoweit zu Unrecht unterblieben (Beweisantritt: Sachverständigengutachten),
- sie habe nur das äußere Erscheinungsbild prüfen müssen,
- eine eingehendere Prüfpflicht bestehe wegen des Massencharakters des Geschäftes nicht,
- die vom Gericht angenommenen. 3 Abweichungen begründeten nicht den Verdacht der Fälschung.
Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels, bieten für das Vorliegen einer Fälschung ebenfalls Sachverständigenbeweis an und verweisen u.a. auf die handschriftliche Anweisung auf der Anlage V (Schriftwechsel über Schöbel).
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).
Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Ergebnis Bl. 129-140 d.A.) und Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 23.06.2003.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. zulässige Berufung hat Erfolg.
Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch nicht zu, weil der Beklagten keine Pflichtverletzung anzulasten ist.
Die Beklagte hat bewiesen, dass die Unterschrift auf dem Verkaufsauftrag vom 04.01.2000 echt ist und vom Erblasser stammt.
1.
Nach der BGH-Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1992, 1264-1266 = WM 1992, 1392-1395 = ZIP 1992, 1071-1073) gilt grundsätzlich folgendes:
Im Überweisungsverkehr trägt nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig die Bank und nicht der Kunde das Risiko, dass Überweisungsaufträge gefälscht oder inhaltlich verfälscht werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1967 - Ib ZR 169/65, NM 1967, 1142; Beschluß vom 25. Januar 1985 - III ZR 138/84, WM 1985, 511; Urteil vom 20. Juni 1990 -XII ZR 93/89, WM 1990, 1280, 1281).
Die Überweisung aufgrund eines gefälschten Überweisungsauftrags steht einer von vornherein fehlenden Anweisung gleich; mangels wirksamen, auf den Bankkunden zurückzuführenden Auftrags ist die Bank zu einer Belastung des Kontos nicht ermächtigt.
Diese grundsätzliche Risikoverteilung lässt sich damit rechtfertigen, dass der Kunde mit einem gefälschten Überweisungsauftrag in aller Regel nicht in Berührung kommt, während die Bank durch sorgfältige Prüfung, ob der Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Eindruck der Echtheit vermittelt, zu einer besseren Beherrschung des Fälschungsrisikos imstande ist (vgl. Canaris Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 368).
Den ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen geführt.
Die dem Gutachter vorgelegenen Vergleichsunterschriften weisen überaus deutliche Übereinstimmungsmerkmale mit der streitgegenständlichen Unterschrift auf (Ziffer 5 des Gutachtens, Bl. 132-137 d.A.).
Lediglich bei der Schriftgröße konnte der Sachverständige eine (marginale) Abweichung feststellen, die nicht ins Gewicht fällt.
Dementsprechend hat der Sachverständige bei seiner Anhörung angesichts von 21 Übereinstimmungsmerkmalen sein "Wahrscheinlichkeitsurteil" berichtigt und im Ergebnis bekundet, dass die fragliche Unterschrift mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" (99%) vom Erblasser stammt.
Dies entspricht auch der (laienhaften) Einschätzung des Gerichts und begründet die zweifelsfreie Überzeugung, dass keine Unterschriftsfälschung gegeben ist.
2.
Die Risikoverteilung ist anders, wenn der Kunde (wie vorliegend der Erblasser) durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand bezüglich der Echtheit des Überweisungsauftrags geschaffen hat, auf den die Bank sich verlassen durfte.
Das Fälschungsrisiko, kann ausnahmsweise den Kunden nach Rechtsscheingrundsätzen treffen, wenn er etwa Überweisungsformulare blanko unterzeichnet oder bewusst unvollständig ausfüllt.
Einen verfälschten Auftrag muss er dann nach den allgemeinen Regeln des Blankettmissbrauchs entsprechend §§ 242, 172, 405 BGB gegen sich gelten lassen (vgl. Canaris aaO Rdn. 370; Kindermann in BuB Rdn. 6/165; Hopt WuB I D 1 3.85; Peterhoff WuB I D I 1.91; OLG Koblenz WM 1984, 206, 208).
Nach den in Analogie, zu § 172 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätzen des so genannten Blankettmissbrauchs muss derjenige, der ein Blankett mit seiner Unterschrift aus der Hand gibt, auch bei einer seinem Willen nicht entsprechenden Ausfüllung des Blanketts den dadurch geschaffenen Inhalt der Urkunde einem redlichen Dritten gegenüber, dem die Urkunde vorgelegt wird, als seine Willenserklärung gegen sich gelten lassen (vgl. BGHZ 40, 65, 68 und 297, 304 f.; 113, 48, 53, jeweils m.w.Nachw.).
Damit soll dem Schutzbedürfnis des redlichen Dritten Rechnung getragen werden, der auf den äußeren Schein und Bestand einer schriftlichen Willenserklärung vertraut, weil er ihr nicht ansehen kann, daß es sich um ein abredewidrig ausgefülltes und in Verkehr gebrachtes Blankett handelt (vgl. BGHZ 40, 305).
Selbst wenn ein solcher "Blankettfall" vorliegen sollte, wäre der Beklagten eine Berufung auf den vom Erblasser geschaffenen Rechtsschein nur dann versagt, wenn sie wegen der vom Landgericht beschriebenen Besonderheiten hätte Nachforschungen bei der Klägerin anstellen müssen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 6. April 1987 - II ZR 101/86 = NJW 1987, 3124, 3126; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 5 Anm. 2 D).
Es müsste also eine Verletzung sich aus dem Depotvertrag ergebender Prüfungspflichten durch die Beklagte vorliegen, was nicht der Fall ist.
Im Überweisungsverkehr gilt der Grundsatz, dass eine Bank ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Prüfung eines Überweisungsauftrags genügt, wenn sie sich davon überzeugt, dass er seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Eindruck der Echtheit erweckt. Die Banken werden im allgemeinen Überweisungsverkehr nur zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern, (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1986 - II ZR 283/85 = NJW 1987, 317, 318 m.w.Nachw.).
Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Depotvertrag.
Die vom Landgericht dargestellten Umstände (vgl. Ziffer I dieser Gründe) sind nicht derart auffällig, das damit eine Nachforschungspflicht der Beklagten zu begründen wäre:
- Eine schräg versetzte Unterschrift ist insbesondere bei alten Menschen nicht unüblich.
- Unterscheidungen bei den Unterschriften hat der Sachverständige nicht festgestellt.
- Auch eine Auszahlung an einen Dritten ist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht unüblich; besondere. Schutzpflichten der Beklagten zugunsten des Erblassers sind weder vorgetragen, noch erkennbar.
III.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus 91 Absatz 1 ZPO (Kosten), 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) und 543 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. (Zulassung der Revision).
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil sie keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat (BGH, Beschl. vom 1.10.2002, XI ZR 71/02, MDR 2003, 104-107 = ZIP 2002, 2148-2152 = WM 2002, 2344-2348 m.w.N.).
Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 1 ZPO), weil der Fall keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (Wenzel, a.a.O. <3355> unter Hinweis auf BGH NJW 2002, 3029).
Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, (§, 543 Abs. 2 Nr. 2, Alt.2 ZPO), weil dies nur dann der Fall ist, wenn es zu vermeiden gilt, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im ganzen hat (BGH a.a.O.).
Ende der Entscheidung
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