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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Urteil verkündet am 08.02.2001
Aktenzeichen: 2 U 126/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847
BGB § 1004
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt.
BGB § 823
BGB § 830
StGB § 185
StGB § 186
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 2 U 126/00 Landgericht Braunschweig 9 O 1706/99 (253)

Verkündet am 8. Februar 2001

Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

Im Namen des Volkes Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Schmerzensgeldzahlung und Unterlassung der Veröffentlichung

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2001 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 05. Juli 2000 auf die Berufung der Beklagten dahingehend abgeändert, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Klägerin: 25.000.- DM.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Auf die zulässige Berufung der Beklagten hin war das Urteil des Landgerichts Braunschweig insoweit abzuändern, als es teilweise nach den Anträgen der Klägerin erkannt hat. Die gleichfalls zulässige Berufung der Klägerin ist dagegen nicht begründet.

Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 15.000.- DM und auf Unterlassung der Verbreitung des Buches "Gestirnter Himmel", soweit die Klägerin darin mit ihrem Vornamen "G" erwähnt ist, aus §§ 823 Abs.1, 2 BGB i.V.m. 185, 186 StGB, 847, 1004 BGB in entsprechender Anwendung. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von 5.000.- DM unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung um ersparte Lizenzgebühren aus § 812 Abs.1 Satz 1, 2. Alt. BGB ist nicht gegeben.

Daß durch §§ 823, 847, 1004 BGB in entsprechender Anwendung auch das aus Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht - Individual- oder Sozial-, Privat- und Intimsphäre des Einzelnen - geschützt ist, ist allgemein anerkannt (vgl. nur Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., Rz. 176ff, bes. 177f; BGHZ 13, 334, 337f). Hier kommt lediglich eine Verletzung der Privat-, nicht aber der Intimsphäre der Klägerin in Betracht. Die Abgrenzung richtet sich bei der Veröffentlichung von Tatsachen aus dein sexuellen Bereich danach, in welchem Umfang Details zur Sprache gebracht werden; nicht jede Mitteilung mit Bezug zum Sexualverhalten eines Menschen ist schlechthin der Intimsphäre zuzuordnen. Die bloße Mitteilung, daß jemand mit einem Partner eine außereheliche geschlechtliche Beziehung unterhalten habe, verletzt danach noch nicht den absolut geschützten Bereich der Intim-, sondern nur denjenigen der Privatsphäre. Das kann sogar dann noch gelten, wenn eine bestimmte Art des sexuellen Verkehrs erwähnt wird, wie etwa gleichzeitiger Verkehr mit mehreren Partnern, ohne daß einzelne Handlungen näher beschrieben werden. (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 91, 98; Löffler/Ricker, Hdb. des Presserechts, 4. Aufl., § 42 Rz.17; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rz. 5.41, jeweils m.w.N.). Auch die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (NJW 99, 2893, 2894) ordnet deshalb die Veröffentlichung des ehebrecherischen Verhaltens eines Prominenten gerade nicht der Intim-, sondern in Übereinstimmung mit der Vorinstanz lediglich der Privatsphäre zu, weil nicht Einzelheiten des Sexualverhaltens beim Ehebruch geschildert worden seien, sondern lediglich die Tatsache als solche. Erst recht berührt dann lediglich die Privatsphäre die Veröffentlichung der Tatsache, daß aus einer außerehelichen Beziehung ein Kind hervorgegangen sei, weil dadurch auch Belange der Gemeinschaft berührt werden und andernfalls Klage auf Unterhalt oder Feststellung der Vaterschaft von vornherein unzulässig wären (vgl. OLG Hamburg aaO; Löffler/Ricker aaO). Teilweise wird dies inzwischen sogar nur der noch weniger geschützten Sozialsphäre zugeordnet (vgl. Wenzel aaO Rz.5.44).

So aber steht die Sache auch hier. Die beanstandeten Textstellen vermittelten entgegen der Auffassung des LG keine Einzelheiten aus dem Geschlechtsleben der Klägerin, wie besondere sexuelle Praktiken oder dergleichen, sondern nur jeweils die Tatsachen des außerehelichen Verkehrs mit dem Bekl. zu 3., desjenigen daneben mit anderen Männern und desjenigen später mit dem Ehemann ihrer Tochter.

So umschreibt die Passage in Absatz 2 auf S. 341

J nahm G in die Arme, sie wehrte sich nicht. Er drängte sich an ihren weichen Körper, G kam ihm entgegen. Verschwommen erschien I vor seinem inneren Auge, verwandelte sich in G. Das Bild löste sich auf, als Erregung ihn erfaßte. G wurde ein Verhältnis. Ohne Leidenschaft, ohne Liebe und von kurzer Dauer.

lediglich in romanhafter Sprache den sexuellen Kontakt des Beklagten zu 3. mit der damals achtzehnjährigen Klägerin. Dabei deuten die letzten Sätze ersichtlich an, es sei nach der zuvor beschriebenen Tanzveranstaltung schließlich zum Geschlechtsverkehr gekommen, ohne daß jedoch dessen Einzelheiten oder gar im besonderen das Verhalten der Klägerin hierbei im Detail geschildert und hervorgehoben würden. In der gleichen erzählenden Form wird auf S. 342-344, 352-353 auf einer Länge von insgesamt etwa zwei Textseiten wiederum ohne Anführung besonderer intimer Details berichtet, daß diese in der Folgezeit eine Tochter namens Ulrike bekommen und von dem Beklagten zu 3. zunächst die Heirat und sodann im Rechtsstreit Vaterschaftsfeststellung und Unterhaltszahlung begehrt habe, wobei der Prozeß weitere drei Jahre später tatsächlich auf Grund eines Gutachtens zu Lasten des Beklagten zu 3. ausgegangen sei.

Anders ist auch nicht die zweimal (S. 341 Mitte, 342 unten) ganz knapp erwähnte Aussage anderer gegenüber dem Beklagten zu 3. zu werten, die Klägerin habe während der Zeit ihres "Verhältnisses" mit dem Beklagten zu 3. noch mit andere Männern Geschlechtsverkehr gehabt. Wenn aber weder die Information über den außerehelichen Verkehr als solche noch diejenige über den gleichzeitigen Verkehr mit mehreren Partnern die Intimsphäre verletzt, können die vorgenannten Äußerungen erst recht nicht weiter als bis in die Privatsphäre der Klägerin eingreifen. Ebenso enthält die beanstandete Schilderung auf S. 381-385 außer der die Klägerin nicht selbst betreffenden Aufnahme des Kontakts ihrer Tochter mit dem Beklagten zu 3. nur in zwei knappen Äußerungen im Gespräch beider (S. 383, insgesamt fünf Zeilen) den Hinweis auf außerehelichen sexuellen Verkehr der Klägerin mit dem Ehemann ihrer Tochter. Die Sätze

"Ich habe eine Tonbandaufnahme", flüsterte U. "Du kannst sie hören, Papa. Es ist entsetzlich. In unserem Schlafzimmer ... Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll."

sparen dabei ersichtlich bewußt Details des sexuellen Verhaltens gerade aus.

Schließlich gibt auch der dem Buch beigefügte Stammbaum des A J (S. 400) lediglich die familiären Beziehungen der im Buch erwähnten Personen in der üblichen graphischen Form wieder. Die genannten Textstellen greifen nach alledem lediglich in die Privatsphäre der Klägerin ein.

Das in Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1 GG enthaltene Recht auf Privatsphäre ist jedoch anders als dasjenige auf Intimsphäre nicht absolut geschützt. Der Eingriff kann vielmehr nach dem Prinzip der Güter- und Interessenabwägung rechtmäßig sein (vgl. nur Palandt/Thomas aaO Rz. 185 m.w.N.). Die Rechtmäßigkeit kann sich hier zwar nicht aus dem nur für die Pressefreiheit einschlägigen Gedanken des "Rechts der Öffentlichkeit auf wahrheitsgemäße Information" ergeben, wohl aber aus dem Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs.3 GG. Es kann außer von dem Beklagten zu 2. als Autor des Buches auch von dem Beklagten zu 1. als dem Verleger (vgl. BVerfGE 30, 173, 189 = NJW 71, 1645, 1646: BGH NJW 80, 2810, 2811) und auch von dem ggf. als Auftraggeber und Informant gem. § 830 BGB mithaftenden (vgl. BGH NJW 73, 1460, 1461) Beklagten zu 3. in Anspruch genommen werden.

Grundsätzlich unterfällt das von dem Beklagten zu 2. über das Leben des Beklagten zu 3. verfaßte Buch "Gestirnter Himmel" nach dem unstreitigen Parteivortrag als Kunstwerk dem Schutzbereich des Art. 5 Abs.3 GG. Das Buch soll insgesamt - wohl unstreitig als Auftragsarbeit, ohne daß es hierauf entscheidend ankäme - einen Roman über das Leben des Bekl. zu 3. unter "geringe[n] Änderungen" gegenüber der Wirklichkeit "aus dramaturgischen Gründen" (so das Nachwort S. 399) darstellen. Es ist auch nicht etwa wegen der Geringfügigkeit der Änderungen in Wahrheit als Biographie anzusehen, was die Anwendung von Art. 5 Abs.1, 2 zur Folge haben könnte (so etwa OLG Stuttgart NJW 76, 628, 629f unter Hinw. auf Stein, NJW 71, 1648, 1649). Denn die Klägerin trägt nichts vor, was entgegen dem Inhalt des Nachworts an der Romannatur des Werks zweifeln und auf lediglich äußerlich in künstlerische Form gekleidete Verbreitung von Tatsachenbehauptungen schließen ließe. Es kommt auch nicht darauf an, inwieweit das Werk künstlerischen Ansprüchen tatsächlich genügt, die Kunstfreiheit kann auch ein solches ohne besondere Gestaltungshöhe für sich in Anspruch nehmen (vgl. BVerfG NJW 87, 2661; BGH NJW 75, 1882, 1883f; OLG Stuttgart NJW 89. 396). Die allein objektive Eignung eines Textes als Vorwurf gegen den Verletzten hat noch nicht den Entfall des Schützes der Kunstfreiheit zur Folge; sie bewirkt lediglich, daß das Interesse des Betroffenen an wahrheitsgetreuer Darstellung höher zu bewerten ist (vgl. BVerfGE 30,173,195; BGH NJW 75,1882,1883; BGH NJW 83,1194; OLG Stuttgart NJW 89, 396. 397).

Für das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs.3 GG gelten - anders als gegenüber der in Art. 5 Abs.1 GG gewährten Pressefreiheit - grundsätzlich nicht die Schranken der Art. 5 Abs.2, Art. 2 Abs.1 Hs.2 GG, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz (vgl. BVerfGE aaO 191f; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Rz. 54 zu Art.5 Abs. 3). Andererseits erzielt das erzählende Kunstwerk unter Umständen nicht nur wie immer geartete ästhetische, sondern bei Einarbeitung realer Vorgänge daneben auch "sozialbezogene" Wirkungen, die die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte anderer aus Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1 GG berühren können, hier im besonderen das Recht der Klägerin auf Schutz ihrer Privatsphäre. Die Lösung des Konflikts und damit die Antwort auf die Frage, ob eine zu Unterlassung und Schadensersatz verpflichtende. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines anderen vorliegt, besteht aus einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Wirkungen des Werks im außerkünstlerischen Sozialbereich ebenso wie kunstspezifischer Gesichtspunkte. Sie muß auch dem künstlerischen Anspruch des Werks selbst Rechnung tragen; hat der Künstler erkennbar kein künstlerisch verselbständigtes, objektiviertes "Abbild" des "Urbildes" gezeichnet oder zeichnen wollen, sondern lediglich ein Porträt des "Urbildes", so kommt es auf das Ausmaß der Verfremdung und. Umfang und Bedeutung der Verfälschung für den Ruf des Betroffenen an (vgl. BVerfGE aaO 195; im Anschluß daran BGH NJW 75, 1882, 1883; 83, 1194; OLG Stuttgart NJW 89, 396, 397; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz aaO Rz.57).

Die somit erforderliche Abwägung führt zu dem Ergebnis, daß der Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin nicht als rechtswidrig anzusehen ist. Die beanstandeten Schilderungen in bezug auf die Klägerin - daß sie 1956 außerehelichen Verkehr mit dem Bekl. zu 3. gehabt, ein Kind von ihm bekommen, gleichzeitig auch mit anderen Männern verkehrt und später ein Verhältnis mit dem Ehemann ihrer Tochter begonnen habe - sind von der Kunstfreiheit auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin gedeckt. Die gewählten Äußerungen sind entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

Der Senat verkennt nicht, daß die Mitteilung der genannten Tatsachen aus der Privatsphäre der Klägerin grundsätzlich geeignet ist, zumindest zeitweise bei denen für Gesprächsstoff zu sorgen, die die Klägerin kennen. Das gilt vor allem für ihr unmittelbares Umfeld, d.h. ihren Wohnort und ihren Bekanntenkreis. Es liegt auf der Hand, daß die Erwähnung der Klägerin in einem allgemein erhältlichen Buch sich gerade in einem kleinen Dorf wie Wollershausen auch heute noch schnell herumspricht. Damit haben der Autor eines Romans, der Verleger und der Stofflieferant - hier der Beklagte zu 3. - grundsätzlich zu rechnen.

Auf der anderen Seite kann jedoch in Anbetracht des bescheidenen Anspruchs des vorliegenden Werks als Roman über das Leben des Beklagten zu 3. eine durch den Zusammenhang motivierte knappe Erwähnung des Verhaltens der Klägerin ohne weitergehende Charakterisierung nicht rechtswidrig sein, zumal die Klägerin selbst nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Erst recht gilt dies, wenn man den Zeitablauf zwischen geschilderten Ereignissen und Veröffentlichung sowie des Wertewandels seitdem berücksichtigt. Denn für die Frage, ob eine Rechtsgutsverletzung durch das streitige Werk vorliegt, kann es entgegen dem bei der Klägerin erkennbaren Verständnis nur auf die Sichtweise zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches - 1998 - ankommen.

Das streitbefangene Buch des Beklagten zu 2. sollte seiner Thematik nach kein "Porträt" der Klägerin zeichnen. Es ist erst recht nicht als "Schlüsselroman" zu verstehen. Der Verfasser behauptet gar nicht, mit real existierenden Personen nicht identische Kunstfiguren vorzustellen, die den Leser in Wirklichkeit gezielt etwa auf sozial negativ bewertete Verhaltensweisen oder Charaktereigenschaften einer Person stoßen sollen, erst recht nicht auf solche der Klägerin. Anhaltspunkte für das, Vorliegen eines Falles, welcher mehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesse stehen könnte, wie etwa derjenige von sexuellen Beziehungen eines katholischen Geistlichen zu einer verheirateten Frau (vgl. dazu BGH NJW-RR 88, 7330, sind nicht ersichtlich. Es geht um den Lebensweg des Beklagten zu 3. in der Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, zuletzt in der Gegend um als Flüchtling aus den ehemals deutschen Ostgebieten, der sich dort eine Existenz aufbaut. Er ist - ebenso wie die Klägerin selbst - weder eine Person der Zeitgeschichte, noch steht er in sonstiger Weise im Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Die Erwägung der Klägerin in diesem Zusammenhang, bereits mit dem Absatz eines Teils der behaupteten Auflage von 1.000 Exemplaren seien ohne weiteres alle Einwohner ihres Wohnorts zu erreichen, ändert daran nichts. Die Klägerin behauptet selbst nicht, das Werk sei gezielt in beworben oder gar tatsächlich verkauft worden, etwa um die Bekanntheit der Klägerin oder des Beklagten zu 3. wenigstens dort auszunutzen, sondern im Gegenteil, daß es auch im gewöhnlichen Buchhandel nur auf gesonderte Bestellung zu erhalten sei.

Innerhalb des Themas stellt die Klägerin eine Randfigur dar, deren Auftreten nur aus Sicht des und in den Wirkungen auf den "Romanhelden" auf insgesamt 11 von 398 Seiten erwähnt wird. Die oben wiedergegebene Darstellung der Ereignisse, soweit die Klägerin beteiligt war (S. 341-344, 352f, 381-385, 400), ist dementsprechend zurückhaltend. Der Beklagte zu 2. hat den Rahmen der Wiedergabe realer Fakten nicht verlassen, um etwa durch Verfremdungen ein künstlerisch verselbständigtes, objektiviertes "Abbild des Urbildes der Wirklichkeit" zu zeichnen. Im Gegenteil hat er die tatsächlichen Vorgänge sachlich unverändert und nicht künstlerisch verfremdet wiedergegeben, soweit sie die Klägerin betreffen.

Die von der Klägerin im Kern beanstandete Erwähnung ihres (Partnerwahl-)Verhaltens vor nunmehr fast 45 bzw. 24 Jahren beschränkt sich an den oben bereits genannten Stellen auf die Nachzeichnung von Geschehensabläufen, an denen die Klägerin beteiligt war, in knappen Strichen aus der Position eines Erzählers. Das konkrete Tun der Klägerin ist - dem G entsprechend allerdings in romanhafter Ausdrucksweise - jeweils nur insoweit angesprochen als es für die Romanhandlung unerläßlich ist, nämlich um das Vorgehen des Bekl. zu 3 zu erklären. Erst recht wird, wie erwähnt, auf die pointierte Beschreibung besonderer sexueller Verhaltensweisen der Klägerin verzichtet. So soll offenbar das kurz S.341 angerissene "Verhältnis" der Hauptfigur zu der Klägerin als Eingeständnis eines dem Alkoholgenuß auf einer Feier entsprungenen Fehlers angesehen werden, dessen als "Folgen dieses Intermezzos" bezeichnete, später ausgeführte Nachwirkungen die Hauptfigur - Vaterschaftsprozeß und Unterhaltsverpflichtung - noch jahrelang belastet hätten, wenngleich ihn seine spätere Ehefrau gestützt habe.

Von einer Hervorhebung des Handelns der Klägerin selbst oder gar einer Bewertung, erst recht von einer bewußt negativen Zeichnung ihres Charakters durch den Autor des Buches kann keine Rede sein. Selbst die von der Klägerin nunmehr im Rechtsstreit angeführte Sichtweise ihres Verhaltens als "Schande" und als Schaden für ihre Ehre nach damaligem Sittenverständnis ist im Text nur in bezug auf ihren eigenen Vater ausgeführt; andere Reaktionen ihrer Umwelt, die Rückschlüsse auf die damalige Bewertung ihres Handelns zugelassen hätten, werden nicht mitgeteilt (S. 342/343). Im Gegenteil wird der Reaktion des Vaters der Klägerin sogleich anschließend die verständnisvolle Haltung der späteren Ehefrau des Beklagten zu 3. gegenübergestellt (S.343/344). Da die Klägerin auch in ihren sonstigen persönlichen Eigenschaften und Handlungen nicht weiter dargestellt wird, bleibt sie eine den Erzähler der Geschichte ersichtlich kaum über ihre bloße Existenz hinaus interessierende Randfigur. Ihre knappe Zeichnung verzichtet im Hinblick auf das Thema des Buches darauf, den Leser speziell zum Nachdenken über "G" selbst zu veranlassen. Das gilt erst recht, wenn man daneben die detailreicheren Schilderungen anderer Beziehungen des Bekl. zu 3. hält (z.B. Kap. 26 "I", bes. S. 312, 315; Kap. 28 "G").

Die Aussagen über die Klägerin betreffen auch nicht etwa ihre besonderen Eigenschaften oder Veranlagungen, sondern ein von ihr seinerzeit beeinflußbares, weil (jedenfalls auch) willensgesteuertes Tun, welches auch tatsächlich so wie geschildert stattgefunden hat. Denn die Darstellung jedenfalls ihrer Handlungen wird nicht durch unwahre oder auch nur verballhornte Behauptungen verfälscht. Daß die die Klägerin betreffenden Tatsachen zutreffend wiedergegeben sind, ist inzwischen weitgehend unstreitig. Soweit die Klägerin nunmehr in zweiter Instanz erstmals den im Buch zweimal angesprochenen Verkehr mit anderen Männern neben dem Beklagten zu 3. im Jahre 1956 als "unwahr" bestreitet, ist dies gem. § 138 Abs.1, 4 ZPO nicht ausreichend. Die Klägerin ist den detaillierten Darlegungen der Beklagten zum Mehrverkehr unter Vorlage von Schriftwechsels aus dem Vaterschaftsprozeß gegen den Beklagten zu 3. nicht weiter entgegengetreten. Sie hat jenen Rechtsstreit selbst betrieben und könnte sich deshalb zu den bereits damals von Zeugen bestätigten Behauptungen vereinzelt äußern. Sie hat insbesondere nicht bestritten, damals in ihrer eigenen Vernehmung schließlich selbst eingeräumt zu haben, im Jahre 1956 auch zu anderen Partnern neben dem Beklagten zu 3. sexuelle Beziehungen unterhalten zu haben.

Im übrigen kann nicht außer Betracht bleiben, daß die in dem 1998 erschienenen Buch "Gestirnter Himmel" geschilderten wahren, inzwischen aber jahrzehntelang zurückliegenden Handlungen der Klägerin nach den Maßstäben des Jahres 1998 zu beurteilen sind. Denn vorher kann das Werk keine rufschädigenden Auswirkungen gehabt haben.

Derartig lange zurückliegende, keine Personen des öffentlichen Interesses betreffenden Ereignisse vermögen auch als "Klatschthema" nur noch von begrenztem, allenfalls vorübergehendem Interesse zu sein, weil sie in der sogenannten "Informationsgesellschaft" von heute naturgemäß bald gegenüber aktuelleren Themen zurücktreten. Hier erweist sich in der Regel der bloße Zeitablauf als heilsam. Daran ändert es nichts, daß die Klägerin in einem kleinem Dorf wohnt und ihr Bekannten- und Freundeskreis sich vorwiegend aus etwa Gleichaltrigen zusammensetzt. Es handelt sich hier um Vorgänge aus einer mehr als eine Generation zurückliegenden Zeit, in der die Klägerin selbst gerade erst 18 Jahre alt war. Ihr "Verhältnis" mit dem Beklagten zu 3. liegt 45, die Geburt ihrer nichtehelichen Tochter 44 Jahre zurück. Diese Vorgänge könnten - bei allem Verständnis für die Sichtweise der Klägerin - objektiv selbst nach damals herrschenden moralischen Maßstäben inzwischen ohne weiteres als "Jugendsünden" abgetan werden. Entsprechendes gilt vom Mehrverkehr der Klägerin in dieser Zeit. Die Tatsache schließlich, daß sie sich unstreitig 1977 dem Ehemann ihrer eigenen Tochter zugewandt hat, kann schon deshalb nicht schwerer ins Gewicht fallen, weil die Klägerin tatsächlich dessen Ehefrau geworden und geblieben ist, wie eine Nachfrage des Senats in der Berufungsverhandlung ergeben hat. Die Klägerin räumt im übrigen selbst ein, die lange zurückliegenden Vorgänge "einigermaßen verarbeitet" zu haben (Schriftsatz vom 25. September 2000 S. 4, Bl. 124 d.A.).

Zudem ist die Klägerin dem Vorbringen der Beklagten nicht entgegengetreten, gerade solchen Personen, welche zusammen mit der Klägerin aufgewachsen sind, müßten die Vorgänge aus jener Zeit schon vor Erscheinen des Buches bekannt gewesen sein. Die Klägerin behauptet selbst nicht, ihre nunmehr im Buch geschilderten Handlungen über vierzig Jahre lang erfolgreich geheimgehalten zu haben, so daß die älteren Einwohner vors ihre Geschichte erstmals aus dem Buch erfahren hätten. Aus diesem Grunde hätte auch die von der Klägerin wenigstens angestrebte Änderung ihres Vornamens nicht weitergeholfen. Denn da die übrigen Personen ebenfalls mit ihrem richtigen Namen bezeichnet und die Ereignisse selbst zutreffend wiedergegeben sind, hätten Personen, die die Klägerin bereits damals kannten, sie auch mit geändertem Namen an Hand der übrigen Fakten sofort identifizieren können.

Überdies ist davon auszugehen, daß bei jüngeren Lesern des Buches, auch im Wohnort der Klägerin, die beanstandeten Textstellen ohnehin nur noch eine zu vernachlässigende Wirkung auslösen könnten. Gerade im Bereich des sexuellen Verhaltens haben sich seit 1956 die sittlichen Maßstäbe dergestalt verschoben, daß von einem Wertewandel gesprochen werden muß. In Anbetracht der zunehmenden Zahl von sog. "Ehen ohne Trauschein" und alleinerziehenden Müttern mit nichtehelichen Kindern könnte sich die Veröffentlichung diesbezüglicher Tatsachen selbst dann nicht mehr in dem von der Klägerin angenommenen Maße rufschädigend auswirken, wenn sie nicht derartig lange zurücklägen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und der Wandel der dahinterstehenden moralischen Vorstellungen der Allgemeinheit müssen deshalb nicht unbedingt zu billigen sein. Sie sind jedoch objektiv eingetreten und würden zu einer nochmals wesentlich milderen Bewertung des Verhaltens der Klägerin in der Anschauung der Öffentlichkeit führen, soweit sie aus dem Buch des Beklagten zu 2. (überhaupt) davon erfährt.

Nach alledem liegt eine zum Schadensersatz und zur Unterlassung verpflichtende rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Beklagte nicht vor.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung in Form von nicht gezahlten Lizenzgebühren von bis zu 5.000.- DM vermag der Senat dem Klagebegehren nicht näherzutreten. Die Voraussetzungen des § 812 Abs.1 S.1, 2. Alt. BGB sind nicht dargetan. Es fehlt - anders als in den von der Klägerin zitierten Entscheidungen (vgl. BGHZ 20, 345, 354f; 81, 75, 81) -, wie dargelegt, bereits an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Abgesehen davon haben die Beklagten auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt. Dazu hätte diese die Möglichkeit haben müssen, den fraglichen Teil ihres Persönlichkeitsrechts anderweitig zu "vermarkten" (vgl. BGHZ 20, 345, 354); eine solche ist hier nicht erkennbar. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Erwähnung als Nebenfigur auf wenigen Seiten eines Buches über ein die Klägerin nur am Rande betreffendes Thema überhaupt einen meßbaren "Lizenz-Verkehrswert" hätte, welcher Bemessungsgrundlage für einen solchen Anspruch sein müßte.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Die gem. § 546 Abs.2 Satz 1 ZPO erforderliche Festsetzung der Beschwer entspricht dem mit Beschluß vom 18. Januar 2001 bereits bestimmten Streitwert.

Ende der Entscheidung

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