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Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Urteil verkündet am 15.03.1999
Aktenzeichen: 2 U 183/98
Rechtsgebiete: RabattG, UWG, ZPO


Vorschriften:

RabattG § 12
RabattG § 1
RabattG § 2
UWG § 1
ZPO § 890
ZPO § 91
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

Geschäftsnummer: 2 U 183/98 LG 22 O 220/98

Verkündet am 15. März 1999

Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Verfahren

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 1999 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts und die Richter am Oberlandesgericht und

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 28. Oktober 1998 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts abgeändert.

Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege einstweiliger Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Kraftfahrzeuge Preisnachlässe von mehr als 3 % des geforderten Barpreises anzukündigen und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies wie in nachfolgender Werbeanzeige gekennzeichnet geschieht:

Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen vorstehendes Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,00, im Falle der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers (im folgenden: Klägers) hat Erfolg. Denn die angegriffene Werbung ist geeignet, bei dem angesprochenen Publikum den Eindruck zu erwecken, daß der Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) bereit ist, für jedes in Zahlung gegebene Altfahrzeug einen Betrag von DM 3.000,00 auf den Neuwagenpreis in Anrechnung zu bringen. Im einzelnen:

1. Der Kläger hat seine Antragsbefugnis (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) glaubhaft gemacht. Soweit es darum geht, ob er nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, ist dies selbst in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit hinein stets bejaht worden (z. B. BGH 26.06.1997 GRUR 1998, 498, 499 - Fachliche Empfehlung III -; 09.10.1997 GRUR 1998, 417, 418 - Verbandsklage in Prozeßstandschaft -). Daß sich an der so beschriebenen Ausgangssituation grundlegendes geändert haben könnte, ist nicht erkennbar.

Darüber hinaus vereinigt der Kläger einen marktrelevanten Mitgliederbestand auf sich. Ihm gehören im Raum Braunschweig/Wolfsburg/Peine fünf Kfz-Händler an, darunter die maßgeblichen Händler der Marken Opel, Ford und Volvo. Außerdem zählt zu seinen Mitgliedern die Audi AG als Kfz-Hersteller, ein Umstand, denen in der veröffentlichten Rechtsprechung stets mit Recht ein besonderes Gewicht beigemessen worden ist (vgl. OLG Köln, 21.02.1996 WRP 1996, 594, 596; OLG Karlsruhe 13.03.1996 WRP 1996, 582, 583). Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist deshalb die Antragsbefugnis des Klägers nicht ernstlich zweifelhaft, soweit es im hiesigen Wirtschaftsraum um den Wettbewerb auf dem Gebiet des Verkaufs von Pkw geht.

Daß Rabattverstöße der in Rede stehenden Art allein schon wegen der ihnen innewohnenden Nachahmungsgefahr die erforderliche Marktrelevanz haben und damit geeignet sind, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen, steht nach den zutreffenden Überlegungen in den genannten beiden Entscheidungen des OLG Köln und des OLG Karlsruhe ebenfalls nicht in Frage.

2. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gem. § 12 RabattG zu, weil er durch die Werbeaussage

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eine Begehungsgefahr für die Ankündigung und die Gewährung eines unzulässigen Barzahlungsrabattes gesetzt hat. Insoweit bestimmt § 1 RabattG, daß im geschäftlichen Verkehr Waren des täglichen Bedarfs im Einzelverkauf an den letzten Verbraucher nur mit den gesetzlich zulässigen Preisnachlässen abgegeben werden dürfen, wobei ein Barzahlungsrabatt, um den es vorliegend geht, nach § 2 RabattG höchstens 3 % des Warenpreises betragen darf. Hiergegen verstößt die angegriffene Werbung. Im einzelnen:

a) Die Rechtsprechungspraxis des Bundesgerichtshofs wie der Oberlandesgerichte sieht seit Jahrzehnten bei Anwendung von § 1 UWG auch Kraftfahrzeuge einhellig als Waren des täglichen Bedarfs an (vgl. Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 20. Aufl., § 1 RabattG Rdnr. 6 sowie Handbuch des Wettbewerbsrechts/Klosterfelde/Jaeger-Lenz, 2. Aufl., § 52 Rdnrn. 62 ff., jew. m. w. N.). Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts, die auf einem abweichenden Vorverständnis und einer abweichenden Begrifflichkeit beruht, hierbei jedoch den Zweck des Rabattverbotes aus den Augen verliert, gibt dem Senat keine Veranlassung, die Diskussion aufzugreifen,

b) Eine Rabattgewährung kann auch darin bestehen, daß bei Inzahlungnahme gebrauchter Gegenstände der in Zahlung genommene Gegenstand nicht mit einem handelsüblichen Verkehrswert, sondern mit einem übersetzen Wert angerechnet wird. In solch einem Fall gewährt der Verkäufer in Höhe der Differenz zwischen dem wirklichen Wert und dem willkürlich überhöhten Anrechnungspreis einen Preisnachlaß im Vergleich zu dem angekündigten oder allgemein geforderten Normalpreis bzw. er bewilligt - was rabattrechtlich auf das gleiche hinausläuft - dem Eintauscher des Gebrauchtwagens einen entsprechend herabgesetzten Sonderpreis (BGH 20.05.1960 NJW 1960, 1853, 1855 - Eintritt in Kundenbestellung -; OLG Karlsruhe 21.12.1988 GRUR 1990, 145, 146; 13.03.1996 WRP 1996, 582, 584). Allein schon die angegriffene Werbung zielt wie der Senat aufgrund der Zugehörigkeit seiner Mitglieder zu den angesprochenen Verbraucherkreisen aus eigener Sachkunde beurteilen kann - bei einem nicht nur unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucherkreise, auf den es auch bei der rabattrechtlichen Beurteilung nur ankommt (BGH 24.02.1978 GRUR 1978, 485, - Gruppenreisen -; 13.05.1977 GRUR 1977, 672, - Weltweit-Club -) darauf ab, die Vorstellung zu wecken, der genannte Anrechnungspreis für einen in Zahlung zu gebenden Altwagen werde gleichsam garantiert. Zwar enthält der Wortlaut der Werbung einen "bis zu"-Hinweis. Jedoch ist der Wortlaut nicht immer entscheidend. Auch eine scheinbar eindeutige Aussage ist nach Maßgabe des allgemeinen Erfahrungswissens auszulegen, wie es bei einem nicht nur unerheblichen Teil des Verkehrs anzutreffen ist. Denn Werbung knüpft zumeist an Bekanntes an, so daß auch die Erfahrungen heranzuziehen sind, die das Publikum mit Werbeaussagen der fraglichen Art gemacht hat. Ein derartiges Erfahrungswissen wiederum kann etwa zur Folge haben, daß der Verkehr zwischen den Zeilen eine vom wörtlichen Aussagegehalt abweichende Inzahlungnahmepraxis herausliest und mit einer dadurch geprägten Verkehrserwartung in die Verkaufsgespräche mit der Beklagten hineingeht (vgl. Baumbach/Hefermehl, § 3 UWG Rdnr. 36).

Vorliegend sieht es so aus, daß der Verkehr gerade bei Nennung eines Inzahlungnahmepreises in einer Größenordnung von DM 3.000,00 für einen Altwagen die Erwartung hegt, diesen Preis im Sinne eines Mindestpreises garantiert zu bekommen. Eine solche Erwartungshaltung wird zum einen geprägt durch eine in der ersten Hälfte der 90iger Jahre mit Schwerpunkt in den neuen Bundesländern weit verbreitete, gleichartige Inzahlungnahmepraxis, hinter der vordringlich die Absicht einer Markenbindung gestanden hat. Daß die Werbeaussage in Bezug auf ihren "bis zu"-Hinweis so ganz ernst nicht zu nehmen ist, folgt zum anderen daraus, daß niemand annehmen wird, auch bei einem Altfahrzeug mit einem Verkehrswert von über DM 3.000,00 werde der Inzahlungnahmepreis auf diesen Betrag begrenzt. Soweit es um geringwertigere Fahrzeuge geht, ist die angegriffene Werbeaussage bei alleinigem Abstellen auf ihren Wortlaut gleichfalls inhaltsleer, weil sie, wenn nur der tatsächliche Wert vergütet werden sollte, nur etwas Selbstverständliches aussagen würde, was nicht derart der Erwähnung verdient. Für einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs verhält es deshalb so, daß er seinen Erwartungshorizont in das Leseverständnis hineinspiegelt und der Aussage dadurch einen greifbaren Sinn gibt, daß er den Betrag von DM 3.000,00 als Garantiebetrag unabhängig vom tatsächlichen Fahrzeugwert auffaßt.

Der Annahme einer darin liegenden Rabattankündigung schadet es im übrigen auch nicht, daß der Beklagte die angegriffene Werbeaussage unter Einschluß des "bis zu"-Hinweises wörtlich gemeint haben und deshalb nur bereit gewesen sein will, im Rahmen einer Inzahlungnahme den wirklichen Verkehrswert nach vorheriger Werkstattschätzung gutzubringen. Denn es kommt nicht darauf an, wie der werbende Unternehmer sein Angebot verstanden wissen will. Entscheidend ist das Verkehrsverständnis, daß der Kaufmann also aus der Sicht des Verkehrs, die von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt ist, auf denn Wege einer Inzahlungnahme von Altfahrzeugen von den sonst für die beworbenen Neufahrzeuge zu entrichtenden Normalpreisen abweichen will,(vgl. BGH 20.02.1992 BGHZ 117, 230, 232 - Rent-o-mat -; 23.03.1995 GRUR 1995, 515, 517 - 2 für 1-Vorteil -). Da der Beklagte dieses Verkehrsverständnis für unzutreffend hält und dementsprechend die Zulässigkeit seiner Werbeaussage verteidigt, besteht zum einen eine Begehungsgefahr dahin, daß er auch künftig in seiner Werbung durch derartige Inzahlungnahmeankündigungen in den Augen des Publikums den Eindruck erweckt, Altfahrzeuge ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Wert für DM 3.000,00 bei einem Neuwagenkauf in Zahlung nehmen zu wollen. Zum anderen ergibt sich zumindest eine Erstbegehungsgefahr dahin, daß er, selbst wenn der Werbeaussage zunächst mit einem anderen Verständnis begegnet, der objektiv geweckten Verbrauchererwartung nachgibt und sich mit seiner Inzahlungnahmepraxis hierauf einstellt.

3. Die Ordnungsmittelandrohung folgt aus § 890 ZPO, die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO.

Den nach Schluß der Verhandlung eingegangenen Schriftsatz des Beklagten vom 02.03.1999 hat der Senat zur Kenntnis genommen.

Ende der Entscheidung

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