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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 2 WF 23/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121
1.) Liegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 124 Abs. 4 ZPO vor, darf ein auswärtiger Rechtsanwalt ohne sein Einverständnis nicht nur "zu den Bedingungen eines ortansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet werden.

2.) Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts ist zur Sicherstellung der Einhaltung von § 121 Abs. 3 ZPO dann in der Regel auf die Kosten zu begrenzen, die durch die Einschaltung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts anfallen, weil weder die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung einer nicht bemittelten Partei mit einer bemittelten Partei noch ein effektiver Rechtsschutz grundsätzlich eine weitergehende Beiordnung erfordern.

3.) Eine derart eingeschränkte Beiordnung benachteiligt den so beigeordneten Rechtsanwalt nicht, zumal dieser das Prognoserisiko hinsichtlich der Frage, ob die Reisekosten höher ausfallen werden als die Kosten eines Verkehrsanwalts, dadurch vermeiden kann, dass er rechtzeitig unter Verzicht auf seine weitergehenden Rechte aus der Bestellung beantragt, ihn als Verkehrsanwalt und einen Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts der antragstellenden Partei als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.


Tenor:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 3.1.2006 insofern abgeändert, als die Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes" entfällt und Rechtsanwalt Bek mit der Maßgabe beigeordnet wird, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass er seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort der Antragstragstellerin erstattungsfähig sind.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtkostenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die in Stadt K wohnhafte Antragsgegnerin beabsichtigt, den Antragsgegner auf Auskunft zur Durchsetzung nachehelicher Unterhaltszahlungen in Anspruch zu nehmen. Hierzu hat sie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Bek beantragt, dessen Kanzlei in Stadt K geschäftsansässig ist. Mit Beschluss vom 3.1.2006 hat das Amtsgericht B die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt, jedoch Rechtsanwalt Bek nur zu den Bedingungen eines Rechtsanwalts mit Sitz am Ort des Prozessgerichts beigeordnet. Gegen diesen Rechtsanwalt Bek am 12. Januar 2006 zugestellten Beschluss wendet sich er mit am 16. Januar 2006 beim Amtsgericht B eingegangener Beschwerde. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Antragstellerin nicht zuzumuten sei, sich einen zweiten Rechtsanwalt zu nehmen, und sie auch nicht über Vermögensverhältnisse verfüge, Reisekosten selbst zu tragen.

Mit Beschluss vom 18.1.2006 hat das Amtsgericht B der Beschwerde nicht abgeholfen, die Beiordnung als Verkehrsanwalt neben einem in B ansässigen Prozessbevollmächtigten bei entsprechendem Antrag in Aussicht gestellt und zur weiteren Entscheidung das Rechtsmittel dem Oberlandesgericht B vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und z.T. begründet. Der Antragstellerin ist Rechtsanwalt Bek ohne die vom Amtsgericht genannte Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts", jedoch mit der im Tenor näher beschriebenen Eingrenzung beizuordnen.

Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts hat nicht grundsätzlich zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes zu erfolgen. Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann zwar ein beim Prozessgericht nicht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Es ist jedoch auch zu beachten, dass gemäß § 121 Abs. 4 ZPO in den dort genannten Fällen zusätzlich ein Verkehrsanwalt oder ein Vertreter für eine auswärtige Beweisaufnahme beizuordnen ist. Bei der Entscheidung über die Beiordnung eines nicht am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts hat das Gericht deshalb auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf es einen von der Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO gewählten auswärtigen Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beiordnen (vgl. BGH Z 159, 370 ff. = NJW 2004, 2749 ff. sowie OLG Köln, MDR 2005, 130, 1131).

Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs. 4 ZPO wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Parteien abzustellen. Im Rahmen der durch Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem allgemeinen Rechtstaatsprinzip gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtschutzes ist bei der Auslegung auch die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung der Kosten für Verkehrsanwälte und Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten zu beachten, wonach die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei regelmäßig als im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig anzusehen ist (vgl. BGH, NJW 2004, 2749 ff.).

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass nur Kosten eines am Prozessgericht niedergelassenen Anwalts entstehen könnten. Hierauf weist das Amtsgericht B in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 18.1.2006 selbst hin, indem es ausführt, dass auf Antrag der Antragstellerin eine Beiordnung eines Verkehrsanwaltes in Betracht kommt. Eine beschränkte Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts war deshalb ausgeschlossen.

Die o.g. verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung einer nicht bemittelten Partei mit einer bemittelten Partei führt aber nicht dazu, dass in einem solchen Fall die Beiordnung stets uneingeschränkt erfolgt mit der Folge, dass die Staatskasse die Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts auch dann tragen muss, wenn diese die Kosten für einen Verkehrsanwalt übersteigen. Auch eine wirtschaftlich leistungsfähige Partei, die nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, wäre nicht ohne weiteres bereit, diese höheren Kosten zu tragen, sofern eine kostengünstigere Vertretungslösung mittels Einschaltung eines Verkehrsanwalts möglich und zur angemessenen Rechtsverteidigung bzw. Rechtswahrnehmung ausreichend wäre. Zur Sicherstellung der Einhaltung von § 121 Abs. 3 ZPO, der darauf abzielt, angesichts begrenzter finanzieller Mittel unnötig höhere Kosten zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Prozesskostenhilfesystems zu vermeiden, ist es deshalb notwendig, die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts auf die Mehrkosten zu beschränken, die bei der zusätzlichen Einschaltung eines Verkehrsanwalts anfielen (so auch OLG Karlsruhe, NJW 2005, 1718 f.). Dass die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwalts grundsätzlich zur angemessenen Rechtsverteidigung und Rechtswahrnehmung ausreicht, ergibt sich daraus, das der Gesetzgeber dieses als Regelverfahren so vorsieht. Anhaltspunkte dafür, dass eine bemittelte Partei an Stelle der Antragstellerin davon absähe, zur Kostenbeschränkung vorliegend einen Verkehrsanwalt einzuschalten, sind nicht ersichtlich.

Hierdurch wird der derart beigeordnete Rechtsanwalt auch nicht unangemessen benachteiligt. Zwar trägt er das Prognoserisiko hinsichtlich der Frage, ob die Reisekosten höher ausfallen werden als die Kosten eines Verkehrsanwalts, jedoch tritt dieses Risiko nur an die Stelle des Aufklärungsrisikos, welches er gegenüber einer bemittelten Partei hat. Schließlich muss er diese im Vorfeld eines Verfahrens auch über die gebührenrechtlich günstigste Gestaltung der Prozessführung aufklären. Zudem kann er dieses Prognoserisiko im Prozesskostenhilfeverfahren jederzeit vermeiden, indem er im Vorfeld des Prozesses unter Aufgabe seiner Rechte aus einer weitergehenden Beiordnung beantragt, dass das Prozessgericht ihn als Verkehrsanwalt und einen Prozessbevollmächtigen am Sitz des Prozessgerichts der Antragstellerin beiordnet.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich daraus, dass das eingelegte Rechtsmittel im wesentlichen erfolgreich ist und der unbegründete Teil des Rechtsmittels keine anteilige Gebührenfestsetzung rechtfertigt. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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