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Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss verkündet am 19.02.2003
Aktenzeichen: 7 U 128/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 97 Abs. 1 | |
BGB § 912 | |
BGB § 1004 | |
BGB § 1004 Abs. 1 | |
BGB § 1004 Abs. 2 | |
ZPO § 529 Abs. 2 | |
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3 |
Geschäftsnummer: 7 U 128/02
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig am 19. Februar 2003 beschlossen:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 05.08.2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Gründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1) Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil des Landgerichts vom 20.09.2002, durch das sie zur Beseitigung der auf dem Grundstück der Klägerin errichteten Einfassung des Geschäftseingangs zum Ladenlokal der Beklagten, zur Beseitigung des Einganges selbst und zur Beseitigung eines ebenfalls auf dem Grundstück der Klägerin errichteten Werbeschildes verurteilt worden ist. Zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht aus, die Klägerin sei nicht zur Duldung der genannten Bauteile und des Werbeschildes verpflichtet. Insbesondere könne eine möglicherweise getroffene schuldrechtliche Vereinbarung des Rechtsvorgängers der Klägerin diese nicht binden.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Begründung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft entschieden. Es habe übersehen, dass eine rechtmäßige Überbauung im Sinne des § 912 BGB vorliege. Dies folge zum einen aus der am 30.09.1999 erteilten Baugenehmigung für den geänderten Eingang, zum anderen daraus, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin sich mit der Überbauung einverstanden erklärt und mit der Beklagten eine Duldungsvereinbarung geschlossen habe, aus der sowohl der Rechtsvorgänger als auch die Klägerin eine monatliche Geldrente bezogen hätten. Das Landgericht habe in seiner Entscheidung jedenfalls übersehen, dass der Anspruch eines Rechtsnachfolgers im Eigentum "nur" auf Zahlung einer Überbaurente, nicht jedoch auf Beseitigung gehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 13.11.2002 sowie auf die ergänzende Stellungnahme der Beklagten vom 03.02.2003 Bezug genommen.
2) Die Angriffe der Beklagten auf das erstinstanzliche Urteil bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 BGB berechtigt, die Beseitigung der auf ihrem Grundstück errichteten Eingangseinfassung sowie des Eingangs zum Geschäftslokal der Beklagten und die Entfernung des daneben aufgestellten Werbeschildes zu verlangen. Die grundsätzliche Berechtigung der Klägerin wird insoweit von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt.
b) Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Bauteile, deren Beseitigung sie verlangt, sowie das Schild auf ihrem Grundstück zu dulden. Die Voraussetzungen einer Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB hat das Landgericht zutreffend verneint.
Eine Duldungspflicht allein aufgrund einer zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und der Beklagten möglicherweise zustande gekommenen schuldrechtlichen Vereinbarung besteht nicht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen werden, wonach schuldrechtliche Vereinbarungen ohne dingliche Sicherung den Rechtsnachfolger nicht binden (vgl. BGHZ 66, 37, 39; NJW 83, 1113 oben). In diesem Punkt greift die Beklagte das erstinstanzliche Urteil schon nicht in zulässiger Weise an.
Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aufgrund der in der Berufungsbegründung erstmals erwähnten Baugenehmigung für die Eingangseinfassung und den neuen Eingang. Dies gilt ungeachtet der Frage der prozessualen Verwertbarkeit dieses Tatsachenvortrages, für den es bereits am Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO fehlt. Eine Baugenehmigung reicht nämlich in aller Regel nicht aus, um eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB zu begründen (vgl. BGH LM Nr. 44; BayObLG ZMR 90, 418; Staudinger-Gursky BGB, 13. Aufl., Rn. 177 zu § 1004 mit weiteren Nachweisen; Palandt- Bassenge, BGB, 62. Aufl., Rn. 40 zu § 1004). Die Frage, ob der Eigentümer des benachbarten Grundstücks, auf dem die Baumaßnahme durchgeführt werden soll einverstanden ist, ist nämlich von der öffentlich rechtlichen Genehmigung eines Bauvorhabens zu unterscheiden. Auch im vorliegenden Fall ist, wie sich aus den vorgelegten Genehmigungsunterlagen ergibt, ein etwa erforderliches Einverständnis des Rechtsvorgängers der Klägerin ersichtlich nicht geprüft worden. Aus dem gesamten Bauantrag ist vielmehr gar nicht ersichtlich, dass das Grundstück, auf dem der neue Eingang errichtet ist, gar nicht im Eigentum der Beklagten steht. Unter diesen Umständen kann die Durchführung der Baumaßnahme keine duldungspflichtige Beeinträchtigung des Nachbarn/Eigentümers des Nachbargrundstücks begründen.
Aber auch aus § 912 BGB ergibt sich keine Duldungspflicht der Klägerin.Dabei kann offen bleiben, ob die unterbliebene Prüfung der Voraussetzungen des § 912 BGB in erster Instanz rechtsfehlerhaft ist oder nicht. Denn die Entscheidung beruht darauf nicht (§ 513 Abs.1 ZPO).
Hinsichtlich des Werbeschildes greift die Vorschrift schon tatbestandlich nicht ein, da dieses kein Gebäude im Sinne des § 912 ZPO darstellt. Ein Gebäude ist ein Bauwerk, das durch räumliche Umfriedung gegen äußere Einflüsse Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet (BGH DB 72, 2298).
Hinsichtlich des Eingangs und der Eingangumfassung fehlt es jedenfalls an dem nach § 912 BGB erforderlichen Überbau bei Errichtung des Gebäudes. Nachträgliche Veränderungen und Erweiterungen eines Gebäudes sind kein Überbau im Rechtssinne, den der Nachbar zu dulden hat (Palandt-Bassenge, a. a. O., Rn. 7 zu § 912; MK-Säcker, BGB, 3. Aufl., Rn. 7 zu § 912; LG Kassel ZMR 99, 713). Danach können die nachträglich von der Beklagten vorgenommenen Veränderungen, nämlich die Schaffung der Eingangsöffnung und deren Einfassung, die in das Grundstück der Klägerin hineinragen bzw. auf diesem errichtet worden sind, nicht unter die duldungspflichtigen Baumaßnahmen fallen. Die Ausführungen der Beklagten in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 03.02.2003 führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Nach der zitierten Rechtsprechung und der Kommentarliteratur (Palandt-Bassenge a. a. O., Rn. 7 zu § 912 BGB) führen nachträgliche Grenzüberschreitungen lediglich dann zur Anwendung des § 912 BGB, wenn der nachträgliche Anbau selbst ein Gebäude darstellt (vgl. Palandt-Bassenge, a. a. O., Rn. 7 zu § 912). Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Rampe sowie die Einfassung des Eingangs und auch die Eingangsöffnung selbst sind Bauteile, denen eine räumliche Umfriedung zum Schutz gegen äußere Einflüsse fehlt. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um nachträglich angebaute unerhebliche Gebäudeteile. Aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. So trifft die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 97, 292 ff. die Neigung einer bereits vorhandenen Grenzmauer eines Gebäudes (und damit eines bereits vorhandenen Baukörpers). Die weiterhin zitierte Entscheidung des BGH LM Nr. 9 (= BGH MDR 61, 670) betrifft ebenfalls die Erweiterung eines Gebäudes durch Hinausrücken einer Mauer, mithin die Vergrößerung eines bereits vorhandenen Baukörpers. Vom Sachverhalt her weicht diese Entscheidung damit ebenfalls deutlich von der hier vorliegenden Konstellation ab.
Die danach vorzunehmende Differenzierung zwischen einem nachträglich angefügten (äußerlich abtrennbaren) Bauteil und einem dem vorhandenen Baukörper selbst vergrößernden oder einen selbständigen Baukörper bildenden Neubau entspricht auch dem Zweck des § 912 BGB, der lediglich verhindern will, dass bei einem sogenannten entschuldigten Grenzüberbau vorhandene Bauwerke nachträglich mindestens teilweise wieder abgerissen werden müssen (vgl. BGHZ 97, 292, 294). Der Wert des hier ursprünglich vorhandenen, auf der Grenze errichteten Gebäudes der Beklagten wird durch den Abriss der Eingangseinfassung und die Beseitigung des Eingangs nicht geschmälert. Dies folgt schon daraus, dass das Ladengeschäft der Beklagten jahrelang über einen auf der entgegengesetzten Gebäudeseite vorhandenen Eingang betrieben worden ist.
c) Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Das bestehende Wegerecht bedeutet nicht, dass eine Verlegung des Eingangs in das Eigentum der Klägerin bzw. ihres Rechtsvorgängers gestattet war. Dies hätte vielmehr nur im Einvernehmen mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin geschehen können, wobei eine Bindung der Klägerin als Rechtsnachfolgerin, wie das Landgericht zutreffend ausführt, nur im Wege eines dinglichen Rechts hätte erfolgen können. Die sich aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Pflichten können nur ausnahmsweise zu einer Einschränkung des Eigentums des Nachbarn führen (BGH DB 72, 2298). Umstände, die danach eine Duldungspflicht der in der Nutzung ihres Eigentums als Parkraum durchaus beeinträchtigten Klägerin begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
d) Der Klägerin ist es auch nicht verwehrt, sich auf die Rechte nach § 1004 BGB zu berufen, weil sie die von der Beklagten monatlich gezahlte "Miete" für den Eingang entgegennimmt. Hierbei handelt es sich nämlich lediglich um eine Entschädigung für die bereits seit Jahren erfolgende Nutzung, nicht hingegen wird dadurch das Recht auf Beseitigung für die Zukunft ausgeschlossen.
3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 BGB.
Ende der Entscheidung
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