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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Urteil verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: 8 U 227/02
Rechtsgebiete: EGBGB, VOB/B, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 229 § 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 5 Satz 1
VOB/B § 4 Nr. 9
BGB § 304
BGB § 286
BGB § 642
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftszeichen: 8 U 227/02

Verkündet am 22. April 2004

Im Namen des Volkes Teilurteil

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2004für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 16. August 2002 - 3 O 6/01 - wird zurückgewiesen, soweit durch das landgerichtliche Urteil die Klage auf Zahlung der für die zweite Baustelleneinrichtung (Position 1 der Schlussrechnung vom 26.10.2000) und der für den Baustillstand im Übrigen (Positionen N 2.1 bis N 2.8 der Schlussrechnung vom 26.10.2000) geltend gemachten Kosten von Insgesamt 20.502,59 € (40.099,58 DM) inklusive Umsatzsteuer abgewiesen worden ist.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung, Art. 229 § 5 EGBGB.

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der darin gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 16. August 2002 - 3 O 6/01 -, Seite 2 bis 10 (Bl. 191 bis 199 d. A.), Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den geltend gemachten Stillstandskosten sei hinsichtlich der Kosten für die zweite Baustelleneinrichtung nicht dargetan, was von der Baustelle abgezogen und was erneut hingeschafft worden sei. Hinsichtlich der übrigen Stillstandskosten fehle es an einer Annahme des Nachtragsangebotes Nr. 2. Anspruchsgrundlagen seien entweder § 4 Nr. 9 VOB/B in direkter oder analoger Anwendung oder § 642 BGB neben § 304 BGB. Kosten nach § 304 BGB seien nicht geltend gemacht worden. Es bestehe kein Anspruch dem Grunde nach, weil nicht dargetan sei, dass nicht an anderer Stelle hätte weitergearbeitet werden können. Der Anspruch zu den Stillstandskosten sei trotz erteilter Hinweise auch nicht zutreffend abgerechnet worden. Entweder sei eine angemessene Entschädigung ohne Wagnis und Gewinn oder aber es seien die geltend gemachten Kosten aus der Urkalkulation abzurechnen. Das sei nicht erfolgt. Soweit mit der Klage der nicht bezahlte Teil der begehrten Vergütung für die Untergrundverbesserung geltend gemacht werde, fehle es ebenfalls an einer Abrechnung aus der Urkalkulation. Eine besondere Vergütungsabrede fehle. Anspruchsgrundlage sei § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B. Entsprechendes gelte hinsichtlich der geltend gemachten Nachtragsvergütung für die Errichtung des Lärmschutzwalles. Das Angebot vom 27. Oktober 1995 sei weder ausdrücklich noch konkludent angenommen worden. Auch hier fehle es an einer Einheitspreisermittlung aufgrund der Urkalkulation der Schuldnerin. Die Frage des Landgerichts an die Klageseite, ob die vorgelegte Anlage K26 tatsächlich die Urkalkulation darstelle, sei nicht mehr beantwortet worden.

Über das Vermögen der ... GmbH (fortan: Schuldnerin), welche den Prozess in erster Instanz geführt hat, ist durch Beschluss des Amtsgerichts ... am 22. August 2002 (Bl. 387 d. A.) das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Gegen das der Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 4. September 2002 zugestellte (Bl. 225 d. A.) landgerichtliche Urteil hat der Kläger, nachdem er am 4. Dezember 2002 die Aufnahme des Rechtsstreits als Insolvenzverwalter angezeigt hat (Bl. 229 d. A.), mit dem am 30. Dezember 2002 bei Gericht eingegangenen (Bl. 243 d. A.) Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 3. Februar 2003, bei Gericht eingegangen am 4. Februar 2003 (Bl. 263 d. A.), begründet hat.

In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger das erstinstanzliche Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er wiederholt und vertieft das tatsächliche Vorbringen erster Instanz (Seite 1 bis 40 der Berufungsbegründung (= Bl. 263 - 302 d. A.).

Hinsichtlich der Baustillstandkosten - Schlussrechnungsposition 1 sowie Positionen N 2.1. bis N 2.8. - ist der Kläger weiterhin der Auffassung, dass zutreffende Anspruchsgrundlage § 4 Nr. 9 Abs. 2 i. V. m. § 2 Nr. 6 VOB/B sei.

Der Kläger meint, die Insolvenzschuldnerin habe entgegen der Ansicht des Landgerichts für einen schlüssigen Sachvortrag zu den Einzelheiten der Baustellenneueinrichtung nicht vortragen müssen. Er führt im Einzelnen Schreiben aus erster Instanz an, aus denen sich seine Auffassung nach ausreichender Sachvortrag ergebe, so dass das Landgericht über die streitige Frage, in welchem Umfang sich der Baustopp auf die Baustelle ausgewirkt habe, hätte Beweis erheben müssen.

Da die Leistungen für die vollständige Neueinrichtung der Baustelle die gleichen gewesen seien, wie in Position 1.1.1. des Leistungsverzeichnisses vom 07.07.1995 vereinbart, sei auch deren Preisgrundlage gleich, mit der Folge, dass die vereinbarte Vertragspauschale für diese Position von 7.500,00 DM noch einmal anzusetzen sei.

Bei den Stillstandkosten für Baugeräte und -fahrzeuge habe die Insolvenzschuldnerin entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Vorhaltekosten, den Deckungskostenbeitrag und den Gewinn herausrechnen müssen. Es gehe vorliegend nicht um eine angemessene Entschädigung nach § 642 BGB, sondern um einen Anspruch aus § 4 Nr. 9 VOB/B.

Auch habe das Landgericht zu Unrecht fehlende Substanziierung zu den geltend gemachten Forderungen hinsichtlich der Untergrundverbesserung und des Lärmschutzwalles beanstandet. Insbesondere hätte das Landgericht nicht ohne Beweisaufnahme unterstellen dürfen, die vorgelegte Kalkulation sei nicht die vertragliche Urkalkulation. Die Insolvenzschuldnerin sei zu keinem Zeitpunkt von ihrer entsprechenden Behauptung abgerückt. Aus dem Umstand, dass die vorgelegte Kalkulation hinsichtlich der Position 1.3.1. einen kalkulierten Betrag von 9,50 DM pro Kubikmeter ausgewiesen habe, habe das Gericht nicht folgern dürfen, dass es sich nicht um die Urkalkulation handele. Denn mit diesem Betrag sei der Vertrag dann abgeschlossen worden, nachdem das ursprüngliche Angebot, das für diese Position 10,00 DM pro Kubikmeter ausgewiesen habe, entsprechend nachkalkuliert worden sei. Anspruchsgrundlage für den Anspruch bezüglich der Untergrundverbesserungen sei § 2 Nr. 6 VOB/B.

Hinsichtlich des Lärmschutzwalles sei das Landgericht ebenfalls von der falschen Anspruchsgrundlage ausgegangen. Einschlägig sei § 632 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B. Die Zusatzangebote Z 1.1 und Z 1.2 betreffend den Lärmschutzwall seien von der Beklagten schlüssig angenommen worden. Dies ergebe sich daraus, dass die Insolvenzschuldnerin ein konkretes und detailliertes Angebot vorgelegt habe, die Beklagte das Angebot ohne Einwände an ihre Auftraggeberin, die Stadt ..., weitergeleitet habe, die Werkleistung in Kenntnis der Angebotsbedingungen habe durchführen lassen und abgenommen habe. Die im landgerichtlichen Urteil zitierte Entscheidung des BGH (BauR 1997, 644) sei deshalb nicht einschlägig. Mindestens aber sei es der Beklagten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, verwehrt, das Zusatzangebot abzulehnen. Ihr sei insoweit widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen, weil sie über 4 Jahre die Zusatzangebote nicht beanstandet habe. Zumindest aber sei die Forderung bezüglich der Schlussrechnungspositionen Z 1.1 und Z 1.2, selbst für den Fall, dass man das Verhalten der Beklagten nicht als konkludente Annahme der Zusatzangebote werte, gemäß § 632 BGB i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B gerechtfertigt. Es habe sich um einen Anschlussauftrag gehandelt. Dieser sei bei der Baubesprechung am 09.10.1995 erteilt worden. Es handele sich nicht um eine zusätzliche Leistung nach § 2 Nr. 6 VOB/B. Der Bau des Lärmschutzwalles habe mit der ursprünglich in Auftrag gegebenen Herstellung der Straße nichts zu tun. Es handele sich um ein von der Straße unabhängiges Bauwerk. Die Beklagte schulde für den Lärmschutzwall die ortsübliche Vergütung.

Selbst wenn man der Auffassung nicht folgen wolle, dass es sich hinsichtlich des Lärmschutzwalles um einen Anschlussauftrag gehandelt habe, so sei die Anspruchsgrundlage jedenfalls nicht § 2 Nr. 5 VOB/B, sondern, wie bei der Untergrundverbesserung, § 2 Nr. 6 VOB/B. Der geschuldete Leistungserfolg habe sich in seiner Substanz geändert, weil er werterhöhend in das Bauwerk eingeflossen sei und für den Lärmschutzwall, wäre er von Anfang an Auftragsgegenstand gewesen, eine zusätzliche Position im Leistungsverzeichnis erfordert hätte. Auch für den Fall, dass also § 2 Nr. 6 VOB/B auf den Lärmschutzwall anzuwenden sei, so gelte auch hier, dass zur Frage der Kalkulation ausreichend vorgetragen worden sei.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergebe sich aufgrund der dritten Abschlagsrechnung der Insolvenzschuldnerin am 06.02.1996. Mit Schreiben vom 16.02.1996 habe die Beklagte die Zahlung der in der dritten Abschlagsrechnung vom 06.02.1996 abgerechneten Mehr- und Zusatzleistungen der Insolvenzschuldnerin ausdrücklich verweigert.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Göttingen vom 16. August 2002 - 3 O 6/01 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 188.327,98 € nebst 10,25 % Zinsen seit dem 29. Februar 1996 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie bestreitet, dass die Insolvenzschuldnerin die Position 1.3.1 vor Vertragsschluss neu kalkuliert habe. Nachlässe würden pauschal gewährt. Ein Nachlass bedeute Verzicht auf Gewinn, wobei die Kosten unverändert blieben.

Der Kläger sei über die Forderung nicht verfügungsbefugt, weil die Insolvenzschuldnerin nicht mehr Inhaberin der Forderung gewesen sei. Die Forderung sei am 16.01.2001 an die Sparkasse ... abgetreten worden, wovon sie - die Beklagte - erst nach dem erstinstanzlichen Urteil erfahren habe.

Die Behauptung des Klägers einer vollständigen Räumung und Neueinrichtung der Baustelle einschließlich des Zeugenbeweismittels sei neu und deshalb nicht mehr zulässig.

Unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die vorgelegte Kalkulation trägt die Beklagte weiter vor, dass die Kalkulation die erforderliche Aufteilung von positionsbezogenen, auftragsbezogenen und firmenbezogenen Ansätze vermissen lasse. Außerdem rügt die Beklagte abermals, dass die Ursprungskalkulation nicht vollständig vorgelegt worden sei. Sie vermutet weiterhin, dass hier Kosten verschleiert bzw. "verschoben" würden.

Hinsichtlich des Lärmschutzwalles weist die Beklagte darauf hin, dass sich aus Position 1.3.1 des Leistungsverzeichnisses aufgrund der handschriftlichen Anmerkung des Wortes "Verdichten?", die offenbar vom Kalkulator der Insolvenzschuldnerin stamme, ergebe, dass sich die Insolvenzschuldnerin bereits vor Angebotsabgabe darüber im Klaren gewesen sei, dass sie beim Einbau des Materials dieses auch habe verdichten müssen.

Hinsichtlich der Position Z.1.2 sei es unzutreffend, dass in erster Instanz unstreitig gewesen sei, dass eine Masse von 2.300 m³ bearbeitet worden sei. Es sei lediglich die Gesamtmenge von 20.000 m³ der Positionen Z 1.1 und Z 1.2. unstreitig gewesen, nicht aber die Aufteilung der Mengen zu den unterschiedlichen Bodenklassen.

Unzutreffend sei es auch, dass bezüglich des Lärmschutzwalles ein Nachtragsangebot schlüssig angenommen worden sei. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 31.05.1996 ergebe sich bereits, dass vor dem Schreiben, also vor Beginn der Ausführung die Insolvenzschuldnerin von der Weiterleitung der Angebote an die Stadt ... keine Kenntnis gehabt haben könne und dementsprechend auch nicht von einer konkludenten Annahme auszugehen sei.

Daneben sei für eine Nachtragsforderung gem. § 632 BGB kein Raum, weil die Regelungen des § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B als Spezialregelungen vorgingen.

Die Zinsforderung sei weiterhin unschlüssig. Insoweit sei auf die Klageerwiderung vom 30.04.2001 zu verweisen. Auf die Abschlagszahlungen habe die Beklagte Zahlungen geleistet. Die behauptete Inanspruchnahme von Bankkredit sei verspätet und werde bestritten.

Soweit der Kläger die Ansprüche auf § 4 Nr. 9 VOB/B stütze, sei diese Vorschrift als Anspruchsgrundlage nicht einschlägig, weil es hierbei nur um die mit der Entdeckung und Ablieferung eines Fundes anfallenden Kosten gehe.

In seiner Replik trägt der Kläger vor, er sei als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gem. § 166 Abs. 2 InsO berechtigt, die sicherheitshalber an die Sparkasse ... abgetretene Werklohnforderung einzuziehen und damit prozessual geltend zu machen.

Hinsichtlich der Stillstandkosten für die Baugeräte sei es zulässig, die Baugeräteliste zugrunde zu legen. Die Baugeräteliste sei die übliche Kalkulationsgrundlage der Kosten für Geräte und Maschinen im Baugewerbe. Der Kläger beruft sich zu diesem Punkt außerdem auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf BauR 2003, 892.

Aus der handschriftlichen Bemerkung "Verdichten?" zu Position 1.3.1 des Leistungsverzeichnisses vom 07.07.1995 könne die Beklagte nichts für sich herleiten. Diese Bemerkung sei erst im Rahmen des Streites der Parteien eingefügt worden, nicht aber während der Kalkulation.

Der Beklagten sei es gem. § 531 Abs. 2 ZPO verwehrt, die Masse von 2.300 m³ Boden zu Schlussrechnungsposition Z 1.2 nunmehr zu bestreiten.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass in dem Falle, dass ein Generalunternehmer eine als Nachtrag abgerechnete Leistung seines Subunternehmers dem eigenen Auftragnehmer gegenüber abrechnet, der Generalunternehmer den Nachtrag seines Subunternehmers bestätige und deshalb die Nachträge des Subunternehmers dem Grunde und der Höhe nach nicht mehr angreifen könne. Hierzu verweist der Kläger auf die Entscheidung des OLG Dresden IBR 2003, 237 (Bl. 469 d. A.).

Die Behauptung der Beklagten, sie hätte auf die dritte Abschlagszahlung der Insolvenzschuldnerin vom 06.02.1996 Zahlungen getätigt, sei unzutreffend und verspätet. Aus der Klageerwiderung vom 30.03.2001 ergebe sich ein solcher Vortrag nicht. Wegen der Höhe der in Anspruch genommenen Kreditlinie und der Zinsen legt der Kläger den Abrechnungsauszug vom 31.05.2002 der Sparkasse ... vor (Bl. 468 d. A.).

II.

Der Rechtsstreit ist im erkannten Umfang zur Entscheidung reif. Da es sich hierbei um selbständige, von der Klage im Übrigen teilbare Forderungen handelt, war darüber durch Teilurteil zu entscheiden, §§ 525, 301 ZPO.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Stillstandskosten (Baustellenneueinrichtung/Baugerätestillstandskosten) nicht zu.

1.

§ 4 Nr. 9 Satz 2 VOB/B ist vorliegend nicht einschlägig. Diese Bestimmung, die hinsichtlich etwaiger Mehrkosten auf § 2 Nr. 6 VOB/B verweist, gilt dem Wortlaut nach für die mit der Entdeckung und weisungsgerechten Ablieferung von gefundenen historisch, kunsthistorisch oder wissenschaftlich wertvollen Gegenständen verbundenen Mehrkosten. Sollte hier wegen des Baustillstands die streitige Neueinrichtung der Baustelle erforderlich gewesen sein, fallen die damit verbundenen Mehrkosten schon dem Wortlaut nach nicht unter die vorgenannte Anspruchsgrundlage. Gleiches gilt für die Stillstandskosten der Baumaschinen. Beides sind keine Kosten, die mit der Entdeckung verbunden waren. Sie haben auch nichts mit Weisungen der Beklagten bezüglich einer Bergung oder Ablieferung des Fundes zu tun. Es gab insoweit keine Weisungen des Auftraggebers. Es gab auch keine Fundablieferung durch die Schuldnerin und ehemalige Klägerin.

Auch eine entsprechende Anwendung des § 4 Nr. 9 Satz 2 VOB/B scheidet vorliegend aus. Denn diese Bestimmung erfasst nach ihrem Sinn und Zweck die Kosten, die entstehen, wenn der Auftragnehmer aufgrund des Schatzes bzw. historischen Fundes eine zusätzliche Leistung erbringen muss. Das wird deutlich durch die Rechtsgrundverweisung auf § 2 Nr. 6 VOB/B. § 4 Nr. 9 Satz 2 VOB/B kann daher auch nicht analog auf Fälle angewandt werden, in denen - wie hier - Kosten für eine "Nichtleistung", nämlich Kosten einer Behinderung, ersetzt verlangt werden, letztlich also Schadensersatz begehrt wird.

2.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Stillstandskosten auch nicht nach § 6 VOB/B zu.

Ursache für die gegebenenfalls erforderliche Neueinrichtung der Baustelle und/oder den Stillstand der Baumaschinen ist der Baustopp der Stadt .... Dieser stellt eine Behinderung oder Unterbrechung im Sinne von § 6 VOB/B dar. Unter Behinderung in diesem Sinne fallen alle Ereignisse, die den vorgesehenen Leistungsablauf hemmen oder verzögern. Der Begriff der Unterbrechung geht noch darüber hinaus und setzt einen vorübergehenden Arbeitsstillstand bei der Leistungsausführung voraus. Die Ursache dafür ist unerheblich. Erfasst sind auch rechtliche Hinderungsgründe (Döring in Ingenstau/Korbion/Locher/Vygen, VOB, 15. Aufl., B § 6 Rn. 2 bis 6).

Als hier einzig möglich einschlägige Regelung des § 6 VOB/B kommt Nr. 6 in Betracht. Nur diese Bestimmung regelt im Rahmen des § 6 VOB Kosten- und Vergütungsersatz.

Ein Anspruch scheidet insoweit aber aus - worauf das Landgericht in seinem Urteil (Seite 13 = Bl. 202 d. A.) zutreffend hinweist -, weil das Hindernis, der Baustopp, unstreitig nicht von der Beklagten zu vertreten ist.

Anders als § 6 Nr. 2 Abs. 1 a VOB/B, wonach es für die Bauzeitenverlängerung genügt, dass der hindernde Umstand dem Risikobereich des Auftragebers zuzurechnen ist, wozu auch das Baugrundrisiko zählt (Döring a. a. O., 14. Aufl., B § 6 Nr. 2; OLG Stuttgart BauR 1994, 631), verlangt das Vertretenmüssen im Sinne von Nr. 6 auf jeden Fall ein Verschulden, §§ 276, 278 BGB (Döring a. a. O., B § 6 Nr. 6 Rn. 121). Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte mit dem Grabfund und/oder dem Baustopp rechnen konnte oder sich diese Kenntnisse hätte verschaffen können und müssen. Fehlen Anzeichen für die Absehbarkeit des später aufgetretenen Hindernisses, ist regelmäßig ein Verschulden des Auftraggebers auszuschließen (vgl. OLG Düsseldorf BauR 1991, 337; Döring a. a. O.). Anzeichen für das Vorhandensein historischer Spuren gab es auch vorliegend nicht einmal allgemeiner Art, wie etwa möglicherweise in Städten mit bekannt römischer Siedlungsvergangenheit (z. B. Trier, Xanten, Köln usw.).

3.

Der Kläger hätte wegen des Stillstandes der Bauarbeiten infolge des Grabfundes allenfalls ein Anspruch auf angemessene Entschädigung gem. § 642 BGB und/oder auf Verzugsschadensersatz aus §§ 304, 286 BGB zustehen können (vgl. BGH BauR 2000, 722, 725).

a)

Ein Anspruch auf Ersatz verzugsbedingter Mehraufwendungen gem. §§ 304, 286 BGB wird vom Kläger nicht geltend gemacht.

b)

Der verbleibende denkbare Anspruch aus § 642 BGB auf angemessene Entschädigung gewährt indes keinen Anspruch auf Ersatz bzw. Entschädigung für Wagnis und Gewinn (BGH a. a. O.).

Das erfordert es, aus der Kalkulation für die Baustelleneinrichtung und den Einsatz der Geräte, mit denen während des Stillstands auch nicht woanders entsprechende Einnahmen erwirtschaftet werden konnten, die Kalkulationsfaktoren Wagnis und Gewinn herauszurechnen (vgl. BGH a. a. O.).

Zum Wagnis zählen individuelle Wagnisse, die sich aus einem Bauprojekt ergeben (z. B. langfristige Festpreise, neuartige Bauverfahren, Mengengarantien), sowie die generellen Risiken, dass höhere Ist-Kosten als Selbstkosten anfallen, ferner das normale Unternehmenswagnis und das Risiko der Gewährleistungs-aufwendungen (Kapellmann/Schiffers, Vergütung und Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, 4. Aufl., Rn. 16). Außerdem ist bei der Kalkulation der Gewinn durch Ansatz eines entsprechenden Prozentsatzes zu berücksichtigen (Kapellmann/Schiffers a. a. O.). Das Wagnis im Sinne des allgemeinen Unternehmensrisikos, das sich in Gewinn oder Verlust realisiert, ist bereits Bestandteil des potentiellen Gewinns und braucht daher vom kalkulierten Gewinn nicht getrennt zu werden (Kapellmann/Schiffers a. a. O.).

Diesen Grundsätzen wird schon das erstinstanzliche klägerische Vorbringen nicht gerecht, obwohl die Schuldnerin als damalige Klägerin im Beschluss vom 6. Dezember 2001 zu Ziff. 1 (Bl. 91 d. A.) für sämtliche in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlagen - auch ausdrücklich für § 642 BGB - rechtzeitig und zutreffend darauf hingewiesen worden ist, dass auch für die in Positionen Nr. 1 und N 2.1 bis 2.8 der Schlussrechnung geltend gemachten Stillstandskosten unter Darlegung der Urkalkulation eine Vergleichskalkulation gegenüberzustellen sei, aus der sich unter Berücksichtigung der Grundlagen der Preisgestaltung die jeweilige Mehrforderung ergebe.

Der unter dem 03.01.2002 als Urkalkulation (K26 = Bl. 58 ff. des Anlagenbandes) vorgelegten Aufstellung ist den für die Schlussrechnungspositionen Nr. 1 und N 2.1 bis N 2.8 zu den Faktoren Wagnis und Gewinn zuordenbar nichts zu entnehmen.

Für das sich aus § 642 BGB ergebende Erfordernis, Wagnis und Gewinn aus der Forderung des Klägers für die Stillstandskosten herauszurechnen, ist es unerheblich, ob die Schuldnerin konkret Stillstandskosten kalkuliert hat. Es geht vielmehr darum, eine nach den genannten Grundsätzen angemessene Entschädigung zu ermitteln, was auch nachträglich erfolgen kann.

Diesen Anforderungen wird auch das Berufungsvorbringen des Klägers trotz der (erneuten) zutreffenden Hinweise im angefochtenen Urteil (LGU Seite 14 f. = Bl. 202 f. d. A.) nicht gerecht. Die Auffassung der Berufung, Wagnis und Gewinn brauchten mit Rücksicht auf § 4 Nr. 9 VOB/B i. V. m. § 2 Nr. 6 VOB/B nicht herausgerechnet zu werden, ist nicht zutreffend, weil - wie oben unter Ziff. 1) ausgeführt - die Regelungen der §§ 4 Nr.9, 2 Nr. 6 VOB/B insoweit nicht einschlägig sind.

c.)

Der Kläger kann die Stillstandskosten für Baumaschinen und Geräte auch nicht mit Erfolg anhand der sogenannten Baugeräteliste (BGL 1992, Index 1994) geltend machen. Soweit er seine gegenteilige Auffassung damit begründet, die sich aus der Baugeräteliste ergebenden Beträge seien niedriger, als die für dieselben Geräte in der Vertragskalkulation zugrundegelegten Beträge (vgl. Bl. 169 d. A.), ist das schon nicht nachvollziehbar. So enthält die als Urkalkulation vorgelegte Aufstellung beispielsweise für den Bagger PC 300 einen kalkulierten Vertragspreis pro Stunde von 38,25 DM (K 26 = Bl. 60 des Anlagenbandes). In der klägerischen "Vergleichsberechnung" zu den Angaben der Baugeräteliste hat die Insolvenzschuldnerin aber mit 85,30 DM pro Stunde gerechnet (Bl. 169 d. A) und ist nur auf diese Weise zu einem höheren Vergleichstagespreis in Bezug auf den Tagespreis nach der Baugeräteliste (663,90 DM : 9 Stunden = 73,76 DM/Std.) gelangt. Die Beklagte hat auf diesen Widerspruch bereits erstinstanzlich zutreffend hingewiesen (Bl. 183 d. A.), so dass es insoweit eines zusätzlichen gerichtlichen Hinweises nicht bedurfte. Unabhängig davon ist auch hier nicht zu erkennen, dass aus den im Schriftsatz der Insolvenzschuldnerin und damaligen Klägerin vom 14. Juni 2002 angegebenen "Vergleichszahlen" Wagnis und Gewinn herausgerechnet worden sind.

Auch aus der in der Berufung vom Kläger zitierten (Bl. 456 d. A.) Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 25. Februar 2003 - 21 U 80/02 - BauR 2003, 892 = IBR 2003, 238 mit zust. Anmerkung Leitzke) kann nicht abgeleitet werden, dass entgegen der Rechtsprechung des BGH zu § 642 BGB (BauR 2000, 722, 725) zur Berechnung des Anspruchs auf die sogenannte Baugeräteliste zurückgegriffen werden kann. Bei dem genannten Urteil des OLG Düsseldorf ging es um Schätzung eines Schadens (§ 287 ZPO) infolge verlängerter Vorhaltung von Geräten, die der dortige Beklagte zu vertreten hatte. Vorliegend geht es indes um eine angemessene Entschädigung im Sinne von § 642 BGB (s. o.) für eine unverschuldete Behinderung. Mangels Verschuldens schließt die Entschädigung Wagnis und Gewinn nicht mit ein. Eine Erwartung eines Unternehmers, er könne auch für eine Leistung, die er nicht zu erbringen brauchte, weil ein unabsehbares, von niemandem verschuldetes Hindernis aufgetreten ist, Gewinn erzielen bzw. ersetzt bekommen, ist nicht schützenswert. Die gegenteilige Auffassung würde den Besteller einseitig benachteiligen, obwohl diesem die Behinderungssituation ebenso wenig zuzurechnen ist wie dem Unternehmer.

III.

Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 10 ZPO sowie die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO waren nicht abzuordnen, da das vorliegende Teilurteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, weil es keine eigene Kostenentscheidung enthält und in der Hauptsache über die teilweise bestätigende Klageabweisung nicht hinausgeht (vgl. Anders/Gehle/Baader, Handbuch für den Zivilprozess, Teil C, Rn. 9).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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