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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Urteil verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: 8 U 29/02
Rechtsgebiete: AGBG, SGB V, ALV-N, BGB, ZPO, GVG


Vorschriften:

AGBG § 1
AGBG § 9
AGBG § 11 Nr. 2
AGBG § 11 Nr. 5
AGBG § 11 Nr. 15
SGB V § 27 Abs. 1 Satz 1
SGB V § 129 Abs. 5
ALV-N § 4
ALV-N § 4 Ziff. 5
ALV-N § 4 Ziff. 9
ALV-N § 4 Nr. 8
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 124
BGB § 133
BGB § 134
BGB § 157
BGB § 781
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 812 Abs. 2
BGB § 821
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 709 S. 2 n.F.
ZPO § 711
GVG § 17a Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes! Urteil

Geschäftsnummer: 8 U 29/02

Verkündet am 30. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 16. Januar 2002 - 2 O 2588/01 (292) - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 255.645,94 € (500.000,00 DM).

Tatbestand:

Die Klägerin - eine gesetzliche Krankenkasse - nimmt den Beklagten, einen in R. ansässigen Apotheker, auf der Grundlage eines vom Beklagten am 20. Februar 2001 (Bl. 10 d.A.) abgegebenen Schuldanerkenntnisses in Anspruch.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands I. Instanz sowie der Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 16. Januar 2002 - 2 O 2588/01 (292) - ist der Klage in vollem Umfang stattgegeben worden. Das Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 22. Januar 2002 (Bl. 114 d.A.) zugestellt worden. Die Berufung des Beklagten ist am 22. Februar 2002 bei Gericht eingegangen (Bl. 116 d.A.). Auf am 21. März 2002 (Bl. 124 d.A.) eingegangenen Antrag hat die Vorsitzende des Senats die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom 21. März 2002 (Bl. 125 d.A.) bis zum 22. April 2002 verlängert. Die Berufungsbegründung ist am 19. April 2002 (Bl. 126 d.A.) bei Gericht eingegangen.

Im Berufungsrechtszug wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen. Das Urteil des Landgerichts Braunschweig sei unrichtig. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Das Schuldanerkenntnis verstoße gegen § 9 AGBG. Es sei von der Klägerin vorformuliert worden und habe auch in anderen Fällen Anwendung gefunden. Ziff. 1 des Schuldanerkenntnisses verstoße gegen § 11 Nr. 5 AGBG, Ziff. 2 verstoße gegen § 11 Nr. 2 AGBG und § 11 Nr. 15 AGBG. Die drei Klauselverbote würden mittelbar über § 9 AGBG Anwendung finden.

Er - der Beklagte - habe darüber hinaus das Schuldanerkenntnis fristgerecht und wirksam angefochten. Er sei durch widerrechtliche Drohung und arglistige Täuschung zur Unterschrift bestimmt worden. Die Klägerin habe angekündigt, im Falle der Nichtunterzeichnung des Schuldanerkenntnisses die Staatsanwaltschaft, die Apothekerkammer und die Bezirksregierung einzuschalten. Die darin enthaltene Drohung sei widerrechtlich. Dies folge aus der Mittel-Zweck-Relation. Die Klägerin habe auf den verfolgten Zweck der Forderungsbegründung keinen Rechtsanspruch gehabt, da es an einem Schaden fehle. Die juristisch vertretene Klägerin habe die rechtliche Unkenntnis des Beklagten hinsichtlich des Vorliegens eines Schadens ausgenutzt. Ein Schaden sei ihr nicht entstanden. Dies ergebe sich aus §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 5 SGB V sowie aus §§ 2 Abs. 3, 3, 4 Abs. 8 des Arzneiliefervertrages (ALV-N) vom 01.01.1997, der unstreitig für das Vertragsgebiet des Sitzes der Apotheke des Beklagten gilt. Darin werde nur auf die Verordnung abgestellt. Der Vergütungsanspruch des Beklagten bestehe, da dieser nur geliefert und abgerechnet habe, was auch verordnet worden sei. Ein etwaiger Verstoß gegen § 11 Apothekengesetz führe gem. § 12 Apothekengesetz nur zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften im Verhältnis zwischen Apotheker und Arzt im Hinblick auf verbotene Absprachen. Das Verhältnis zur Klägerin werde davon nicht berührt. Selbst eine Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne jegliches Rezept führe nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gem. § 134 BGB. Es sei auch kein Schaden bei der Klägerin eingetreten. Die Klägerin habe arglistig gehandelt, da sie den vermeintlichen Rückforderungsanspruch entweder wider besseres Wissen oder aber mindestens "ins Blaue" hinein als sicher dargestellt habe, was ausreiche.

Selbst wenn man von einem wirksamen konstitutiven Schuldanerkenntnis ausginge, bliebe die Klage erfolglos. In diesem Falle könne der Beklagte das Schuldanerkenntnis kondizieren bzw. die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben. Diese Einrede werde hier erhoben. Eine Generalbereinigung habe durch das Schuldanerkenntnis nicht getroffen werden sollen. Dazu wäre es erforderlich gewesen, dass der Beklagte Kenntnis von etwaigen Zweifeln an der Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche haben müsste. Diese Kenntnis habe er nicht gehabt. Er habe nicht einmal einen "leisen Zweifel" gehabt.

Die Klägerin habe ihn - den Beklagten -, obwohl das erforderlich gewesen sei, nicht über die Tragweite des Schuldanerkenntnisses belehrt. Aus der Formulierung des Schuldanerkenntnisses in Bezug auf den Abschluss eines weiteren notariellen Schuldanerkenntnisses ergebe sich, dass auch die Klägerin von der Vorläufigkeit der getroffenen Regelung ausgegangen sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 16. Januar 2002 - 2 O 2588/01 (292) - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der vom Beklagten beschrittene vertragswidrige Vertriebsweg habe dazu geführt, dass der Verbleib der gelieferten Arzneimittel nicht mehr geklärt werden könne. Nach den Verordnungen seien teilweise Patienten beliefert worden, die bereits verstorben gewesen seien und in den Wochen vor ihrem Tod Dialysemittel unmittelbar durch das Krankenhaus verabreicht erhalten hätten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Eine Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges (vgl. § 51 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz) hat im Rahmen der Entscheidung über die Berufung gemäß § 17a Abs. 5 GVG zu unterbleiben.

Das Urteil des Landgericht hält den Angriffen der Berufung stand.

I.

Der Anspruch der Klägerin folgt aus der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung vom 20. Februar 2001 (Bl. 10 d.A.) i.V.m. § 781 BGB*.

1.

Bei der Vereinbarung handelt es sich um ein selbständiges Schuldanerkenntnis.

Zwar ist in Ziff. 2 der Vereinbarung vom Ausschluss solcher Einwendungen und Einreden die Rede, die gegen "die anerkannte Forderung bestehen oder bestanden haben". Das macht die Vereinbarung jedoch nicht zu einem lediglich deklaratorischen Schuldanerkenntnis, denn in der der Ziff. 2 vorangestellten Regelung ist das Anerkenntnis ausdrücklich als selbständiges Schuldanerkenntnis vereinbart. Ziff. 2 hat damit lediglich vertiefenden Charakter, indem darin - zutreffend - klargestellt wird, dass Einreden und Einwendungen jeglicher Art, also auch diejenigen, die in dem vorausgegangenen Verhandlungsgespräch vom Beklagten noch erhoben wurden, ausgeschlossen sind.

Das Schuldanerkenntnis vom 20.02.2001 hat auch Bindungswirkung im Sinne des § 781 BGB und ist nicht eine bloße Absichtserklärung, wie das der Beklagte nunmehr aus dem Wortlaut der Ziff. 6 der Erklärung ableiten will. Das wird bereits dem Wortlaut nicht gerecht, nach welchem sich Ziff. 6 auf eine bereits bestehende Vereinbarung bezieht, die nochmals in notarieller Form abgegeben werden soll. Die Ziff. 6 zielt ersichtlich auf die Schaffung eines Titels ab, auch wenn in Ziff. 6 die dafür erforderliche Vollstreckungsklausel nicht ausdrücklich genannt ist. Aus diesem Umstand kann nicht auf die Unverbindlichkeit der Erklärung zu Ziff. 1-5 geschlossen werden. Das widerspricht bereits dem vom Beklagten selbst vorgetragenen Verhandlungsablauf, nach der die Klägerin auf eine endgültige Klärung hingewirkt hat. Dass der Beklagte auch selbst nicht von einer unverbindlichen Absichtserklärung ausgegangen ist, wird durch die Tatsache belegt, dass er diese Erklärung zwei Wochen später unter Einschaltung eines Rechtsanwalts anfechten ließ.

Die nach § 781 BGB vorgeschriebene Schriftform ist gewahrt. Dass nur der Beklagte die Vereinbarung vom 20.02.2001 unterzeichnet hat, ist unschädlich. Das gesetzliche Schriftformerfordernis bezieht sich nur auf die Erklärung des Anerkennenden. Die Annahmeerklärung des Gläubigers ist formlos gültig (MüKo-Hüffer, BGB, 3. Aufl., § 781 Rn. 2, 780 Rn. 21 mwN). Diese ist hier unstreitig am Schluss der Besprechung vom 20.02.2001 mindestens konkludent durch die Vertreter der Klägerin abgegeben worden.

2.

Der Beklagte hat das Schuldanerkenntnis vom 20.02.2001 durch seine i.S.v. § 124 BGB fristgerecht abgegebene Erklärung seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 08.03.2001 (Bl. 11f. d.A.) nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung oder Drohung angefochten.

Ein Anfechtungsgrund gem. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

a.)

Soweit der Beklagte anführt, die Klägerin habe ihn über das Bestehen ihres geltend gemachten Anspruches getäuscht, handelt es sich nicht um eine Täuschung. Zwar kann auch in der Äußerung einer Rechtsansicht die Vorspiegelung einer Tatsache i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB liegen, wenn dadurch die materielle Rechtslage unrichtig dargestellt wird (KG OLGZ 72, 251, 261). Das ist aber hier nicht der Fall.

Die von der Klägerin - jetzt unstreitig auch schon in dem dem Anerkenntnis vorangegangenen Gespräch - vertretene Auffassung, der Beklagte sei ihr auch ohne das Anerkenntnis zum Ersatz bzw. Rückzahlung der geleisteten Arzneimittelkaufpreiszahlungen in der unstreitigen Größenordnung von 1,1 Mio. DM verpflichtet gewesen, ist zutreffend.

Der Beklagte wäre ohne das Schuldanerkenntnis der Klägerin zur Rückzahlung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen. Für die im Umfang von 1,1 Mio. DM abgegebenen Arzneimittel hat der Beklagte die Bezahlung durch die Klägerin rechtsgrundlos erhalten.

Als Rechtsgrund für den Anspruch auf Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel kommt hier nur der zwischen dem Landesapothekenverband Niedersachsen e.V., dessen Mitglied der Beklagte ist, und der B-Krankenkasse für Niedersachsen geschlossene Arznei-Liefervertrag (ALV-N) vom 01.01.1997 (Bl. 77ff.) in Betracht. Dieser Vertrag ist vorliegend die Ausfüllung des Rahmenvertrages i.S.v. § 129 Abs. 2-4 SGB V.

Entgegen der Auffassung der Klägerin findet nicht der auf dem Gebiet ihres Sitzes von ihr mit den dortigen Apotheker-Verbänden abgeschlossene Arznei-Liefervertrag Anwendung. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erwirbt ein Apotheker auch bei landesgrenzüberschreitenden Lieferungen nach Maßgabe der für ihn auf Landesebene geltenden Verträge einen vertraglichen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse des belieferten Versicherten (BSG Urt. v. 17.01.1996 - 3 RK 26/94 = BSGE 77, 194-209 = MDR 1996, 830f., Gründe Ziff. 5. lit. b). Die Verträge auf Landesebene begründen eine vertragliche Verpflichtung der Krankenkasse des mit Arzneimittel belieferten Versicherten auch in den Fällen, in denen die Krankenkasse des Versicherten zwar der Kassenart nach einem der vertragsschließenden Landesverbände entspricht, diesem aber nicht angehört, da ihr Sitz in einem anderen Bundesland liegt (BSG a.a.O. Ziff. 5 lit. c ). Daher gilt hier der für den Beklagten geltende Landesvertrag mit der B-Krankenkasse für Niedersachsen auch für die Klägerin, obwohl diese ihren Sitz in Sachsen-Anhalt hat (vgl. BSG a.a.O.).

Dem Beklagten steht nach dem ALV-N ein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung der streitbefangenen Lieferung indes nicht zu.

Gem. §§ 1 Nr. 1, 3 des ALV- N sind für die Arzneimittelabgabe durch den Apotheker die ordnungsgemäß auf bestimmten Formblättern - den sog. Rezepten - ausgestellten Verordnungen durch Kassenärzte zwingende Voraussetzung. § 4 Nr. 8 ALV-N besagt, dass die Kosten der abgegebenen Mittel von der auf der Verordnung vom Vertragsarzt bezeichneten Krankenkasse zu tragen sind.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es für die Erfüllung dieses vertraglichen Zahlungstatbestandes nicht unerheblich, dass die streitbefangenen Arzneimittelabgaben jeweils vor Verordnung erfolgt sind.

Die Bestimmung des § 4 ALV-N setzt nach ihrem Sinn und Zweck voraus, dass der Apotheker die Verordnung nach den in § 4 Nr. 1, 2 und 5 Satz 1 ALV-N genannten Kriterien prüft, bevor er das Medikament oder das Heilmittel abgibt. Die darin genannten Prüfkriterien sollen sowohl die Gesundheitsinteressen des Versicherten als auch die wirtschaftlichen Interessen der Krankenkasse schützen. Die in § 4 Nr. 8 ALV-N von der Krankenkasse übernommene Pflicht zur Bezahlung ist auch von ihrer systematischen Stellung her dahingehend zu verstehen, dass die Krankenkasse nur die Verpflichtung zur Bezahlung abgegebener Mittel übernommen hat, bei denen der Vertriebsweg "Verordnung vor Abgabe" eingehalten ist. Andernfalls entsteht erst gar keine von der Klägerin übernommene Vertragspflicht. Dabei geht es nicht um die Schaffung eines weiteren Tatbestandes neben § 4 Ziff. 5 und 9 ALV-N, bei dessen Vorliegen ausnahmsweise die Krankenkasse entgegen Ziff. 8 von der übernommenen Zahlungspflicht befreit ist. Denn auch die in § 4 Ziff. 5 und 9 ALV-N gefassten Befreiungstatbestände knüpfen daran an, dass der Apotheker trotz Prüfung Mittel aufgrund abgelaufener bzw. begründet verdächtiger Verordnung abgegeben hat. Beides setzt wiederum denknotwendig die Vorlage der Verordnung beim Apotheker vor Abgabe des Mittels voraus. Die Übernahme einer Zahlungspflicht der Krankenkasse für Mittel, die ohne Verordnung abgeben werden oder bei denen die Verordnung so spät erfolgt, dass jegliche, nach dem Vertrag durchgehend vorausgesetzte Kontrollfunktion des Apothekers von vornherein ausgeschaltet ist, ist dem ALV-N nicht zu entnehmen.

Die Auslegung, dass eine Verordnung jeweils vor Abgabe vorliegen muss, um eine vertragliche Zahlungspflicht der Klägerin auszulösen, folgt mithin aus den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB, die auf jegliches Vertragsverhältnis Anwendung finden.

Dabei geht es nicht um die Frage eines unzulässigen Eingriffs in die Privatautonomie, wie der Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 10.07.1996 - 3 RK 29/95 - meint. Die Konstellation des der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Falles ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Zunächst ist hervorzuheben, dass das BSG in der genannten Entscheidung die Auslegungsvorschriften der §§ 133, 157 BGB für Rahmenverträge nach dem SGB V grundsätzlich für anwendbar erachtet hat. In jenem Fall ging es - anders als hier - um die ergänzende Vertragsauslegung hinsichtlich der Vergleichbarkeit einer speziellen, im dortigen Rahmenvertrag nicht genannten krankengymnastischen Leistung mit einer im dortigen Vertrag enthaltenen konkreten krankengymnastischen Leistungsbeschreibung. (Nur weil jene ohne Öffnungsformulierungen wie "z.B." oder "u.a." gefasst war, dieselben Formulierungen aber in anderen Leistungsbeschreibungen desselben Vertrages enthalten waren, hat das BSG eine extensive ergänzenden Vertragsauslegung in Bezug auf die dort streitbefangene Leistungsbeschreibung als unzulässigen Eingriff in die Privatautonomie abgelehnt; vgl. a.a.O. Urteilsgründe zu Ziff. 2.).

Hingegen würde die Auslegung, wie sie der Beklagte vornimmt, die Privatautonomie verletzen, ginge man von einer Vergütungspflicht der Krankenkasse trotz nachträglicher Verordnung aus. Denn dadurch würde die kassenärztliche Verordnung eines Mittels im Ergebnis zu einer Empfangsquittung mit Abrechnungsfunktion herabgestuft, bei der sämtliche nach dem ALV-N vertraglich vorausgesetzten Kontrollpflichten des Apothekers unterlaufen werden. Es muss aber der Entscheidung der Krankenkasse überlassen bleiben, ob sie auch für Mittel bezahlen will, die unter solchen, vom Vertrag nicht gedeckten Voraussetzungen abgegeben werden.

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der hier vorgenommenen Auslegung auch nicht die Entscheidung des BSG vom 01.08.1991 - 6 RKa 15/90 - entgegen. Es geht vorliegend nicht um die Auslegung einer konkreten kassen- oder vertragsärztlichen Leistungsbeschreibung einer Gebührenordnung oder Vergütungsliste.

Im Übrigen hat das BSG in der bereits zitierten Entscheidung vom 17.01.1996 - 3 RK 26/94 - lediglich entschieden, dass dem vertraglichen Leistungsanspruch des Apothekers nicht der Einwand der pflichtwidrigen Verordnung durch den Arzt entgegengehalten werden kann (BSG a.a.O. Urteilsgründe zu Ziff. 8 lit. b). Hier geht es aber um eigenes vertragswidriges Verhalten des Apothekers und nicht um das des verordnenden Arztes. Zu dem auch in jenem Fall von der Krankenkasse erhobenen Einwand der vertragswidrigen Vertriebswegverletzung durch Direktbelieferung hat das BSG ausgeführt (a.a.O.): "Das Revisionsvorbringen, der Kläger habe 'ganz überwiegend' auf telefonische Bestellung geliefert, wobei eine direkte Abgabe der Rezepte vom Arzt an den Apotheker erfolgt sei, und hinsichtlich der fehlenden Kontrolle .... liege ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zwischen Kläger [Apotheker] und Beigeladendem [Arzt] vor, ... enthält hingegen unzulässigen neuen Tatsachenvortrag und kann deshalb nicht, auch nicht im Wege der Unterstellung, verwertet werden." Das BSG hat mithin in jener Entscheidung eine Entscheidung über die vorliegende Fallkonstellation nicht getroffen, insbesondere nicht im Sinne des hiesigen Beklagten. Das BSG musste aus Gründen des Revisionsverfahrensrechts davon ausgehen, das in jenem Fall die Verordnungen stets vor Abgabe der Mittel dem Apotheker vorlagen.

Der nach dem ALV-N vertraglich zwingend vorausgesetzte Vertriebsweg ist bei den vom Beklagten im Umfang von 1,1 Mio. DM abgegebenen Arzneimitteln nicht eingehalten, so dass die Zahlungen der Klägerin nicht auf Grundlage des ALV-N, sondern rechtsgrundlos erfolgt sind. Ob der vertragswidrige Vertriebsweg für die Patienten gesundheitsgefährdend war oder nicht und ob noch andere Apotheker Arzneimittel auf einem solchen Vertriebsweg abgegeben haben, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich.

Die vom BGH (NJW 1968, 2286, 2287) zu einem (Großhandel-)Kaufvertrag über Tiermastmittel getroffene Feststellung, dass ein Vertrag über Verkauf und Vertrieb eines rezeptpflichtigen Präparates auch ohne ärztliche Verschreibung nicht nach § 134 BGB nichtig ist, spielt hier keine Rolle. Der Beklagte hat keinen vertraglichen Anspruch auf Bezahlung dieser Mittel, weil bereits die für den Zahlungsanspruch des Apothekers nach dem ALV-N geltenden besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Ob die Mittel bei vertragsgemäßer Abgabe hätten bezahlt werden müssen, ist für den vertraglichen Anspruch aus § 4 Nr. 8 ALV-N unerheblich, weil die Mittel unstreitig gerade so nicht abgegeben wurden. Unerheblich ist ferner, wann der Beklagte die abgegebenen Mittel der Klägerin berechnet hat. Das hat auf die Vertragswidrigkeit des Vertriebsweges und das damit verbundene Nichtentstehen des vertraglichen Vergütungsanspruchs keinen Einfluss. Entscheidend ist allein die vertragsgemäße Abgabe.

Da die Abgabe der Mittel daher außerhalb der vertraglichen Grundlage des ALV-N und damit außerhalb der Bestimmungen über die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen erfolgt ist, welche die Vergütung von der Erfüllung bestimmter formaler und inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, kommt auch kein gesetzlicher Rechtsgrund für die von der Klägerin an den Beklagten geleisteten Zahlungen in Betracht. Dabei ist unerheblich, ob der Beklagte die von der Klägerin bezahlten Leistungen tatsächlich bewirkt hat oder nicht. Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Arzt oder sonstigen Leistungserbringer - also auch dem Apotheker - für Leistungen, die er unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im übrigen ordnungsgemäß erbracht sind. Ihre Steuerungsaufgabe können die genannten Regelungen nicht erfüllen, wenn der Arzt oder der mit ihm zusammenarbeitende nichtärztliche Leistungserbringer die gesetz- oder vertragswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG Beschl. v. 17.05.2000 - B 3 KR 19/99 B = MedR 2001, 649, 650).

Nach alledem scheidet der Anfechtungsgrund der Täuschung aus.

b.)

Es liegt auch nicht der Anfechtungsgrund der widerrechtlichen Drohung vor, selbst wenn der vom Beklagten behauptete Inhalt der Besprechung vom 20.02.2001 unterstellt wird.

Voraussetzung ist hierfür, dass mittels einer vorsätzlich rechtswidrigen Drohung auf die freie Willensbestimmung des Vertragspartners eingewirkt (vgl. BGH NJW 1979, 1983) und hierdurch der Bedrohte zur Abgabe der Vertragserklärung bestimmt wird (vgl. Staudinger-Löwisch, Bearbeitung 2001, Vorbem. zu §§ 275 bis 283 Rn. 88; Senat Urt. v. 16.01.2003 - 8 U 6/02, n.v.). Die widerrechtliche Drohung verlangt zum einen das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels (vgl. BGH NJW 1988, 2599, 2600; Senat a.a.O.), zum anderen, dass sich aus dem angedrohten Mittel, dem erstrebten Zweck oder der Zweck/Mittel-Relation deren Widerrechtlichkeit ergibt (vgl. BGHZ 25, 217; Senat a.a.O.). Dabei muss der Drohende die Umstände kennen oder schuldhaft nicht kennen, die seiner Drohung den sittlich anstößigen Charakter geben (vgl. BGH Z 25, 217, 225; Senat a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Strafanzeige, Klage und Standesverfahren sind an sich erlaubte Mittel. Wird mit ihnen - wie dies der Beklagte der Klägerin vorwirft - gedroht, ist die Widerrechtlichkeit grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Drohende einen Anspruch auf den erstrebten Erfolg hat (RG Z 110, 384; BGH Z a.a.O.).

Das ist - wie oben ausgeführt - hier aber in Bezug auf die Klägerin und den von ihr gegenüber dem Beklagten am 20.02.2001 geltend gemachten Anspruch der Fall.

3.

Das Schuldanerkenntnis des Beklagten vom 20.02.2001 ist auch nicht nach den Vorschriften des AGBG - ganz oder in Teilen - unwirksam. Der Beklagte hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass die in der Vereinbarung vom 20.02.2001 enthaltenen Regelungen von der Klägerin i.S.v. § 1 AGBG gestellt und nicht im einzelnen ausgehandelt worden sind. Die Klägerin hat vielmehr unwidersprochen vorgetragen, dass das nunmehr vorgelegte sog. ausführliche Gesprächsprotokoll (K7 = Bl. 194-202) den tatsächlichen Verhandlungsablauf wiedergibt. Das ist aufgrund der Erwiderung des Beklagten im Schriftsatz vom 10.01.2003, mit der er sich den Inhalt des Protokolls zu eigen macht (Bl.231ff. d.A.) auch nunmehr unstreitig. Aus S. 8 letzter Absatz und S. 9, 1. und 2. Abs. des Protokolls ergibt sich (Bl. 201f. d.A.), dass die Bedingungen der Schuldanerkenntnisvereinbarung (vgl. deren Ziff. 1, 3 und 6) nicht nur zwischen den Parteien ausgehandelt worden sind, sondern auf Vorschläge des Beklagten zurückgehen. Hinsichtlich der Frage der Vorformulierung beschränkt sich der Tatsachenvortrag des Beklagten auf unschlüssige Spekulationen darüber, ob der Vereinbarungstext in den laut Protokoll dafür zur Verfügung gestandenen 6 Minuten hätte geschrieben werden können. Abgesehen davon erscheint ist die Zeitspanne von 6 Minuten zur Niederschrift der Vereinbarung im Hinblick auf deren geringen Textumfang mehr als ausreichend.

4.

Aus den o.g. Gründen, aus denen die Wirksamkeit der Anfechtung zu verneinen war, scheidet auch ein Freistellungsanspruch aus dem Grundsatz des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) mangels Täuschung und widerrechtlicher Drohung aus.

Die Haftungsgrundsätze der c.i.c. greifen auch dann nicht ein, falls die Klägerin, wie der Beklagte behauptet, ihn nicht über die Bedeutung eines selbständigen Schuldanerkenntnisses belehrt hat. Eine zutreffende Belehrung über den Sinn und Zweck eines selbständigen Schuldanerkenntnisses ist bereits in Ziff. 1 und 2 der Erklärung enthalten. Eine weitergehende Aufklärungspflicht der Klägerin bestand nicht.

5.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, den Anspruch der Klägerin aus § 781 BGB gem. §§ 812 Abs. 2, 821 BGB kondizieren zu können. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen eines solchen Kondiktionsanspruches dem Grunde nach gegeben sind. Sie fehlen, wenn der Schuldanerkenntnisvertrag nach dem Willen der Vertragschließenden den endgültigen Ausschluss etwaiger bis dahin begründeter Einwendungen zur Folge haben soll (BGH NJW 2000, 2501, 2502). Für einen solchen Ausschluss spricht im vorliegenden Fall Ziff. 2 der Erklärung vom 20.02.2001. Das kann hier letztlich offen bleiben. Der etwaige Kondiktionsanspruch ist jedenfalls der Höhe nach nicht schlüssig. Er bestünde nur in dem Umfang, in welchem der anerkannte Betrag den des Rückzahlungsanspruches der Klägerin übersteigt (vgl. BGH a.a.O.). Das ist nicht der Fall. Der anerkannte Betrag bleibt mit 500.000,00 DM um mindestens 50 % hinter dem Betrag zurück, den die Klägerin rechtsgrundlos an den Beklagten gezahlt hat.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO n.F. .

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO n.F.).

Obwohl sich die entscheidungserheblichen Rechtsfragen in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen könnten (vgl. BGH Beschl. v. 04.07.2002 - V ZB 16/02), ist eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht gegeben. Denn Fälle wie der vorliegende sind grundsätzlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit entzogen und vor den Sozialgerichten zu verhandeln (§ 51 Abs. 2 SGG). Es fehlt damit an der Klärungsfähigkeit der entscheidungserheblichen sozialrechtlichen Rechtsfragen im Rechtszweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der hier nur aufgrund der Besonderheit des Einzelfalls beschritten werden konnte. Diese Besonderheit liegt darin, dass keine der Parteien in I. Instanz die fehlende Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt hat (§ 17a Abs. 3 S. 2 GVG). Wegen dieser Besonderheit des Einzelfalls kann im ordentlichen Rechtsweg durch Zulassung der Revision auch keine (maßgebliche) Fortbildung des Rechts erfolgen oder einheitliche Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.) herbeigeführt werden; beides bleibt der Sozialgerichtsbarkeit vorbehalten.

* Die angegebenen §§ des BGB und der ZPO sind solche der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassungen, Art. 229 § 5 EGBGB, § 26 Nr. 5 EGZPO, soweit nicht besonders gekennzeichnet.

Ende der Entscheidung

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