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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 1 U 16/04 (a)
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 254 Abs. 1 | |
BGB § 823 Abs. 1 |
2. Eine (etwaige) Pflichtverletzung des Verkehrssicherungspflichtigen entfällt (§ 254 Abs. 1 BGB), wenn der geschädigte Radfahrer über eine trichterförmige Mulde auf einem Radweg stürzt und der Sturz durch einen unsachgemäßen Zustand des benutzten Fahrrads wesentlich mitverursacht worden ist, der Geschädigte den schlechten Zustand des Radweges, auf den überdies ein Warnschild hinwies, kannte und der Radfahrer vor dem Sturz auch sonst nicht ausreichend aufmerksam und vorsichtig gefahren ist.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL
Geschäftszeichen: 1 U 16/04 (a)
Verkündet am: 05. Mai 2004
In Sachen
hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.04.04 unter Mitwirkung der Richter
Neumann, Dr. Wittkowski und Lang
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil des Landgerichts Bremen - 1. Zivilkammer, Einzelrichter - vom 06.02.2004 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Im Berufungsrechtszug beantragt die Beklagte die Abänderung des Grundurteils und die Abweisung der Klage. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 25.03.2004 (Bl. 90-95 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Wegen des Vortrags der Klägerin nimmt der Senat auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16.04.2004 (Bl. 106-110 d.A.) Bezug.
2. Die statthafte (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 512, 519, 520 ZPO) Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht auch nicht teilweise zu.
Insoweit lässt der Senat offen, ob die Beklagte die sie treffende öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht (§ 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 11, 9 BremLStr) dadurch verletzt hat, dass sie die Schäden am Radweg der Parkallee (trichterförmige Mulde mit einer Ausdehnung von etwa vier Steinreihen bei einer maximalen Vertiefung von etwa 5 cm, wobei im mittleren Radwegbereich zwischen zwei Pflastersteinen keine Füllung vorhanden war, so dass sich ein Absatz entsprechend der halben Steinhöhe gebildet hatte und am rechten Radwegrand ein Stein fehlte, vgl. schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. O. - S. 5 = Bl. 63 -) nicht vor dem Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin am 08.07.2002 beseitigte, sondern sich darauf beschränkte, etwa 200 Meter vor der Unfallstelle das Gefahrenzeichen Nr. 101 des § 40 Abs. 6 StVO mit dem Zusatzschild "Schäden im Rad- und Gehweg" anzubringen (Bl. 20).
Diesbezüglich merkt der Senat lediglich an, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Warnung vor von dem Straßenzustand ausgehenden Gefahren grundsätzlich nicht deren unverzügliche Beseitigung durch den Verkehrssicherungspflichtigen ersetzt, es sei denn, dem Pflichtigen ist die alsbaldige Beseitigung des gefährlichen Zustandes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich (BGH VersR 68, 1090, 1091; Wussow-Schwerdt, UnfallhaftpflichtR, 15. Aufl. 2002, Kapitel 13 Rn. 91, 95 m.w.N.; Staudinger-Hager, Komm. zum BGB, 13. Aufl. 1999, § 823 Rn. E 118 m.w.N.).
Selbst wenn sich die Beklagte bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht auf die Anbringung des genannten Warnschilds beschränken durfte, sondern die erheblichen Schäden am Radweg im Bereich der Unfallstelle hätte beseitigen müssen, ist die Beklagte der Klägerin gleichwohl nicht schadensersatzpflichtig, weil der bei der Klägerin eingetretene Schaden so überwiegend von dieser selbst verursacht und verschuldet worden ist, dass eine etwaige schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten demgegenüber nicht nennenswert ins Gewicht fällt, die Ersatzpflicht der Beklagten vielmehr entfällt (Nachweise z.B. bei Palandt-Heinrichs, Komm. zum BGB, 62. Aufl. 2003, § 254 Rn. 45 ff, 52).
Dabei sind folgende Umstände zu berücksichtigen:
a) Wie der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. O. in seinem schriftlichen Gutachten vom 05.12.2003 (Bl. 59-66 d.A.) und bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht im Verhandlungstermin vom 05.12.2003 (Bl. 56 f. d.A.) überzeugend ausgeführt hat, hätte sich das Vorderrad des Fahrrades der Klägerin beim Überfahren der Unfallstelle nicht aus der Gabel lösen können, wenn der sog. Schnellspanner am Vorderrad des Rades der Klägerin ordnungsgemäß festgezogen gewesen wäre (Bl. 56 f. d.A.); nach den Darlegungen des Sachverständigen ist es aufgrund der konstruktiven Gestaltung des am klägerischen Fahrrads montierten Schnellspanners im Falle einer ordnungsgemäßen Montage aus technischer Sicht ausgeschlossen, dass sich das Vorderrad beim Überfahren der im Unfallbereich befindlichen Mulde aus der Gabelaufnahme gelöst hätte (Bl. 59 d.A.).
Ohne die unsachgemäße Montage des Schnellspanners wäre es mithin entweder überhaupt nicht zu einem Sturz der Klägerin gekommen oder der Sturz wäre erheblich glimpflicher verlaufen, weil die Klägerin dann jedenfalls nicht "mit dem Lenker in der Hand auf den Boden (zugeflogen)" wäre, wie sie persönlich vor dem Landgericht ausgeführt hat (Bl. 56 d.A.).
b) Die Klägerin kannte überdies den schlechten Zustand des Radweges. Sie fährt dort - nach eigener Darstellung (Bl. 55 d.A.) - jeden Tag entlang und ist durch das von der Beklagten aufgestellte Warnschild zusätzlich auf den gefahrenträchtigen Zustand des Radwegs hingewiesen worden. Außerdem ist die unfallursächliche Schadensstelle als solche bei auch nur durchschnittlicher Aufmerksamkeit ohne weiteres zu erkennen, so dass ein Radfahrer sich auf die Gefahrenstelle durch eine entsprechend aufmerksame und vorsichtige Fahrweise einstellen kann und muss.
c) Auch daran hat es die Klägerin in mehrfacher Hinsicht fehlen lassen. Sie ist ca. 15 km/h schnell gefahren und hatte unmittelbar vor dem Sturz den an den Radweg angrenzenden Gehweg benutzt, ohne die ihr entgegenkommenden Fußgänger, die zwei Kinderwagen schoben, rechtzeitig zu bemerken, weshalb sie zügig nach links ausweichen musste (vgl. Anhörung der Klägerin im Verhandlungstermin des Landgerichts, Bl. 55 d.A.). Die vorstehend aufgezeigte Fahrweise wurde der der Klägerin bekannten Gefahrensituation an der Unfallstelle nicht ansatzweise gerecht.
Nach alle dem hat die Klägerin den Unfall und seine Folgen ganz überwiegend selbst verursacht und verschuldet, so dass eine Ersatzpflicht der Beklagten selbst dann nicht in Betracht kommt, wenn die Beklagte sich nicht (vorübergehend) auf die Anbringung des genannten Warnschildes hätte beschränken dürfen.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO; die Klägerin hat Gründe für eine Zulassung der Revision auch nicht vorgebracht.
Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I S. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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