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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 1 U 42/05 a
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 932 Abs. 1 S. 1
BGB § 932 Abs. 1 S. 2
BGB § 952
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 1 U 42/05 a = 4 O 2626/04

Verkündet am: 23. November 2005

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2005 unter Mitwirkung der Richter Neumann, Dr. Wittkowski und Dr. Schilling

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen - 1. Zivilsenat - vom 21.09.05 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Auch die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Senats vom 21.09.05 darf nur gegen Sicherheit fortgesetzt werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Bremen - 4. Zivilkammer, Einzelrichter - vom 27.04.05 (Bl. 86-88) Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat die Beklagte in zulässiger Weise Berufung eingelegt. Sie war jedoch in dem Verhandlungstermin des Senats vom 21.09.05 anwaltlich nicht vertreten (Bl. 144 f.), worauf der Senat mit Versäumnisurteil vom gleichen Tag die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat (Bl. 146 f.).

Das Versäumnisurteil des Senats ist der Beklagten am 27.09.05 zugestellt worden (Bl. 151); am 10.10.05 (Bl. 154) hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 21.09.05 eingelegt. Wegen der Einspruchsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.10.05 nebst Anlage (Bl. 155-160) sowie auf ihren ergänzenden Schriftsatz vom 25.10.05 (Bl. 174 f.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 21.09.05 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 21.09.05 aufrechtzuerhalten.

Der Vortrag der Klägerin im Einspruchsverfahren ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 19.10.05 (Bl. 164 f.).

II. Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 21.09.05 ist zulässig (§§ 338, 339 Abs. 1, 340 ZPO), aber erfolglos. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im Einspruchsverfahren erweist sich das Versäumnisurteil des Senats vom 21.09.05 als zutreffend, so dass es zu bestätigen war (§ 343 Satz 1 ZPO).

Der Senat hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 27.04.05 im Wege des Versäumnisurteils zu Recht zurückgewiesen, weil das klagabweisende landgerichtliche Urteil nach wie vor zutrifft. Der Klägerin steht der ihr von dem Landgericht mit Urteil vom 27.04.05 zugesprochene Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 55.801,72 € zu. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist (auch und jedenfalls) § 816 Satz 1 BGB. Danach ist in Fällen, in denen ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet.

Auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens der Parteien im Einspruchsverfahren steht fest, dass die Beklagte den ursprünglich im Eigentum der Klägerin stehenden Pkw Mercedes-Benz SL 350 Roadster mit schriftlichem Kaufvertrag vom 23.04.04 (Bl. 160) an einen Herrn .... zum Preis von 65.500,- € verkauft und den Pkw zugleich an den Erwerber übereignet hat. Mit dieser Übereignung hat die Beklagte als Nichtberechtigte eine Verfügung getroffen, die gegenüber der Klägerin als Berechtigter wirksam ist.

1. Zum Zeitpunkt der Übereignung des Pkw am 23.04.04 war die Beklagte nicht Eigentümerin des Pkw Mercedes, so dass sie als Nichtberechtigte verfügt hat. Vielmehr war zu dem genannten Zeitpunkt nach wie vor die Klägerin Eigentümerin des Pkw Mercedes. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Unstreitig war die Klägerin ursprünglich Eigentümerin des fraglichen Pkw. Ihr Eigentum an dem Pkw hat die Klägerin nicht dadurch verloren, dass sie den Pkw nebst Kfz-Brief an ihren Mitarbeiter Berber übergeben hat. Unstreitig hat die Klägerin das Fahrzeug an ihren Mitarbeiter .... unter Eigentumsvorbehalt verkauft, wie sich aus den von ..... und der Klägerin vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sowie deren Auftragsbestätigung ergibt (Anlagen K 1, K 2, K 4, K 5 = Bl. 5-7, 38-41). Dies nimmt die Beklagte im Einspruchsverfahren auch nicht mehr in Abrede (Einspruchsschrift S. 2 = Bl. 156).

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin im weiteren Verlauf des Geschehens auch nicht auf den mit ihr vereinbarten Eigentumsvorbehalt verzichtet. Insbesondere liegt ein solcher Verzicht nicht in der Aushändigung des Kfz-Briefes an den Werksangehörigen ...... Die Übergabe des Kfz-Briefes an den Käufer...... diente nämlich lediglich der erleichterten Zulassung des in Rede stehenden Fahrzeugs und konnte von dem Käufer ...... vernünftigerweise auch nicht anders verstanden werden, zumal für die Klägerin offenkundig kein Grund bestand, ihre Rechte aus dem vereinbarten Vorbehaltseigentum vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises aufzugeben. Dass die Klägerin nach Zulassung des Fahrzeugs und bei Aushändigung des Pkw gegen Scheckübergabe davon absah, die Kfz-Papiere zurückzuverlangen bis zur Gutschrift des Schecks, stellt ebenfalls keinen konkludenten Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt dar. Ein derartiges Unterlassen ist unter den vorliegend zu beurteilenden Umständen ohne eigenen Erklärungswert. Die Klägerin hat überzeugend erläutert, dass sie nur mit Rücksicht auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen ihr und ihren Mitarbeitern und allein aus organisatorischen Gründen von der Rückforderung der Kfz-Papiere nach erfolgter Zulassung des Fahrzeugs auf den Namen des Mitarbeiters absieht. Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter Berber dies anders hätte verstehen können, hat die Beklagte weder erstinstanzlich, noch im Einspruchsverfahren vorgetragen.

Mithin war die Klägerin zum Zeitpunkt des Verkaufs des Pkw an die Beklagte am 06.05.03 nach wie vor (Vorbehalts-) Eigentümerin des Pkw Mercedes.

2. Die Beklagte hat am 06.05.03 den Pkw nicht gutgläubig erworben. Aufgrund der Umstände der Veräußerung des Pkw an die Beklagte am 06.05.03 steht fest, dass die Beklagte bösgläubig i.S. des § 932 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB war, weil ihr infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, dass der Pkw nicht dem Veräußerer ..... gehörte.

Unstreitig hat zwar der Veräußerer ..... der Beklagten bei dem Verkauf des Fahrzeugs am 06.05.03 die Kfz-Papiere übergeben. Dieser Umstand allein schließt jedoch eine Bösgläubigkeit der Beklagten nicht aus. Denn Briefvorlage und Einsichtnahme stellen nach der zutreffenden höchstrichtlichen Rechtsprechung lediglich die Mindestanforderungen an den Gutglaubenserwerb dar (BGH NJW 96, 2226). Auch wer diese Anforderungen erfüllt, kann gleichwohl bösgläubig sein.

Dies ist dann der Fall, wenn nach den gesamten Umständen erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Veräußerer auch wirklich Eigentümer ist; dabei darf sich der Erwerber über ihm bekannte und mühelos erkennbare Verdachtsgründe nicht hinwegsetzen (BGH, a.a.O.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. 2003, Rn. 1803). Bei der Bewertung der Umstände, die eine Erkundigungsobliegenheit des Erwerbers ("Nachforschungspflicht") begründen, legt der BGH einen betont strengen Maßstab an (BGH NJW RR 87, 1456). Was beim Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge mit Blick auf das Eigentum des Veräußerers verdächtig ist, hängt maßgeblich vom Inhalt des vorgelegten Briefes, der konkreten Veräußerungssituation und den Marktgepflogenheiten ab (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 1803 m.N.).

Unter den Umständen des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts handelte die Beklagte grob fahrlässig, wenn sie den Veräußerer ..... trotz entgegenstehender, mühelos erkennbarer Verdachtsgründe für den Eigentümer des veräußerten Pkw hielt.

Der entscheidende Gesichtspunkt, der aus der Sicht der Beklagten am 06.05.03 gegen das Eigentum des Veräußerers ..... sprach, war der von den Parteien vereinbarte Kaufpreis des Pkw in Höhe von lediglich 44.800,- €. Dieser Preis war völlig marktunangemessen und legte den Verdacht nahe, dass Berber seinerseits nicht Eigentümer des Pkw war, weil er den Wagen selbst nicht bezahlt hatte. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts am 16.02.05 persönlich ausgeführt hat, war ihr bekannt, dass der Werksangehörige Berber den Pkw erst wenige Tage vor dem 06.05.03 seinerseits für 64.729,99 € angekauft hatte.

Dabei wusste die fachkundige Beklagte, die sich mit dem Ankauf und der Weitervermittlung von Kraftfahrzeugen beschäftigte, darüber hinaus, dass ..... seinerseits an die Klägerin einen um den Werksrabatt geminderten Kaufpreis an die Klägerin gezahlt hatte. Der Beklagten war mithin am 06.05.03 klar, dass sie zum Preis von 44.800,- € ein Fahrzeug erwarb, dessen Listenneupreis sich auf über 80.000,- € brutto belief. Aus der Sicht der Beklagten gab es am 06.05.03 für diese eklatante Wertdifferenz keinen vernünftigen Grund, selbst wenn man zugunsten der Beklagten einen Schaden am Pkw in einer Größenordnung von 5.000,- bis 6.000,- € annehmen sollte, was indes nicht gerechtfertigt ist, da die Beklagte im Einspruchsverfahren auf die behauptete Schadensposition nicht Bezug nimmt und sie auch nicht näher erläutert.

Überdies zeigt auch der bei dem Weiterverkauf am 23.04.04 - also ein Jahr nach ihrem eigenen Ankauf - von der Beklagten erzielte Erlös von 65.500,- € -mithin 46 % mehr als sie selber ein Jahr zuvor gezahlt hatte - , dass der Beklagten sehr wohl bewusst war, welchen Marktwert der hier in Rede stehende Pkw hatte.

Hinzu kommt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Erwerbs wusste, dass der Veräußerer ..... während seiner kurzen Besitzzeit von nur 4 Tagen nicht einmal einen ernsthaften Versuch hatte unternehmen können, das Fahrzeug anderweitig annähernd kostendeckend zu verkaufen und dass er sich als Werksangehöriger gegenüber der Klägerin verpflichtet hatte, das von ihm erworbene Fahrzeug nicht vor Ablauf einer Mindesthaltedauer von 9 Monaten weiter zu veräußern (Anlage K 4, K 5 = Bl. 38, 41). Aus der Sicht der Beklagten war mithin klar, dass der Veräußerer...... das Fahrzeug möglichst schnell und praktisch zu jedem Preis verkaufen wollte. Gleichwohl hat die Beklagte den Veräußerer ..... unstreitig nicht darum gebeten, die genannten offen zu Tage liegenden, gegen die Eigentümerstellung Berbers sprechenden Umstände des Verkaufs zu erläutern. Das Unterlassen der im vorliegenden Fall gebotenen entsprechenden Nachfragen nimmt der Beklagten jede Gutgläubigkeit hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers .......

Da die Beklagte zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs des Fahrzeugs an Herrn ..... am 23.04.04 zum Preis von 65.500,- € nicht Eigentümerin des Pkw war, das Fahrzeug am 23.04.04 jedoch zu einem marktüblichen Preis ohne Vorliegen weiterer Verdachtsgründe veräußert worden ist, hat Herr ...... den Pkw seinerseits gem. § 932 BGB gutgläubig erworben, weshalb die Beklagte nach § 816 Satz 1 BGB den Verkaufserlös an die Klägerin auskehren muss. Der Verkaufserlös überschreitet die vom Landgericht ausgeurteilte Zahlungssumme.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO); die Beklagte hat Gründe für eine Zulassung der Revision auch nicht vorgebracht.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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