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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 2 U 108/06
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 556 Nr. 2
HGB § 606 Satz 2
HGB § 643
1. Spätestens mit der Verbringung des Transportgutes in die Lagerstelle im Bestimmungshafen endet die Verfügungsgewalt des Verfrachters, wenn im Konnossement ein Anderer als Ablader oder Empfänger genannt ist.

2. Erklärt sich der Verfrachter, der den Hintransport durchgeführt hat, nach Erreichen des Bestimmungshafens bereit, auch den Rücktransport vorzunehmen, so liegt darin nicht zugleich die Erklärung, er habe die Ware (noch) in der Verfügungsgewalt; vielmehr muss der Befrachter (auch) in diesem Fall dafür Sorge tragen, dass das Transportgut in die Obhut des Verfrachters gelangt.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftszeichen: 2 U 108/06

Verkündet am: 10. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Blum, den Richter am Oberlandesgericht Dierks und die Richterin am Oberlandesgericht Wolff für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen (1. Kammer für Handelssachen) vom 20. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangte Schadensersatz aus dem Transport von zwei Fahrzeugen von Rastatt nach Djakarta (Indonesien) und zurück (bis Bremerhaven).

Am 6.8.2001 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit dem Transport der Fahrzeuge nach Djakarta; die Beklagte ließ den Schiffstransport durch die Nebenintervenientin ausführen. Zwischenzeitlich erteilte die Klägerin die Weisung, den Transport in Singapur zu stoppen; die Fahrzeuge erreichten dennoch am 5. September 2001 Djakarta.

Der erstinstanzlich erhobene - aber zurückgewiesene - Vorwurf, der Nichtbefolgung einer Weisung auf dem Hintransport wird von der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgt.

Sie macht nunmehr nur noch Schadensersatz wegen der Verzögerung des Rücktransportes geltend, weil die Beklagte diesen trotz eines entsprechenden Auftrages nicht zeitnah durchgeführt habe. Die Fahrzeuge sind inzwischen nach Bremerhaven zurückgebracht, aber noch nicht an die Klägerin herausgegeben worden, weil die Kosten für den Rücktransport noch nicht bezahlt sind.

Das Landgericht hat die Klage auch wegen eines Anspruches aus der Beauftragung zum Rücktransport abgewiesen.

Es hat diesen Vertrag als Fixkostenspedition angesehen, ist jedoch davon ausgegangen, dass die Ladung zum Rücktransport nicht in die Obhut der Beklagten gelangt ist, weil diese sich in Verwahrung des indonesischen Zolls befunden habe. Dies stützt das Landgericht auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen P. und N. (Bl.214, 220, 281 d.A.). Dagegen spreche auch nicht die von der Klägerin vorgelegte Erklärung des Ministeriums (Anlage K 15 zum Schriftsatz der Klägerin vom 7. August 2007, Bl. 331 d.A.), nach der die Waren als "nicht unter Kontrolle" in eine Liste aufgenommen worden waren.

Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte sonstige ihr obliegende Interessenswahrungspflichten verletzt hat, weil eine solche Pflichtverletzung jedenfalls nicht kausal für den Schaden geworden sei. Unstreitig habe die Beklagte die Klägerin im Januar darauf hingewiesen, dass ca. USD 3.000,-- zu zahlen seien, um die Container aus dem Zoll herauszubekommen. Die Klägerin habe eine solche Zahlung jedoch abgelehnt. Angesichts des tatsächlichen Geschehens könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Fahrzeuge zeitnah ausgelöst hätte.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Urteil ist der Klägerin am 22. September 2006 zugestellt worden. Sie hat am Montag den 23. Oktober 2006 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechenden Fristverlängerungen - am 10. Januar 2007 begründet.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, soweit es davon ausgeht, dass sich die Fahrzeuge im Zollbeschlag befunden hätten. Sie sieht die Formulierung "nicht unter Kontrolle" in der Bestätigung des Ministeriums als Negativbestätigung hinsichtlich der Anfrage einer stattgefundenen Beschlagnahme und geht deshalb davon aus, dass die Fahrzeuge der Beklagten und der Nebenintervenientin zur freien Verfügung standen. Das Landgericht hätte ein Sachverständigengutachten bzw. eine ergänzende Auskunft beim Finanzministerium einholen müssen. Auch die Einvernahme des Zeugen M. sei vonnöten gewesen. Die Zeugen N. und P. unglaubwürdig und widersprächen sich in der Höhe der zu zahlenden Schmiergelder.

Die Klägerin meint, das Landgericht habe nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass Schmiergelder zu zahlen gewesen seien. Die angegebenen Zahlen überstiegen die im Hafen von Jakarta geltenden Tarife für Lagerkosten etc. erheblich.

Schließlich habe die Beklagte mit der Übernahme des Rücktransportauftrages stillschweigend bestätigt, dass sie auch die Rücktransportmöglichkeit und damit den unmittelbaren Besitz bzw. zumindest den mittelbaren Besitz bzw. die Verfügungsmöglichkeit über die Fahrzeuge habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 20.9.2006 verkündeten Urteil des Landgerichts Bremen, Aktenzeichen 11 O 163/03, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 27.708,27 nebst 7,4% Zinsen aus EUR 49.260,- vom 1.3.2002 bis 8.1.2003 sowie Zinsen in Höhe von 8,5% aus EUR 27.708, 27 vom 9.1.2003 bis 8.9.2003 sowie weitere Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 27.708,27 seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Nebenintervenientin ist der Auffassung es habe für den Rücktransport keine Fixkostenabrede gegeben, weil die Beklagte nur die Frachtrate der Nebenintervenientin weitergegeben habe. Die Beklagte habe in Djakarta keine Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge gehabt.

II.

Die statthafte (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen (§§ 517, 519, 520 ZPO) zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatz aus Verzögerung eines Transportauftrages insbesondere nicht aus § 606 HGB.

Allerdings haben sich die Parteien am 22. November 2001 über die Durchführung des Rücktransports von Djakarta nach Southampton bzw. Bremerhaven durch die Beklagte geeinigt. Ob es sich bei diesem Vertrag um einen reinen Speditionsvertrag oder einen solchen zu fixen Kosten handelt, kann dahinstehen, weil der Beklagten ein haftungsbegründender Pflichtverstoß - auch hinsichtlich der Aufgaben eines Verfrachters - nicht vorgeworfen werden kann.

Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass die Fahrzeuge überhaupt in die Obhut der Beklagten bzw. des von ihr eingeschalteten Verfrachters - der Nebenintervenientin - gelangt wären. Das hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan. Unstreitig waren die Fahrzeuge am 5. September 2001 in Djakarta angekommen. Spätestens mit der Verbringung der Container zur Lagerstelle im dortigen Hafen war der Hintransport für die Beklagte abgeschlossen. Sie hatte danach keinen Besitz mehr an den Fahrzeugen. Die Bestätigung des Finanzministeriums vom 17. Mai 2006 (Bl. 331 d.A.) führt auch lediglich die Klägerin als "Shipper" (d.h. als die im Orderkonossement aufgeführte Abladerin) und - entsprechend den Angaben im betreffenden Bill of Lading - die PT F. I. P. als "notify party" auf, nicht jedoch die Beklagte oder die Nebenintervenientin.

Dass die Klägerin der Beklagten oder deren Verfrachter die Fahrzeuge für den Rücktransport übergeben hat bzw. dass diese auf andere Weise die Container übernommen haben, ist nicht ersichtlich. Im Zeitpunkt der Einigung über den Rücktransport standen die Fahrzeuge im Hafen von Djakarta. Es ist entgegen der Darstellung der Klägerin nicht ersichtlich, dass die Beklagte bzw. der Verfrachter einfach auf diese zugreifen und sie zurücktransportieren konnten. Aus der Erklärung des Finanzministeriums ergibt sich gerade, dass die Container vom Zoll registriert worden waren ("bereits in die BCF 1,5 Liste aufgenommen und als nicht unter Kontrolle, Nummer 240 mit Datum vom 13. Oktober 2001 bezeichnet worden ...."). Die angegebene Nummer stimmt im Übrigen mit der von dem Mitarbeiter Th. von P. Services J. & K. B. GmbH in der mail vom 23. April 2002 (Anlage K 5) im Zusammenhang mit der Zollregistrierung als "unattended" genannten Nummer überein. Angesichts dieses Verhaltens der Zollbehörde ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bzw. der Verfrachter jederzeit auf die Container hätten zugreifen können. Die Registrierung als unattended bzw. "nicht unter Kontrolle" machte keinen Sinn, wenn der Zoll die Waren nicht bis zur endgültigen Klärung des Empfängers bzw. Verfügungsberechtigten (und eventuellen Zahlung von Kosten und "Gebühren"- s. Ziff. 5 der Bestätigung des Finanzministeriums) festhielt. Nach Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 28. Juni 2005 (Bl.232 d.A.) hatte die Beklagte Mitte Januar 2002 der Klägerin auch mitgeteilt, dass sie bzw. der Verfrachter nicht in den Besitz der Container gelangen könne, weil diese von den Zollbehörden festgehalten würden. Spätestens auf diesen Hinweis hätte die Klägerin dafür sorgen müssen, dass die Container in die Obhut der Beklagten bzw. des Verfrachters gelangen. Wenn sie der Beklagten die Behauptungen zur Zollbeschlagnahme und zur Erforderlichkeit irgendwelcher Zahlungen nicht glauben wollte, so musste sie selbst einen Spediteur vor Ort beauftragen, um das weitere Schicksal der Container zu klären bzw. diese der Beklagten zur Verfügung zu stellen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte auch nicht mit der Übernahme des Rücktransports bestätigt, den Container in der Obhut zu haben. Die Übernahme eines Transport- oder Speditionsauftrages enthält lediglich die Erklärung, den Transport durchzuführen bzw. den Transport zu veranlassen. Ein weiterer Inhalt kam der Erklärung der Beklagten nicht zu; insbesondere ist für den Senat nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Gewähr dafür übernommen hätte, dass der betreffende Container ohne Anfall weiterer Kosten wieder an Bord genommen werden könne, mögen die Parteien hiervon auch übereinstimmend ausgegangen sein. Es war und blieb vielmehr Sache der Klägerin als Befrachterin, die Transportgüter in die Obhut des Spediteurs oder Verfrachters zu geben.

Schließlich ist eine Haftung der Beklagten auch nicht wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gegeben, weil sie der Klägerin erst im Januar 2002 mitteilte, den Container wegen der Zollbeschlagnahme nicht transportieren zu können. Abgesehen davon, dass der jetzt aus März 2002 bis Januar 2003 geltend gemachte Schaden (Zinsen und Wertverlust der Fahrzeuge) durch diese Verzögerung nicht verursacht worden sein kann, kann nicht festgestellt werden, dass bei einer früheren Information der Klägerin die Fahrzeuge entsprechend früher nach Deutschland verschifft worden wären. Schon damals war die Klägerin zur Zahlung weiterer Kosten nicht bereit, weil sie zum einen der Auffassung war, die Beklagte habe ihre Weisung auf dem Hintransport schuldhaft nicht befolgt und habe daher zur Schadensminderung für einen unverzüglichen Rücktransport zu sorgen. Zum anderen hielt sie nach ihrer Unterrichtung die ihr gegenüber als für die angebliche Auslösung des Containers erforderlichen Zahlungen für überhöht und war nicht bereit, entsprechende Zahlungen vorzunehmen, unternahm aber auch keine eigenen Anstrengungen, in den Besitz des Containers mit den Fahrzeugen zu kommen. Bis heute hat sie die - inzwischen bei der Nebenintervenientin bzw. deren Versicherer entstandenen - Kosten nicht bezahlt. Die Fahrzeuge befinden sich nach Angaben der Nebenintervenientin noch immer in deren Gewahrsam, weil sie die Kosten beim Zoll bezahlt haben will. Dass die Klägerin bei einer Information bereits im Oktober 2001 über die Probleme, den Container wieder nach Deutschland zu verschiffen, anders reagiert hätte, kann angesichts dieses Sachverhaltes nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 97 Abs.1, 101 Abs.1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff.10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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