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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 16.09.2004
Aktenzeichen: 2 U 15/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 675 Abs. 1
1. Der Rechtsanwalt, der einen Mandanten in einem wettbewerbsrechtlichen oder urheberrechtlichen Verfahren der einstweiligen Verfügung vertritt, muss seinem Mandanten nach für diesen trotz Widerspruchs erfolglosem Abschluss des Verfahrens unaufgefordert den Rat erteilen, eine Abschlusserklärung abzugeben, um einer darauf gerichteten Aufforderung der Gegenseite, die einen gegen den Mandanten gerichteten Gebührenanspruch § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO in der bis zum Ablauf des 30. Juni 2004 geltenden Fassung auslöste, zuvorzukommen, sofern er nicht den Rat erteilt, das ergangene Urteil mit der Berufung anzugreifen.

2. Unterlässt der Rechtsanwalt die in Nummer 1 umschriebene gebotene Beratung, so steht dem Mandanten ein Schadensersatzanspruch In Höhe der vermeidbaren Kosten zu, mit dem er gegenüber dem Gebührenanspruch des Rechtsanwalts aufrechnen kann.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 2 U 15/04

Verkündet am: 16. September 2004

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. September 2004 unter Mitwirkung der Richter Friedrich, Dr. Schnelle und Dierks

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen - 7. Zivilkammer - vom 8. Januar 2004 abgeändert und die Klage, soweit sie nicht schon durch das Teilanerkenntnisurteil vom 1. Dezember 2003 erledigt worden ist, abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 23% und die Beklagte 77%.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin hat die Beklagte mit der Klage aufgrund anwaltlicher Beratungen und Vertretungen auf Zahlung von insgesamt € 5.383,21 in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Forderung in erster Instanz in Höhe von € 4.337,21 teilweise anerkannt, insoweit hat das Landgericht am 1. Dezember 2003 ein Teilanerkenntnisurteil erlassen. Gegen den Restanspruch von € 1.046,00 rechnet die Beklagte einen Schadenersatzanspruch auf, den sie aus dem Gesichtspunkt anwaltlicher Falschberatung herleiten will. Dem liegt folgendes zugrunde:

Die Klägerin vertrat die Beklagte vor dem Landgericht Hamburg in einem auf die Abgabe einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren (Az. 407 O 136/02). Dort nahm eine Firma L. Services Ltd. (im folgenden: Fa. L. ) die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung in Anspruch. Es erging am 16.09.2002 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, die nach erfolgtem Widerspruch durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 01.10.2002 bestätigt wurde. Das Urteil wurde der Beklagten am 21.10.2002 zugestellt. Die Prozessvertreter der Fa. L. (Rechtsanwälte , Hamburg) forderten die Beklagte mit Schreiben vom 07.11.2002 zur Abgabe einer sogenannten Abschlusserklärung auf und übersandten gleichzeitig ihre auf § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO gestützte Kostennote über € 1.808,44. Auf entsprechenden Rat ließ die Beklagte durch die Klägerin zur Vermeidung des Hauptsacheverfahrens am 12.11.2002 die verlangte Abschlusserklärung abgeben und beglich die Kosten in Höhe von € 1.213,36 ( € 1.046 zuzüglich Umsatzsteuer) an die Anwälte der Fa. L..

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe sie falsch beraten. Dadurch sei ihr ein Schaden in Höhe von € 1.046 entstanden. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Kosten der Aufforderung zur Angabe der Abschlusserklärung zu tragen. Außerdem habe die Klägerin sie pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass durch rechtzeitige freiwillige Abgabe der Abschlusserklärung vor Aufforderung durch die Prozessgegnerin diese Kosten jedenfalls vermieden worden wären.

Das Landgericht - 7. Zivilkammer - hat durch Urteil vom 8. Januar 2003 der Klage stattgegeben und in den Gründen ausgeführt, dass der Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche nicht zustünden. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage, soweit nicht von ihr anerkannt, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt demgegenüber,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Sie ist darüber hinaus auch begründet.

Der Honoraranspruch der Klägerin vermindert sich um einen Betrag von € 1.046,00. In dieser Höhe hat die Beklagte nämlich wirksam die Aufrechnung erklärt mit einem Schadenersatzanspruch, der sich aus dem Gesichtspunkt anwaltlicher Falschberatung ergibt. Der Beratungsfehler der Klägerin, der eine Verletzung des Anwaltsvertrages, der seinerzeit zwischen den Parteien bestand, darstellt, hat bei der Beklagten zu einem Schaden in Höhe von € 1.046,00 geführt. In dieser Höhe musste die Beklagte nämlich Anwaltskosten an ihre damaligen Prozessgegner bzw. an deren Bevollmächtigte, die Rechtsanwälte von G. & , zahlen.

Ob allerdings, wie das Landgericht meint, schon der Hinweis der Klägerin an die Beklagte mit Schreiben vom 12.11.2002, die gegnerische Kostennote in Höhe von € 1.046,00 zu begleichen, fehlerhaft war, erscheint in Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Problemkreis (vgl. BGH GRUR 73, 384) zweifelhaft. Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben.

Denn der Fehler der Klägerin lag bereits darin, dass sie die Beklagte nicht schon vor dem 07.11.2002 (Datum des Abschlußschreibens der Rechtsanwälte von G. & ) auf die Möglichkeit, die Abschlußerklärung an die Gegner unaufgefordert zu übersenden, hingewiesen hat.

Nach Beendigung des auf Abgabe der einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahrens durch das Urteil des Landgerichts Hamburg v. 01.10.2002 musste sich für die Antragstellerin (Fa. L. ) die Frage nach der Einleitung des Hauptsacheverfahrens stellen. Um im Hauptsacheverfahren ein kostenschädliches ( § 93 ZPO) sofortiges Anerkenntnis der Beklagten zu vermeiden, war eine vorherige Abmahnung erforderlich, die hier in Gestalt des sogenannten Abschlußschreibens, in welchem der Antragsteller versucht, den Antragsgegner zu einem Verzicht auf jeden Rechtsbehelf zu bewegen (Baumbach/Hefermehl, WettbewR. 22. Aufl., R. 102 zu § 25 UWG) und damit die sonst nur durch den Hauptprozess zu erlangende Endgültigkeit der Klaglosstellung (BGH aaO.) herbeizuführen.

Da aber dieses Abschlußschreiben hinsichtlich der Anwaltsgebühren nicht mehr zum Eilverfahren gehört, sondern zur angedrohtren Hauptklage und demgemäß nach § 37 Nr. 1 bzw. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zu vergüten ist, konnte der Antragsgegner (hier also die Beklagte) nach § 97 Abs. 1 UrhG im Rahmen des gegen ihn bestehenden Schadenersatzanspruchs mit diesen Kosten belastet werden.

Hiermit musste die die Beklagte anwaltlich beratende Klägerin rechnen. Daher war sie verpflichtet, die Beklagte nicht nur vorweg auf diese nachteilige Folge hinzuweisen, sondern sie auch dahingehend zu beraten, der Belastung mit weiteren Kosten durch vorherige freiwillige Abgabe der Abschlusserklärung, die dann das kostenauslösende Abschlußschreiben überflüssig gemacht hätte, zu entgehen.

Eine solche Belehrung und Beratung hätte zu dem Kreis der anwaltlichen Pflichten gehört. Wie das Landgericht richtig festgestellt hat, ist ein Rechtsanwalt zur umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines Mandanten verpflichtet (BGH NJW 88, 566; 91, 2079; NJW-RR 90, 1241). Er muß über konkrete wirtschaftliche Gefahren des beabsichtigten Vorgehens und die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen aufklären (BGH 98, 900).

Insbesondere muß er den Auftraggeber vor vermeidbaren Nachteilen bewahren (Vollkommer/Heinemann, AnwHaftR, 2. Aufl., R. 265). Wie er den Mandanten vor unnützen Prozeßkosten zu schützen hat (Borgmann/Hauf, AnwHaftung, 3. Aufl., S. 126), so muß er ihn auch im Bereich der außergerichtlichen Beratung davor schützen, überflüssig zu Kosten in Anspruch genommen zu werden. Er muß ihn also auf die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen, kostenmäßig vernünftigen Vorgehensweise hinweisen.

Genau das hat die Klägerin versäumt. Sie hätte die entsprechenden Hinweise bereits in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 04.10.2002, in welchem sie ausführlich über den Ablauf des mündlichen Termins vor dem Landgericht Hamburg berichtete, vorsorglich erteilen müssen - und zwar mit Rücksicht auf das bereits feststehende Unterliegen der Beklagten sowie in Hinblick auf die sich nach der Rechtslage als recht naheliegend anbietende Möglichkeit, auf die Berufung und das Verlangen nach Klageerhebung gemäß § 926 ZPO zu verzichten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte sich die Beklagte beratungsgemäß verhalten und wäre folglich mit einer eigenen Verzichtserklärung dem Abschlußschreiben der Gegenseite zuvorgekommen. Das lässt sich bereits aus der Tatsache schließen, dass die Beklagte nach Rücksprache mit der Klägerin immerhin bereit war, sich deren Empfehlung anzuschließen und nicht in die Berufung zu gehen. Bis zur Übersendung des Abschlußschreibens der Bevollmächtigten Fa. L., die am 12.11.2002 erfolgte, wäre auch noch über ein Monat Zeit gewesen, die die Beklagte hätte nutzen können, zur Kostenvermeidung die eigene Initiative zu ergreifen, um die Gegenseite klaglos zu stellen. Die Notwendigkeit einer dahingehenden Beratung musste sich für die Klägerin umso dringlicher stellen, als die Beklagte ihrem eigenen Vorbringen nach schon ständig damit rechnete, die Aufforderung der Gegnerin in Form des Abschlußschreibens zu erhalten, sie sich also - wie sie sich ausgedrückt hat - in einer "permanenten Abschlußschreibenerwartungshaltung" befand. Dabei kommt es nicht darauf an, wann und ob überhaupt mit dem Eingang eines Abschlußschreibens noch zu rechnen war bzw. ob die Gegenseite noch eine Warte- und Überlegungsfrist zu gewähren hatte.

Die Überlegung, dass die Fa. L. eine gewisse Wartefrist einhalten und danach von der Beklagten eine Verzichtserklärung anfordern würde, musste der Klägerin jedenfalls so naheliegend erscheinen, dass sie gehalten war, die Beklagte auf die Möglichkeit der Kostenvermeidung durch eigenes Zuvorkommen hinzuweisen.

Die anwaltliche Pflichtverletzung hat den Schaden, die Belastung mit den Kosten der Gegenseite über € 1.084, auch kausal herbeigeführt. Eine vorher freiwillig abgegebene Verzichtserklärung mit dem Inhalt des Schreibens vom 12.11.2002 (Verzicht auf Rechtsmittel und Verlangen der Klagerhebung nach § 926 ZPO) hätte ein späteres Abschlußschreiben der Antragstellerin Fa. Littlestar überflüssig gemacht; hierfür hätten keine Kosten von der Beklagten nach § 97 Abs. 1 UrhG bzw. den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt werden können (LG Wiesbaden WRP 91, 342; Baumbach/Hefermehl aaO., R. 105). Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gegenseite auch im Falle eines vorherigen Verzichts ohnehin Kosten entstanden wären, welche die Beklagte dann als Urheberrechtsverletzerin noch hätte tragen müssen. Ein eindeutig und unmissverständlich formulierter Verzicht hätte die Gegenseite keine Veranlassung zu einer neuerlichen gebührenauslösenden Erörterung mit ihren Anwälten gegeben. Da diese schon mit dem abgeschlossenen Verfahren befasst gewesen waren, wäre es bereits zweifelhaft, ob sie etwa für den bloßen Rat, von der Erhebung der Hauptsacheklage abzusehen, noch eine zusätzliche Gebühr hätten verlangen können (vgl. für den Fall der Beratung über Berufungsaussichten OLG Celle NdsRpfl. 66, 193; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 14. Aufl., R. 21 zu § 20). Anders als im Fall der Übersendung eines Abschlußschreibens wäre es auch nicht um eine den Hauptprozess vorbereitende Tätigkeit (BGH GRUR 73, 384, 385) gegangen; denn für diesen hätte es von vornherein am Rechtsschutzbedürfnis gemangelt. Entscheidend ist, dass die Beklagte nach freiwillig abgegebener Abschlusserklärung nicht mehr für danach entstehenden Kosten des Gegners hätte aufkommen müssen. Denn es wäre selbst unter dem Gesichtspunkt des § 97 Abs. 1 UrhG nicht mehr adäquat, den Störer dann noch mit etwa neu entstehenden Anwaltskosten der Gegenseite zu belasten, wenn er bereits endgültig und abschließend alles in seiner Macht stehende getan hat, um den Verletzten klaglos zu stellen. Solche Kosten nach endgültiger Beseitigung der Störung wären jedenfalls nicht mehr im schadenrechtlichen Sinne durch den Verletzer adäquat kausal veranlasst und von diesem folglich nicht zu erstatten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wurde nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mit Rücksicht auf die soweit ersichtlich nicht höchstrichterlich geklärte Frage der Reichweite der anwaltlichen Beratungspflicht und der Folgen ihrer Verletzung in der vorliegenden Fallkonstellation zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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