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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 2 U 58/06
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 2
1. Die nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Februar 1999 - Rechtssache C-63/97 - BMW/Deenik - Slg. I 905 = WRP 1999, 407 - erforderliche markenmäßige Verwendung eines Zeichens darf fehlen, wenn auf der Verpackung des Erzeugnisses der jeweilige Hersteller anderweitig durch deutliche namentliche Bezeichnung zu erkennen ist.

2. Die Verwendung einer beschreibenden Angabe beeinträchtigt nicht die an diese angelehnte Marke.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäfts-Nr.: 2 U 58/06

Verkündet am 7. Dezember 2006

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2006 unter Mitwirkung der Richter Blum, Dierks und Wolff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 11. Mai 2006 (Geschäfts-Nr. 12 O 465/2005) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerinnen jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die Beklagte - die eine entsprechende Abmahnung erteilt hatte - keine Ansprüche gegen die Klägerinnen auf Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung "Gelenkfit" (verwendet von der Kl. zu 1.) bzw. "Gelenk-Fit" (verwendet von der Kl. zu 2.) hat. Diese Bezeichnungen werden von den Klägerinnen für sog. Nahrungsergänzungsmittel (Glucosamin) verwandt. Die Beklagte ist Inhaberin der eingetragenen deutschen Wortmarke "gelenkVit" (u.a. für "Präparate für die Gesundheitspflege").

Das Landgericht (2. Kammer für Handelssachen) hat der negativen Feststellungsklage stattgegeben und ausgeführt, es gebe keine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke der Beklagten und den von den Klägerinnen benutzten Bezeichnungen (Art. 14 Abs.2 Nr.2 MarkenG). Zwar bestehe Warenidentität und auch eine hohe Markenähnlichkeit, weil der erste Wortteil übereinstimme und im zweiten Wortteil das Schriftbild nur wenig abweiche.

Der Schutzumfang der Marke der Beklagten sei durch die bestehende Nähe zu einer beschreibenden Angabe jedoch beschränkt. Das Wort "Gelenkfit" sei - auch in der Zusammensetzung zweier beschreibender Begriffe - eine beschreibende Angabe, auch wenn das zusammengesetzte Wort nicht im Lexikon stehe. Bei der Marke der Beklagten handele es sich lediglich um eine Abwandlung dieser beschreibenden Angabe, deren Schutzumfang deshalb eng zu bemessen sei. Markenähnlichkeit, Identität der Waren und eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Marke der Beklagten reichten im vorliegenden Fall nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Die Eigenprägung und Unterscheidungskraft der Marke der Beklagten beruhe gerade auf der abweichenden Schreibweise gegenüber "Gelenkfit". Der Buchstabe "V" im zweiten Teil führe zu einem abweichenden Sinngehalt. Diese Abweichung führe zu einem Kunstwort (nicht zusammengesetzten Wort) und deute eher auf die Abkürzung von "Vitalität" oder "Vitamin" hin. Von der Ersetzung dieses Buchstabens werde die Marke der Beklagten geprägt, insoweit aber stimmten die von den Klägerinnen benutzten Bezeichnungen nicht überein.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 16. Mai 2006 zugestellte Urteil hat sie am 12. Juni 2006 Berufung eingelegt und diese, nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist, am 17. August 2006 begründet.

Sie meint, die Klage sei - inzwischen - unzulässig, weil sie beim LG Mannheim Unterlassungsklage eingereicht hat. Eine mündliche Verhandlung hat in diesem Verfahren noch nicht stattgefunden.

Hinsichtlich der Verwechslungsgefahr weist sie auf die Warenidentität und die hohe Markenähnlichkeit (nahezu identisches Schriftbild, phonetische Klangidentität) hin. Sie meint, für die Beurteilung der Markenähnlichkeit komme es auf die übereinstimmenden Merkmale und nicht auf die Unterschiede an. In der Rechtsprechung sei etwa auch die Verwechslungsgefahr der Marken "Cellofit" und "Cellvit" anerkannt worden.

Bei den Bezeichnungen der Klägerinnen handele es sich auch nicht um beschreibende Angaben, die verwendeten Worte gebe es im deutschen Sprachgebrauch nicht.

Die Klägerinnen verwendeten ihre eingetragenen Marken ("roha" und "Zirkulin") auch für andere Gesundheitsprodukte, so dass der Verkehr zur Bezeichnung von deren Glucosamin-Produkten nicht auf diese zurückgreifen werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und rügen, dass die Beklagte die Berufung nur im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch und den SE-Anspruch begründet habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 17. August 2006 nebst Anlagen (Bl. 169 ff. d.A.) und vom 26. Oktober 2006 nebst Anlagen (Bl. 213 ff. d.A.) sowie der Beklagten vom 18. September 2006 (Bl.197 ff. d.A.) und vom 6. November 2006 (Bl. 233 f. d.A.) ergänzend Bezug genommen.

II.

Die statthafte Berufung (§ 511 ZPO) ist auch im Übrigen (§§ 517, 519, 520 ZPO) zulässig. Sie ist insbesondere nicht deshalb gemäß § 520 Abs.3 ZPO teilweise unzulässig, weil die Beklagten hinsichtlich der Feststellungsanträge der Klägerinnen jeweils zu bb) und cc) in ihrer Berufungsbegründung keine Ausführungen gemacht hat. Bei diesen Anträgen geht es lediglich um die Folgeansprüche einer streitigen Verletzungshandlung nach Markenrecht, die erstinstanzlich als solche nicht problematisiert worden waren und auch im Berufungsverfahren keiner besonderen Erwähnung bedurften.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Denn die Feststellungsklagen der Klägerinnen sind zulässig und begründet.

Insbesondere sind die negativen Feststellungsklagen nicht durch die inzwischen beim Landgericht Mannheim erhobene Unterlassungsklage unzulässig geworden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Klage denselben Streitgegenstand wie das vorliegende Verfahren betrifft, was die Klägerinnen in ihrem nachgelassenen Schriftsatz bestreiten. Entscheidend ist vielmehr, dass es unstreitig bisher noch keine mündliche Verhandlung in dem neuen Rechtsstreit gegeben hat. Das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs entfällt nämlich erst dann, wenn die auf Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (BGHZ 99 S. 340,341; NJW 1994, S.3107, 3108). Diese Situation liegt jedoch vor der mündlichen Verhandlung über die Unterlassungsklage noch nicht vor.

Das Landgericht hat den Feststellungsklagen der Klägerinnen zu Recht stattgegeben, denn die Beklagte hat keine Ansprüche aus § 14 Abs.2 MarkenG gegen die Klägerinnen.

a) Nach Ansicht des Senats liegt mit den von der Beklagten angegriffenen Bezeichnungen "Gelenk-Fit" bzw. "Gelenkfit" schon keine markenmäßige Verwendung dieser Begriffe durch die Klägerinnen vor.

Die Frage der markenmäßigen Verwendung einer Bezeichnung ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Anwendung von § 14 Abs.2 MarkenG, das seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 23. Februar 1999 ((WRP 1999, 407 Ziff. 38, 39 - BMW/Deenik) zu prüfen ist (vgl. BGH GRUR 2003, 963, 964 - AntiVir/AntiVirus; GRUR 2002, 809, 811 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I; BGH GRUR 2002, 812, 813 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II; BGH GRUR 2002, 814 - Festspielhaus). Die Anwendung von Art.5 Abs.1 und 2 bzw. Abs. 5 der MarkenRL, die mit § 14 MarkenG umgesetzt worden ist, hängt danach davon ab, "ob die Marke zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen als solchen eines bestimmten Unternehmens, also als Marke, benutzt wird, oder ob die Benutzung zu anderen Zwecken erfolgt" (EuGH a.a.O.).

Damit ist nicht jede Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr auch schon als Markenbenutzung anzusehen, denn der Europäische Gerichtshof hat auf die Unterscheidungsfunktion der Marke abgehoben. Eine Markenbenutzung setzt danach voraus, dass sie jedenfalls im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes auch der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderen Unternehmen dient (BGH a.a.O.). Die Frage der markenmäßigen Verwendung bestimmt sich nach der Auffassung des Verkehrs und zwar eines durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers, danach, ob dieser in der Bezeichnung einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 2003, 963, 964 - AntiVir/AntiVirus). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist gerade nicht auf eine gedankenlos flüchtige Betrachtung abzustellen.

An der markenmäßigen Verwendung der streitgegenständlichen Bezeichnungen durch die Klägerinnen fehlt es nach Ansicht des Senats bereits deshalb, weil sich auf der Verpackung der Produkte der jeweilige Hersteller durch deutliche namentliche Nennung ergibt. Darin liegt gerade der Unterschied zu der AntiVir/AntiVirus-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 2003, 963) bei der die angegriffene Bezeichnung ohne Herstellerhinweis verwandt wurde, eine besondere Schreibweise enthielt und mehrfach größenmäßig hervorgehoben in der Warenausstattung verwendet wurde.

Die deutliche Hervorhebung der Namen (Marken) "roha" bzw. "Zirkulin" bewirkt gerade die Unterscheidung zu ähnlichen Gesundheitsprodukten anderer Firmen. Diese Namen sind damit herkunftshinweisend und nicht die Bezeichnungen "Gelenk-Fit" bzw. "Gelenkfit", zumal diese - wie sich aus den Anlagen K 9 - K 21 ergibt, auch noch von anderen Herstellern verwendet werden.

b) Letztlich kann die Frage der markenmäßigen Verwendung jedoch dahinstehen, denn das Landgericht hat zu Recht auch eine Verwechslungsgefahr zwischen den von den Klägerinnen verwandten Bezeichnungen und der Marke der Beklagten abgelehnt.

Die Frage einer markenrechtlichen Verwechselungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (s. nur BGH GRUR 2003, 963, 964 - AntiVir/AntiVirus m.w.N.) unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagemarke in dem Sinne auszugehen. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken und/oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke aufgewogen werden oder umgekehrt.

Das Landgericht ist in diesem Sinne zu Recht von Warenidentität und hoher Markenähnlichkeit ausgegangen. Es hat eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Marke der Beklagten angenommen. Ob eine derartige Kennzeichnungskraft tatsächlich vorliegt oder diese doch eher unterdurchschnittlich ist, braucht nicht entschieden zu werden. Entscheidend ist, dass der Schutzumfang der Marke "gelenkVit" nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes deshalb beschränkt ist, weil diese an eine beschreibende Angabe angelehnt ist (vgl. BGH GRUR 1989, 349, 350 - KENTUCKY/Cenduggy; GRUR 1999, 238, 240 - Tour de culture m.w.N. und BGH GRUR 2003, 963, 965 - AntiVir/AntiVirus) und ein weitergehender Schutz dem markenrechtlichen Schutz der beschreibenden Angabe gleichkommt.

Jedenfalls der Bestandteil "gelenk" der Beklagtenmarke hat beschreibenden Charakter und auch der Zusatz "Vit" ist keine reine Phantasiebezeichnung oder ein Herkunftshinweis, sondern eine Abkürzung der Worte "Vitamine" oder "Vital" bzw. "Vitalität". Nach den eigenen Angaben der Beklagten lautet die Marke phonetisch "gelenkfit", ein Wort bei dem es sich - wie vom Landgericht zu Recht ausgeführt - um eine beschreibende Angabe handelt, auch wenn es nicht im Lexikon steht (dazu BGH GRUR 2002, 809, 811 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Der Schutzbereich solcher an freizuhaltende Angaben angelehnter Zeichen ist nach der Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft zu bemessen, die dem Zeichen trotz der Anlehnung die Eintragungsfähigkeit verleiht (BGH GRUR 1989, 349, 350 - KENTUCKY/Cenduggy; GRUR 1999, 238, 240 - Tour de culture m.w.N. und BGH GRUR 2003, 963, 965 - AntiVir/AntiVirus). Beschreibende Teile einer Bezeichnung sind grundsätzlich nicht geeignet, deren Gesamteindruck entscheidend zu prägen, weil der Verkehr solchen Bestandteilen im Allgemeinen nicht die Funktion eines Hinweises auf die Herkunft der Ware beimisst (vgl. BGH GRUR 1990, 367, 369 - Alpi/Alba; GRUR 2004, 949,950 - Regiopost/Regional Post). Eine Übereinstimmung in den schutzunfähigen Bestandteilen begründet keine Verwechslungsgefahr (BGH GRUR 2004, 775, 776 - EURO 2000).

Die Eigenprägung der Marke der Beklagten beruht allein auf dem Schriftbild. Der erste Wortteil ("gelenk") und nach Angaben der Beklagten auch die Phonetik stimmen überein. Die Eigenprägung liegt danach allein in der Verwendung des Buchstaben "V" und der Großschrift dieses Buchstabens wodurch der durchschnittliche Verbraucher eher einen Zusammenhang mit den Worten "Vitamine" oder "Vital" bzw. "Vitalität" herstellen wird. Gerade insoweit weicht - wie das Landgericht zu Recht hervorhebt - die von den Klägerinnen ("fit") verwandte beschreibende Bezeichnung aber von der Marke der Bekl. ab.

Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 26.6.2003 (Geschäfts-Nr. 5 U 152/02 - Cellofit/Cellvit) ist hier deshalb nicht einschlägig, weil es dort um die Verwechslungsgefahr von zwei angelehnten Zeichen festgestellt ging, während im vorliegenden Fall der Schutz der an eine beschreibende Angabe angelehnten Bezeichnung gegenüber der beschreibenden Angabe selbst zur Entscheidung steht.

Bei der Frage, ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht darauf an, ob die Klägerinnen diese Bezeichnung als "rein" beschreibende Angabe verwenden oder ob es zusätzlicher Erklärungen bedarf bzw. ob die Verwendung zur Beschreibung notwendig ist. Dies könnte allenfalls für die Beurteilung einer Einschränkung des Markenschutzes gemäß § 23 Nr 2 MarkenG von Bedeutung sein. Diese Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden, weil nach der Auffassung des Senats sowohl die markenmäßige Verwendung des Zeichens seitens der Klägerinnen aber auch eine Verwechslungsgefahr nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 Abs.1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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