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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 17.06.2004
Aktenzeichen: 2 U 88/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1147
BGB § 1192 Abs. 1
Die vom Bundesgerichtshof für die Beurteilung des Haftungsumfangs des Bürgen entwickelte Rechtsprechung, die den Anlass der Verbürgung in den Vordergrund der Betrachtung rückt, ist auf im Zusammenhang mit einer Grundschuldbestellung abgegebene Sicherungszweckerklärungen nicht anwendbar.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 2 U 88/03

Verkündet am: 17. Juni 2004

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.05.04 unter Mitwirkung der Richter

Dr. Schomburg, Dr. Schnelle und Dierks

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 21. August 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

Die Klägerin hat die Beklagte auf Erteilung einer Löschungsbewilligung bezüglich einer im Grundbuch Bl. 403 des Amtsgerichts Bremen eingetragenen Grundschuld (Eigentumswohnung Bremen, Altenwall ) in Anspruch genommen. Die Beklagte hat widerklagend von der Klägerin die Duldung der Zwangsvollstreckung aus derselben Grundschuld verlangt.

Das Landgericht - 2. Zivilkammer - hat durch Urteil vom 21. August 2003 die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Gegen beides richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren Anspruch in zweiter Instanz weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die Widerklage abzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, die Löschungsbewilligung bezüglich der in Abteilung III unter Position 1 des Grundbuchs von Altstadt V, Bl. , des Amtsgerichts Bremen eingetragenen Grundschuld über DM 115.500,00 nebst 14% jährlicher Zinsen zu erteilen..

Die Beklagte beantragt demgegenüber,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Berufung der Klägerin ist zwar statthaft (§ 511 ZPO) und auch im übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils angestellten Erwägungen treffen zu.

Die Beklagte kann zur Befriedigung ihrer gegenüber der Klägerin persönlich bestehenden Forderungen die Grundschuld über DM 111.500,00, welche den Miteigentumsanteil der Klägerin an dem Grundstück Altenwall belastet, gem. §§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB verwerten - so dass die Widerklage begründet ist -, und folglich hat die Klägerin umgekehrt auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung bezüglich dieser Grundschuld - so dass die Klage der Abweisung unterliegt.

Für die Frage, ob die Klägerin die Grundschuld Altenwall verwerten kann, war entscheidend auf die in Rede stehende Grundschuld beziehende Sicherungsabrede der Parteien vom 06.04.1982 abzustellen. Danach diente die Grundschuld u.a. auch zur Sicherung aller gegenwärtig und zukünftig der Beklagten gegen den Sicherungsgeber zustehenden Forderungen und Ansprüche.

Danach ist es unschädlich, dass das Darlehen, welches durch die Grundschuld ursprünglich gesichert werden sollte, ein zur Kauffinanzierung aufgenommenes Grundschulddarlehen über DM 60.000,00, bereits zum 30.10.1992, also bevor es zu der Entstehung neuer Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Sparkasse kam, zurückbezahlt war. Denn gemäß der Sicherungsabrede vom 06.04.1982 sollte die Grundschuld eben gerade (auch) zur Sicherung "künftiger Ansprüche" dienen.

Es kann dabei grundsätzlich auch keinen Unterschied machen, ob die neue Forderung, zu deren Absicherung die Grundschuld auch gedacht war, noch während der Zeit entstand, als das frühere Darlehen lief oder erst später, nachdem die ursprüngliche Schuld getilgt war, so dass während eines zeitlichen Intervall die Grundschuld möglicherweise nicht valutierte. Die Klägerin hat im übrigen weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass es einen solchen zeitlichen Zwischenraum ohne eine zu sichernde Kreditverbindlichkeit überhaupt gegeben habe.

Schließlich steht dem Anspruch der Beklagten auch nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin nach Tilgung ihrer Verbindlichkeiten, die zunächst Anlass des Sicherungsvertrages waren, einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld hatte (Palandt/Bassenge, Kommentar BGB, 62. Aufl., Rdnr. 32 zu § 1991).

Die Klägerin hätte diesen Anspruch im Jahre 1992 geltend machen können, sie hat indes weder die Rückgewähr noch die Löschung der Grundschuld verlangt. Damit stand die Grundschuld der Beklagten als Sicherheit weiterhin zur Verfügung.

Die auf künftige Ansprüche erweiterte Sicherungszweckabrede in der Zweckerklärung vom 06.04.1982 verstößt nicht gegen §§ 3,9 AGBG a.F. (jetzt §§ 305c, 307 BGB), sie ist insbesondere nicht überraschend.

Die vom BGH für Bürgschaften entwickelte sog. Anlassrechtssprechung (BGHZ 130, 19; vgl. zum Ganzen Palandt a.a.O./Sprau Rdnr. 20 zu § 765) ist auf Sicherungszweckerklärungen, die im Zusammenhang mit einer Grundschuldbestellung abgegeben werden, nicht anwendbar.

Als überraschend i.S.d. § 3 AGBG wird eine formularmäßige Ausdehnung des Haftungsumfanges nur dann angesehen, wenn Eigentümer und Schuldner personenverschieden sind. Der Sicherungsgeber braucht nicht damit zu rechnen, mit seinem Grundstück für Verbindlichkeiten des Dritten zu haften, die nicht Anlass der konkreten Sicherungshingabe darstellen (BGHZ 83, 56, 59; 101, 19, 23; NJW 2002, 2710f.; Wolf u.a. AGB-Gesetz, 4. Aufl., Rdnr. 68).

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin aber selbst als Schuldnerin die Grundschuld bestellt, nicht dagegen für einen Dritten. Das Grundstück haftet für Forderungen, welche der Beklagten gegen die Klägerin persönlich zustehen.

In der Literatur wird allerdings teilweise angenommen, dass die "Anlass-Rechtsprechung" auch für die Fälle zu gelten hat, wo Eigentümer und Schuldner personengleich sind: Die Zweckerweiterung begünstige einseitig den Verwender, und dem Interesse des Sicherungsgebers an flexibler Nutzung von Kreditfazilitäten genüge bereits das Stehenlassen einer nicht mehr valutierenden Grundschuld, worauf eine neue Zweckbestimmungsabrede jederzeit - auch formlos - getroffen werden könne (Wolf a.a.O.).

Dem stellt sich indes der BGH in ständiger Rechtsprechung entgegen: Der "Überrumpelungseffekt" der weit gespannten Formularklausel liegt gerade in dem Widerspruch zwischen der durch den besonderen Anlass zutage getretenen Zweckvorstellung des Sicherungsgebers und der davon in einem nicht zu erwartenden Ausmaß abweichenden Ausweitung des Sicherungszweckes. Die formularmäßige Zweckausdehnung der am eigenen Grundstück bestellten Grundschuld auf künftige Forderungen gegen den Sicherungsgeber selbst ist aber weder unbillig noch überraschend, weil die Ausnutzung der Grundschuld für spätere Kreditgeschäfte auch seinem eigenen Interesse dient und er es in der Hand hat, ob er weitere Verbindlichkeiten eingeht (BGHZ 106, 19, 23). Das Risiko ist - anders als bei einer Haftung für Dritte - für ihn hinsichtlich der Gegenwart überschaubar und im Hinblick auf die Zukunft vermeidbar (BGH NJW 2000, 2676). Auch in seiner in NJW 2002, 2710 veröffentlichten Entscheidung hat der BGH an dieser Rechtssprechung, der sich der Senat anschließt, festgehalten.

Die danach getroffene Differenzierung je nach dem, ob der Sicherungsgeber die Grundschuld für eigene Verbindlichkeiten oder aber für gegen einen Dritten bestehende Forderungen bestellt, erscheint aus den vorgenannten Gründen sinnvoll. Eine Übertragung der für die Bürgschaftsfälle entwickelten sog. Anlassrechtsprechung auf Fälle wie dem hier vorliegenden drängt sich um so weniger auf, als der Bürge gerade in fremdem Interesse, dem des Schuldners, handelt und von daher weit mehr zu schützen ist als der Grundschuld-Sicherungsgeber, der mit der dinglichen Sicherung eine gegen ihn selbst gerichtete Forderung absichern will. Hier geht es mithin um Eigeninteresse, und hiervon ist letztlich auch die Absicherung künftiger Verbindlichkeiten nach Stehen lassen einer zwischenzeitlich möglicherweise nichtvalutierenden Grundschuld gedeckt.

Zu den valutierenden Forderungen der Beklagten hat die Beklagte erstinstanzlich umfassend vorgetragen und hat das Landgericht entsprechende Feststellungen getroffen, deren Richtigkeit keinen Zweifeln begegnet und die von der Klägerin im Berufungsrechtszuge auch nicht angegriffen werden. Schon erstinstanzlich hatte die Klägerin vielmehr zumindest partiell eigene noch bestehende Verbindlichkeiten eingeräumt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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