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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 22.07.2005
Aktenzeichen: 2 W 54/05
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 7 Abs. 1
1. Eine gezielte und individuelle Direktansprache von Passanten zu Werbezwecken an öffentlichen Orten ist zwar regelmäßig ein belästigender Eingriff in die Individualsphäre des Betroffenen, doch ist dieser Eingriff hinzunehmen, wenn der Werbende von vornherein als solcher eindeutig erkennbar ist und der Passant sich einem Gespräch ohne weiteres entziehen kann (wie BGH NJW 2005, 1050 = GRUR 2005, 443 = WRP 2005, 485 = BGHRep 2005, 731 - Ansprechen in der Öffentlichkeit II).

2. Ein gezieltes Ansprechen in den für die Öffentlichkeit in den Öffnungszeiten zugänglichen Räumlichkeiten einer Kfz.-Zulassungsstelle ist regelmäßig auch dann ein belästigender Eingriff in die Individualsphäre des Angesprochenen, wenn der Werbende als solcher von vornherein eindeutig erkennbar ist, weil sich der Angesprochene - ähnlich wie bei einer Werbemaßnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln - der unerbetenen Kontaktaufnahme nicht ohne weiteres entziehen kann.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Beschluss

Geschäftszeichen: 2 W 54/05

Bremen, den 22. Juli 2005

in Sachen

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Bremen, Az.: 9 O 1287/05, vom 29. Juni 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung - wegen Dringlichkeit der Sache ohne vorherige mündliche Verhandlung und hins. Des Unterlassungsgebots durch das Landgericht durch den Vorsitzenden allein - es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaftbis zu sechs Monaten (jeweils zu vollziehen am Inhaber des Antragsgegners), untersagt

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. Besucher bzw. potentielle Kunden der Kfz.-Zulassungsstelle Bremen, Stresemannstraße 48, 28207 Bremen, direkt anzusprechen, ohne dass die Ansprechenden als Mitarbeiter des Antragsgegners zu erkennen sind, und ungefragt unter Hinweis auf eigene Preise über das Dienstleistungsangebot zu informieren und die angesprochenen potentiellen Kunden aufzufordern, Kfz.-Kennzeichen in ihrer Betriebsstätte, Stresemannstraße 48, 28207, zu erwerben;

2. Besucher bzw. potentielle Kunden der Kfz.-Zulassungsstelle Bremen, Stresemannstraße 48, 28207 Bremen, in den Räumlichkeiten der Kfz.-Zulassungsstelle direkt anzusprechen und ungefragt unter Hinweis auf eigene Preise über das Dienstleistungsangebot zu informieren und die angesprochenen potentielllen Kunden aufzufordern, Kfz.-Kennzeichen in ihrer Betriebsstätte, Stresemannstraße 48, 28207 Bremen, zu erwerben;

3. Besucher bzw. potentielle Kunden der Kfz.-Zulassungsstelle Bremen, Stresemannstraße 48, 28207 Bremen, im Gebäude der Kfz.-Zulassungsstelle außerhalb der Räumlichkeiten der Zulassungsstelle direkt anzusprechen und ungefragt unter Hinweis auf eigene Preise über das Dienstleistungsangebot zu informieren und die angesprochen potentiellen Kunden aufzufordern, Kfz.-Kennzeichen in ihrer Betriebsstätte, Stresemannstraße 48, 28207 Bremen, zu erwerben, wenn der Ansprechende nicht als Werbender erkennbar ist.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beschwerde.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 5.000,-- festgesetzt.

Gründe:

Auf die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist die vom Landgericht Bremen am 29.06.2005 erlassene einstweilige Verfügung um den oben aus dem Tenor zu 2. und 3. ersichtlichen Umfang zu erweitern.

Wie das Landgericht nicht verkennt, stellt die gezielte und individuelle Direktansprache von Passanten auch an öffentlichen Orten eine unerbetene Kontaktaufnahme und damit einen belästigenden Eingriff in die Individualsphäre des Umworbenen dar. Eine Werbemethode, bei der ein belästigendes Verhalten bewusst und gezielt im eigenen Werbeinteresse angewandt wird, ist regelmäßig als unzumutbar beläsigend im Sinne der §§ 3, 7 Abs. 1 UWG einzustufen (siehe BGH, GRUR 2005, 443, 445; "Ansprechen in der Öffentlichkeit II"). Der Bundesgerichtshof macht hiervon nur in den Fällen eine Ausnahme, bei denen der Werbende von vornherein als solcher eindeutig erkennbar ist, weil und wenn die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken für den Passanten nicht überraschend und unvorhergesehen ist und er die Möglichkeit hat, sich einem Gespräch ohne große Mühe durch Nichtbeachtung des Werbenden oder durch eine kurze abweisende bemerkung oder Geste zu entziehen.

Nach dem durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Frau Celik glaubhaft gemachten Vortrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner oder einer seiner Mitarbeiter im Wartebereich der Kfz.-Zulassungsstelle und in einem Flur des Gebäudes potentielle Kunden angesprochen und für den Betrieb des Antragsgegners geworben. Auch wenn man die Räumlichkeiten einer Behörde als "öffentlichen Ort" im Sinne der angeführten Rechtsprechung versteht, weil sie innerhalb der Öffnungszeiten im Grundsatz jedem frei zugänglich sind, liegt eine unzumutbare Belästigung bereits darin, dass sich - ähnlich wie bei einer Werbemaßnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln (siehe BGH, GRUR 2005, 443, 446) - der Angesprochene dieser Ansprache nicht insbesondere durch schlichtes Weitergehen entziehen kann, sondern er sich ihr stellen muss, will er nicht von seinem Behördengang Abstand nehmen. Soweit die Ansprache außerhalb der Räumlichkeiten der Zulassungsstelle innerhalb des Gebäüdes erfolgt ("im Gang"), hat allerdings der Angesprochene diese Möglichkeit, wenn er von vornherein den Gegenüber als Werbenden erkennen kann. Dabei kommt es nach Ansicht des Senats nicht darauf an, dass der Angesprochene sein Gegenüber als Mitarbeiter des Antragsgegners ausmachen kann. Aus dem bloßen Umstand, dass die andere Person erkennbar Mitarbeiter eines Betriebs zur Herstellung von Kfz.-Schildern ist, folgt für den potentiellen Kunden noch nicht, dass er von diesem ein Werbegespräch zugunsten des Anstellungsbetriebes zu gewärtigen hat. Entscheidend ist vielmehr, dass dieser Mitarbeiter nach außen erkennbar als Werbender auftreten will.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.

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