Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 18.04.2000
Aktenzeichen: 3 U 98/99
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 7 Abs. 1 (1)
Für die ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität im Sinne des § 7 Abs. 1 (1) AUB 88 genügt weder die Feststellung eines Dauerschadens unabhängig von der Frage der Kausalität noch die ärztliche fristgemäße Feststellung eines anderen unfallbedingten Dauerschadens als des geltend gemachten.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 3 U 98/99 = 2 O 2287/98 b

Verkündet am 18. April 2000

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2000 durch die Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 8.7.1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 12.800,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer des Klägers beträgt DM 120.000,--.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Unfallversicherung.

Der Kläger ist Mitarbeiter der Versicherungsfirma C. in Bremen. Diese schloß am 9.6.1995 für ihre Mitarbeiter bei der Beklagten eine Unfallgruppenversicherung ab. Gegenstand des Versicherungsvertrages sind die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88), die "besonderen Vereinbarungen zur Unfallversicherung nach AUB 88" sowie "ergänzende Vereinbarungen."

Am 19. Februar 1996 stürzte der Kläger bei einem Skiunfall und zog sich dabei eine Distorsion des Daumengrundgelenkes zu. Wegen dieser Verletzung hat die Beklagte den Kläger vorprozessual aus der Unfallversicherung entschädigt.

Streit herrscht zwischen den Parteien darüber, ob der Kläger bei dem Skiunfall am 19.2.1996 zudem Verletzungen an den Schultern davongetragen hat.

Am 26.2.1996 meldete der Kläger seiner Arbeitgeberin den Unfall mit der Bitte um Schadensanzeige bei der Beklagten. In dem Schreiben an seine Arbeitgeberin machte er auch Angaben über eine Schulterverletzung. Das Schreiben an seine Arbeitgeberin fügte er seiner Schadensanzeige an die Beklagte vom 14.3.1996 bei, in der nur die Daumenverletzung aufgeführt ist.

Wegen der Daumenverletzung wurde der Kläger vom 28.3. bis 21.6.1996 von dem Arzt Dr. in München behandelt. Wegen Beschwerden im Schulterbereich suchte er im Sommer 1996 den Orthopäden Dr. in München auf, der ausweislich seines Attestes vom 19.8.1996 beim Kläger im wesentlichen einen Rotatorenmanschettendefekt beider Schultern feststellte. Diese Diagnose teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 3.12.1996 mit.

Daraufhin beauftragte die Beklagte den Orthopäden Dr. G mit der Erstattung eines Gutachtens.

In seinem Gutachten vom 20.8.1997 kam dieser Sachverständige u. a. zu dem Ergebnis, beim Kläger seien die Rotatorenmanschetten des rechten und linken Schultergelenkes gerissen. Daneben lägen altersorientierte degenerative Erscheinungen des Schultergelenkes vor. Die Rotatorenmanschettenrupturen seien nicht Folge des Unfalles vom 19.2.1996, sondern auf frühere Verletzungen, z. B. einen Skiunfall Anfang der 70er Jahre, sowie altersbedingte Erscheinungen zurückzuführen.

Mit Schreiben vom 25.9.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ein unfallbedingter Dauerschaden nicht nachgewiesen sei und bat um Beibringung geeigneter, von einem erfahrenen Gutachter erstellter entsprechender Unterlagen bis zum 31.12.1997.

Mit Schreiben vom 9.10.1997 übersandte der Kläger der Beklagten ein Gutachten des Orthopäden Dr. K vom 8.6.1997, das dieser für die D Versicherungs-AG erstattet hatte, bei der eine weitere Unfallversicherung für den Kläger bestand. Nach diesem Gutachten waren am rechten Schultergelenk des Klägers Zeichen eines Impingement-Syndroms vorhanden, das der Sachverständige auf einen massiven, vor 25 Jahren bei einem Skiunfall erlittenen Vorschaden und anlagebedingte degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette zurückführte.

Der Kläger ließ sich im Oktober 1997 von dem Chirurgen Dr. B begutachten. Dieser kam in seinem Attest vom 22.10.1997 zu dem Ergebnis, daß beide Schultergelenke durch den Unfall vom 19.2.1996 geschädigt seien und die Rotatorenmanschettenschädigungen mit Riß der Supraspinitussehne rechts auf den Unfall vom 19.2.1996 zurückzuführen seien. Selbst wenn man von einer degenerativen Tendopathie der Rotatorenmanschetten ausgehe, handele es sich zweifellos um eine erhebliche Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch das Unfallgeschehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.11.1997 zum vorgenannten Attest führt Dr. B aus: "Wie bereits im Gutachten erwähnt, kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß es durch das Unfallgeschehen vom 19.2.1996 zu einer Ruptur der Supraspinitussehne rechts gekommen ist ...". Weiterhin enthält die Stellungnahme Angaben zur eingeschätzten Minderung der Gebrauchsfähigkeit beider Schultergelenke zum Zeitpunkt der Stellungnahme.

Diese Bescheinigungen übersandte der Kläger der Beklagten, die ihm mit Schreiben vom 19.12.1997 mitteilte, daß die eingereichten Atteste nicht ausreichten und ein ausführliches Gutachten des Dr. B vorgelegt werden müsse.

Diesem Verlangen kam der Kläger nicht nach.

Mit Schreiben vom 26.2. und 12.5.1998 lehnte die Beklagte - jeweils mit Hinweis auf § 12 Abs. 3 VVG - die Ansprüche des Klägers ab.

Der Kläger hat vorgetragen, die bei ihm festgestellten Schulterschäden seien auf den Sturz vom 19.2.1996 zurückzuführen. Er habe der Beklagten die Unfallfolgen nicht zu spät gemeldet und die unfallbedingten Verletzungen innerhalb der vereinbarten Frist mit Hilfe ärztlicher Atteste nachgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 120.000,-- nebst 4 % Zinsen seit dem 12.5.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe im Hinblick auf ihr Ablehnungsschreiben vom 26.2.1997 verspätet Klage erhoben. Im übrigen habe sie zu Recht Leistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt. Sie hat bestritten, daß der Kläger sich am 19.2.1996 bei dem Skiunfall Schulterverletzungen zugezogen hat bzw. daß solche eventuellen Verletzungen kausal für die Rotatorenmanschettenrupturen waren. Sie hat ferner vorgetragen, der Kläger habe den von ihm nach § 7 Abs. 1 AUB 88 i. V. mit den besonderen Bedingungen de AUB binnen 15 Monaten zu führenden Nachweis unfallbedingter Invalidität nicht fristgemäß erbracht. Das Attest des Dr. B vom 20.10.1997 genüge nicht für den Nachweis.

Das Landgericht Bremen hat durch Urteil vom 8.7.1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zwar nicht im Hinblick auf das Ablehnungsschreiben vom 26.2.1998 gem. § 12 Abs. 3 VVG verspätet erhoben worden, da durch das zweite Ablehnungsschreiben vom 12.5.1998 die erste Fristsetzung und der dadurch ausgelöste Fristlauf hinfällig geworden seien und nur noch die zweite Fristsetzung für den Lauf der Klagfrist gegolten habe. Diese Frist habe der Kläger eingehalten.

Die Klage habe aber aus formellen Gründen keinen Erfolg, weil der Kläger nicht gemäß § 7 Abs. 1 (2) AUB 88 innerhalb der bis zum 31.12.1997 verlängerten Frist durch ärztliches Attest den Nachweis unfallbedingter Invalidität erbracht habe. Für diesen Nachweis genüge keines der vorgelegten Atteste oder Gutachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der Urteilsgründe wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bremen vom 8.7.1999 Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 14.7.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.8.1999 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7.10.1999 am 6.10.1999 begründet.

Der Kläger trägt vor, er habe nur die Invalidität als solche geltend machen müssen, nicht aber einen bestimmten Anspruch oder einen bestimmten Invaliditätsgrad. Es sei ausreichend, wenn sich aus den ärztlich dargestellten Verletzungsfolgen notwendig eine Invalidität ergebe. Aus den vorliegenden ärztlichen Attesten und Gutachten gehe unzweifelhaft hervor, daß bei ihm ein Dauerschaden vorliege. Die Beklagte bestreite auch nicht seinen Dauerschaden und die Invalidität, sondern nur die Kausalität.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Bremen vom 8.7.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 120.000,-- nebst 4 % Zinsen seit dem 12.5.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 1.10.1999 (Bl. 161 bis 170 d. A.), 14.3.2000 (Bl. 183 bis 191 d. A.) und der Beklagten vom 2.12.1999 (Bl. 174 bis 180 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige (§§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO) Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus der zu seinen Gunsten bei ihr abgeschlossenen Unfallversicherung zu, weil eine unfallbedingte Invalidität nicht fristgemäß gemäß § 7 Abs. 1 (1) AUB 88 ärztlich festgestellt worden ist.

Bei der Frist des § 7 Abs. 1 (1) AUB 88, der dem früheren § 8 Abs. 2 (1) AUB 61 entspricht, handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung, soweit es um die 15-Monats-Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität geht (BGH VersR 1978, 1036, 1037; BGH VersR 1998, 175, 176). Diese Frist ist im vorliegenden Fall verlängert worden, und zwar zunächst bereits durch Ziffer 8 der besonderen Vereinbarungen zur Unfallversicherung nach AUB 88 auf 21 Monate. Diese bis zum 19.11.1997 laufende Frist ist durch Schreiben der Beklagten vom 25.9.1997 weiter verlängert worden bis zum 31.12.1997.

Bis zu diesem Stichtag ist eine Invalidität des Klägers i. S. des § 7 Abs. 1 (1) AUB 88 nicht ärztlich festgestellt worden. Die "Feststellung" im Sinne dieser Regelung erfordert, daß sich aus ihr ergibt, daß eine bestimmte körperliche Beeinträchtigung auf einem bestimmten Unfall beruht und innerhalb der Jahresfrist - im vorliegenden Fall nach Ziffer 8 der o. g. besonderen Vereinbarungen binnen 15 Monaten - zu unveränderlichen Gesundheitsschäden geführt hat (BGH VersR 1998, 175, 176; BGH VersR 1997, 442, 443; BGHZ 130, 171, 177f.; BGH NJW-RR 1991, 539, 540; BGH VersR 1988, 286, 287; BGH VersR 1974, 234ff). Es genügt also weder die Feststellung eines Dauerschadens unabhängig von der Frage der Kausalität - wie der Kläger wohl meint - oder die ärztliche fristgemäße Feststellung eines anderen unfallbedingten Dauerschadens als des geltend gemachten. Entscheidend ist also, daß ein auf dem Unfall vom 19.2.1996 beruhender Dauerschaden im Schulterbereich des Klägers nicht bis 31.12.1997 ärztlich festgestellt worden ist.

Die Sachverständigen G und K haben die Kausalität des Unfalles vom 19.2.1996 für diesen Schaden verneint. Im Attest des Dr. E vom 19.8.1996 ist ein Unfall noch nicht einmal erwähnt. Es ist schon deshalb unzureichend. Zudem ist darin ein Dauerschaden nicht ausdrücklich angesprochen. Aufgrund der angeführten Defekte liegt ein Dauerschaden auch nicht ohne weiteres auf der Hand. Das Attest des Dr. B vom 22.10.1997, das nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der Ergänzung vom 14.11.1997, zu bewerten ist, genügt auch nicht den Anforderungen an die "ärztliche Feststellung". Es fehlt ihr an der erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit. Zwar hat Dr. B im Attest vom 22.10.1997 einerseits Verletzungen und verbliebene Folgen im Schulterbereich auf den Unfall vom 19.2.1996 zurückgeführt, andererseits aber auch degenerative Veränderungen als Ursache in Betracht gezogen. Durch seine Ergänzung vom 14.11.1997 hat er seine im Attest vom 22.10.1997 niedergelegten Befunde aber dahingehend relativiert, daß er eine unfallbedingte Ruptur der Supraspinitussehne nicht mit Sicherheit ausschließen könne. Die demnach allenfalls in Betracht gezogene Möglichkeit eines Unfallschadens genügt nicht für die Feststellung einer unfallbedingten Invalidität.

Ende der Entscheidung

Zurück