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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 4 U 59/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 741ff.
BGB § 752
BGB § 753 Abs. 1
BGB § 1006
BGB § 1008
Veräußert ein Ehegatte nach der Trennung eigenmächtig Papiere aus einem Gemeinschafts-depot, die während der Ehe von beiden Ehegatten erworben worden sind, ist er dem anderen Ehegatten in Höhe der Hälfte des Erlöses unter sachenrechtlichen Gesichtspunkten ausgleichspflichtig, wenn er nicht besondere Umstände darlegt und beweist, aus denen sich eine abweichende Beteiligung ergibt.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IN BREMEN BESCHLUSS

4 U 59 /03

in Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen unter Mitwirkung der Richter Wever, Schumann und Behrens aufgrund der Beratung vom 12.02.2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird als unbegründet zurückgewiesen. Der Klägerin wird für die Verteidigung gegen die Berufung des Beklagten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Rechtsanwältin W. in Bremerhaven gewährt.

Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Anschlussberufung wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die vom Beklagten beantragte Prozesskostenhilfe ist zu versagen, denn seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.10.2003 hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg ( § 114 ZPO).

Die Parteien erwarben mit ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln während der Ehe Bundesschatzbriefe, die nach dem Vortrag des Beklagten in einem Gemeinschaftsdepot verwahrt wurden. Nach der Trennung veräußerte der Beklagte Papiere und erzielte einen Erlös von DM 20.000,-- nebst Zinsen. Das Landgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein hälftiger Anteil an diesem Erlös zu. Im Ergebnis ist dies nicht zu beanstanden.

1. Allerdings geht es vorliegend entgegen der Annahme des Landgerichts nicht um eine güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien, sondern es wird um die Berechtigung an dem Erlös der veräußerten Bundesschatzbriefe gestritten, d.h. es handelt sich um die Vermögensauseinandersetzung hinsichtlich eines bestimmten Vermögensteils. Derartige Ansprüche können sich aus allgemeinen schuld- oder sachenrechtlichen Regelungen ergeben, die vom ehelichen Güterrecht nicht verdrängt, sondern allenfalls überlagert werden.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Auskehrung des hälftigen Erlöses der Bundesschatzbriefe aus §§ 741 ff, 752, 753 Abs. 1, 1008 BGB. Es besteht ein aus sachenrechtlichen Grundsätzen herzuleitender Ausgleichsanspruch, denn die Klägerin macht die Mitberechtigung an Wertpapieren geltend und nicht lediglich schuldrechtliche Ansprüche hinsichtlich eines gemeinsamen Bankguthabens. Bundesschatzbriefe sind, obwohl es sich um unverbriefte Wertrechte handelt, wie verbriefte Wertpapiere zu behandeln ( BGH FamRZ 1997, 607). Die Rechte aus dem Papier stehen daher dessen Eigentümer zu, bei Miteigentum den Miteigentümern. Der Beklagte geht in der Berufungsbegründung selbst von einem Miteigentum der Klägerin aus. Für eine solche Annahme würde im übrigen auch die, im Fall eines Gemeinschaftsdepots allerdings nur schwach ausgeprägte, Vermutung des § 1006 Abs. 1 S.1 und Abs. 3 BGB sprechen, denn bei einem Gemeinschaftsdepot sind die Depotinhaber mittelbare Mitbesitzer (BGH aaO). Ist zudem wie im vorliegenden Fall das Depot während der Ehe zum Bestreiten des Lebensunterhalts und für gemeinsame Anschaffungen verwendet worden, so spricht auch dies dafür, dass eine gemeinsame dingliche Berechtigung gewollt war (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 3. Aufl., Rn. 562). Werden im Miteigentum stehende Wertpapiere von einem Ehegatten ohne Einverständnis des anderen veräußert, kann ein entsprechender Ausgleichsanspruch entstehen ( OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 165 allerdings unter unzutreffender Heranziehung des § 430 BGB, richtigerweise besteht die Gemeinschaft am Erlös fort, bis sie auch insoweit nach §§ 752 ff BGB aufgehoben ist, so BGH WM 1983, 604). Der damit dem Grunde nach gegebene Ausgleichsanspruch ist auch in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe begründet. Nach § 742 BGB steht den Teilhabern eines Gemeinschaftsdepots im Zweifel der gleiche Anteil zu (BGH FamRZ 1997, 607; MüKo/Schmidt, BGB 4. Aufl., § 741 Rn. 57). Die Darlegungs- und Beweislast für eine abweichende Quote trägt derjenige, der sich auf eine solche beruft ( OLG Düsseldorf aaO; MüKo/Schmidt § 742 Rn. 7). Umstände, die für eine solche Abweichung vom Regelfall sprechen, lassen sich nicht feststellen. Für seine Behauptung, es sei eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung im Hinblick auf den unbezahlten Sonderurlaub der Klägerin getroffen worden, bietet der Beklagte keinen Beweis an. Entgegen seiner Ansicht ist die Herkunft der Mittel für die Anschaffung der Wertpapiere auch nicht allein entscheidend (dazu: OLG Düsseldorf aaO). Von Bedeutung ist vielmehr, dass die Parteien vor der Trennung erzielte Erlöse unstreitig hälftig geteilt haben. Diese Handhabung macht deutlich, dass sie der geringfügig unterschiedlichen Höhe ihrer jeweils für den Ankauf der Schatzbriefe aufgewendeten Mittel kein besonderes Gewicht beigemessen haben. Der Beklagte hätte daher weitere Umstände vortragen müssen, die ein abweichendes Ergebnis hätten rechtfertigen können. Daran fehlt es jedoch. Von dem nach der Trennung erzielten Veräußerungserlös in Höhe von DM 20.000,-- nebst Zinsen steht der Klägerin daher zumindest ein Anspruch auf DM 10.000,-- zu.

Die Frage, ob das Landgericht diesen Betrag ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO zusprechen durfte, obwohl die Klägerin im Hinblick auf die Bundesschatzbriefe nur DM 6.500,-- geltend gemacht hat, kann dahinstehen. Ein etwa vom Landgericht begangener Verstoß ist im Berufungsverfahren geheilt. Da die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, bringt sie zum Ausdruck, dass sie sich die Ausführungen des Landgerichts jedenfalls hilfsweise zu eigen macht ( dazu BGHZ 111, 158, (161); BGH NJW 1999, 61).

2. Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Gegenrechte berufen.

a) Soweit er die Ansicht vertritt, ihm stehe seinerseits ein Ausgleichsanspruch wegen der Tilgung von Schulden in der Ehezeit zu, mit dem er wirksam aufrechnen könne, ist dem nicht zu folgen. Die nach seinem Vortrag geleisteten DM 40.896,95 sind sämtlich vor der Trennung auf das laufende Konto gezahlt worden. Selbst wenn der Beklagte damit mehr als die Hälfte der ehebedingten Schulden bedient hätte, stünde ihm ein Ausgleichsanspruch nicht zu. Die tatsächliche Handhabung der Schuldentilgung während der intakten Ehe lässt regelmäßig auf eine stillschweigend geschlossene Vereinbarung des Inhalts schließen, dass die finanziellen Leistungen des die Verbindlichkeit Bedienenden dessen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft sind und ein späterer Ausgleich nicht stattfinden soll (ausführlich Wever aaO Rn. 249). Ein denkbarer Ausnahmefall ( etwa eine einmalige, ungewöhnlich hohe Zahlung) liegt hier nicht vor. Der Vortrag des Beklagten, die Klägerin habe während der Ehe ihre Arbeitstätigkeit eigenmächtig aufgegeben und damit eine größere finanzielle Belastung der Familie verursacht, ist unerheblich. Selbst wenn dieses Vorbringen dahingehend zu verstehen sein sollte, die Parteien hätten vereinbart, dass durch die Arbeitsaufgabe bedingte Schulden letztlich von der Klägerin zu tragen seien sollten, fehlt es auch hier an einem Beweisantritt. Die Frage, ob eine erstmalige Aufrechnung in der Berufungsinstanz überhaupt noch möglich wäre, kann daher hier dahinstehen.

b) Soweit der Beklagte allerdings erstmals mit der Berufungsbegründung behauptet, die Klägerin habe nach der Trennung eigenmächtig Abhebungen von seinem Girokonto in Höhe von DM 1.500,-- getätigt, scheitert eine Aufrechnung an § 533 ZPO.

Eine Aufrechnungserklärung ist nach Nr. 2 dieser Vorschrift unzulässig, wenn sie nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht der Entscheidung über die Berufung nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrundelegen darf. Da der Beklagte die nunmehr behaupteten Abhebungen in erster Instanz nicht vorgetragen hat, wären entsprechende Tatsachen nur über § 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähig. Der Beklagte hat diesen Vortrag im ersten Rechtszug unterlassen, ohne dass dafür ein Fehler des Gerichts ursächlich wäre. Er müsste sich daher nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO entlasten ( dazu Putzo/Reichold ZPO 25. Aufl., § 531 Rn. 16). Umstände, die das Unterlassen dieses Vortrages in erster Instanz entschuldigen würden, hat der Beklagte jedoch nicht vorgebracht.

II.

Soweit die Klägerin für die Verteidigung gegen die Berufung des Beklagten Prozesskostenhilfe begehrt, ist diesem Antrag nach § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO zu entsprechen.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag ist jedoch unbegründet, denn die beabsichtigte Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.10.2003 hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg ( § 114 ZPO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer € 1.278,23 über den ausgeurteilten Betrag hinaus wegen der angeblichen Zahlung von DM 6.000,-- an den Beklagten zur Anschaffung eines Computers. Rückzahlungsansprüche aus einem Darlehensvertrag gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F. bestehen nicht. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an einem geeigneten Beweisantritt für den streitigen Vertragsschluss. Die Klägerin selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht angegeben, es sei im Beisein des benannten Zeugen nicht darüber gesprochen worden, dass der Beklagte das Geld habe zurückzahlen sollen. Klar sei lediglich die Verwendung des Geldes für den Computer des Beklagten gewesen. Zudem habe das Geld später auf das gemeinsame Depotkonto gezahlt werden sollen. Allein aus einer solchen Abrede, die der Zeuge möglicherweise bestätigen könnte, ergibt sich keine Darlehensvereinbarung. An die Annahme eines Rechtsbindungswillens i.S. eines Darlehensvertrages sind bei Geldzuwendungen zwischen Ehegatten strenge Anforderungen zu stellen ( OLG Schleswig FamRZ 1988, 165). Im Rahmen einer intakten Ehe betrachten die Eheleute wechselseitige Leistungen, gleich welcher Art sie sind, grundsätzlich als gleichwertige Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Ein finanzieller Ausgleich von Vermögensverschiebungen entspricht daher regelmäßig nicht ihrem Willen. Die behauptete Vereinbarung der Zahlung auf ein gemeinsames Konto ist somit für die Feststellung eines Rechtsbindungswillens im Sinne eines Darlehens nicht ausreichend. Diesem Vortrag lässt sich insbesondere nicht sicher entnehmen, dass der Beklagte in jedem Fall zur Einzahlung auf das Depot verpflichtet sein sollte. Denkbar ist auch, dass die Parteien nur übereinstimmende Absichten für die Verwendung etwaiger späterer Geldzugänge geäußert haben, ohne damit zugleich eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten begründen zu wollen.

Da sich eine Darlehensvereinbarung nicht feststellen lässt, wäre die vorgetragene Zahlung zur Anschaffung des Computers als ehebezogene Zuwendung anzusehen. Die Rückabwicklung derartiger Zuwendungen über Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nur in engen Grenzen zulässig ( dazu Wever aaO, Rn 333 ff). Für den Fall, dass die Eheleute wie hier im gesetzlichen Güterstand gelebt haben, ist mit dem Zugewinnausgleich ein gesetzliches Ausgleichssystem vorhanden, das im Regelfall für einen angemessenen Vermögensausgleich sorgt. Dieses System verdrängt das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Nur ganz ausnahmsweise kommt ein Ausgleichsanspruch in Betracht, wenn das güterrechtliche Ergebnis ohne schuldrechtliche Korrektur schlechthin unangemessen und untragbar wäre ( Wever aaO Rn. 362 m.w.N.). Einen derartigen Ausnahmetatbestand hat die Klägerin weder vorgetragen, noch sind entsprechende Tatsachen sonst ersichtlich. Aber auch im Hinblick auf die relativ geringe Höhe des eventuellen Ausgleichsanspruchs erscheint eine Korrektur auf schuldrechtlichem Wege nicht geboten.

Ende der Entscheidung

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