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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 18.06.2004
Aktenzeichen: 4 UF 10/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 2
1. Auf die sich aus § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ergebenden Rügen kann die Partei wirksam verzichten. Die Anerkennung einer im Ausland (Ghana) ausgesprochenen Ehescheidung ist deshalb nicht zu versagen, wenn zwar die förmliche Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes nicht festgestellt werden kann und/oder die dem Antragsgegner von dem ausländischen Gericht gesetzte Einlassungsfrist zu kurz bemessen ist, als dass er sich am Verfahren beteiligen konnte, er aber zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit der Scheidung einverstanden ist.

2. Dabei dürfen an die Voraussetzungen, unter denen die Partei rechtserheblich zum Ausdruck bringen kann, sie wolle das ausländische Scheidungsurteil gelten lassen, keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Es reicht aus, wenn die Partei im Inland ein Anerkennungsverfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG einleitet oder die Durchführung des isolierten Versorgungsausgleichs gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB beantragt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IN BREMEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- 4. Zivilsenat als Senat für Familiensachen -

4 UF 10/04

verkündet am 18.6.2004

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.6.2004 unter Mitwirkung der Richter

Wever, Schumann und Behrens

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Antragsgegners wird - unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 30.12.2003 - der Scheidungsantrag der Antragstellerin abgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Das Familiengericht Bremen hat die Ehe der Parteien, die beide die ghanaische Staatsangehörigkeit haben, auf den Scheidungsantrag der Ehefrau geschieden und zugleich den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Scheidungsurteil des Circuit Court in Accra vom 20.1.1999 sei nicht anzuerkennen. Weder könne die Zustellung des das Verfahren einleitenden Antrages des Ehemannes an die Ehefrau festgestellt werden, noch sei der Ehefrau zwischen Zustellung des Scheidungsantrages und Erlass des Urteils ausreichend Zeit geblieben, um ihre Rechte wahrnehmen zu können. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Antragsgegner vertritt in seiner Berufung die Ansicht, die Ehe der Parteien sei in Ghana wirksam geschieden worden, anderenfalls hätte er nicht unmittelbar nach der Scheidung wieder heiraten können.

Er beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 30.12.2003 aufzuheben und den Scheidungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 3.3.2004 (Bl. 101 ff.) sowie auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 15.3.2004 (Bl. 107 ff.).

B.

Die zulässige Berufung des Antragsgegners ist begründet. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin war als unzulässig zurückzuweisen. Die Ehe der Parteien ist mit Urteil des Circuit Court of Ghana in Accra vom 20.1.1999 geschieden. Diesem Scheidungsurteil kann die Anerkennung nicht versagt werden.

Da für eine sog. Heimatstaatenscheidung - beide Parteien sind ghanaische Staatsangehörige - ein besonderes Anerkennungsverfahren gemäß Art. 7 § 1 FamRÄndG nicht vorgesehen ist, ist die Frage, ob der im Heimatland der Parteien erfolgten Scheidung der Ehe auch in der BRD rechtliche Beachtung zukommt, im vorliegenden (Scheidungs-)Verfahren inzidenter zu prüfen. Davon ist das Familiengericht zutreffend ausgegangen. Die Frage der (Nicht-)Anerkennung ist auch bisher mit bindender Wirkung nicht festgestellt. Die Antragstellerin hat ihre Anträge auf Durchführung des isolierten Versorgungsausgleichs (Art. 17 III S.2 Nr. 1 EGBGB) nach den Hinweisen auf die fehlende Anerkennung bzw. fehlende Anerkennungsmöglichkeit des ghanaischen Scheidungsurteils zurückgenommen, ohne dass es zu einer Sachentscheidung gekommen ist.

Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Scheidungsurteils des Gerichts in Accra/Ghana vom 20.1.1999 liegen vor.

Die internationale Zuständigkeit des ghanaischen Gerichts zur Scheidung der Ehe (§ 328 I Nr. 1 ZPO) folgt aus § 31 des Matrimonial Causes Act vom 7.9.1971. Die fehlende Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO) steht der Anerkennung nicht entgegen (Art. 7 § 1 I S. 2 FamRÄndG).

Das Scheidungsurteil ist auch nicht deswegen die Anerkennung zu versagen, weil die Zustellung des Scheidungsantrages nicht sicher festgestellt und/oder eine etwaige Zustellung so spät erfolgt ist, dass die Antragstellerin sich nicht mehr auf das Scheidungsverfahren einlassen konnte (§ 328 I Nr. 2 ZPO). Wenn überhaupt eine Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes erfolgt ist, so kann diese nicht vor dem 9.1.1999 erfolgt sein. Da die Scheidung der Ehe bereits mit Urteil vom 20.1.1999 ausgesprochen worden ist, bestand für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihre Rechte im Verfahren in Accra wahrzunehmen. Doch kann sie auf den Schutz des § 328 I Nr. 2 ZPO wirksam verzichten (BGH FamRZ 1990, 1100, 1101). Zweck dieser Vorschrift ist es, den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch im internationalen Rechtsverkehr - so weit wie möglich - zu gewährleisten und durchzusetzen. Unmittelbare staatliche Interessen nicht auf dem Spiel, es geht dabei lediglich um eine angemessene Interessenabwägung zwischen den Parteien (Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 328 Rn. 134). Wenn eine Partei zum Ausdruck bringt, sie wolle das ausländische Scheidungsurteil trotz etwaiger Zustellungsmängel gegen sich gelten lassen will, so liegt darin ein wirksamer Verzicht auf den Schutz des § 328 ZPO (BGH a.a.O.). Allzu zu strenge Anforderungen dürfen dabei nicht gestellt werden. Es reicht aus, dass die Partei wieder heiratet, die Anerkennung des Urteils im Zweitstaat betreibt oder in anderer Weise zum Ausdruck bringt, sie halte sich für geschieden (BGH a.a.O.; LJV BadWürtt FamRZ 2001, 1015,1017). So liegt der Fall hier.

Dabei kann offen bleiben, ob die Behauptung des Antragsgegners, auch die Antragstellerin sei wieder verheiratet, richtig ist. Die Antragstellerin hat dies bestritten. Sie hat aber in der Vergangenheit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich selbst als geschieden ansieht. Nach ihrem eigenen Vortag hat sie bereits im März 1999 vom Antragsgegner eine Kopie des Scheidungsurteils erhalten. In der Folgezeit hat sie sich dann in Ghana um eine Ausfertigung des Urteils bemüht. Als dies nicht gelang, hat sie im Mai 2002 beim Familiengericht Bremen ein Verfahren auf Durchführung des isolierten Versorgungsausgleichs gemäß Artikel 17 EGBGB eingeleitet. Ein solcher Antrag setzt die wirksame Scheidung der Ehe im Ausland voraus. Nachdem ihr das Familiengericht mitgeteilt hatte, das ausländische Urteil sei bislang nicht anerkannt, hat sie den Antrag zurückgenommen und sich um die Anerkennung des Urteils im Verfahren gemäß Art. 7 § 1 FamRÄndG bemüht. Ein solches Verfahren war jedoch nicht zulässig, weil die Parteien in ihrem Heimatland geschieden worden sind (sog. Heimatstaatenscheidung). Daraufhin hat die Antragstellerin erneut die Durchführung des isolierten Versorgungsausgleichsverfahrens beantragt (60 F 2245/02 - AG Bremen). Erst nachdem ihr Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht verweigert worden war, weil das Familiengericht der Ansicht war, das Urteil könne nicht anerkannt werden, entschloss sie sich schließlich, den vorliegenden Scheidungsantrag zu stellen. Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel daran, dass die Antragstellerin sich seit März 1999 als geschieden ansah. Die aus § 328 I Nr. 2 ZPO abgeleiteten formellen Rügen können daher jetzt nicht mehr erhoben werden.

Die Kostenentscheidung folgt, da der Scheidungsantrag zurückgewiesen worden ist, aus § 91 ZPO. § 93 a II S. 2 ZPO kommt in einem solchen Fall nicht zur Anwendung.

Ende der Entscheidung

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