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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 4 UF 83/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1612 b Abs. 1
BGB § 1612 b Abs. 3
Lebt das volljährige - privilegierte - Kind im Haushalt eines Elternteiles, der mangels Leistungsfähigkeit nicht barunterhaltspflichtig ist, und erhält dieser das Kindergeld, so ist das gesamte Kindergeld auf den Barunterhalt anzurechnen.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IN BREMEN BESCHLUSS

4 UF 83/04

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen unter Mitwirkung der Richter Wever, Schumann und Schmedes aufgrund der Beratung vom 18.2.2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung wird abgelehnt.

Gründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen - Blumenthal vom 1.12.2004 bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO. Das Familiengericht hat zu Recht das gesamte Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch des Klägers angerechnet.

Die Frage, ob und gegebenenfalls wie eine Kindergeldverrechnung stattfindet, wenn ein volljähriges - privilegiertes - Kind im Haushalt eines Elternteils lebt, der nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, weil er nicht leistungsfähig ist - davon gehen die Parteien hier auf Seiten der Mutter des Klägers auch unter Berücksichtigung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit übereinstimmend aus - ist in § 1612 b BGB nicht ausdrücklich geregelt. Daraus werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Konsequenzen gezogen:

Es wird die Ansicht vertreten, das gesamte Kindergeld sei in entsprechender Anwendung des § 1612 b III BGB auf den Barunterhalt des Kindes anzurechnen, das im Haushalt des Elternteils lebt, der das Kindergeld erhält. Eine Differenzierung danach, ob es um den Unterhalt eines volljährigen privilegierten Kindes oder eines Kindes, das sich in der Berufs- oder Hochschulausbildung befindet, geht, wird überwiegend nicht gemacht (vgl. zuletzt OLG München, NJW - RR 2005, 231; OLG Koblenz, 1. FamS, FamRZ 2004, 562; OLG Celle, FamRZ 2004, 218; OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 219; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1612 b Rn. 6; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 3. Aufl., Rn. 704 a.E.; Duderstadt, FamRZ 2003, 1058, 1059; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl. V Rn. 189; Oenning in Münchener AnwaltsHandbuchFamilienrecht (Hrsg.Schnitzler), § 7 Rn. 78; jedenfalls für höhere Einkommensgruppen MK/Born, BGB, 4. Aufl., § 1612 b Rn. 56; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rn. 789, 802; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rn. 831, Rahm/Künkel/Stollenwerk, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Kap. 4.2363, Rn. 518.1).

Die Gegenmeinung vertritt den Standpunkt, dass es bei der hälftigen Kindergeldanrechnung bleiben müsse. Auch der Elternteil, der zwar nicht leistungsfähig sei, dem Kind aber Kost und Logis gewähre, sei als barunterhaltspflichtig i.S.d. § 1612 b I BGB anzusehen (vgl. OLG Koblenz, 4. FamS, FamRZ 2004, 1132; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1216; OLG Celle, FamRZ 2001, 47; OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 687; Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Aufl., § 6 Rn. 157; Strohmaier, FuR 2003, 153 ff.; jedenfalls für den Fall des volljährigen privilegierten Kindes: Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rn. 515 b; Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rn. 3389; für den Fall des behinderten volljährigen Kindes: Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rn. 6.; differenzierend MK/Born, a.a.O.).

Der Senat hat schon bisher die Ansicht vertreten, dass für den Kindergeldausgleich zwischen den Eltern - um diesen Ausgleich geht es in der Vorschrift des § 1612 b BGB - kein Raum sei, wenn ein Elternteil den Barbedarf des volljährigen Kindes, für das nicht er, sondern der andere Elternteil das Kindergeld erhalte, allein decken müsse. Das Kindergeld müsse dann in entsprechender Anwendung des § 1612 b III BGB in voller Höhe auf den Bedarf des Kindes angerechnet werden. Das gelte grundsätzlich auch dann, wenn es um den Unterhalt eines volljährigen privilegierten Kindes gehe (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.1.2002, Geschäftsnummer 4 WF 76/2001). Hieran ist festzuhalten.

Da beim minderjährigen Kind Bar- und Naturalunterhalt gleichwertig sind (§ 1606 III S. 2 BGB), steht gemäß § 1612 b I BGB jedem Elternteil die Hälfte des Kindergeldes zu. Auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes wird somit nur das hälftige Kindergeld angerechnet, also der dem barunterhaltspflichtigen Elternteil gebührende Anteil. Die andere Hälfte verbleibt dem Betreuungsunterhalt leistenden Elternteil. Damit ist der Kindergeldausgleich zwischen den Eltern angesichts der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt zufriedenstellend geregelt. Mit dem Datum der Volljährigkeit endet jedoch der Anspruch des Kindes auf Betreuungsunterhalt. An dessen Stelle tritt der Anspruch auf Barunterhalt auch gegen den Elternteil, in dessen Haushalt das Kind weiterhin lebt. Damit fehlt jedenfalls im Verhältnis zwischen den Eltern eine Rechtfertigung dafür, dass dem Elternteil, der seine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung nicht erfüllt, das anteilige Kindergeld dennoch verbleibt. Das Kindergeld ist nunmehr in voller Höhe anzurechnen. Dass dies dazu führen kann, dass das volljährige privilegierte Kind nunmehr einen niedrigeren Barunterhalt als vor seiner Volljährigkeit erhält, ist hinzunehmen. Denn wenn die Mutter den gesetzlich geschuldeten Barunterhalt nicht leisten kann, muss sie das gesamte Kindergeld für den Unterhalt des Kindes einsetzen.

Wenn gegen diese Ansicht eingewandt wird, sie werde der Lebenswirklichkeit nicht gerecht, denn die Mutter, in deren Haushalt das volljährige Kind lebe, erbringe vermögenswerte Leistungen für das Kind in Form von Kost und Logis, so dass es weiterhin gerechtfertigt sei, dass ihr ein Anteil am Kindergeld verbleibe, bleibt dabei außer Acht, dass in den Tabellensätzen ein Anteil für den Wohnbedarf und die Verpflegung des Kindes enthalten ist. Das Kind kann und muss damit den Barunterhalt hierfür einsetzen. Erbringt die Mutter dem volljährigen Kind Leistungen wie Kost und Logis, so kann ihr das Kind dafür die entsprechenden Beträge zur Verfügung stellen. Die Mutter leistet daher nichts, was ihr das Kind nicht auch vergüten kann. Behält die Mutter das Kindergeld und verwendet sie es für Kost und Logis, so kann der verbleibende Barbedarf des Kindes aus dem vom anderen Elternteil geleisteten Unterhalt bestritten werden.

Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 22.2.2002 (Geschäftsnummer 4 UF 4/02) die Ansicht vertreten hat, die Regelung des § 1612 b V BGB zur (Nicht-)Anrechnung des Kindergeldes gelte auch für das volljährige privilegierte Kind, ist daraus für die Frage der Kindergeldanrechnung im vorliegenden Fall nichts herzuleiten. Denn der Einsatzbetrag für den Kläger ist der 6. Einkommensgruppe entnommen, so dass es nicht um die Anwendbarkeit des § 1612 b V BGB auf den Bedarf des volljährigen privilegierten Kindes geht. Es besteht daher im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung, die Frage der Kindergeldanrechnung in den Fällen, in denen der Bedarf des Kindes den unteren fünf Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle entnommen wird, erneut zu problematisieren.

Ende der Entscheidung

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