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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 4 W 7/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 93
ZPO § 272 Abs. 1
ZPO § 276
Sind für eine Klage die die Zuständigkeit des Gerichts begründenden Tatsachen von der Klägerseite nicht vorgetragen und weist das Gericht auf die bislang nicht ersichtliche Zuständigkeit hin, kann die beklagte Partei trotz angezeigter Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren noch nach Ablauf der Notfrist im Anschluss an die Behebung des Vortragsmangels "sofort" im Sinne von § 93 ZPO anerkennen.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IN BREMEN BESCHLUSS

4 W 7/04

in Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen unter Mitwirkung der Richter Wever, Schumann und Behrens auf Grund der Beratung vom 07.04.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Bremen vom 23.02.2004 im ersten Absatz des Tenors wie folgt abgeändert:

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf € 1.849,82 festgesetzt.

Gründe:

1. Das Landgericht hat über die Pflicht zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits teilweise nach § 91a ZPO entschieden, nachdem die Parteien den Rechtsstreit insoweit nach teilweiser Zahlung des begehrten Kostenvorschusses durch die Beklagte übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt haben. Die Beklagte hat dazu die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 93 ZPO seien erfüllt, da sie keine Veranlassung zur Klagerhebung gegeben habe und ihr Anerkenntnis in der Klagerwiderung als sofortiges i.S. des § 93 ZPO anzusehen sei. Das Landgericht ist dem nicht gefolgt und hat die Kosten insoweit der Beklagten auferlegt.

2. Die gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist in der Sache begründet und führt zur Abänderung der Kostenentscheidung. Im Ergebnis zutreffend beanstandet die Beklagte, dass nicht unter dem Gesichtspunkt des sofortigen Anerkenntnisses die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich des erledigten Teils von € 17.960,50 der Klägerin auferlegt worden sind. Der Grundgedanke des § 93 ZPO ist auch im Rahmen einer Entscheidung nach § 91 a Abs. 1 ZPO anzuwenden (KG MDR 1980, 942; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22 Aufl., § 91 a Rn. 25). Ein entsprechendes sofortiges Anerkenntnis liegt hier vor.

a) Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass nach herrschender Meinung ein sofortiges Anerkenntnis im Regelfall ausgeschlossen ist, wenn ein Beklagter im schriftlichen Vorverfahren zunächst seine Verteidigungsbereitschaft anzeigt und erst nach Ablauf der Notfrist des § 276 Abs. 1 ZPO die Klagforderung anerkennt ( OLG Bremen FamRZ 1994, 1483; JurBüro 1983, 625; OLGR Hamburg 1996, 204; OLG München MDR 1989, 267; OLG Hamm VersR 1989, 1211; OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 126; OLG Celle NJW-RR 1988, 1370; OLGR Köln 2002, 160; OLG Braunschweig JurBüro 1999, 36; OLGR Naumburg 2002, 239; OLGR Zweibrücken 2001, 394; OLGR Düsseldorf 1992, 181; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rn. 4; Thomas/Putzo, ZPO, 25 Aufl., § 93 Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 93 Rn. 97; MüKo/Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 307 Rd. 28; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 93 Rn. 5). Diese Ansicht hat vereinzelt Widerspruch gefunden ( so: OLG Bamberg NJW-RR 1996, 392; OLG Hamburg MDR 2002, 421; OLG Nürnberg NJW 2002, 2254; offengelassen bei Schneider, MDR 1998, 252). Auf diese Streitfrage kommt es vorliegend allerdings nicht an, denn auch die überwiegende Ansicht setzt voraus, dass das erkennende Gericht den Rechtsstreit alsbald hätte entscheiden können, sei es im Fall des frühen ersten Termins nach Stellung der Anträge oder im Fall des schriftlichen Vorverfahrens nach Ablauf der Notfrist durch Versäumnisurteil. Fehlt es dagegen zunächst an einer schlüssigen Klage, kann die beklagte Partei nach einhelliger Ansicht noch nach Behebung dieses Mangels "sofort" anerkennen. Eine Partei ist nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits schlüssig vorgetragenen Klaganspruch schon zuvor - gleichsam auf Verdacht- als begründet anzuerkennen, um sich von der Kostenlast zu befreien (so zuletzt: BGH, Beschluss vom 03.03.2004, Az.: IV ZB 21/03; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 93 Rn. 9 m.w.N.). Dem Beklagten wird daher auch im Fall eines eigentlich berechtigten Anspruchs die Möglichkeit eingeräumt, zunächst abzuwarten, ob es dem Kläger gelingt, etwaige Entscheidungshindernisse zu beseitigen.

Eine solche Ausnahmekonstellation liegt hier vor. Die in Reessum-Taaken wohnhafte Klägerin hat ihre Klage gegen die Bremen ansässige Bezirksdirektion der Beklagten erhoben. Mit der Unterrichtung über die Zustellung nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Klägerin vom Landgericht daraufhin aufgefordert worden, die zuständigkeitsbegründenden Umstände darzulegen. Tatsächlich war die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich, denn in der Klagschrift hatte die Klägerin weder zur Frage eines Bezuges des Vertrags zur Bremer Niederlassung i.S. von § 21 ZPO, noch zu einer eventuellen Zuständigkeit nach § 48 VVG vorgetragen. Bis zum Ablauf der Notfrist nach § 276 Abs. 1 ZPO hat sie sich auf den Hinweis des Gerichts nicht geäußert. Erst bei Einreichung der Klagerwiderung, in der die Beklagte erklärt hat, Einwendungen gegen die Zuständigkeit des Gericht nicht geltend machen zu wollen, war die Zuständigkeit des Gerichts jedenfalls über § 39 ZPO anzunehmen. Mit diesem Schriftsatz hat die Beklagte jedoch zugleich anerkannt. Dieses Anerkenntnis erfolgte "sofort" i.S. des § 93 ZPO.

Das im Gesetz enthaltene Erfordernis der Sofortigkeit ist mit der herrschenden Meinung so zu verstehen, dass das Anerkenntnis bei erster sich bietender prozessualer Gelegenheit erklärt werden muss. Dies wiederum richtet sich wie oben dargestellt nach der Entscheidungsreife der Klage (Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 93, B II c 1). Der Beklagte muss rechtzeitig vor dem Zeitpunkt anerkennen, in dem das Gericht frühestens über den Anspruch, und sei es im schriftlichen Vorverfahren, hätte entscheiden können. Der daraus folgende Grundsatz, dass ein Beklagter, auch wenn der Anspruch an sich begründet ist, bei mangelhafter Substantiierung bzw. Schlüssigkeit der Klage noch nach Behebung dieses Mangels "sofort" anerkennen kann, gilt auch für den Fall der fehlenden Darlegung der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen. Jedenfalls dann, wenn ein Kläger vom Gericht auf fehlenden Vortrag zur örtlichen Zuständigkeit hingewiesen wird, darf der Beklagte zunächst zuwarten, ob die Behebung des Darlegungsmangels gelingt. Zwar ist die Zulässigkeit von Amts wegen zu prüfen, die tatsächlichen zuständigkeitsbegründenden Tatsachen hat jedoch der Kläger ebenso vorzutragen wie die anspruchsbegründenden Umstände. Dies gilt auch, wenn das Gericht im schriftlichen Vorverfahren die Voraussetzungen für den Erlass des Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 1 und 3 ZPO zu prüfen hat (BGH NJW 1961, 2207). In einem solchen Fall ist ein Anerkenntnis daher bis zu dem Zeitpunkt als sofortig zu qualifizieren, in dem der Kläger die Vortragslücken zu dieser allgemeinen Prozessvoraussetzung behebt oder der Beklagte die Zulässigkeit der Klage selbst über § 39 ZPO herbeiführt. Das Landgericht hat vorliegend durch seinen Hinweis auch gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, dass es die Sache gegenwärtig nicht für entscheidungsreif hält, da Vortrag zur örtlichen Zuständigkeit fehlt. Es hätte daher auch nicht durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren entscheiden können. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte nicht gehalten, den Klaganspruch anzuerkennen, solange die Klägerin trotz Hinweises des Gerichts nicht hinreichend zur Zuständigkeit vorgetragen hatte.

b) Die Beklagte hat auch keinen Anlass zur Klage gegeben. Die Klägerin hat mit Anwaltsschreiben vom 05.08.2003 unter Beifügung einer Kostenberechnung zur Deckungszusage für das Klagverfahren bis zum 19.08.2003 aufgefordert. Es ergab sich dann weitere Korrespondenz und die Klägerin ließ mit Schreiben vom 25.08.2003 weiter zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt vortragen. Vor dem Hintergrund dieses Ablaufs durfte die Klägerin nicht bereits am 29.08.2003 Klage einreichen. Einer Versicherung ist regelmäßig eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zuzugestehen. Diese Frist kann durchaus drei bis vier Wochen betragen (Baumbach/ Lauterbach/ Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 93 Rn. 56; Harbauer, ARB, 6. Aufl., § 1 Rn. 13). Nach Ansicht des Senats war die Überlegungsfrist der Beklagten im vorliegenden Fall im Hinblick auf den besonderen Sachverhalt und die erhebliche Streitwerthöhe bei Klageinreichung noch nicht abgelaufen. c) Da die Beklagte aufgrund der Anwendung des § 93 ZPO kostenmäßig nur mit einem geringfügigen Betrag von € 459,04 unterliegt, entsprach es nach dem im Rahmen des § 91 a ZPO ebenfalls anwendbaren Gedanken des § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO billigem Ermessen, der Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht den im ersten Rechtszug entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten bezüglich des hier einschlägigen Teilstreitwertes in Höhe von € 17.960,50.

Ende der Entscheidung

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