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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 4 WF 110/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 2 | |
BGB § 1600 Abs. 2 | |
BGB § 1600 Abs. 3 | |
BGB § 1600 e | |
ZPO § 616 Abs. 1 | |
ZPO § 617 | |
ZPO § 640 Abs. 1 | |
ZPO § 640 h Abs. 2 Satz 1 |
2. Weil Träger des Elternrechts für ein Kind nur eine Mutter und ein Vater sein können, kann der leibliche Vater die Feststellung seiner Vaterschaft nur erreichen, wenn er zugleich die rechtliche Vaterschaft - mit einer gemäß § 1600 e Abs. 1 Satz 1 BGB gegen das Kind und den rechtlichen Vater zu richtenden Klage - anficht.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS
Geschäftszeichen: 4 WF 110/06
In Sachen
hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen durch die Richter Wever, Schumann und Schilling auf die Beratung vom 31. Oktober 2006 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremerhaven vom 2. August 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Antragsteller wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Feststellung seiner Vaterschaft.
I.
Im Oktober 2001 wurde die Antragsgegnerin ehelich geboren. Zwischen der Kindesmutter und ihrem - von ihr getrennt lebenden - Ehemann ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Der Antragsteller hat in der Begründung seiner beabsichtigten, ausschließlich gegen die Antragsgegnerin gerichteten, Klage behauptet, der leibliche Vater der Antragsgegnerin zu sein, in der Empfängniszeit mit der Kindesmutter geschlechtlich verkehrt zu haben und erst Anfang 2006 von seiner Vaterschaft erfahren zu haben. Zudem hat er vorgetragen, dass es an einer sozial-familiären Beziehung zwischen der Antragsgegnerin und dem Ehemann der Kindesmutter fehle, weil die Eheleute seit längerer Zeit getrennt lebten und der Ehemann der Kindesmutter sich nicht um die Antragsgegnerin kümmere. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die Behauptung des Antragstellers, der Ehemann der Kindesmutter kümmere sich nicht um das Kind, sei viel zu unbestimmt, als dass daraus geschlossen werden könnte, der Ehemann trage keine tatsächliche Verantwortung mehr für das Kind. In der Begründung seiner hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat, führt der Antragsteller namentlich zur sozial-familiären Beziehung ergänzend aus. Zudem ist der Beschwerdeschrift eine eidesstattliche Versicherung im Sinne des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB beigefügt.
II.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567, 569 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Das Familiengericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt, § 114 ZPO.
1. Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der seit 30. April 2004 geltenden Fassung (Gesetz vom 23.4.2004, BGBl. I S. 598) ist berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Gemäß § 1600 Abs. 2 BGB setzt die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 (im Folgenden: rechtlicher Vater) keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist. § 1600 Abs. 3 BGB erklärt, wann eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, nämlich wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder im Zeitpunkt seines Todes getragen hat (§ 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat (§ 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Klage ist gemäß § 1600e BGB gegen das Kind und den rechtlichen Vater zu richten.
2. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts hat der Antragsteller seiner aus § 1600 BGB folgenden Darlegungslast hinreichend Rechnung getragen (a). Jedoch kann die von ihm in Aussicht gestellte Klage keine Aussicht auf Erfolg haben, weil sie nicht auch gegen den rechtlichen Vater gerichtet ist (b).
a) Der Antragsteller hat (nunmehr) an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Zudem hat er dargetan, dass es an einer sozial-familiären Beziehung zwischen der Antragsgegnerin und dem, mittlerweile von der Mutter getrennt lebenden, rechtlichen Vater fehle. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts war der Antragsteller nicht gehalten, seinen diesbezüglichen Vortrag weiter zu substantiieren.
Zwar ist es richtig, dass der Anfechtende das Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung darlegen muss. Der Gesetzgeber hat sich insoweit eines negativen Tatbestandsmerkmals bedient, um zu verhindern, dass eine non-liquet-Situation zu Lasten des rechtlichen Vaters geht (Höfelmann, FamRZ 2004, 745, 749; Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1600 Rn. 7). Jedoch dürfen die Anforderungen an die Darlegungslast des Anfechtenden nicht übersteigert werden. Da er regelmäßig außerhalb der betroffenen Familie steht, wird er die Einzelheiten, die der sozial-familiären Beziehung im konkreten Fall zugrunde liegen (oder eben auch nicht), nicht kennen. Insoweit wird er - wie in der Regel beim Vorliegen negativer Tatbestandsmerkmale - auf ein substantiiertes Bestreiten angewiesen sein, um darauf sein weiteres Vorbringen beziehungsweise etwaige Beweisangebote stützen zu können (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, Vor § 284 Rn. 24, 34). Entsprechendes gilt, soweit das Gericht - wie im vorliegenden Fall gemäß § 640 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 616 Abs. 1, 617 ZPO - von Amts wegen zu ermitteln hat und deshalb über dem Anfechtenden nicht bekannte Erkenntnisse verfügt. Auch in diesem Fall muss dem Anfechtenden durch Einräumung einer entsprechenden Stellungnahmefrist die Möglichkeit eingeräumt werden, seinen Vortrag entsprechend zu substantiieren beziehungsweise Beweis anzutreten.
Etwas anderes gilt hier nicht etwa deshalb, weil der rechtliche Vater mit der Mutter verheiratet ist. Zwar begründet die Ehe gemäß § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Regelannahme dafür, dass eine sozial-familiäre Beziehung gegeben ist (BT-Drucks 15/2253, S. 11). Jedoch hat der Gesetzgeber ausweislich seiner Begründung auf einen absoluten Schutz der Ehe bewusst verzichtet, um einzelfallgerechte Lösungen namentlich für den Fall des Getrenntlebens der Eheleute zu ermöglichen (BT-Drucks 15/2253, S. 11). Dass die Eheleute getrennt leben, hat der Antragsteller dargetan.
b) Die beabsichtigte Klage kann jedoch keinen Erfolg haben, weil sie nur gegen das Kind, nicht aber gegen den rechtlichen Vater gerichtet ist. Letzterer würde hingegen durch eine stattgebende Entscheidung ebenfalls in seiner Rechtsstellung berührt werden. Denn der Antragsteller kann die Feststellung seiner Vaterschaft nur erreichen, wenn die rechtliche Vaterschaft mit Erfolg angefochten ist. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass Träger des Elternrechts für ein Kind nur eine Mutter und ein Vater sein kann (BVerfG, FamRZ 2003, 816, 819). Demgemäß muss die Klage nach § 1600e Abs. 1 Satz 1 BGB gegen das Kind und den rechtlichen Vater gerichtet werden (vgl. auch BT-Drucks 15/2253, S. 11). Die Vorschrift des § 640 h Abs. 2 Satz 1 ZPO verhindert, dass das Kind bei einer erfolgreichen - von außen an die Familie herangetragenen - Anfechtung vaterlos wird (vgl. BT-Drucks 15/2253, S. 11). Danach stellt das auf die Anfechtung ergehende Urteil neben dem Nichtbestehen der Vaterschaft (des rechtlichen Vaters) zugleich die Vaterschaft des Anfechtenden fest.
Ende der Entscheidung
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