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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 4 WF 138/06
Rechtsgebiete: ZPO, GewSchG


Vorschriften:

ZPO § 890
ZPO § 891
GewSchG § 1
Zur Vollstreckung einer Untersagungsanordnung nach § 1 GewSchG.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 4 WF 138/06

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen unter Mitwirkung der Richter Wever, Schumann und Schilling aufgrund der Beratung vom 7.12.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 14.11.2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 936,- € (1/5 des Wertes der Hauptsache) festgesetzt.

Gründe:

Durch Beschluss vom 1.6.2006 hat das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner Untersagungsanordnungen i.S. von § 1 GewSchG getroffen. Nach vorheriger Androhung von Ordnungshaft für den Fall der Zuwiderhandlung hat das Familiengericht auf Antrag der Antragstellerin durch den angefochtenen Beschluss vom 14.11.2006 eine "Zwangshaft" von 4 Tagen und deren Vollstreckung angeordnet. Die dagegen gerichtete, gem. § 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf schwerwiegenden Verfahrensmängeln. Zwar ist der Ausgangsbeschluss des Familiengerichts vom 1.6.2006 grundsätzlich der Zwangsvollstreckung zugänglich. Alle für eine Zwangsvollstreckung erforderlichen Anordnungen (vgl. dazu Keidel/Kuntze/Weber, FGG, 15. Aufl., § 64b Rn. 33 f.) sind darin getroffen. Gleichwohl lagen und liegen bisher die Voraussetzungen für eine Anordnung des Inhalts der am 14.11.2006 getroffenen Entscheidung nicht vor.

Zunächst findet die Zwangsvollstreckung aus einer Untersagungsanordnung i.S. von § 1 GewSchG nicht nach § 888 ZPO (mit der Möglichkeit der Anordnung von Zwangshaft) statt, wie das Familiengericht nach Tenorierung und Begründung meint, sondern nach § 890 ZPO (mit der Möglichkeit der Anordnung von Ordnungshaft), wie sich aus der Verweisung in § 64 b IV FGG ergibt. Die Anordnung von Zwangshaft, die anderen Voraussetzungen unterliegt als die Anordnung von Ordnungshaft und auch eine andere Funktion hat, kommt im vorliegenden Fall daher nicht in Betracht. Eine Umdeutung des im Tenor des angefochtenen Beschlusses verwendeten Begriffs scheidet schon deshalb aus, weil das Familiengericht ausweislich der Gründe nicht die für die Anordnung von Ordnungshaft erforderlichen Voraussetzungen des § 890 ZPO, sondern die des § 888 ZPO geprüft hat.

Das Familiengericht hat sodann den angefochtenen Beschluss erlassen, ohne dem Antragsgegner rechtliches Gehör zu dem tatsächlichen Vorbringen der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 8.11.2006, der Grundlage für den Erlass des Beschlusses vom 14.11.2006 war, zu gewähren. Die Gewährung rechtlichen Gehörs im Zwangsvollstreckungsverfahren gem. §§ 890, 891 ZPO ist unerlässlich. In § 891 S. 2 ZPO heißt es: "Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören." Dies kann durch mündliche Verhandlung oder Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung geschehen (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 891 Rn. 2). Weder das eine noch das andere ist hier geschehen. Die am 8.9.2006 vom Familiengericht durchgeführte Anhörung bezog sich auf einen früheren Antrag der Antragstellerin mit anderem Sachvortrag. Die Gewährung rechtlichen Gehörs wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Vollstreckungsschuldners in Rede steht, nämlich ein Eingriff in seine Freiheitsrechte.

Angesichts der geschilderten Verfahrensmängel erscheint es angezeigt, die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen (§ 572 III ZPO; vgl. auch Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 572 Rn. 23; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 572 Rn. 20). Für das weitere Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:

Der Vortrag der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 8.11.2006 zu Verstößen des Antragsgegners gegen die Verpflichtungen aus dem Beschluss vom 1.6.2006 erscheint nicht hinreichend substantiiert. Insbesondere fehlen jegliche Zeitangaben, soweit es die angegebenen Vorfälle im Bereich des Weserparks anbetrifft auch nähere Ortsangaben. Die Antragstellerin wird insoweit ihren Vortrag zu präzisieren haben. Von vornherein nicht stützen kann die Antragstellerin ihren Zwangsvollstreckungsantrag auf behauptetes Fehlverhalten des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts, denn insoweit sind in dem Beschluss vom 1.6.2006 keine Verpflichtungen des Antragsgegners geregelt.

Entgegen der Annahme der Antragstellerin (und des Familiengerichts im angefochtenen Beschluss) genügt bei streitigen Vorfällen nicht bloße Glaubhaftmachung, sondern es bedarf der Beweisführung seitens des Vollstreckungsgläubigers (vgl. Musielak/Lackmann, a.a.O., § 890 Rn. 10, § 891 Rn. 2; Zöller/Gummer, a.a.O., § 891 Rn. 1).

Im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung (vgl. dazu § 891 S. 3 ZPO; Musielak/Lackmann, a.a.O., § 891 Rn. 3) wird das Familiengericht auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Für den Fall einer erneuten Beschwerdeeinlegung wird darauf hingewiesen, dass auch im Falle einer - wie hier - auf § 793 ZPO gestützten sofortigen Beschwerde die §§ 567 II, III bis 572 ZPO maßgebend sind (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 793 Rn. 1). Das hat zur Folge, dass das Familiengericht gem. § 572 I ZPO ggf. eine Abhilfeentscheidung zu treffen hat. Eine solche Entscheidung hat das Familiengericht auf die jetzt beschiedene Beschwerde hin nicht getroffen. Das Beschwerdegericht hat von der Einholung einer Abhilfeentscheidung im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Sache abgesehen.

Der Antragsgegner mag - darauf sei abschließend hingewiesen - aus der getroffenen Entscheidung keine falschen Schlüsse ziehen. Der Beschluss des Familiengerichts vom 1.6.2006 ermöglicht die Anordnung von Ordnungshaft, sofern der Antragsgegner gegen die in dem Beschluss getroffenen Anordnungen verstößt und dies in einem ordnungsgemäßen Verfahren festgestellt wird. Er hat also allen Anlass, sich an die getroffenen Anordnungen zu halten.

Ende der Entscheidung

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