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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 4 WF 15/04
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 19
FGG § 20
ZPO § 90
ZPO § 157
In Familiensachen, in denen gemäß § 170 GVG in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln ist, können auch die übrigen Verfahrensbeteiligten, insbesondere der andere Elternteil und die Kinder, durch die Zulassung eines Beistandes gemäß §§ 90, 157 ZPO in ihren Rechten betroffen sein. Daraus kann sich ein eigenes Beschwerderecht ergeben.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 4 WF 15/04

In Sachen

betreffend die mdj. Kinder T. A. L. , geb. am 16.05.1991, und S. L. , geb. am 15.02.1993,

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen durch die Richter Wever, Schumann und Behrens aufgrund der Beratung vom 26.2.2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen-Blumenthal vom 11.12.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 3.000,00 festgesetzt.

Gründe:

Die Kindeseltern streiten um das Umgangsrecht des Vaters für seine beiden Kinder T. , geb. 16.5.1991, und S. , geb. 15.2.1993. Die Ehe der Kindeseltern ist geschieden. Beide Kinder leben im Haushalt der Mutter. Dieser ist die elterliche Sorge allein übertragen. Kontakte zwischen dem Vater und den Kindern bestanden zuletzt nicht mehr. Auf den Antrag des Kindesvaters auf Regelung des Umgangsrechts vom 21.7.2003 hat das Familiengericht nach Bestellung eines Verfahrenspflegers und Einholung einer Stellungnahme des beteiligten Jugendamtes Termin zur Anhörung der Eltern für den 11.12.2003 anberaumt. In diesem Termin erschien der Kindesvater in Begleitung eines Herrn V. S. als Beistand. Die Kindesmutter hat beantragt, Herrn S. nicht zuzulassen, da die Sitzung des Familiengerichts nicht öffentlich sei. Das Familiengericht hat den Antrag im Termin zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit der vorliegenden Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde der Kindesmutter ist zulässig (§§ 19, 20 FGG).

Zwischenverfügungen des Gerichts sind regelmäßig der Anfechtung entzogen. Die Zulassung eines Beistandes gemäß §§ 90, 157 ZPO - § 13 FGG findet nach der Verweisung in § 621 a Abs. 1 ZPO keine Anwendung - stellt eine solche Zwischenverfügung dar. Sie betrifft den Gang des Verfahrens, dabei insbesondere die Frage, wer an der nicht öffentlichen (§ 170 GVG) Sitzung des Familiengerichts teilnehmen darf. Die Beschwerde gegen solche die Endentscheidung nur vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts ist nur zuzulassen, wenn schon damit unmittelbar Rechte der Beteiligten verletzt sein können. Für den Verfahrensbeteiligten, dessen Beistand das Gericht gemäß § 157 ZPO von der Teilnahme ausgeschlossen hat, wird dies bejaht. Seine Beschwerde ist nach allgemeiner Meinung zulässig (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 157 Rn. 6 m.w.N.). Ob hingegen ein Beschwerderecht der übrigen Verfahrensbeteiligten gegeben ist, wenn der Beistand nicht ausgeschlossen wird, ist umstritten (verneinend: MK/Peters, ZPO, 2. Aufl., §157 Rn. 15; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 157 Rn. 18; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 157 Rn. 34; Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 9. Aufl., § 13 Rn. 14; BayObLG MDR 1967, 773; bejahend: KG FamRZ 2001, 1619; Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 13 Rn. 23). Der Senat schließt sich jedenfalls für den Fall, dass es um die Teilnahme eines Beistandes an einer nicht öffentlichen Sitzung in Familiensachen (§ 170 GVG) geht, der Ansicht an, wonach das Beschwerderecht eines anderen Verfahrensbeteiligten gegeben ist.

Die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Rechte der übrigen Beteiligten, insbesondere des anderen Elternteils, oder, wenn es um ein Sorge- oder Umgangsverfahren geht, der betroffenen Kinder, kann durch die Teilnahme eines Beistandes an einer nichtöffentlichen Sitzung nicht grundsätzlich verneint werden. Dagegen spricht nicht, dass eine Partei grundsätzlich kein Recht darauf hat, dass ein anderer Beteiligter (nicht) durch eine bestimmte Person vertreten wird. Sorge- und Umgangsrechtsverfahren sind gemäß § 170 GVG aus guten Gründen nicht öffentlich. Der Gesetzgeber hat zwar auch für solche Verfahren die Möglichkeit der Teilnahme eines Beistandes vorgesehen. Daraus folgt jedoch nicht ausnahmslos, dass die übrigen Beteiligten die Teilnahme eines Beistandes stets hinzunehmen haben. Der Beistand ist vielmehr gemäß § 157 ZPO auszuschließen, wenn er, ohne als Rechtsanwalt oder Rechtsbeistand zugelassen zu sein, fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig betreibt. Sein Ausschluss dient der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Ablaufs bei Gericht. Dieser wiederum liegt nicht nur im Interesse des Gerichts - und der Anwaltschaft -, sondern auch im Interesse der Parteien (vgl. Zöller/Greger, ZPO, a.a.O., § 157 Rn. 2). Insbesondere in isolierten Familiensachen, die in nicht öffentlicher Sitzung verhandelt werden, birgt die Zulassung eines Beistandes das Risiko, dass durch ihn persönliche und intime Daten der Eltern und/oder der Kinder nach außen dringen und einem interessierten Kreis zugänglich gemacht werden. Dieses Verbreitungsrisiko kann den ordnungsgemäßen Ablauf bei Gericht beeinträchtigen. Denn das Gericht ist von Amts wegen gehalten, den Sachverhalt aufzuklären (§ 12 FGG). Die Beteiligten müssen deshalb die Fragen des Gerichts vollständig beantworten. Müssen sie dabei befürchten, dass der Beistand die erörterten Umstände aus der Verhandlung herausträgt, kann dies Auswirkungen auf die gründliche Ermittlung des Sachverhalts haben. Darüber hinaus kann die Gefahr der Verbreitung auch das Recht der übrigen Verfahrensbeteiligten darauf, dass sie betreffende persönliche Daten und Vorgänge aus der Verhandlung nicht verbreitet werden, beeinträchtigen. Die Kindesmutter weist zu Recht daraufhin, dass insoweit ein wirksamer Schutz der Interessen des anderen Elternteils und der Kinder nicht gewährleistet werden kann. Denn die Verpflichtung des Beistandes zur Verschwiegenheit gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547) begegnet Schwierigkeiten und auch seine strafrechtliche Verantwortung bei der Offenbarung sensibler Daten gemäß §§ 203, 353 d Abs. 2 StGB wirft Probleme auf. Deshalb kann schon die Zulassung eines Beistandes zu einer nicht öffentlichen Sitzung eine Beeinträchtigung der Rechtssphäre der übrigen Verfahrensbeteiligten darstellen, die wirksamen staatlichen Schutz genießen muss.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Wie das Familiengericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 21.1.2004 im einzelnen ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen des § 157 ZPO für einen Ausschluss des Beistands des Vaters nicht vor. Dass allein aus der Teilnahme des Herrn S. am Anhörungstermin in diesem Verfahren der Schluss auf geschäftsmäßiges Handeln i.S.d. § 157 ZPO zu ziehen ist, ist weder von der Kindesmutter behauptet, noch sonst ersichtlich. Der Senat hat auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Herr S. - etwa als Mitglied des Vereins Väteraufbruch e.V. - aktiv an der Verbreitung persönlicher Daten aus anderen Verfahren im Internet oder in sonstigen Publikationen mitgewirkt hat und sich deshalb der Verdacht aufdrängt, die Nichtöffentlichkeit auch dieses Verfahrens könne durch seine Teilnahme unterlaufen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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