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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: 4 WF 98/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO § 344
Leitsatz:

§ 344 ZPO ist auch bei der nach Erlaß eines echten Versäumnisurteils erfolgten Klagrücknahme anzuwenden, so daß auch in diesem Fall die Kosten der Säumnis dem Beklagten zur Last fallen.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen

Geschäftszeichen: 4 WF 98/00 = 65 F 1627/00

BESCHLUSS

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen unter Mitwirkung der Richter aufgrund der Beratung vom 18.10.2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 30.8.2000 dahingehend abgeändert, daß die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Beklagten im Termin vom 24.2.00 trägt, die diesem zur Last fallen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin (§§ 269 Abs. 3 S. 4, 577 ff. ZPO) ist begründet, denn die Kosten der Säumnis des Beklagten sind nicht der Klägerin aufzuerlegen, sondern fallen diesem selbst zur Last (§ 344 ZPO).

Die Frage, ob bei einer Klagerücknahme nach vorangegangenem Versäumnisurteil gegen den Beklagten der Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits trägt (§ 269 Abs. 3. ZPO) oder ob statt dessen die Regelung des § 344 ZPO anzuwenden ist, wonach die Kosten der Säumnis stets die säumige Partei trägt, ist umstritten. Die bisher leicht überwiegende Auffassung hat sich für einen Vorrang des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ausgesprochen (vgl. Thomas - Putzo, ZPO, 22. Aufl. § 269 Rn. 13, Stein - Jonas - Schumann, ZPO, § 269 Rn. 13, Prütting in MK - ZPO, § 344 Rn. 13, Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl. § 269 Rn. 18, Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 130 1112, OLG Schleswig NJW - RR 98, 1151, OLG Rostock NJW - RR 96, 832, OLG Hamm MDR 77, 233, OLG Bremen, 2. Senat, MDR 76, 319). Begründet wird diese Ansicht im wesentlichen damit, § 269 Abs. 3 S.2 ZPO sei lex specialis gegenüber § 344 ZPO. Der Kläger habe, wie sich in der Klagrücknahme letztlich zeige, dem Beklagten einen nutzlosen Prozeß aufgezwungen, so daß es auch gerechtfertigt erscheine, den Kläger mit den gesamten Kosten zu belasten (vgl. im einzelnen die Zusammenstellung bei OLG Hamm, MDR 77, 233).

Die Gegenansicht (vgl. Musielak, ZPO, § 269 Rn. 12, Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 269 Rn. 34, Lüke in MK - ZPO, § 269 Rn. 42, Zöller/Herget, ZPO, 20. Aufl., § 344 Rn. 2 und § 91 Rn. 13, Schneider MDR 77, 234, OLG Düsseldorf NJW 75, 1569, OLG Köln MDR 93, 1023, OLG Karlsruhe MDR 96, 319) stellt hingegen darauf ab, daß die Klagerücknahme zwar zur Folge habe, der Rechtsstreit sei als nicht anhängig gewesen anzusehen, daß davon aber die Tatsache, daß ein Prozeß geführt und der Beklagte darin säumig gewesen sei, nicht berührt werden könne. Der Rechtsstreit bleibe auch - trotz Klagrücknahme - beispielsweise wegen der Kosten anhängig, wenn, wie hier, Beschwerde eingelegt worden sei. Das Kostenrecht werde u.a. von den Wertungen geprägt: " wer säumig ist, soll zahlen" und "wer zurücknimmt, soll zahlen". Beide Grundsätze könnten bei der Klagrücknahme nach Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ohne weiteres nebeneinander angewendet werden, ohne daß es zu Wertungswidersprüchen komme (vgl. Schneider a.a.O.).

Da aufgrund der bis 1994 geltenden Nr. 1010 des Kostenverzeichnisses bei Klagrücknahme nach durchgeführter mündlicher Verhandlung lediglich eine Gerichtsgebühr anfiel und für das echte Versäumnisurteil keine zusätzliche Gebühr entstand, war die Klagrücknahme auch dann der kostengünstigere Weg der Erledigung gegenüber dem streitigen Endurteil, wenn dem Kläger gemäß § 269 Abs.3 S.2 ZPO sämtliche Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden, da er jedenfalls zwei Gerichtsgebühren sparte. Mit dem Inkrafttreten des Kostenänderungsgesetzes vom 24.6.1994 (BGBl. I S. 1325, 2591) gibt es keine Privilegierung der Klagerücknahme gegenüber der streitigen Entscheidung nach Erlaß eines Versäumnisurteils mehr. Wenn bereits ein Versäumnisurteil ergangen ist, entstehen stets drei Gerichtsgebühren (vgl. GKG KV Nr. 1202 a.E.: wenn noch kein Urteil vorausgegangen ist), also unabhängig davon, ob die Klage zurückgenommen wird oder ob es zum streitigen Urteil kommt. Folgt man weiterhin der Ansicht der Nichtanwendung des § 344 ZPO auf den Fall der Klagrücknahme, so kann das Verfahren für den Kläger - nach Lage des Einzelfalles auch erheblich (vgl. die Beispiele bei Habel, NJW 1997, 2360) - kostengünstiger sein, wenn er es zu einer streitigen Entscheidung kommen läßt. Im Rahmen der Kostenentscheidung im Urteil (§ 91 ZPO) findet jedenfalls § 344 ZPO Anwendung, so daß ihm die Kosten der Säumnis (Gebühren des Anwalts gemäß § 38 Abs.2 BRAGO, mögliche Auslagen für Zeugen und Parteien usw.) dann nicht zur Last fallen.

Abgesehen davon, daß die für den Vorrang der Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO gegenüber der Regelung des § 344 ZPO angeführten Argumente letztlich nicht überzeugender erscheinen als die durchgehende Anwendung des Veranlasserprinzips - der jeweilige Verursacher hat "seine" Kosten zu tragen -, stellt das durch das Kostenänderungsgesetz bedingte praktische Ergebnis ein zusätzliches und nach Ansicht des Senats letztlich überzeugendes Argument für die bisherige Mindermeinung dar (vgl. im einzelnen Habel a.a.O., jetzt auch Zöller/Greger, 21. Aufl., § 269 Rn. 18a.). Die Ansicht, die Belastung des Klägers mit den gesamten Kosten sei gerechtfertigt, weil dieser den Beklagten, wie die Rücknahme zeige, mit einem letztlich nutzlosen Prozeß überzogen habe, läßt sich nicht länger halten, wenn sie zur Folge hat, daß der Kläger trotz der Klagrücknahme höhere Kosten zu tragen hat als bei Klagabweisung durch streitiges Urteil, die ebenso dokumentiert, daß er einen nutzlosen Prozeß geführt hat. Für die Anwendung des § 344 ZPO kann es deshalb keinen Unterschied machen, ob sich die Kostenentscheidung aus § 91 oder aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ergibt. Die Kosten seiner Säumnis fallen damit dem Beklagten selbst zur Last.

Die Entscheidung über die Kosten der Beschwerde folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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