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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 1 Ws 203/08
Rechtsgebiete: StrVollstrO, EGGVG, StVollzG


Vorschriften:

StrVollstrO § 24
EGGVG §§ 23 ff
StVollzG § 109
Für Streitigkeiten über die Einweisung einer verurteilten Person nach § 24 StrVollstrO ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG eröffnet. Auch wenn sich die verurteilte Person bislang in Untersuchungshaft befunden hat und durch Eintritt der Rechtskraft des Urteils mit dem Strafvollzug begonnen wird, handelt es sich bei der Verlegung in die für seinen Wohnsitz zuständige Vollzugsanstalt nicht um eine Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

1 Ws 203/08 (StrVollz)

In der Strafvollzugssache

wegen Verlegung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 27. Mai 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts O. vom 6. März 2008 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 18. Februar 2008 als unzulässig zurückgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen (§ 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 21 GKG).

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 500 EUR festgesetzt (§§ 1 Nr. 1j, 63 Abs. 3, 65 GKG).

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde durch das Landgericht V. am 25. September 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Urteil wurde am 27. Dezember 2007 rechtskräftig. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Antragsteller aufgrund Haftbefehls des Landgerichts V. in gleicher Sache in Untersuchungshaft in der JVA O.. Unter dem 7. Januar 2008 beantragte der Antragsteller seine Verlegung in die JVA B.O. und verwies dabei darauf, dass sich sein Wohnort in B. befände. Die JVA O. lehnte dies unter dem 30. Januar 2008 ab, weil der Antragsteller, der als Asylbewerber einer Aufnahmeeinrichtung in T. zugewiesen sei, sich illegal in B. aufgehalten habe und seine Verstöße gegen das AsylVerfG nicht durch eine Verlegung nach B. im Nachhinein quasi legitimiert werden dürften.

Unter dem 18. Februar 2008 beantragte der Antragsteller hiergegen die gerichtliche Entscheidung nach § 109 StvollzG. Diesen Antrag wies die Kammer mit dem angefochtenen Beschluss am 6. März 2008 als unbegründet zurück. Bereits am 26. Februar 2008 ist der Antragsteller entsprechend dem niedersächsischen Vollstreckungsplan in die JVA M. verlegt worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel, in die JVA B.O. verlegt zu werden, weiter.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig erhoben.

a) Insbesondere ist es geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Der Senat hat zu verfahrensrechtlichen Aspekten bei der Einweisung eines Verurteilten in die nach § 24 StrVollstrO zuständige Vollzugsanstalt noch keine Stellung bezogen.

b) Die Rechtsbeschwerde hat sich auch nicht durch Verlegung des Antragstellers in die JVA M. prozessual erledigt. Wird ein Strafgefangener während des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt, tritt keine Erledigung der Hauptsache ein, wenn die angegriffene Maßnahme dort fortwirkt (vgl. BGHSt 36, 33. OLG Celle ZfStrVo 2002, 245). Die Verlegung hat lediglich zur Folge, dass nunmehr die Justizvollzugsanstalt M. Antragsgegnerin geworden ist. Von dort könnte weiterhin die Verlegung des Antragstellers in die nach seiner Ansicht zuständige Vollzugsanstalt auf der Grundlage des § 24 StrVollstrO erfolgen.

2. Die Rechtsbeschwerde führt indes nicht zu dem vom Antragsteller begehrten Ziel einer Verlegung in die JVA B.O.. Der Senat sieht sich an einer sachlichen Überprüfung der Entscheidung gehindert, weil bereits die funktionelle Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für eine solche Entscheidung nicht gegeben war. Der Antragsteller stützt seinen Anspruch auf Verlegung in die JVA B.O. auf § 24 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StrVollstrO, weil er in die für seinen Wohnort örtlich zuständige Vollzugsanstalt eingewiesen werden möchte. Hierzu hätte die zuständige Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft V.) gemäß §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Satz 1 StrVollstrO seine Überführung und Einweisung in die zuständige Vollzugsanstalt zu veranlassen. Die Einweisung in eine Anstalt des Landes B. wäre dabei nach § 9 StrVollstrO bzw. aufgrund der zwischen N. und B. geschlossenen länderübergreifenden Vereinbarung zu veranlassen gewesen. Insgesamt handelt es sich hierbei um Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafvollstreckung und nicht des Strafvollzugs. Damit ist für ein Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG kein Raum (vgl. OLG Karlsruhe StV 1999, 219. OLG Stuttgart NStZ 1997, 103. Degenhard, StV 2002, 663 (664). Feest/Joester, StrVollzG § 8, Rn. 3). Soweit in Rechtsprechung und Literatur - teilweise ohne Ausführungen hierzu - zumindest bei Strafgefangenen, die sich bereits in Haft befinden, das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG für einschlägig gehalten wird (etwa OLG München, StV 2002, 662. OLG Hamburg, NStZ 1986, 97. Volckart, Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Strafvollzug, Rn. 307), schließt sich der Senat dem nicht an. Hiergegen spricht nicht nur der Wortlaut des § 109 StVollzG, der nur Maßnahmen auf dem Gebiet des Strafvollzugs als tauglichen Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer vorsieht, sondern auch der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft als anordnende Behörde wegen § 111 StVollzG gar nicht Beteiligte dieses Verfahrens werden kann (vgl. auch Beschluss des 1. Senats vom 11. April 2008, 1 Ws 34/08 (StrVollz)). Dem Argument, die Verlegung müsse als Vollzugsmaßnahme behandelt werden müssen, weil der Strafvollzug, wenn auch in einer unzuständigen Anstalt, bereits begonnen habe (Volckart a.a.O.) ist entgegen zu halten, dass der Beginn des Strafvollzuges Maßnahmen der Strafvollstreckung nicht ausschließt, wie sich etwa aus §§ 455 Abs. 4, 455a StPO ergibt. Die Einordnung der begehrten Maßnahme als vollstreckungs- oder vollzugsrechtlich hat sich daher an dem konkreten Begehren des Antragstellers zu richten, der vorliegend keine Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan (§§ 10, 11 NJVollzG), sondern eine Verlegung nach Maßgabe des § 24 StrVollstrO i.V.m. dem maßgeblichen Vollstreckungsplan des Landes B. erstrebt.

Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach Kenntnis des Senats in Niedersachsen in den Fällen, in denen eine Freiheitsstrafe gegen einen bislang in Untersuchungshaft sitzenden Gefangenen zu vollziehen ist, die Vollstreckungsbehörde ihr Vollzugsaufnahmeersuchen an die Anstalt, in der sich der Gefangene befindet, übersendet und die dortige Vollzugsleitung sodann in eigener Verantwortlichkeit die zuständige Vollzugsbehörde ermittelt und die Überführung des Gefangenen an diese veranlasst. Eine solche Verfahrensweise steht nämlich nicht im Einklang mit den Vorgaben der StrVollstrO. Soweit sie aus praktikablen Erwägungen heraus außerhalb dieser Vorschriften angewendet wird, führt dies schon wegen des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 GG nicht zu einer Erweiterung bzw. Verschiebung der vom Gesetzgeber abschließend vorgesehenen Rechtsbehelfsmöglichkeiten. Ein anderes Verständnis hätte zur Folge, dass sich auf freiem Fuß befindende Verurteilte gegen die Einweisungsentscheidung der Vollstreckungsbehörde auf andere Weise zur Wehr setzen müssten als bereits sich im Vollzug befindende Strafgefangene, obwohl für beide unterschiedslos nach § 24 StrVollstrO der Wohnsitz für die Vollzugszuständigkeit (mit)maßgeblich ist und die Vorschrift nach allgemeiner Ansicht auch subjektivöffentliche Rechte des Verurteilten begründet (vgl. Pohlmann/Jabel/Wolf, § 24 StrVollstrO, Rn. 1).

Nach Auffassung des Senats wäre dem Antragsteller somit nur die Möglichkeit eröffnet gewesen, gegen die Ablehnung einer Verlegung auf Grundlage des § 24 StrVollstrO Beschwerde bei der Vollstreckungsbehörde nach § 21 StrVollstrO und gegebenenfalls Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG zu stellen. Da der Antragsteller den Antrag auf gerichtliche Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer indes aufgrund des entsprechenden Hinweises der Antragsgegnerin gestellt hat, sieht der Senat von der Erhebung entsprechender Kosten nach § 21 GKG ab.

Ende der Entscheidung

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