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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 33/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172
Bei Untreuedelikten zum Nachteil einer GmbH ist nur diese und nicht der einzelne Gesellschafter zur Antragsstellung im Klageerzwingungsverfahren befugt.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

1 Ws 33/07

In dem Ermittlungsverfahren

wegen Untreue u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Celle vom 14. Dezember 2006 nach dessen Anhörung durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 15. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe:

I.

Der Antragsteller hielt bis zu seinem Ausschluss aus der Gesellschaft am 2. August 2002 24,9 % der Geschäftsanteile der Fa. G####### GmbH in H#######. Seine Geschäftsführertätigkeit für die GmbH hatte er bereits kurz zuvor beendet. Mehrheitsgesellschafterin war die G####### AG mit Sitz in M#######, auf die die G####### GmbH am 25. August 2002 verschmolzen worden ist. Die Beschuldigten zu 1) und 2) bilden den Vorstand der G####### AG, die Beschuldigten zu 3) und 4) erstellten als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer für beide Gesellschaften die erforderlichen Abschlüsse.

Der Antragsteller wirft dem Beschuldigten zu 1) vor, in sechs näher bezeichneten Fällen Untreuehandlungen zu Lasten der G####### GmbH begangen zu haben. Dadurch sei auch der Wert der Anteile des Antragstellers an der G####### GmbH rechtswidrig vermindert worden.

Der Antragsteller wirft darüber hinaus den Beschuldigten vor, im Rahmen eines Zivilrechtsstreits über die Zahlung einer angemessenen Einziehungsvergütung über die Nichtexistenz eines bestehenden Jahresabschlusses der G####### GmbH zum 31. Dezember 2001 getäuscht zu haben. In der Annahme, der Abschluss existiere nicht, habe der Antragsteller zunächst auf die Zahlung einer angemessenen Einziehungsvergütung verzichtet und dementsprechend einen Vermögensschaden erlitten.

II.

Der Antrag ist unzulässig.

1.

Hinsichtlich der dem Beschuldigten zu 1) durch den Antragsteller vorgeworfenen Taten zum Nachteil der G####### GmbH ist der Antrag zwar nach § 172 Abs. 2 und 3 StPO form- und fristgerecht erhoben, weil sich entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft aus dem Antrag ohne Mühe eine geschlossene und verständliche Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der Beweismittel entnehmen lässt. Der Antragsteller ist jedoch nicht Verletzter (§ 172 Abs. 1 Satz 1 StPO) des dem Beschuldigten zu 1) zur Last gelegten Vergehens der Untreue.

Der Begriff des Verletzten ist nach allgemeiner Auffassung (vgl. KK-Schmid, § 172 StPO, Rn. 19; Meyer-Goßner, § 172 StPO, Rn. 10; LR-Graalmann-Scheerer, § 172 StPO, Rn. 50, alle m.w.N.) weit auszulegen, weil der Schutz des Legalitätsprinzips umfassend sein soll. Gleichwohl besteht auch weitgehende Einigkeit darüber, dass eine nur irgendwie geartete Betroffenheit nicht ausreichen kann, um eine vom Gesetz nicht gewollte Popularklage zu verhindern. Trotz einer durch die Rechtsprechung insoweit entwickelten, breiten Kasuistik ist nach wie vor wenig geklärt, ob bei Schädigung juristischer Personen des Wirtschaftslebens auch die einzelnen Gesellschafter oder Aktionäre als solche verletzt sind (vgl. LR-Graalmann-Scheerer, § 172 StPO, Rn. 88).

Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung an, wonach bei Untreuehandlungen zu Lasten einer GmbH nur diese als unmittelbar Betroffene einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO zu stellen befugt ist (so auch OLG Stuttgart, Wistra 2001, 198; KMR-Plöd, § 172 StPO, Rn. 31; KK-Schmid, § 172 Rn. 30a; Meyer-Goßner, § 172 StPO Rn. 12; vgl. auch zu der ähnlich gelagerten Konstellation bei Aktiengesellschaften OLG Braunschweig, Wistra 1993, 31). Entscheidend hierfür spricht nämlich, dass die juristische Person eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und eine Schädigung durch ein Vermögensdelikt unmittelbar nur diese betrifft. Auch wenn die in der GmbH verkörperten Teilhabe- und Eigentumsrechte letztlich den beteiligten Gesellschaftern zugute kommen, sind diese von vermögensschädigenden Handlungen gerade wegen der eigenständigen Rechtspersönlichkeit der GmbH nur mittelbar betroffen.

Die in Teilen der Literatur geäußerte Gegenmeinung (vgl. etwa Zielinski, Wistra 1993, 6; für Aktiengesellschaften auch Frisch, JZ 1974, 7 (11)) vermag nicht zu überzeugen. Insbesondere bei Gesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern bestünde ansonsten die Möglichkeit einer Popularklage. Es erschiene zudem systemwidrig, im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens dem einzelnen Gesellschafter quasi im Durchgriff die Verletzteneigenschaft zuzugestehen, wenn er gleichzeitig zivilrechtlich nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich keine Möglichkeit hat, Ansprüche gegen den Schädiger im eigenen Namen durchzusetzen. So ist der einzelne Gesellschafter regelmäßig darauf angewiesen, dass die Gesellschaft die ihr zustehenden Ansprüche selbst einfordert (vgl. etwa § 43 Abs. 2 GmbHG). Schließlich bestünde auch die Gefahr, dass einzelne Gesellschafter möglicherweise auch den Willen der für die GmbH handelnden Organe, aus durchaus vorstellbaren sachlichen Gründen auf eine Erzwingung der Klageerhebung zu verzichten, konterkarieren könnten, wenn sie als Verletzte anzusehen wären. Insoweit muss es aber der GmbH bzw. den für diese handelnden Organen als Verantwortliche überlassen bleiben, zu bestimmen, ob eine weitere Strafverfolgung erfolgen soll oder nicht.

Vorliegend hätte nur die G####### GmbH eine Strafverfolgung wegen Untreue zu ihren Lasten in zulässiger Form anstrengen können. Nach ihrer Verschmelzung auf die G####### AG und dem damit verbundenen Wegfall ihrer Rechtspersönlichkeit ist diese Möglichkeit jedoch entfallen. Mag dieses Ergebnis vorliegend insbesondere deswegen unbefriedigend sein, weil die Verschmelzung gerade auf Betreiben des Beschuldigten zu 1) erfolgt ist, ist es gleichwohl als Konsequenz des gesetzgeberischen Willens hinzunehmen.

2.

Verletzter ist der Antragsteller nur hinsichtlich des den Beschuldigten zur Last gelegten Vergehens des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB. Insoweit genügt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung jedoch nicht den Formvorgaben des § 172 Abs. 3 StPO, weil er keine in sich geschlossene und verständliche Darstellung beinhaltet. Dadurch, dass der Antragsteller ausführt, nur "zunächst" auf eine angemessene Einziehungsvergütung verzichtet zu haben, wird die Möglichkeit, den Anspruch jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt doch noch realisieren zu können, impliziert. Insoweit fehlt es an näheren Ausführungen, warum die zunächst aufgeschobene Durchsetzung des Anspruchs überhaupt zu einem kausalen Schaden des Antragstellers geführt haben soll. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Anspruch mittlerweile verjährt oder rechtskräftig verneint worden wäre. Hierzu verhält sich der Antrag des Anzeigeerstatters indes nicht.

Ende der Entscheidung

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