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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: 10 UF 83/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1587 Abs. 3 | |
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 |
10 UF 83/07
Beschluss
In der Familiensache
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wick, den Richter am Oberlandesgericht Borchers und die Richterin am Oberlandesgericht Stodolkowitz am 6. Juni 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Zusatzversorgungskasse der Stadt H. gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 23. März 2007 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass zu Lasten der für den Ehemann bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt H. bestehenden Versorgungsanwartschaften für die Ehefrau auf deren Versicherungskonto Nr. ... bei der Deutschen Rentenversicherung B. auf den 29. Februar 2004 bezogene Rentenanwartschaften von monatlich 126,50 EUR begründet werden.
Beschwerdewert: 1.000 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien - beide italienische Staatsangehörige - haben am 22. Juni 1965 miteinander die Ehe geschlossen. Auf den am 3. März 2004 zugestellten Antrag des Ehemannes wurde die Ehe durch das angefochtene Urteil geschieden. Auf Antrag der Ehefrau hat das Amtsgericht einen Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat aufgrund der eingeholten Auskünfte der Versorgungsträger festgestellt, dass beide Ehegatten jeweils seit Vollendung ihres 65. Lebensjahres Regelaltersrenten beziehen, und zwar der Ehemann seit dem 1. Juni 2004 eine gesetzliche Rente und eine Rente aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die Ehefrau seit dem 1. März 2004 eine gesetzliche Rente. Auf der Grundlage der von den Versorgungsträgern mitgeteilten Ehezeitanteile hat das Amtsgericht zum einen die von beiden Ehegatten erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften ausgeglichen, indem es in Höhe der hälftigen Wertdifferenz Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen hat. Zum anderen hat das Amtsgericht die von der Beteiligten zu 1 mit einem ehezeitlichen Wert von nominal monatlich 252,92 EUR mitgeteilten Anwartschaften des Ehemannes in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausgeglichen, indem es in Höhe der Hälfte dieses Betrages, also monatlich 126,46 EUR, für die Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften zu Lasten der Anrechte des Ehemannes begründet hat.
Die Beteiligte zu 1 wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Bewertung der Zusatzversorgungsanwartschaften des Ehemannes. Sie ist der Auffassung, diese Anrechte müssten in volldynamische Anrechte umgewertet werden, da sich der Ehemann bei Ehezeitende noch in der Anwartschaftsphase befunden habe. Außerdem ergebe sich nunmehr ein Ehezeitanteil dieser Anrechte von monatlich 253,00 EUR, weil die Versorgungspunkte für das Jahr 2004 jetzt aus dem endgültigen zusatzpflichtigen Entgelt errechnet werden könnten.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, die sich auf den (hier ohne Verrechnung mit Anrechten der Ehefrau erfolgten) Ausgleich der Zusatzversorgungsanrechte des Ehemannes beschränkt, ist im Wesentlichen unbegründet.
1. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Versorgungsausgleichsstatut grundsätzlich nach italienischem Recht als dem für die Scheidung maßgebenden Statut richtet und dass dieses Recht keinen Versorgungsausgleich kennt, dass aber gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB gleichwohl ein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht durchzuführen ist, weil die (anwaltlich vertretene) Ehefrau dies beantragt und der Ehemann in der Ehezeit (1. Juni 1965 bis 29. Februar 2004) inländische Versorgungsanwartschaften erworben hat. Gründe, aus denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Billigkeit widersprechen könnte, sind weder vom Ehemann vorgebracht worden noch sonst ersichtlich.
2. Der Ehemann hat in der Ehezeit (auch) Anwartschaften auf Versorgungsleistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben, die zugunsten der Ehefrau auszugleichen sind.
a) Den Ehezeitanteil dieser Anrechte hat die Beteiligte zu 1 mit der Beschwerdeschrift neu berechnet und nunmehr einen Betrag von monatlich 253,00 EUR ermittelt.
Dagegen bestehen keine Bedenken. Bei dieser Berechnung ist zutreffend berücksichtigt worden, dass die Ehezeitanteile der sog. Startgutschrift (d. h. des mit der Umstellung des Versorgungssystems zum 1. Januar 2002 erfolgten Berechnung des Besitzstandes) und der seit diesem Zeitpunkt nach neuem Recht erworbenen Anwartschaft getrennt zu berechnen sind (vgl. BGH Beschluss vom 25. April 2007 - XII ZB 206/06 ). Ferner sind dieser Berechnung für Januar und Februar 2004 die aus dem nunmehr bekannten endgültigen zusatzversorgungspflichtigen Entgelt ermittelten Versorgungspunkte zugrunde gelegt worden. Zwar hat der BGH für Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden, dass im Erstverfahren über den Versorgungsausgleich auch dann das vorläufige Durchschnittsentgelt (i.S. des § 69 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI) zugrunde zu legen ist, wenn das endgültige Durchschnittsentgelt bereits bekannt ist (BGH FamRZ 1991, 173). Diese Rechtsprechung ist aber auf die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht übertragbar. Während § 70 Abs. 1 S. 2 SGB VI vorschreibt, dass bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte für die gesetzliche Rente für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde zu legen ist, der für diese Jahre vorläufig bestimmt ist, fehlt eine vergleichbare Regelung in den Satzungen der Zusatzversorgungsträger. Nach § 33 der Satzung der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt H. (www.ZVK-Hannover.de) errechnet sich die monatliche Betriebsrente aus der Summe der bis zum Beginn der Betriebsrente erworbenen Versorgungspunkte, multipliziert mit dem Messbetrag von 4 EUR. Die Versorgungspunkte werden jeweils zum Ende des Kalenderjahres bzw. zum Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt und dem Versorgungskonto gutgeschrieben; ihre Anzahl ergibt sich für ein Kalenderjahr aus dem Verhältnis eines Zwölftels des zusatzversorgungspflichtigen Jahresentgelts zum Referenzentgelt von 1.000 EUR, multipliziert mit einem (für jedes Lebensalter fixen) Altersfaktor (§ 34 Abs. 1 und 2 ZVK-Satzung). Diese Berechnung kann nach Eintritt eines Versorgungsfalles auf der Grundlage des bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und damit bis zum Rentenbeginn erzielten zusatzversorgungspflichtigen Entgelts endgültig vorgenommen werden. Jedenfalls wenn - wie hier - bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Versorgungsfall eingetreten war und damit feststeht, welches zusatzversorgungspflichtige Entgelt tatsächlich für das Kalenderjahr maßgebend ist, in das das Ehezeitende fällt, besteht kein Grund, den Ehezeitanteil der Zusatzversorgungsanwartschaft auf der Grundlage von Versorgungspunkten zu berechnen, die für das letzte Kalenderjahr der Ehezeit auf einem fiktiven zusatzversorgungspflichtigen Entgelt beruhen.
b) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Anwartschaft des Ehemannes ohne Umwertung, also mit dem mitgeteilten Nominalwert, in die Ausgleichsbilanz eingestellt hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2004, 1474) sind Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, wie sie der Ehemann bei der ZVK erworben hat, seit der Strukturreform 2002 im Anwartschaftsstadium als statisch und im Leistungsstadium als volldynamisch anzusehen. Solche Anrechte sind daher gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V. mit der BarwertVO in volldynamische Anrechte umzuwerten. Mit ihrem Nominalbetrag sind die Anrechte grundsätzlich nur dann in die Ausgleichsbilanz einzustellen, wenn die Rente schon zum Ende der Ehezeit bezogen wurde (BGH FamRZ 2007, 23, 27; Beschluss vom 17. Januar 2007 - XII ZB 168/01 ; Beschluss vom 25. April 2007 - XII ZB 206/06 ). Ein im Anwartschaftsstadium statisches Anrecht, aus dem erst nach Ehezeitende ein Rentenanspruch erwächst, muss dagegen regelmäßig umgewertet werden, damit der fehlenden Dynamik in der nachehezeitlichen Anwartschaftsphase Rechnung getragen wird (vgl. Senat FamRZ 2006, 1041, 1042; KG FamRZ 2006, 710). Der vorliegende Fall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine Umwertung als nicht sachgerecht erscheinen lassen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt weiter an der Auffassung festgehalten werden kann, dass die Anrechte der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Anwartschaftsstadium statisch sind. Nach § 1587 a Abs. 3 BGB ist eine Umwertung nur dann erforderlich, wenn die Wertentwicklung eines Anrechts mit derjenigen einer der Maßstabsversorgungen nicht "nahezu" vergleichbar ist. Soweit der BGH (FamRZ 2004, 1474, 1475) die fehlende Dynamik der Zusatzversorgungsanwartschaften damit begründet hat, dass es sich bei den die Höhe der Zusatzversorgungsrente bestimmenden Berechnungsgrößen des Referenzentgelts von 1.000 EUR und des Messbetrags von 4 EUR um statische Beträge handelt, dass der Altersfaktor lediglich den Verzinsungseffekten im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens Rechnung trägt und sog. Bonuspunkte aus Zinsüberschüssen bisher nichtzugeteilt worden sind, könnte dem nunmehr entgegengehalten werden, dass zum einen gesetzliche Rentenanwartschaften seit 2003 ebenfalls keine Steigerungen mehr erfahren haben und dass zum anderen jedenfalls für Anrechte bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nunmehr erstmals Bonuspunkte zugeteilt werden (vgl. VBL-info 2/2006, www.vbl.de).
Eine Umwertung ist nach Auffassung des Senats hier jedenfalls aufgrund der nachehezeitlichen Entwicklung, die in entsprechender Anwendung des § 10 a VAHRG bereits im Erstverfahren zu berücksichtigen ist, nicht geboten. Für die nach Ehezeitende verbliebene Anwartschaftsphase - d.h. für den (kurzen) Zeitraum vom Ende der Ehezeit bis zum Beginn der Rente des Ehemannes, also die Zeit vom 1. März bis 1. Juni 2004 - lässt sich kein Unterschied in der Wertentwicklung zwischen dem Anrecht des Ehemannes bei der ZVK und den nach § 1587 a Abs. 3 BGB zum Vergleich heranzuziehenden Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellen. Letztere haben seit Juli 2003 keine Steigerung mehr erfahren, weil der aktuelle Rentenwert unverändert geblieben ist. Auch für die überschaubare Zukunft sind im Übrigen keine nennenswerten Wertsteigerungen gesetzlicher Rentenanwartschaften zu erwarten. Da die Wertentwicklung des hier zu beurteilenden Anrechts in der Zusatzversorgung mit derjenigen in der gesetzlichen Rentenversicherung in der zu beurteilenden Anwartschaftsphase nahezu vergleichbar ist, ist gemäß § 1587 a Abs. 3 BGB keine Umwertung vorzunehmen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die in dieser Vorschrift ebenfalls als Maßstabsversorgung genannten Anrechte in der Beamtenversorgung im Jahre 2004 zweimal (zum 1. April und zum 1. August) jeweils um 1 % erhöht worden sind. Denn für die Feststellung einer vergleichbaren Wertentwicklung reicht es aus, dass die Anpassung des zu vergleichenden Anrechts mit einer der beiden in § 1587 a Abs. 3 BGB genannten Maßstabsversorgungen (nahezu) Schritt gehalten hat (vgl. BGH FamRZ 1983, 40, 42; 1992, 1051; Staudinger/Rehme BGB § 1587 a Rn. 426; Palandt/Brudermüller BGB § 1587 a Rn. 104).
3. Der Ehefrau steht daher im Rahmen des nach § 1587 a Abs. 1 BGB zu ermittelnden Gesamtausgleichanspruchs die Hälfte des Nominalwerts der auf die Ehezeit entfallenden Zusatzversorgungsrente des Ehemannes zu, also monatlich (253,00 EUR : 2 =) 126,50 EUR. Das Amtsgericht hat den Ausgleich insoweit zutreffend durch analoges Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG durchgeführt.
4. Die Beschwerde ist danach mit der Maßgabe einer (geringfügigen) Änderung der zu Lasten der Zusatzversorgungsanrechte des Ehemannes für die Ehefrau zu begründenden Rentenanwartschaften zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und 3 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 49 Nr. 2 GKG und die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf § 621 e Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. mit § 543 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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