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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 11 U 24/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 459
BGB § 462
Fehlen des Merkmals "schadstoffarm" als Fehler beim Neuwagenkauf. Einzelne Probleme der Rückabwicklung
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 24/01 5 O 229/00 Landgericht #######

Verkündet am 29. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Amtsgericht #######und die Richterin am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts #######vom 19. Dezember 2000 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.999,04 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. April 2000 Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw Volvo V 40, Fahrzeugnummer #######zu zahlen. Die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Pkw im Annahmeverzug befindet.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 12 % und hat die Beklagte zu 88 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer keiner der Parteien erreicht 60.000 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg.

I.

Der Kläger ist berechtigt, die Wandelung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages vom 12. April 2000 zu begehren. Gemäß § 462 BGB kann der Käufer die Wandlung wegen solcher Mängel verlangen, die der Verkäufer nach den Vorschriften der §§ 459, 460 BGB zu vertreten hat. Der von der Beklagten an den Kläger verkaufte Pkw Volvo V 40 ist nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien mangelhaft. Ein Mangel liegt vor, wenn der Kaufgegenstand einen Fehler hat, der den Wert oder die Tauglichkeit zum gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert. Insbesondere liegt ein Fehler vor, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache von dem Zustand abweicht, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam vorausgesetzt haben und diese Abweichung den Wert der Kaufsache oder ihre Eignung zum vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch herabsetzt oder beseitigt. Dabei kann der Fehler neben körperlichen Eigenschaften auch in rechtlichen sozialen oder wirtschaftlichen Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt liegen (vgl. Palandt/Putzo, BGB, § 459 Rdn. 8). Im Streitfall haben die Parteien nicht nur darüber Einigkeit erzielt, dass der PKW schadstoffarm sein sollte, sondern beide Seiten hatten abgesprochen und vorausgesetzt, dass der zu erwerbende Pkw für 3 Jahre von der Kfz-Steuer befreit sein sollte, weil er derjenigen Schadstoffnorm angehört, die diese Rechtsfolge auslöst. Diese rechtlich-wirtschaftliche Beziehung, die sich aus den technischen Gegebenheiten des Fahrzeuges herleitet, erfüllt das veräußerte Fahrzeug tatsächlich nicht; für das Fahrzeug war/ist schon während der ersten 3 Jahre seines Betriebes Kfz-Steuer zu entrichten. Das Fehlen dieser Eigenschaft mindert auch den Wert des Fahrzeuges. Die Wertminderung liegt nicht nur in dem Steuernachteil während dreier Jahre, obwohl diese Wertminderung möglicherweise als Nachteil schon als ausreichend anzusehen wäre. Die Wertminderung liegt, insoweit tritt der Senat der Argumentation des Klägers bei, auch in einer verschlechterten Wiederverkäuflichkeit des Fahrzeuges im Zeitverlauf. Die Wiederverkaufschancen steigen, je günstiger ein Fahrzeug in den Schadstoffklassen anzusiedeln ist. Dies wird voraussichtlich auch in Zukunft so bleiben. Demgemäß ist der Wertnachteil des Fahrzeuges nicht mit dem Steuerschaden für 3 Jahre ausgeglichen; dies gilt umso mehr, als nicht absehbar ist, ob der Gesetzgeber den Steuervorteil für einen Wagen, der der geschuldeten, aber nicht gelieferten Schadstoffklasse angehört, nicht gegebenenfalls noch verlängern wird.

Für diesen Mangel hat die Beklagte einzustehen, weil er bereits bei Übergabe dem Fahrzeug anhaftete. Auf ein Verschulden der Beklagten bzw. eines ihrer Mitarbeiter kommt es insoweit nicht an.

Für diese Feststellung bedurfte es auch nicht der Wiederholung der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung des für die Beklagte tätigen Verkäufers und der Ehefrau des Klägers, da alle die Tatsachen, die für die Feststellung des vorbeschriebenen Fehlers erforderlich waren, unstreitig sind.

Dem Landgericht kann auch nicht darin beigepflichtet werden, dass der Mangel, der in der schlechteren Schadstoffklasse des Fahrzeuges liegt, als unerheblich und zur Wandlung nicht berechtigend anzusehen wäre. Würde man dies so sehen wollen, würde man der Umweltgerechtigkeit des Kfz-Verkehrs nur eine geringe Bedeutung beimessen. Dies verkennt jedoch die Notwendigkeit, die individuelle Entscheidung eines Kfz-Nutzers und -Erwerbers zu respektieren und zu schützen, dem es um eine besonders schadstoffgünstige Beteiligung am Individualverkehr geht. Eine andere Entscheidung würde zudem auch fahrlässig falschen Mitteilungen von Verkäufern, mit denen sie ihre Verkaufschancen verbessern, obwohl die Kaufgegenstände die ihnen beigelegten Eigenschaften nicht aufweisen, zu Unrecht begünstigen.

Das Wandlungsbegehren des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Wie bereits dargestellt sind die Nachteile des veräußerten Fahrzeuges durch die Bezahlung der Steuernachteile für 3 Jahre, die die Beklagte sofort angeboten hatte, nicht zureichend ausgeglichen. Demgemäß hatte der Kläger keinen Anlass, aufgrund des überreichten - vom Kläger allerdings nicht eingelösten - Schecks von dem Wandlungsbegehren abzustehen. Die Frage, ob das Wandlungsbegehren des Klägers bei vollständigem Nachteilsausgleich rechtsmissbräuchlich gewesen wäre, stellt sich im Streitfall nicht; dies wäre aber, wenn nicht weitere Umstände im Einzelfall hinzukämen, wohl immer noch zu verneinen, denn andernfalls würde einem methodischen Vorgehen von Händlern Vorschub geleistet, die Kunden über technische Angaben fehlerhaft informieren und es ihnen im Falle der Entdeckung ermöglicht, den Bestand des Vertrages durch Nachteilsausgleich zu retten.

Nach dem Vorstehenden war entgegen der landgerichtlichen Entscheidung das Wandlungsbegehren des Klägers berechtigt.

II.

Die Beklagte war im Gegenzug zu verurteilen, an den Kläger nur einen geringeren Betrag, als von diesem begehrt, zu zahlen.

Auszugehen war insoweit von dem Preis von 45.500 DM für das Neufahrzeug, den der Kläger teils in bar und teils durch Hingabe seines Gebrauchtwagens gezahlt hat.

Hierfür spricht zum einen die von der Beklagten vorgelegte Rechnung vom 8. Mai 2000, die diesen Betrag als zu zahlenden Gesamtbetrag ausweist, hierfür spricht ferner der Beleg über den Gebrauchtwagenankauf durch die Beklagte, der einen Preis von 23.500 DM für das Gebrauchtfahrzeug ausweist und in dem entgegen der Behauptung des Klägers über die Vereinbarung der Anrechnungspreis nicht mit 30.000 DM ausgewiesen ist und den der Kläger dennoch unterzeichnet hat.

Für den Zahlpreis in Höhe von 45.500 DM spricht weiter auch der in Höhe von 45.500 DM bereits auf der verbindlichen Bestellung des Neuwagens, die der Kläger selbst vorgelegt hat, ausgewiesene Hauspreis. Der Kläger legt nicht dar, mehr als diesen Betrag insgesamt aufgebracht zu haben.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, er würde sein Gebrauchtfahrzeug zu einem Anrechnungsbetrag unter 30.000 DM nicht weggegeben haben, was er der Beklagten auch mitgeteilt habe, so trifft angesichts der unterzeichneten Urkunde über den Gebrauchtwagenankauf den Kläger insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Deren Anforderungen vermag der Kläger gegen die von ihm selbst unterzeichnete Urkunde nicht mit dem Vortrag zu erfüllen, die Beklagte habe ihn beschwichtigt und ihm gesagt, was auf dem Papier stehe, sei ja egal, solange die vom Kläger aufzubringende Barzahlung stimme. Dagegen, dass dem Kläger ein Betrag von 30.000 DM für den Gebrauchtwagen versprochen worden ist, spricht nicht nur, dass die Summe aus dem urkundlichen Gebrauchtwagenpreis und der Barzahlung des Klägers gerade den Betrag von 45.500 DM zuzüglich Zulassungskosten ausmacht. Dagegen spricht auch, dass der Gebrauchtwagen des Klägers für April 2000 in der sog. Schwacke-Liste mit etwa dem Ankaufspreis als Händlereinkaufspreis verzeichnet ist. Es ist überaus unwahrscheinlich, dass ein Händler zu einem diesen Listenpreis um ca. 6.500 DM übersteigenden Betrag ein Gebrauchtfahrzeug ankaufen würde. Sachliche Gründe für einen solchen Aufschlag aber trägt der Kläger nicht vor und sind auch aus dem Parteivorbringen ansonsten nicht ersichtlich.

Der Rückzahlungsbetrag in Höhe des vom Kläger somit bezahlten Hauspreises erhöht sich um die Vertragskosten, die der Kläger aufgebracht hat, um das Rechtsgeschäft abzuwickeln. Zu diesen Vertragskosten gehören die Zulassungskosten in Höhe von 343 DM, der Erwerb des fahrzeugbezogenen Lackstiftes im Wert von 10,23 DM und der Erwerb der Kassettenbox für das Fahrzeug in Höhe von 55,94 DM. Ferner sind von der Beklagten dem Kläger die angefallenen Kfz-Steuern als Schaden zu ersetzen. Diese dürften sich belaufen auf ca. 315 DM einschließlich Dezember 2001. Dies geht von Kfz-Steuern in Höhe von 180 DM pro Jahr bzw. 15 DM pro Monat aus. Seit dem Erwerb im April 2000 sind bis zur Urteilsverkündung ca. 20 Monate vergangen, für den Dezember hat der Senat den Monatsbetrag im Wege der Schätzung noch einmal in Ansatz gebracht, da die Rückabwicklung einige Tage in Anspruch nehmen dürfte, sodass 315 DM realistisch sein dürften. Diese Positionen errechnen sich zu einem Gesamtforderungsbetrag von 46.224,17 DM.

Hiervon abzuziehen sind die vom Kläger der Beklagten zu erstattenden Vorteile für die Nutzung des Kfz in der Zwischenzeit.

Der letzte vom Kläger angegebene Wert belief sich auf eine Fahrstrecke von 15.540 km bis 23. Oktober 2001, d. h. in etwa 19 Monaten, also gut 800 Kilometer je Monat. Hierauf hat der Senat im Wege der Schätzung einen Aufschlag von weiteren 1600 Kilometern vorgenommen, um die Zeit bis zur Urteilsverkündung und Abwicklung zu erfassen. Dementsprechend ist der Senat von 17.140 Kilometern ausgegangen, für die Nutzungsentschädigung zu zahlen ist.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass 0,67 % des Fahrzeugwertes je 1000 km anzusetzen sind; dies entspricht auch der Handhabung des Senats bei Neufahrzeugen. Das macht ausgehend von 45.500 DM als Hauspreis 304,85 DM je 1000 km. Bei 17.140 km errechnet sich ein Betrag von 5.225,13 DM. Vom Forderungsbetrag abgezogen ergibt sich mithin ein Betrag von 40.999,04 DM, den die Beklagte gegen Rückgabe des Fahrzeugs an den Kläger zu zahlen hat.

Dieser Betrag ist, da die Wandlung von Anfang an berechtigt war, mit den geforderten 4 % zu verzinsen.

III.

Schließlich steht dem Kläger auch die Feststellung zu, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des Fahrzeuges im Annahmeverzug befindet. Das Wandlungsbegehren des Klägers war berechtigt. Die Beklagte hat die Wandlung jedoch von Anfang an zu Unrecht verneint.

IV.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Senat die vom Kläger zu tragende Quote anhand der anteiligen Zuvielforderung geschätzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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