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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 11 U 317/02
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 88
HGB § 89a
1. Kündigt der Prinzipal einen Handelsvertretervertrag wegen Verstößen gegen gesetzliche und vertragliche Berichtspflichten zunächst ordentlich, ist für eine außerordentliche Kündigung wegen desselben Pflichtverstoßes kein Raum.

2. Zur Berechnung der Verjährung bei Abrechnungsansprüchen.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 317/02

Verkündet am 28. August 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil der 7. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Lüneburg vom 21. November 2002 teilweise - nämlich hinsichtlich des Urteilsausspruches zu Ziffer 2 - abgeändert und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über alle in der Zeit vom 1. Dezember 1997 bis zum Ende der Geschäftsbeziehung am 31. März 2002 abgeschlossenen Geschäfte, die auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen wurden, die die Klägerin als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat sowie über alle Geschäfte, die ohne Mitwirkung der Klägerin mit Personen des Vertragsgebietes der Klägerin oder deren Kundenkreises während des vorgenannten Zeitraumes abgeschlossen beziehungsweise vermittelt und so eingeleitet und vorbereitet worden sind, dass der Abschluss überwiegend auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen ist, Auskunft in Form eines Buchauszuges zu erteilen.

Der weitergehende Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen; die Beschwer der Beklagten übersteigt nicht 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten - soweit in der Berufungsinstanz angefallen - um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des zwischen den Parteien seit 1996 bestehenden Handelsvertreterverhältnisses und die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin einen Buchauszug für die gesamte Vertragsdauer, d. h. die Zeit vom 15. August 1996 bis 31. März 2002 zu erteilen.

Zwischen der Klägerin, einer GmbH, die mehrere Industrievertretungen innehat, und der Beklagten, einer Herstellerin von elektrischen Beleuchtungskörpern, bestand seit August 1996 ein Handelsvertretervertrag. Die Beklagte kündigte die Handelsvertretung mit Schreiben vom 27. September 2001 zum 31. Dezember 2001 auf. Sie verkannte dabei die inzwischen 6monatige Kündigungsfrist, räumte aber auf anwaltlichen Vorhalt seitens der Klägerin ein, die Kündigungsfrist laufe bis zum 31. März 2002. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2001 (GA 26) kündigte die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis ferner fristlos, wobei sie diese Kündigung insbesondere auf unzureichende Informationen durch die Klägerin stützte.

Dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges hielt sie entgegen, die Klägerin verfüge aufgrund der Provisionsabrechnungen und erhaltener Doppel der Auftragsbestätigungen über alle Informationen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf das landgerichtliche Urteil sowie die erstinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Handelsvertretervertrag erst zum 31. März 2002 aufgrund der fristgerechten Kündigung beendet worden sei. Es hat ferner die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die gesamte Zeit der Zusammenarbeit der Parteien einen Buchauszug zu erteilen. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Beklagte mit ihrer form und fristgerecht eingereichten Berufung.

Mit ihr macht sie im Wesentlichen geltend, entgegen dem landgerichtlichen Urteil sei die außerordentliche Kündigung wirksam geworden. Die Klägerin habe ihre vertragliche Berichtspflicht aus Ziffer 2.1 des Handelsvertretervertrages und die gesetzliche Informationspflicht aus § 86 Abs. 2 HGB verletzt und insbesondere das Auskunftsverlangen der Beklagten vom 29. Oktober, welches sich auf konkrete Projekte aus dem Vertragsgebiet bezogen habe (GA 19 ff.), ignoriert. Auf die Einhaltung der Auskunftspflicht sei es der Beklagten insbesondere deshalb angekommen, weil sie habe kontrollieren wollen, von welchen Umsatzzielen für die Zeit nach der Tätigkeit der Klägerin realistisch ausgegangen werden könne.

Des Weiteren sei die fristlose Kündigung angesichts der unerlaubten Konkurrenztätigkeit der Klägerin berechtigt gewesen, nachdem diese eingeräumt habe, bereits im Dezember 2001 erste Anbahnungsgespräche mit einer Konkurrenzfirma, für die sie ab 1. Februar 2002 auch tatsächlich tätig geworden sei, geführt zu haben.

Gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges wendet die Beklagte ein, für die Jahre 1996 und 1997 jedenfalls nicht mehr verpflichtet zu sein, weil diese Ansprüche verjährt seien.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie das landgerichtliche Urteil. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten bleibt überwiegend, insb. hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, ohne Erfolg; allein hinsichtlich eines Teils des Buchauszugsanspruchs hat sie Erfolg.

1. Keinen Erfolg hat die Berufung der Beklagten, soweit sie festgestellt wissen will, dass das Handelsvertreterverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 14. Dezember 2001 beendet worden sei.

Der Senat teilt insoweit die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts und macht sie sich zu Eigen.

Soweit die Berufungsbegründung nochmals den Verstoß der Klägerin gegen die vertragliche und gesetzliche Berichtspflicht hervorhebt, vermag die Beklagte ihre außerordentliche Kündigung hierauf insoweit nicht zu stützen, als vermeintliche Verstöße zeitlich vor der ordentlichen Kündigung der Beklagten liegen; durch Vornahme der ordentlichen Kündigung hat die Beklagte ihrer eigenen Einschätzung Ausdruck gegeben, dass sie etwaige bereits geschehene Verstöße selbst nicht als schwer wiegend angesehen hat.

Soweit die Beklagte versucht hat, nach der ordentlichen Kündigung aus dem September 2001 durch Anforderung von Rückinformationen für eine Vielzahl bestimmter Projekte eine Verschärfung der Berichts und Rückmeldepflichten gegenüber der früheren Handhabung herbeizuführen, vermag sie auch auf die unbefriedigende Antwort der Klägerin hierauf die außerordentliche Kündigung nicht zu stützen. Die Parteien hatten während des Laufes ihrer Zusammenarbeit im Handelsvertreterverhältnis eine derartige Berichtspflicht nicht ausgeübt. Wenn die Beklagte nunmehr eine Verschärfung der Berichtspflicht herbeiführen wollte, konnte sie eine solche Änderung des Vertragsinhalts nicht einseitig mit sofortiger Wirkung herbeiführen. Dementsprechend vermochte die Beklagte nicht, mit dem Schreiben vom 29. Oktober 2001, auf das die Klägerin eine ausführliche Antwort schuldig geblieben ist, einen schwer wiegenden Vertragsverstoß der Klägerin zu stützen.

Die Beklagte kann insoweit auch nicht eine verschärfte Antwortpflicht daraus herleiten, dass die Klägerin die anvisierten Umsatzziele, die für 2001 bei etwa 1 Mio. DM hätten liegen sollen, verfehlt habe. Angesichts eines Ausgangsumsatzes von knapp 400.000 DM, der im Jahr 1995/1996 erzielt worden sein soll, wäre eine Steigerung auf einen Wert von 1 Mio. DM bis 2001 bei geringem Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum verwunderlich; wird eine solche Steigerung nicht erreicht, liegt das im Bereich der zu erwartenden Geschäftsverläufe.

Ebenso wenig kann die Beklagte daraus einen Grund zur außerordentlichen Kündigung herleiten, dass die Klägerin bereits im Dezember 2001 Kontakt zu einer anderen Herstellerin von Beleuchtungskörpern aufgenommen hat und für diese ab Februar 2002 als Handelsvertreterin tätig geworden ist. Die Beklagte verkennt insoweit, zunächst dass es der Klägerin ab der ordentlichen Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses durch die Beklagte freistand, neue Geschäftskontakte, die zu einer neuen Handelsvertretung führen konnten, anzuknüpfen. Demgemäß ist gegen die Kontaktaufnahme im Dezember 2001 nichts einzuwenden. Die Tatsache, dass die Klägerin die Tätigkeit für die Konkurrenzfirma schließlich schon am 1. Februar 2002 aufgenommen hat und somit vor Ende der ordentlichen Kündigungsfrist, die für das Handelsvertreterverhältnis der Parteien galt, begründet ebenfalls die außerordentliche Kündigung vom 14. Dezember 2001 nicht, zumal die Kündigungserklärung vor dem Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme und damit vor dem vermeintlichen Kündigungsgrund liegt. Zudem hat die Beklagte ihrerseits maßgeblichen Anteil an diesem Verlauf der Dinge dadurch genommen, dass sie ihrerseits durch Abbruch der Kontakte zur Klägerin ab Dezember 2001 diese bezüglich der Handelsvertretung in Beleuchtungskörpern arbeits und einkommenslos gestellt hat.

2. Erfolg hat die Berufung der Beklagten jedoch bezüglich des Buchauszugsanspruches teilweise. Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis, zu denen auch der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges gehört, verjähren gemäß § 88 HGB in vier Jahren beginnend mit dem Ende des Geschäftsjahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Für die Abrechnungsperioden (Monate) des Jahres 1996 sind die Ansprüche auf Abrechnung und Erteilung eines Buchauszuges insoweit jedenfalls im Jahr 1997 fällig geworden. Für sie begann mithin die Verjährung spätestens am 1. Januar 1998 und war am 31. Dezember 2001 abgelaufen. Die Klage ist im Streitfall erst am 11. Juni 2002 eingereicht, reichte zur Unterbrechung der Verjährung bezüglich dieser Ansprüche mithin nicht aus.

Das Gleiche gilt bezüglich der Buchauszugsansprüche, soweit sie Geschäftsvorfälle in der Zeit bis einschließlich November 1997 betreffen. Gemäß § 87 c Abs. 1 Satz 2 HGB werden Abrechnungsansprüche, die auch in Form eines Buchauszuges (§ 87 c Abs. 2 HGB) verlangt werden können, spätestens bis zum Ende desjenigen Monats fällig, der auf den Abrechnungsmonat folgt. Mithin wurden die Abrechnungsansprüche für November 1997 noch mit dem Dezember 1997 fällig. Die Verjährung der Buchauszugsansprüche bis dahin begann mithin mit dem 1. Januar 1998 zu laufen und endete folglich mit Ablauf des Jahres 2001. Auch insoweit erfolgte die Klageerhebung mithin erst nach Ablauf der Verjährungsfrist. Für die Buchauszugsansprüche ab Dezember 1997 trat Fälligkeit erst 1998 ein, sodass die Klagerhebung die Verjährung rechtzeitig unterbrach.

Demgemäß war ab Dezember 1997 bis zum Ende der Vertragsbeziehung der Parteien ein Buchauszug zu erteilen. Soweit die Beklagte sich auch dem Grunde nach gegen die Pflicht zur Erteilung eines Buchauszuges wendet, nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Teilurteils Bezug und macht sie sich zu Eigen.

3. Die Kosten des Berufungsrechtszuges gegen das angegriffene Teilurteil waren der Beklagten insgesamt aufzuerlegen; bezüglich des Feststellungsanspruches und des Buchauszuges, soweit er zu erteilen war, beruht dies auf § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit die Beklagte aufgrund der Erhebung der Verjährungseinrede erstmals in der Berufungsinstanz die weitere Erteilung eines Buchauszuges abzuwehren vermochte, beruht ihre Kostenpflicht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Bezüglich der Kosten der ersten Instanz war die Kostenentscheidung dem Schlussurteil des Landgerichts vorzubehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision hat der Senat weder aus Gründen der Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache einen Anlass gesehen.

Die Parteien haben insoweit auch nichts aufgezeigt, was zu anderer Beurteilung hätte führen können.

Ende der Entscheidung

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