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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 10.12.2009
Aktenzeichen: 11 U 51/09
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 86 a Abs. 1
§ 86 a Abs. 1 HGB ist weit auszulegen. Ein Finanzdienstleister hat seinen Handelsvertretern kostenlos Werbegeschenke und ähnliches zur Verfügung zu stellen. Deren Auswahl ist Sache des Unternehmers.

Unternehmensbezogene Software, die für die Tätigkeit des Handelsvertreters nützlich ist und einheitlich gestaltetes Briefpapier, das das Logo des Unternehmers trägt, unterfallen ebenfalls § 86 a HGB.

Kosten für Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen hat der Handelsvertreter selbst zu tragen.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 51/09

Verkündet am 10. Dezember 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. März 2009 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.930,22 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2008.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die gegen das genannte Urteil gerichtete Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Hilfswiderklage der Beklagten wird ebenfalls abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 12 % und der Beklagten zu 88 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 22.494,59 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger war Handelsvertreter der Beklagten. Die Beklagte hat mit dem Kläger während dessen Tätigkeit im Rahmen laufender Rechnung monatlich durch Provisionsabrechnungen abgerechnet. Der Kläger hat zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten Gegenstände bestellt wie Werbemittel, InfoUnterlagen, Planungs- und Repräsentationsunterlagen, Schreibutensilien. Die jeweiligen Bestellungen des Klägers bei der Beklagten wurden ihm nach Auslieferung der Gegenstände in den jeweiligen Provisionsabrechnungen des Folgemonats berechnet. Dasselbe gilt für Kosten von Fortbildungs- und Weiterbildungsveranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hat. Ferner berechnete die Beklagte dem Kläger auf Grund eines geschlossenen Vertrages die Nutzung der überlassenen A. GmbH-Software mit monatlich 80 €. Die Beklagte hat während der Tätigkeit des Klägers als Entgelt für die genannten Leistungen insgesamt 10.564,37 € von den Provisionen einbehalten. Diesen Betrag macht der Kläger nunmehr mit der Klage gegenüber der Beklagten geltend.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 3.680 € stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, von dem Kläger eine Vergütung für die Softwarenutzung in Höhe von monatlich 80 € zu verlangen. Die Vereinbarung einer Nutzungsgebühr im Vertrag der Parteien sei gemäß § 86 a HGB unwirksam und habe keinen Rechtsgrund für die kontokorrentmäßige Belastung dargestellt. Ausweislich der Bezeichnung des Vertragsgegenstandes habe es sich um A. GmbH-spezifische (Vertriebs)Software gehandelt. Unstreitig seien jedenfalls Einzelmodule für die Vermittlungstätigkeit unerlässlich und hätten laut Vertrag von der Beklagten zur Verfügung gestellt werden müssen. Als speziell auf den Vertrieb der Beklagten zugeschnittene Software handele es sich um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeitsmittel. Unbeachtlich sei, ob nur ein Teil der Einzelelemente für die Vermittlungstätigkeit 'erforderlich' und ein Teil lediglich 'nützlich' gewesen sei sowie ob weitere Bestandteile allein der vom Kläger selbst zu finanzierenden Büroorganisation zuzurechnen gewesen seien. Wenn die Beklagte erforderliche und damit kostenfreie - zusammen mit nützlichen - und damit möglicherweise vergütungspflichtigen - Arbeitsmittel in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stelle, sei die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gemäß § 86 a HGB unwirksam. Die sogenannten 'Giveaways' fielen nicht unter die in § 86 a HGB genannten Unterlagen, die für die Ausübung der Vermittlungstätigkeit des Klägers erforderlich gewesen seien. Das gelte auch für das Magazin 'Finanzplaner'. Da dem Kläger die Finanzierung seiner Büro und Materialausstattung selbst oblegen habe, könne die Beklagte eine Vergütung des vom Kläger bestellten Briefpapiers, der Datenerhebungsbögen und der Mandantenordner verlangen. Schriftliches Verkaufstraining und Schulungen zur persönlichen Fortbildung hätten der persönlichen Weiterentwicklung des Klägers und der Förderung seiner Karriere gedient. Kosten hierfür unterfielen ebenfalls nicht § 86 a Abs. 1 HGB.

Gegen dieses Urteil, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bd. I Bl. 168 ff. d. A.) richten sich die Berufungen beider Parteien.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat. Er wiederholt seinen Vortrag erster Instanz, wonach die Verrechnungen der Beklagten im Hinblick auf § 86 a HGB unwirksam seien. Nach dieser Norm habe der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen - z. B. Werbemittel - kostenlos zur Verfügung zu stellen. Daher brauche er die von ihm bestellten und erhaltenen sogenannten 'Giveaways' nicht zu bezahlen. Aufgrund einer Anweisung der Beklagten habe grundsätzlich vor einer Beratung der Kunden eine sogenannte Datenerhebung zu erfolgen. Deshalb brauche er Kosten im Zusammenhang mit dieser Datenerhebung nicht zu übernehmen. Zu den vom Unternehmer ebenfalls zur Verfügung zu stellenden Informationen im Sinne von § 86 a Abs. 1 HGB gehörten ferner unternehmenseigene Seminare und Schulungen. Die für seine Teilnahme entstandenen Kosten habe daher die Beklagte zu tragen. Schließlich sei auch die Zeitschrift 'Finanzplaner' im Hinblick auf § 86 a HGB ihm von der Beklagten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 3. März 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, Geschäftsnummer 24 O 40/08, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.564,37 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung des Klägers die Klage unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 3. März 2009, Az. 24 O 40/08, in vollem Umfange abzuweisen.

hilfsweise,

das angefochtene urteil im Umfang der Verurteilung der Beklagten aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Sie weist darauf hin, dass ihre Forderungen auf ausdrückliche Weisung des Klägers in die laufende Rechnung einbezogen worden seien. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei den Werbegegenständen nicht um 'erforderliche' Werbedrucksachen im Sinne von § 86 a HGB gehandelt habe. Der Kläger habe die A. GmbH spezifische Betriebssoftware kostenfrei erhalten, berechnet worden sei nur nichtspezifische StandardSoftware. Für diese sonstige Software wären dem Kläger, hätte er die Software über Dritte bezogen, Kosten in Höhe von monatlich ca. 130 € entstanden. Der 'A. GmbH-Finanzplaner' habe zum Gegenstand 'alles Wissenswerte rund ums Geld' und stelle keine Beschreibung bestimmter Produkte dar, die der jeweilige Handelsvertreter im Auftrage der Beklagten zu vermitteln habe. Der A. GmbH-Finanzplaner könne an Kiosken erworben werden. Die Schulungen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten der persönlichen Karriereentwicklung des Klägers gedient und seien nicht verpflichtend gewesen. Etwaige Ansprüche des Klägers seien im Übrigen verjährt. Hilfsweise erklärt die Beklagte erstmalig in der Berufungsinstanz die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch der Beklagten im Hinblick auf den objektiven Wert der dem Kläger überlassenen Software. Erstmals in der Berufungsinstanz erhebt die Beklagte außerdem hilfsweise Widerklage. Mit ihr begehrt sie Auskunft, in welchen Fällen der Kläger von seinen Kunden ein Entgelt für die Erstellung der privaten Finanzstrategie erhalten habe.

Die Beklagte beantragt insoweit hilfsweise,

den Kläger zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Fällen er unter Zuhilfenahme der Software der Beklagten für welche Kunden eine private Finanzstrategie gefertigt und welche Gebühren er hierfür vereinnahmt hat.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und ihre Hilfswiderklage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Hilfswiderklage und die Hilfsaufrechnung verspätet seien. Im Übrigen ist er der Ansicht, dass er zur Erteilung der Auskunft nicht verpflichtet sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftlagen und Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. im Übrigen ist sie unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen unberechtigter Abbuchungen ein Anspruch auf Zahlung des ausgeurteilten Betrages gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Altn. BGB zu. Die zu Lasten des Provisionskontos des Klägers in dieser Höhe vorgenommenen Abbuchungen erfolgten ohne Rechtsgrund. Hinsichtlich der zurückverlangten Beträge für die Teilnahme des Klägers an Schulungen und Seminaren ist die Berufung dagegen unbegründet, da diese Abbuchungen mit Rechtsgrund erfolgten und dem Kläger deshalb ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Altn. BGB nicht zusteht.

1. Kernpunkt des Streites der Parteien ist die Auslegung des § 86 a HGB. Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09 hierzu folgendes ausgeführt:

'Nach § 86 a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter 'die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen'. Die Bestimmung ist konkrete Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Die Aufzählung der Unterlagen im Gesetz ist nur beispielhaft, nicht abschließend. Der Begriff der Unterlagen ist weit zu fassen. Welche Unterlagen erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Branchenüblichkeit, dem Gegenstand der Absatzmittlung und dem Tätigkeitsbild des Handelsvertreters (Cannaris/Habersack/SchäferEmde, HGB, 5. Aufl., § 86 a Rn. 69 f.. Oetker-Busche, HGB, § 86 a Rn. 5. Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 86 a Rn. 5. Martinek/Semler/Habermeier-Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl., § 12 Rn. 70. Röhricht/Graf von Westphalen-Thume, HGB, 3. Aufl., § 86 a Rn. 3. MünchKomm von Hoyningen-Huene, HGB. § 86 a Rn. 2 ff.). Der Handelsvertreter soll durch die zur Verfügung gestellten Unterlagen in die Lage versetzt werden, die Gegenstände der Absatzmittlung bei den Kunden anzupreisen (Oetker--Busche, a. a. O., Rn. 5. Baumbach/Hopt, a. a. O:, Rn. 5. Martinek/Semler/Habermeier-Flohr, a. a. O., Rn. 70). Ausschlaggebend ist, was objektiv aus der Sicht eines normalen Handelsvertreters der jeweiligen Branche für die sachgerechte und erfolgreiche Erledigung der übertragenen Aufgabe, das Produkt mit Erfolg abzusetzen, benötigt wird. Erforderlich kann darüber hinaus sein, was der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig hält. Im Einzelnen gehören dazu neben Musterstücken auch spezielle, die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Computersoftware und umfassendes Werbematerial (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Aufl., § 86 a Rn. 16). Der Unternehmer muss grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen ist. Der Unternehmer ist der Geschäftsherr und steht seinem Produkt näher als der Handelsvertreter, sodass er die Hilfsmittel, die speziell auf die von der Vertriebspflicht erfassten Produkte abgestimmt sind, bereitstellen und auf aktuellem Stand halten muss (Canaris/Habersack/SchäferEmde, a. a. O., § 86 a, Rn. 69 f. m. w. N.). Produktunspezifische, allgemeine Hilfsmittel, die auch ein Handelsvertreter benötigte, der andere Produkte vertreibt, muss der Handelsvertreter dagegen selbst anschaffen. Büromaterialien und Hilfsmittel, die üblicherweise zur Einrichtung des Gewerbebetriebs des Handelsvertreters gehören, braucht daher der Unternehmer nicht bereitzustellen. Dem Handelsvertreter obliegt die Ausstattung seines Betriebes. Nicht von der Überlassungspflicht erfasst werden auch betriebsinterne Geschäftsunterlagen oder - wie ausgeführt - die nicht produktspezifischen, dem allgemeinen Geschäftsbetrieb des Handelsvertreters zuzurechnenden Gegenstände wie Kraftfahrzeuge, Autotelefone, gängige Personalcomputer sowie anderweitige Hard- und gängige Software. Dagegen sind Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Anpreisung der Ware des Geschäftsherrn bei der Kundschaft erforderlich sind, insbesondere auch Werbeunterlagen und Broschüren (Canaris/Habersack/SchäferEmde, a. a. O., § 86 a, Rn. 69 f. m. w. N.. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, a. a. O., § 86 a Rn. 16).'

Der Senat teilt diese Auslegung des § 86 a HGB und macht sie sich zu Eigen.

2. Die vom Kläger bestellten Werbegeschenke - wie Aufkleber, Kleidung, Süßigkeiten, Spielsachen und andere Giveaways mit dem Unternehmenslogo der Beklagten - sind generelle Werbemittel und stellen Unterlagen im Sinne des § 86 a HGB dar.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass es sich nicht um 'erforderliche' Werbemittel im Sinne des Gesetzes handele, verengt sie die Auslegung des grundsätzlich weit zu fassenden Begriffs der 'Unterlagen' in unzulässiger Weise. Ein für den Abschluss eines Beratungsvertrages mit der Beklagten unverzichtbares Hilfsmittel sind die genannten Werbegeschenke zwar nicht. Dies wird jedoch generell bei Werbegegenständen und Werbedrucksachen sowie Werbebroschüren regelmäßig nicht anzunehmen sein. Bei Werbung handelt es sich um Marketingmaßnahmen, die die Möglichkeit eröffnen sollen, ein Produkt auf dem Markt zu platzieren, neue Kunden zu gewinnen und Altkunden an den jeweiligen Altunternehmer zu binden. Ob bestimmte Werbemaßnahmen einen tatsächlichen Erfolg gezielt und systematisch herbeigeführt sowie konkret beeinflusst haben, wird in aller Regel nicht mehr nachzuvollziehen sein. Erst recht wird kaum eine Werbemaßnahme alleine ausschließlich für den späteren Verkaufserfolg verantwortlich sein. Gleichwohl unterfallen, wie der Gesetzeswortlaut zeigt, auch 'Werbedrucksachen' den nach § 86 a Abs. 1 HGB zur Verfügung zu stellenden Unterlagen. Entscheidend ist daher, dass der Unternehmer, der seinem Produkt nähersteht als der Handelsvertreter, diesen bei der Anpreisung der Ware zu unterstützen und ihm die speziell auf die zu vertreibenden Produkte abgestimmten Hilfsmittel bereitzustellen hat (vgl. OLG Köln, a. a. O.). Dabei sind nicht - wie es die Beklagte zu suggerieren versucht - einzelne Versicherungsverträge oder Geldanlageverträge die 'Produkte', die die Beklagte vertreibt. Vielmehr schließen die Kunden der Beklagten, die von der Beklagten selbst als Mandanten bezeichnet werden, im Regelfall allgemeine Beratungsverträge mit der Beklagten ab. Diese Ansicht entspricht der vom Bundesgerichtshof gebilligten Rechtsprechung des Senats. Die Beklagte bezeichnet sich selbst als Finanzoptimierer und verspricht in der Werbung ihren Kunden, dass diese infolge der Beratung durch die Beklagte erhebliche Geldbeträge sparen können. Entsprechend hat die Beklagte in ihrer Geschäftsanweisung vom 26. September 2002 (Anlage K 5) gefordert, dass grundsätzlich bei Neukunden und regelmäßig bei Bestandskunden eine umfassende Datenerhebung der finanziellen Situation der Kunden zu erfolgen habe.

Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, weist der Senat noch ausdrücklich darauf hin, dass die Auswahl, mit welchen Werbeartikeln der Unternehmer auf dem Markt in Erscheinung treten will, grundsätzlich seine Sache ist (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 2. Aufl., § 86 a Rn. 3 m. w. N.). Auch der Wert des einzelnen Werbegeschenks kann dazu führen, dass es nicht (mehr) als 'erforderliche' Unterlage i. S. v. § 86 a Abs. 1 HGB angesehen werden kann. Einer weitergehenden Auseinandersetzung mit diesen Fragen bedarf es im Rahmen dieses Rechtsstreits allerdings nicht, weil die Beklagte weder im Hinblick auf die Auswahl der Werbemittel durch den Kläger noch bezüglich des (etwa hohen) Werts der einzelnen hier in Rede stehenden Artikel Einwendungen erhebt.

3. Der Senat ist der Ansicht, dass § 86 a Abs. 1 HGB auch für den Erwerb des Klägers vom Briefpapier mit dem A. GmbH-Logo sowie Visitenkarten gilt. Zwar unterfällt allgemeines Büromaterial nicht dieser Vorschrift. Wie dem Senat aus zahlreichen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist, ist das Briefpapier der Handelsvertreter der Beklagten aber einheitlich gestaltet. Augenfällig ist das Logo der Beklagten. Auf die Tatsache, dass der jeweilige Verwender des Briefpapiers selbständiger Handelsvertreter der A. GmbH ist, wird lediglich relativ kleinem Druck hingewiesen (vgl. Anlage K 2 und K 7). Es liegt im Interesse der Beklagten, dass ihre Handelsvertreter nach außen hin bei schriftlichen Erklärungen ein einheitliches Briefpapier verwenden. Auch der Zusatz auf dem Briefpapier, dass Erklärungen des Handelsvertreters die Beklagte nicht verpflichten, erfolgt in ihrem Interesse. Bei der gebotenen weiten Auslegung des § 86 a HGB hat daher der Unternehmer, wenn die Gestaltung des Briefpapiers und der Visitenkarten von ihm vorgegeben wird, die Kosten für dieses Briefpapier und die Visitenkarten zu übernehmen.

4. Entsprechendes gilt auch für die sogenannten Datenerhebungsbögen und Mandantenordner. Wie die Geschäftsanweisung vom 26. September 2002 (Anlage K 5) zeigt, legt die Beklagte großen Wert darauf, dass eine entsprechende Datenerhebung erfolgt. Eine sachgerechte, umfassende Beratung im Sinne einer 'Finanzoptimierung' des jeweiligen Kunden der Beklagten kann nur erfolgen, wenn ein Überblick über die Vermögenssituation des jeweiligen Kunden besteht. Wie dem Senat bekannt ist, werden bei der Erstellung der 'privaten Finanzstrategie' die jeweiligen Vermögensgegenstände (z. B. Grundeigentum, Investmentanlagen, Aktienbestände, sonstige Geldanlagen etc. sowie die bestehenden Versicherungen) des Kunden erfasst. Die Datenerhebungsbögen, die die Grundlage der Finanzanalyse bilden, stellen daher eine erforderliche Unterlage im Sinne von § 86 a HGB dar und sind von der Beklagten kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Gegen diese Wertung spricht auch nicht, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt hat, den Kunden für die Erstellung der Finanzstrategie Beträge in Rechnung zu stellen. Diese Möglichkeit hat die Beklagte dem Kläger eingeräumt. Wenn die Beklagte von ihren Kunden keine gesonderte Vergütung für die Erstellung der Finanzstrategie verlangt, sondern etwaige Entgelte den Handelsvertretern belässt, kann durch diese vertragliche Gestaltung nicht die zwingende Regelung des § 86 a HGB, wonach Unterlagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen sind, umgangen werden. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nicht von allen Kunden die Erstellung der Finanzstrategie tatsächlich bezahlt wird.

5. Nach der Ansicht des Senats handelt es sich bei der Zeitschrift 'Finanzplaner' ebenfalls um eine Werbedrucksache im Sinne des Gesetzes. Die Beklagte hat ein Exemplar des Finanzplaners zu den Akten gereicht. Herausgeber der Zeitung ist die Beklagte. Auf dem Titelblatt der Zeitschrift ist ausgeführt 'Ihr persönliches A. GmbH-Magazin'. Zwar finden sich in der Zeitschrift auch diverse Anzeigen von Gesellschaften, deren Versicherungsverträge die Beklagte vermittelt. Die Zeitschrift enthält aber auch ein Faxformular, welches der raschen Kontaktaufnahme zur Beklagten dienen soll. Bei zahlreichen Artikeln, die allgemeine wirtschaftliche Fragen zum Gegenstand haben, findet sich am Schluss ein Hinweis auf den in der Zeitschrift enthaltenen Faxvordruck und das Angebot, eine Beratung der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Damit steht bei einer wertenden Betrachtung die Werbung für die Beklagte und ihr Produkt - der Finanzberatungsvertrag - im Vordergrund der Zeitschrift.

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochen und entgegen dem Vortrag der Beklagten in dem Schriftsatz vom 22. September 2009 findet sich auf der Internetseite der Beklagten sehr wohl unter der Rubrik 'Aktuelles' ein Hinweis auf die Zeitschrift 'Finanzplaner'. Es besteht auch die Möglichkeit, die Vollansicht der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift 'Finanzplaner' durch Anklicken eines entsprechenden Buttons auf der Homepage der Beklagten zu erhalten.

Unerheblich für die Einschätzung als Werbemittel ist, dass die Zeitschrift, wie von der Beklagten substantiiert behauptet, auch käuflich zu erwerben ist. Durch diese Möglichkeit verliert die Zeitschrift nicht ihren Charakter einer 'Werbedrucksache' der Beklagten. Werbemittel müssen nicht zwingend kostenlos dem Kunden zur Verfügung gestellt werden. Im allgemeinen Wirtschaftsleben gibt es zahlreiche Gegenstände, die auf Grund der Gestaltung und des jeweiligen Aufdruckes Werbemittel sind und dennoch vom Endkunden gegen Entgelt erworben werden.

6. Der Kläger kann auch Auszahlung der Beträge verlangen, die ihm im Hinblick auf die überlassene Software berechnet worden sind. Am 8. Januar 2004 haben die Parteien einen 'A. GmbH Business Centernutzungsvertrag' abgeschlossen (Anlage B 3). Unstreitig beinhaltet dieser Vertrag auch von der Beklagten selbst entwickelte Softwareprodukte, die mindestens nützlich für die Tätigkeit des Klägers sind. Es handelt sich teilweise um speziell auf den Vertrieb der Beklagten zugeschnittene Software und somit bei der gebotenen weiten Auslegung des Gesetzes um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeitsmittel. Für die Entscheidung ist dabei unbeachtlich, dass nur Teile des Gesamtsoftwarepakets der Vermittlungstätigkeit dienen und deshalb der Regelung des § 86 a Abs. 1 HGB unterfallen und andere Teile allein der vom Kläger selbst zu finanzierenden Büroorganisation zuzurechnen sind. Wenn die Beklagte erforderliche und damit kostenfreie - Arbeitsmittel zusammen mit nützlichen - und damit möglicherweise vergütungspflichtigen - Arbeitsmitteln in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stellt, ist die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gemäß § 86 a Abs. 3 HGB unwirksam. Es muss verhindert werden, dass die klare gesetzliche Regelung unterlaufen wird. Soweit die Beklagte behauptet, die erforderlichen A. GmbH-Softwaremodule seien ohne Preisansatz in dem Paket enthalten, findet ihr Vortrag in dem schriftlichen Vertrag keinen Niederschlag.

Weiter weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass heutzutage die Kunden im Rahmen einer Finanzberatung davon ausgehen, dass die Beratung IT-gestützt erfolgt. In dem Finanzdienstleistungsmarkt ist auch im Hinblick auf Direktvertriebe und Internetanbieter eine Beratung unter Zuhilfenahme von spezieller Software erforderlich und wird vom Kunden erwartet.

7. Soweit der Kläger die Übernahme der Kosten, die für seine Teilnahme an Seminaren, Schulungen und Fortbildungskursen entstanden sind, begehrt, hat er hierauf keinen Anspruch.

Ausgangspunkt des Anspruches des Klägers hat der Wortlaut des § 86 a Abs. 1 HGB zu sein. Eine Schulung oder ein Fortbildungsseminar ist keine 'Unterlage' im Sinne dieser Vorschrift. Zwar handelt es sich bei der Aufzählung in § 86 a Abs. 1 HGB nur um eine beispielhafte und nicht um eine abschließende Aufzählung. Jedoch muss es sich bei den 'Unterlagen' um körperliche Gegenstände handeln.

Der Senat ist nicht der Ansicht, dass insofern eine analoge Anwendung des § 86 a HGB zu erfolgen hat. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. § 86 a HGB findet seinen Sinn darin, dass der Unternehmer als Geschäftsherr seinem Produkt näher steht als der Handelsvertreter und die Hilfsmittel, die speziell auf die von der Vertriebspflicht erfassten Produkte abgestimmt sind, bereitzustellen hat. Dies gilt jedoch für Fortbildungen und Schulungen des Handelsvertreters nicht. Sie gehören in erster Linie zur Sphäre des Handelsvertreters, dem diese Fortbildungen und Schulungen zugute kommen.

Daher kann der Kläger die unter folgenden Nummern in der Anspruchsbegründung geltend gemachten Beträge nicht mit Erfolg verlangen:

Nr. 4, 5 6, 7, 22, 57, 78, 79, 80, 81, 195 - 202, 211, 214 - 217, 223.

8. Die Ansprüche des Klägers sind weder verjährt noch verwirkt.

Ansprüche des Klägers, die im Jahre 2004 entstanden sind, sind nicht verjährt. Die dreijährige Verjährung ist, bevor die Frist abgelaufen war, rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden. Die Zustellung des Mahnbescheides, die am 17. Januar 2008 erfolgte, wirkt gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der rechtzeitigen - Einreichung (11. Dezember 2007) zurück. Dem Mahnbescheid fehlt auch nicht mangels ausreichender Individualisierung des Anspruchs die verjährungshemmende Wirkung. Die Anforderung an die Anspruchsindividualisierung richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und hängt wesentlich davon ab, ob die Beklagte erkennen konnte, welche Forderungen gegen sie geltend gemacht werden sollten. Das konnte die Beklagte hier durch die Bezugnahme auf die Provisionsabrechnungen und die vorausgegangenen Forderungsschreiben des Klägers erkennen. Welche Zahlungen der Kläger von der Beklagten begehrte, konnte bei der Beklagten keinem vernünftigen Zweifel unterliegen.

Die Ansprüche sind auch nicht verwirkt, da die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts nicht vorliegen. Zwar war der Kläger aufgrund des Handelsvertretervertrages gehalten, Beanstandungen gegen die ihm erteilten Abrechnungen binnen eines Monats schriftlich mitzuteilen, was er unstreitig während der Vertragsdauer nicht getan hat. Die Nichtbeachtung dieser Obliegenheit hat jedoch keinerlei Anerkenntnisfolgen. Die vertraglich vorgesehene Mitteilung von Beanstandungen sollte die rasche Nachprüfung im Tatsächlichen sicherstellen. Durch die erst zum Vertragsende vom Kläger mitgeteilten Rügen der Belastungspositionen ist der Beklagten die Nachprüfung im Tatsächlichen nicht erschwert worden.

9. Soweit die Beklagte erstmalig in der Berufungsinstanz hilfsweise die Aufrechnung erklärt und Hilfswiderklage erhoben hat, war dies gemäß § 533 ZPO zulässig. Der Kläger hat dem zwar nicht zugestimmt. die Zulassung erscheint dem Senat jedoch sachdienlich.

a) Soweit die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichem Wertersatzanspruch wegen der dem Kläger überlassenen Software erklärt, steht ihr kein Anspruch zu. Die Überlassung erfolgte auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages vom 13. Mai 2004. Zwar sah dieser Vertrag ein Entgelt des Klägers vor. Diese Regelung widerspricht - wie oben ausgeführt - aber der zwingenden Regelung des § 86 a HGB. Dann ist es jedoch der Beklagten auch verwehrt, für eventuell vergütungspflichtige Anteile des Softwarepakets bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

b) Die von der Beklagten erhobene Hilfswiderklage ist unbegründet. Da der Beklagten im Hinblick auf die Erstellung der 'Finanzstrategie' keine Ansprüche gegen den Kläger zustehen, kann sie auch diesbezüglich keine Auskunft begehren.

10. Nach alledem sind von der Klageforderung in Höhe von 10.564,37 € lediglich die oben unter 7. aufgelisteten Beträge, deren Addition eine Summe von 2.634,15 € ergibt, abzuziehen. Die Klage hat daher in dem nunmehr ausgeurteilten Umfang von 7.930,22 € Erfolg. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Berufung der Beklagten, mit der sie eine vollständige Abweisung der Klage begehrt, unbegründet und daher zurückzuweisen ist.

Die Zinsforderung des Klägers ist begründet seit Rechtshängigkeit, §§ 288, 291 BGB. Allerdings kann der Kläger von der Beklagten nur Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB fordern, da bei Ansprüchen aus Delikt, ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag der Zinssatz des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 288 Rn. 8).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Da über die Hilfsaufrechnung und die Hilfswiderklage vom Senat entschieden worden ist, erhöhte sich der Streitwert für das Berufungsverfahren um 7.930,22 € für die Hilfsaufrechung und um 4.000 € für die Hilfswiderklage, mit der lediglich Auskunft begehrt wurde.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 23. Oktober, 19. und 20. November sowie 1. Dezember 2009 gaben dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen.

IV.

Die Revision war zuzulassen, weil die Vorraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sich die klärungsbedürftige Auslegung des § 86 a HGB auf eine Vielzahl von Fällen auswirkt. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Allein die Beklagte steht in vertraglichen Bindungen zu mehreren tausend Handelsvertretern im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Ende der Entscheidung

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