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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 12 UF 235/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 621 e
Zumindest der anwaltlich nicht vertretene Beteiligte eines Sorge oder Umgangsrechtsverfahrens ist über die Formalien des zulässigen Rechtsmittels zu belehren.
12 UF 235/07

Beschluss

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge

hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 7. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

I. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde bewilligt.

II. Dem Antragsteller wird aufgegeben, seine Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat, beginnend mit der Zustellung dieser Entscheidung, zu begründen.

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 9. November 2007 das Sorgerecht für die beiden Kinder auf die Antragsgegnerin übertragen. Diese Entscheidung wurde dem Antragsteller, der anwaltlich nicht vertreten ist, am 16. November 2007 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2007 legte der Antragsteller "fristwahrend" Beschwerde gegen den Beschluss ein. Dieser Schriftsatz ging in dem Zeitraum zwischen dem 15. Dezember 2007 0:00 Uhr und dem 17. Dezember 2007 7:30 Uhr (Wochenende) beim Amtsgericht ein. Der Abteilungsrichter veranlasste mit Verfügung vom 19. Dezember 2007 die Übersendung der Akten an das Oberlandesgericht, bei dem sie am 21. Dezember 2007 eingingen.

Auf den Hinweis, dass das Rechtsmittel verspätete eingelegt worden sei, weil die Akten erst nach Ablauf der Beschwerdefrist beim Oberlandesgericht eingegangen sind, machte der Antragsteller geltend, dass der Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt worden sei. Vom Amtsgericht sei ihm mitgeteilt worden, dass es seit Jahren nicht mehr "üblich" sei, Entscheidungen eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen. Eine Rückfrage bei einem Rechtsanwalt habe keine Klarstellung gebracht. Wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung beantragt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.

Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Beschwerdefrist zu bewilligen, denn er war ohne sein Verschulden gehindert, die Beschwerdefrist zu wahren.

Gem. § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Notfrist zur Einlegung eines Rechtsmittels einzuhalten, § 233 ZPO. Der Antragsteller war hier mangels hinreichender Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften gehindert, rechtzeitig und ordnungsgemäß das Rechtsmittel einzulegen. Insbesondere war ihm nicht bekannt, dass das Rechtsmittel gegen die abschließende Entscheidung des Familiengerichts beim Oberlandesgericht einzulegen ist.

Zwar ist nach derzeitigem Rechtsstand in den familiengerichtlichen Verfahren nicht gesetzlich vorgeschrieben, den Entscheidungen eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen. Jedoch ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) die Verpflichtung, in familienrechtlichen Verfahren zumindest die anwaltlich nicht vertretene Partei über die wesentlichen Formalien des zulässigen Rechtsmittels zu belehren (BVerfG, NJW 1995, 3173; BGH, NJW 2002, 2171). In Familiensachen, insbesondere in dem hier vorliegenden Sorgerechtsverfahren, ist das Rechtsmittel kompliziert geregelt. Während für das Verfahren im wesentlichen die Vorschriften des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit zur Anwendung kommen (§§ 35 b ff FGG), befinden sich die Vorschriften über die zulässigen Rechtsmittel in der Zivilprozessordnung, § 621 e ZPO. § 621 e ZPO ist durch die zahlreichen Verweisungen auf andere Vorschriften der Zivilprozessordnung schwer zu lesen und für einen nicht juristisch gebildeten Bürger kaum nachzuvollziehen. Dem Rechtssuchenden kann nicht zugemutet werden, sich über die komplizierte Regelung zu erkundigen (BGH, a.a.O.. OLG Hamm, FamRZ 03, 1311).

Der Gesetzgeber wird auf das Verfassungsgebot, den Zugang zu den (Rechtsmittel) Gerichten nicht zu erschweren, reagieren. Nach Art. 1 § 39 des Entwurfs des FGG Reformgesetz (BR Drs 30907) soll zukünftig jeder Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt werden.

Die fehlende Rechtsmittelbelehrung war auch ursächlich für das Fristversäumnis des Antragstellers. Wäre ihm bekannt gewesen, dass das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Familiengerichts beim Oberlandesgericht einzulegen war, hätte er sein Schreiben vom 13. Dezember 2007 an das Oberlandesgericht adressiert. Bei normalen Postlaufzeiten kann davon ausgegangen werden, dass das Schreiben vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 17. Dezember 2007 beim Oberlandesgericht Celle eingegangen wäre.

III.

Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass er sein Rechtsmittel - wenn er es denn durchführen will - binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen hat. Sollte die Begründung nicht innerhalb dieser Frist beim Oberlandesgericht Celle eingegangen sein, muss der Antragsteller damit rechnen, dass sein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird.

Ende der Entscheidung

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