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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 13 U 117/02
Rechtsgebiete: BRAO, BORA


Vorschriften:

BRAO § 59 b Abs. 2 Nr. 3
BORA § 7 Abs. 1
Die zahlenmäßige Beschränkung auf drei Tätigkeitsschwerpunkte in § 7 Abs. 1 BORA greift nicht ein, wenn in der Anzeige einer Anwaltssozietät eine Zuordnung der angegebenen Tätigkeitsschwerpunkte zu bestimmten Anwälten der Sozietät nicht vorgenommen wird, und wenn die Anzeige nicht den Eindruck erweckt, dass einzelne Sozietätsmitglieder mehr als drei Tätigkeitsschwerpunkte haben.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

13 U 117/02

Verkündet am 31. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### sowie der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. Mai 2002 geändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Verfügungsklägerin ist Rechtsanwältin in #######. Die Verfügungsbeklagte, eine aus vier Rechtsanwälten bestehende Anwaltssozietät in #######, warb für ihre Leistungen in einer Zeitschrift mit folgender Anzeige:

...

Rechtsanwälte und Notar

...

Rechtsanwalt und Notar Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

...

Rechtsanwältin Rechtsanwalt

Tätigkeitsschwerpunkte

Arbeitsrecht

Ehe- und Familienrecht

Erbrecht

Gesellschaftsrecht

Jugendstrafrecht

Miet- und Pachtrecht

Privates Baurecht

Verkehrsrecht

Straf- und Verfahrensrecht

Wirtschaftsrecht

Die Verfügungsklägerin sieht in der Werbung einen Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht, weil entgegen § 7 Abs. 1 BORA mehr als drei Tätigkeitsschwerpunkte genannt seien und eine Zuordnung der Tätigkeitsschwerpunkte zu den einzelnen Sozietätsmitgliedern nicht erfolge. Sie hat die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Verfügungsbeklagte antragsgemäß verurteilt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für ihre Kanzlei in Zeitungen oder Zeitschriften mit Anzeigen zu werben, die keine Zuordnung der Tätigkeitsschwerpunkte zu den einzelnen Rechtsanwälten der Kanzlei enthalten, sofern mehr als drei Tätigkeitsschwerpunkte genannt werden.

Mit der Berufung verfolgt die Verfügungsbeklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

II.

Die Berufung ist begründet.

1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Verfügungsklägerin nicht zu. Entgegen der Ansicht des Landgerichts verstößt die beklagte Anwaltssozietät mit ihrer Werbung nicht gegen § 1 UWG i. V. mit §§ 43 b, 59 b BRAO, 7 BORA. Auch eine Verletzung anderer Bestimmungen liegt nicht vor.

a) Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 BORA greift nicht ein.

Nach § 7 Abs. 1 BORA dürfen unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden; insgesamt sind nicht mehr fünf Benennungen zulässig, davon höchstens drei Tätigkeitsschwerpunkte. Es ist anerkannt, dass die Vorschrift nicht die Angabe kanzleibezogener Tätigkeitsschwerpunkte regelt, sondern nur die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten des einzelnen Rechtsanwalts (BGH, NJW 2001, 3193, 3194; BGH, WRP 2001, 537, 538; Feurich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 43 b BRAO Rn. 30, § 7 BO Rn. 6). Nach Auffassung des Senats greift darüber hinaus die zahlenmäßige Beschränkung auf drei Tätigkeitsschwerpunkte nicht ein, wenn aus Sicht der mit der Anzeige angesprochenen Rechtsuchenden die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten sich zwar auf die fachlichen Ausrichtungen der einzelnen Sozietätsmitglieder bezieht, jedoch eine Zuordnung der angegebenen Tätigkeitsschwerpunkte zu bestimmten Anwälten der Sozietät nicht vorgenommen wird, und wenn die Anzeige nicht den Eindruck erweckt, dass einzelne Sozietätsmitglieder mehr als drei Tätigkeitsschwerpunkte haben. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i. V. m. § 7 Abs. 1 BORA:

Nach § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO ist der Satzungsgeber im Rahmen der Vorschriften der BRAO befugt, die besonderen Berufspflichten des Rechsanwalts im Zusammenhang mit der Werbung näher zu regeln. Die Regelungsbefugnis des Satzesgebers umfasst auch die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten, denn dabei handelt es sich um eine Werbemaßnahme (BGH, NJW 1997, 2522, 2523). Die Regelung des Satzungsgebers muss allerdings mit den Grundrechten vereinbar sein. Die Werbung der Rechtsanwälte für die Inanspruchnahme ihrer Dienste fällt in den Bereich der durch Art. 12 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten (BVerfG, NJW 2001, 1926, 1927). Die dem Rechtsanwalt bei der Werbung auferlegten Beschränkungen sind nur dann mit § 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Das ist grundsätzlich der Fall, soweit die Werbebeschränkungen geeignet und erforderlich sind, das Vertrauen der Rechtsuchenden zu stärken, der Anwalt werde nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung an Gebühreninteressen ausrichten. Den Angehörigen freier Berufe muss jedoch für die interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (BVerfG, NJW 2001, 1926, 1927; BGH, NJW 2001, 1138, 1139).

Durch die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten sollen die Rechtsuchenden unterrichtet werden, ob sich der Rechtsanwalt in wesentlichem Umfang bereits mit dem Rechtsgebiet befasst hat (BGH, NJW 2001, 1139, 1140). Die zahlenmäßige Begrenzung in § 7 Abs. 1 BORA auf drei Tätigkeitsschwerpunkte soll sicherstellen, dass der Rechtsanwalt die angegebenen Gebiete auch hinreichend beherrscht; sie soll somit letztlich einer Irreführung des rechtsuchenden Publikums entgegenwirken (vgl. BGH, NJW 1997, 2522, 2523; OLG Nürnberg, NJW 2001, 2481; Feurich/Braun, § 7 BO Rn. 4). Zur Erreichung dieses Zwecks der zahlenmäßigen Begrenzung wäre eine Vorschrift nicht geeignet, die eine Werbung für eine Anwaltssozietät in der Weise beschränkte, dass auch dann höchstens drei Tätigkeitsschwerpunkte genannt werden dürfen, wenn die Angabe sich auf die von den Anwälten der Sozietät insgesamt abgedeckten Tätigkeitsschwerpunkte bezieht, ohne dass eine Zuordnung der Tätigkeitsschwerpunkte zu bestimmten Anwälten erfolgt. Denn eine aus mehreren Rechtsanwälten bestehende Sozietät ist regelmäßig in der Lage, sich mit mehr als drei Rechtsgebieten in wesentlichem Umfang zu befassen und diese hinreichend sicher zu beherrschen.

Nach diesen Grundsätzen greift § 7 Abs. 1 BORA bei der von der Verfügungsklägerin beanstandeten Werbung nicht ein. Ein durchschnittlicher verständiger Leser wird die Werbeanzeige, anders als das Landgericht angenommen hat, nicht dahin verstehen, dass jeder einzelne Rechtsanwälte sämtliche angeführten 10 Tätigkeitsschwerpunkte habe. Vielmehr muss die Anzeige bei ungezwungenem Lesen dahin aufgefasst werden, dass jedes der als Tätigkeitsschwerpunkt angegebenen Rechtsgebiete von wenigstens einem der Rechtsanwälte bearbeitet wird. Eine Aussage, welcher Rechtsanwalt in welchem der genannten Gebiete tätig ist, enthält die Anzeige nicht. Sie enthält auch keinen Hinweis, dass einzelne Rechtsanwälte mehr als drei Tätigkeitsschwerpunkte bearbeiten könnten. Ziel der Anzeige ist es offenkundig nur, die von der Sozietät durch ihre Mitglieder insgesamt angebotene Dienstleistung darzustellen.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche Anzeige dazu führen könnte, das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums in die Rechtspflege zu beeinträchtigen. Anhaltspunkte für eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise liegen nicht vor. Es ist unstreitig, dass jeweils mindestens einer der Rechtsanwälte einen seiner Tätigkeitsschwerpunkte in den genannten Rechtsgebieten hat.

b) Die beanstandete Werbung verstößt auch nicht gegen § 9 BORA. Diese Vorschrift betrifft allein die Kennzeichnung des Tatbestands der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten, nicht jedoch die Angabe der fachlichen Ausrichtung der Sozietät bzw. ihrer Mitglieder, um die es hier allein geht (vgl. BGH NJW 2001, 3193, 3194). Die Werbung steht schließlich in Form und Inhalt in Einklang mit § 43 b BRAO.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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