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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.12.2000
Aktenzeichen: 13 U 235/00 (1)
Rechtsgebiete: UWG, ZugabeVO, RabattG, GWB


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
ZugabeVO § 1
RabattG § 1 Abs. 2
GWB § 16 Nr. 4
Es verstößt nicht gegen die guten Sitten im Wettbewerb, wenn ein Unternehmer Kunden Preise auf elektrische Geräte, die bis zu einem Kaufpreis von 1 DM für ein Telefon führen, anbietet, und diese Preise davon abhängig macht, dass ein befristeter Vertrag mit einem Stromversorger abgeschlossen wird.
13 U 235/00

Verkündet am 29. Dezember 2000

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter ####### auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 30. August 2000 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert für beide Instanzen: 150.000 DM.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Werbung der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens oder der Irreführung, noch des Verstoßes gegen die Zugabeverordnung oder das Rabattgesetz zu verbieten ist.

1. Die Beklagte verstößt nicht gegen die guten Sitten im Wettbewerb, wenn sie Kunden Preise auf elektrische Geräte, die bis zu einem Kaufpreis von 1 DM für ein Telefon führen, anbietet, und diese Preise davon abhängig macht, dass ein befristeter Vertrag mit einem Stromversorger abgeschlossen wird.

Diese Werbung ist aus der Sicht des beworbenen mündigen durchschnittlichen Verbrauchers nicht als unzulässige Wertreklame oder übertriebenes Anlocken einzuordnen. Unzulässige Wertreklame auch in der Form des übertriebenen Anlockens setzt voraus, dass der Verbraucher dahin beeinflusst wird, seine Kaufentscheidung statt von der Preiswürdigkeit und Qualität der offerierten Ware davon abhängig zu machen, dass ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden. Diese kann bei einem gekoppelten Rechtsgeschäft darin liegen, dass der Eindruck erweckt wird, ein Teil des Gesamtpaketes erhalte man gleichsam geschenkt oder mit einem derartigen Nachlass auf den üblichen Verkaufspreis, wodurch eine übermäßige Attraktivität ausgeübt wird (vgl. BGH WRP 99, 94, 95 - Handy-Endpreis, WRP 98, 727, 728 - Schmuck-Set, Baumbach Hefermehl § 1 Rdnr. 127 f.). Indes ist ein übertriebenes Anlocken grundsätzlich dann nicht gegeben, wenn nach dem Verständnis des beworbenen Verbrauchers ein einheitliches Angebot vorliegt, sodass der als günstig herausgestellte Preis nur einen Teil eines unschwer erkennbaren Gesamtangebotes darstellt. Denn geht die Wirkung des Anlockens zum Zwecke des Kaufabschlusses von dem Angebot an sich und dessen Attraktivität aus, kann dieses nicht gegen den Leistungswettbewerb verstoßen, der gerade davon lebt, dass Wettbewerber beim Nachfrager mit Preisvorteilen konkurrieren (vgl. BGH WRP 99, 94, 96 m. w. N.).

Maßgeblich für die Beurteilung der Bewerbung eines einheitlichen Angebotes ist zunächst ein Gebrauchszusammenhang bzw. eine Funktionseinheit zwischen den gekoppelten Waren bzw. Leistungen und die Erkenntnis und Erfahrung des Verbrauchers bezüglich des konkreten Umstände des Bewerbens.

Die Einheitlichkeit des Angebotes scheitert entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits daran, dass Stromlieferung und Erwerb eines elektrischen Gerätes nichts miteinander zu tun haben, weil jeder potentielle Kunde bereits über einen Stromliefervertrag verfüge und die große Mehrheit der Kunden ebenfalls die beworbenen elektrischen Geräte bereits besitze. Unerheblich ist insoweit, ob das Angebot darauf gerichtet ist, den Kunden für ein neues Produkt auf einem bisher nicht bestehenden Markt überhaupt zu interessieren oder ob es auf Ersatzbeschaffung ausgerichtet ist.

Auch wenn Strom und elektrisch betriebene Geräte grundsätzlich branchenfremd erscheinen mögen, spricht für die Einheitlichkeit des Angebotes, dass bei den Produkten ein unmittelbarer Gebrauchszusammenhang besteht. Strom wird zum Betrieb der elektrischen Geräte eingesetzt, die ohne Strom regelmäßig funktionslos wären.

Nach Auffassung des Senats ist allerdings der Gebrauchsnähe oder dem Funktionszusammenhang der angebotenen Leistung bei der Beurteilung der übertriebenen Anlockwirkung gekoppelt angebotener Waren keine überragende Bedeutung beizumessen (vgl. auch BGH GRUR 96, 363, 364 - Saustarke Angebote - zur Zweckverbundenheit von Tiefkühltruhe und Schweinehälfte). Entscheidend ist vielmehr die Kenntnis des Verbrauchers, die durch die Art und Weise des Geschäftsgebarens der werbenden Wirtschaft geprägt wird. Bedeutungslos ist in diesem Zusammenhang die Aufspaltung in zwei mit unterschiedlichen Geschäftspartnern abzuschließende Rechtsgeschäfte. Denn mit derartigen rechtlichen Erwägungen hält sich der Verbraucher nicht auf (vgl. BGH WRP 1999, 94, 96 - Handy-Endpreis).

Durch die hinlänglich bekannte Werbung insbesondere für Handys hat der Verbraucher das Wissen, dass ein Teil der Gegenleistung für das vermeintlich günstig zu erwerbende elektrische Gerät aus dem Entgelt für den befristet abgeschlossenen Stromlieferungsvertrag fließt. Aus der nicht zu übersehenden Fülle dieser Werbung weiß der Verbraucher, dass er das gleiche Telefon zu höchst unterschiedlichen Preisen erwerben kann, wenn er keinen Netzkartenvertrag abschließt, wenn er einen längerfristigen Kartenvertrag eingeht oder den pre-paid-Modus wählt.

Der Verkehr ist auch unschwer in der Lage, im Kern vergleichbare Werbungen zu verstehen und bei seiner Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Wenn er auf Grund der Werbung für Mobiltelefone weiß, dass er einen günstigen Gerätepreis nur bei Abschluss eines längerfristigen Vertrages über ein verbrauchsabhängiges Produkt erhält und der Gerätepreis gleichsam aus diesem Vertrag 'subventioniert' wird, kann er dieses auf die gleiche Konstellation in der hier zu beurteilenden Werbung der Beklagten übertragen. Mithin ist ihm bekannt, dass über die Leistungen an den Stromlieferanten das elektrische Gerät mitfinanziert wird, weil ihm kein Kaufmann dasselbe Gerät ohne entsprechende Gegenleistung zu unterschiedlichen Preises anbietet. Ist aber diese Erkenntnis vorhanden, wird der Verbraucher nicht übertrieben angelockt, sondern er weiß um den Inhalt der - vermeintlichen - Attraktivität des gekoppelt angebotenen Produktes.

2. Ungeachtet dessen, dass ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 Abs. 1 ZugabeVO, soweit Waschmaschinen mit deutlich reduziertem Verkaufspreis beworben werden, bereits aus anderen Gründen scheitert, folgt aus den obigen Ausführungen zur Einheitlichkeit des Angebotes, dass eine Aufspaltung in Haupt- und Nebenleistung (Zugabe) ausscheidet. Da die Beklagte ein einheitliches Angebot mit einem dafür geltenden - zusammengesetzten - Preis bewirbt, fordert oder gewährt sie ebenfalls keinen unzulässigen Preisnachlass oder Sonderpreis i. S. des § 1 Abs. 2 Rabattgesetz.

3. Ein Verstoß gegen § 3 UWG scheidet ebenfalls aus. Die Beklagte hat durch ihre Werbung mit der Angabe der Preise sowohl für das elektrische Gerät als auch für den Strombezug (Grund- und Verbrauchspreis) die für den Verbraucher erforderlichen Preisbestandteile gut wahrnehmbar und vollständig angegeben.

4. Soweit der Kläger erstmals mit der Berufung einen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 4 GWB (gemeint ist wohl § 16 Nr. 4 GWB n. F.) rügt, kann dieses seinem Begehren ungeachtet dessen, ob darin das Einführen eines zusätzlichen Streitgegenstandes liegt, für den ggf. die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG entfallen wäre, nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Vorschrift enthält lediglich eine Ermächtigungsgrundlage für die Kartellbehörde und betrifft Kopplungsgeschäfte zwischen Unternehmen, nicht aber Werbung und abzuschließende Verträge zwischen Unternehmen und dem Endverbraucher. Im Übrigen sind auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm nicht dargestellt und glaubhaft gemacht.

Eine Wettbewerbswidrigkeit kann entgegen den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht daraus abgeleitet werden, dass die angegriffene Art der Werbung möglicherweise nicht allen Konkurrenten der Beklagten offen steht. Wollte man der Beklagten Werbung für ihre Produkte mit dieser Begründung untersagen, führte dies zu einer Einschränkung des Leistungswettbewerbes, der gerade Fantasie und Kreativität des Unternehmers beim Absetzen und der Bewerbung seiner Produkte verlangt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erübrigt sich, weil diese Entscheidung rechtskräftig ist.

Bei der Streitwertfestsetzung, die zugleich die Beschwerde vom 7. September 2000 erledigt, war zu berücksichtigen, dass sich diese Wettbewerbsstreitigkeit nur formal ein rechtlich selbstständiges Unternehmen mit einem Absatzgebiet um Hameln herum betrifft. Wenn der Kläger die Werbung dieses zu einem bundesweit agierenden Unternehmensverbund gehörenden Unternehmens angreift, geht es in der Sache darum, diese Werbung sämtlichen ####### Märkten, die zentral gesteuert werben, zu untersagen. Auf Grund der bundesweiten Bedeutung dieses Verfügungsverfahrens ist daher die Festsetzung eines Streitwertes von 150.000 DM angemessen.

Ende der Entscheidung

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