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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 04.05.2009
Aktenzeichen: 13 U 42/09
Rechtsgebiete: GlüStV, EGV, BGB


Vorschriften:

GlüStV § 4 Abs. 4
EGV Art. 234
BGB § 134
Nach der im einstweiligen Verfügungsverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung ist nicht von einem Verstoß der Regelungen des Glückspielstaatsvertrages und insbesondere dessen § 4 Abs. 2 gegen Gemeinschaftsrecht auszugehen.
13 U 42/09 (Kart)

Beschluss

In der Kartellsache

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K.#######, den Richter am Oberlandesgericht B.####### und die Richterin am Oberlandesgericht R.####### am 4. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Es wird erwogen, die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 28. Januar 2009 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Verfügungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22. Mai 2009 gegeben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 711.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Rechtssache ist als einstweilige Verfügungssache nicht revisibel. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

A. Verfügungsgrund

Angesichts der zu ihren Gunsten erlassenen einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 8. Januar 2009 und des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Januar 2009 ist bereits zweifelhaft, aus welchem Grund die Verfügungsklägerin neben den ihr dadurch zur Verfügung stehenden Schnittstellen auf eine weitere Anbindung an das elektronische Netz der Verfügungsbeklagten angewiesen sein soll. Ihr bloßer Hinweis, dass ihr System seine Zuverlässigkeit gerade auf die Redundanz mehrerer Schnittstellen gründe und ein überraschendes Wegbrechen der wichtigsten Schnittstelle technisch nur schwer aufzufangen sei, dürfte insoweit zur Glaubhaftmachung nicht genügen. Das kann jedoch ebenso wie die von der Verfügungsbeklagten geäußerten Bedenken zu dem konkreten Regelungsgehalt der begehrten einstweiligen Verfügung dahinstehen, weil es hier bereits an einem Verfügungsanspruch fehlt.

B. Verfügungsanspruch

I.

Nach einer - verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklichen (vgl. BVerfG, 3. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08, Rdn. 54) - summarischen Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren besteht kein Anspruch der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte auf Wiederinbetriebnahme der elektronischen Schnittstelle, d. h. auf Entgegennahme vermittelter InternetGlücksspiele, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag vom 23. November 2001.

Ob die mit Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 3. Dezember 2008 erklärte Kündigung dieses Vertrages aus wichtigem Grund mangels Einhaltung einer angemessenen Frist gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam gewesen ist, da die Verfügungsbeklagte von der Regelung des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) bereits seit dessen Unterzeichnung durch den Niedersächsischen Ministerpräsidenten im April 2007 Kenntnis hatte, bedarf dabei keiner Entscheidung.

In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung geht auch der Senat jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens von der Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2009 aus, weil er ab diesem Zeitpunkt gegen das in § 4 Abs. 4 GlüStV geregelte gesetzliche Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glückspiele im Internet verstieß.

1. Zwar wurde der streitgegenständliche Geschäftsbesorgungsvertrag schon vor Inkrafttreten des in § 4 Abs. 4 GlüStV normierten Verbots abgeschlossen mit der Folge, dass er zunächst wirksam zu Stande kam. Auch wenn sich die Wirksamkeit eines Vertrages grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht richtet, können Verbotsgesetze bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse aber in der Weise erfassen, dass sie ex nunc unwirksam werden. Dies setzt voraus, dass das Verbotsgesetz die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit nach seinem Sinn und Zweck erfordert (BGHZ 45, 322, 326. 154, 21, 26 f.).

Davon ist bei dem vorliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag auszugehen. Dessen Gegenstand bildete gem. Ziff. 3.1 die Bildung einer "virtuellen Annahmestelle" durch die Verfügungsklägerin, die ausschließlich der Vermittlung von im Internet generierten Spielaufträgen an die Verfügungsbeklagte diente. Die dafür mittels einstweiliger Verfügung begehrte Tätigkeit der Verfügungsbeklagten, nämlich die Offenhaltung der elektronischen Schnittstelle, hätte jedoch zur Folge, dass die von der Verfügungsklägerin unter Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV vermittelten Spielanträge in das System der Verfügungsbeklagten eingespeist, von ihr damit angenommen und folglich an der Ausspielung teilnehmen würden. Gerade diese in dem zwischen den Parteien im Jahr 2001 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag ausschließlich vereinbarte Vertriebsmöglichkeit der Spielvermittlung über das Internet will § 4 Abs. 4 GlüStV i. V. m. Art. 1 (Gesetz zum Glückspielstaatsvertrag) des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspielrechts vom 17. Dezember 2007 (GVBl. S.755) spätestens ab dem 1. Januar 2009 jedoch ausnahmslos unterbinden (vgl. auch: LG Kiel, Urteil vom 23. Januar 2009 - 14 O 145/08, Umdruck S. 7, i. E. auch LG Hamburg, Beschluss vom 20. Februar 2009, 408 O 4/09, Umdruck S. 10). Da der einzige mit dem Geschäftsbesorgungsvertrag verfolgte Vertragszweck somit auf eine ab dem 1. Januar 2009 verbotswidrige und gemäß § 26 Abs. 1 Nr.1 und Abs. 2 des den Glücksspielstaatsvertrag landesrechtlich umsetzenden Niedersächsisches Glücksspielgesetzes vom 17. Dezember 2007 (NGlüSpG) bußgeldbewehrte Handlung gerichtet ist, folgt daraus seine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8., Juni 1983 - VIII ZR 77/82, NJW 1983, 2873. Erman/Palm, BGB 12. Aufl. § 134 Rdn. 11).

Dieser rechtlichen Beurteilung steht auch die von der Berufungsbegründung zitierte, auf das Jahr 2008 befristete Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Vermittlung von Glücksspielen per Internet (vgl. § 25 Abs. 6 GlüStV) nicht entgegen. Diese Übergangsregelung verfolgte ersichtlich einzig den Zweck, das zukünftige Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele über das Internet für die betroffenen Unternehmen zu mindern und ihnen eine Umstellung auf ein neues Geschäftsmodell zu eröffnen (vgl. VG Schleswig, Vorlagebeschluss vom 30. Januar 2008 - 12 A 102/06, ZfWG 2008, 69, 71).

Zu Recht weist das Landgericht auch darauf hin, dass die nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag vorgesehene Übermittlung über das Internet eingeworbener Spiele gem. § 275 Abs. 1 BGB wegen rechtlicher Unmöglichkeit ausgeschlossen ist, weil die Annahme solcher entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV vermittelten Spiele der Verfügungsbeklagten gesetzlich verboten ist (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, NJW 2008, 1070, 1071).

2. Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages sowie des hierzu ergangenen Niedersächsischen Glücksspielgesetzes (NGlüSpG) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, 2. Kammer des 1. Senates, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 ff.). Der in dem Verbot der Durchführung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet liegende Eingriff in die Berufsfreiheit der Verfügungsklägerin ist durch überragend wichtige Gemeinwohlziele, vor allem dem Schutz der Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendlicher, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge und Begleitkriminalität (§ 1 GlüStV, § 1 Abs. 3 NGlüSpG), gerechtfertigt (BVerfG, a. a. O. zitiert nach juris Tz. 28 ff., 40).

3. Nach einer summarischen Prüfung vermag der Senat auch eine Verletzung der Bestimmungen der Dienstleistungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 49 ff. und Art. 56 ff. EGV durch das in § 4 Abs. 4 GlüStV geregelte Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet, die zur Folge hätte, dass die entgegen stehende Bestimmung der nationalen Rechtsordnung keine Anwendung finden dürfte (EuGH, Urteile vom 9. März 1978 - Rs.106/77 Slg. 1978, 629, Tz. 2124 - Simmenthal - und vom 27. November 2007 - Rs.C435/06, FamRZ 2008, 125, 127 Tz. 57), nicht festzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Oktober 2008 - 6 S 1288/08, ZfWG 2008, 446 ff.. VGH Bayern, Beschluss vom 20. November 2008 - 10 CS 08.2399, ZfWG 455, 462 ff. zum Internetwerbeverbot).

a) Von einer - auch von der Verfügungsklägerin nicht gewünschten - Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nimmt der Senat im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens Abstand. Diese Ausnahme von der Vorlagepflicht des Art. 234 Abs. 3 EGV ist möglich, weil in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren eine erneute Prüfung der im summarischen Verfahren nur vorläufig entschiedenen Frage möglich ist (EuGH, Urteil vom 24. Mai 1977, Rs.107/76 Slg. 1977, 957 Hoffmann La Roche/Centrafarm. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Juli 2008 EGV Art 234 Rdn. 59 m. w. Nachw,),

b) Nach eigener überschlägiger Prüfung (vgl. BVerfG vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - Rdn. 28) verletzt § 4 Abs. 4 GlüStV nicht die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 ff. EGV.

aa) Im Hinblick darauf, dass die Verfügungsklägerin ihrem Vortrag zufolge für die Übermittlung der Spielaufträge die technische Infrastruktur, insbesondere die Server der nach englischem Recht gegründeten und in Großbritannien ansässigen Tipp 24 Operation Services Ltd. nutzt, ist allerdings von einer grenzüberschreitenden Dienstleistung auszugehen, die Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49, 50 EGV ist.

bb) Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen nationale Regelungen, die privaten Wettunternehmern aus einem EU-Mitgliedstaat den Zugang zu dem Glücksspielmarkt des betreffenden Staates verwehren, auch eine Beschränkung der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43 ff., 49 ff. EGV dar (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 Rs.C243/01 Gambelli, NJW 2004, 139 f. und vom 6. März 2007 - Rs.C338/04 - Placanica, NJW 2007, 1515, 1517).

cc) Nach vorläufiger Einschätzung schränkt aber § 4 Abs. 4 GlüStV die Dienstleistungsfreiheit in europarechtlich zulässiger Weise ein.

(1) Solche Beschränkungen können aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Als solche hat der EuGH neben dem Verbraucherschutz und der Betrugsvorbeugung auch die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen angesehen (EuGH, Urteil vom 6. März 2007, a. a. O. m. w. Nachw.). Dabei kann in den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen, die sie im Hinblick auf ihre jeweiligen kulturellen und sozialen Besonderheiten auf dem Gebiet des Glückspielmarktes verfolgen dürfen, ein unterschiedliches Schutzniveau bestehen (EuGH, Urteil vom 6. November 2003, a. a. O.. Tz. 63. Urteil vom 6. März 2007, a. a. O. Tz. 47). Allerdings müssen die beschränkenden Regelungen geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beitragen. Sie dürfen ferner nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, und müssen in jedem Fall in nicht diskriminierender Weise angewandt werden (EuGH, Urteil vom 6. November 2003, a. a. O. Tz. 62 und 65 ff.).

(2) Diesen Anforderungen an die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, deren Vorliegen von dem nationalen Gericht zu prüfen sind (EuGH, Urteil vom 6. November 2003, a. a. O. Tz. 66), genügt nach vorläufiger Beurteilung des Senats das in § 4 Abs. 4 GlüStV geregelte Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet:

(a) Ziel des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes ist es insbesondere, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen sowie den Jugend und den Spielerschutz zu gewährleisten (§ 1 GlüStV, § 1 Abs. 3 NGlüspG). Zur Sicherstellung dieser Ziele ist es angesichts ihrer nach Angaben von Suchtexperten besonderen Gefährdung durch den Vertriebsweg Internet geboten, im Glückspielbereich diese Vertriebsmöglichkeit grundsätzlich zu untersagen (Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Mai 2008 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866, ZfWG 2008, 173, 177). Der Senat teilt nicht die von der Verfügungsklägerin unter Hinweis auf die Ausführungen der Europäischen Kommission im vorgenannten Vertragsverletzungsverfahren (vgl. Stellungnahme vom 31. Januar 2008, ZfWG 2008, 32, 34 f. und im Vorabentscheidungsverfahren C46/08 geäußerten Bedenken, wonach die Annahme einer echten Gefahr der Spielsucht im Internet, insbesondere des Lottospiels, nicht hinreichend empirisch fundiert sei.

Insoweit obliegt es dem Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des EuGH zwar, die geltend gemachten Rechtfertigungsgründe von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von ihnen erlassenen beschränkenden Maßnahme begleiten zu lassen (EuGH, Urteile vom 13. November 2003 Rs.C42/02 - Lindman, Tz. 25 f. und vom 13. September 2007 - Rs.C260/04 - Kommission/Italien, VergabeR 2008, 213, 217 Tz. 32 f.). Während aber in den vorgenannten Entscheidungen des EuGH keine statistischen und sonstigen Informationen über die Gefährdung durch das Betreiben von Glückspiel vorhanden waren (EuGH, a. a. O.), lässt sich dies für Deutschland nicht feststellen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. März 2008 - 6 S 3069/07, ZfWG 2008, 131, 133 f.). Bereits das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276, 304) unter Bezugnahme auf durchgeführte Studien ausgeführt: "Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung steht fest, dass Glückspiele und Wetten zu krankhaftem Suchtverhalten führen können" und bezüglich der Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internetangebot der Staatlichen Lotterieverwaltung darauf hingewiesen, dass sich dort "jedenfalls derzeit der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz nicht effektiv verwirklichen lasse" (BVerfGE 115, 276, 315). Die zur Verfassungsmäßigkeit von § 4 und der übrigen Bestimmungen des GlüStV ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 nimmt darüber hinaus auf die Ergebnisse der von der Universität B.####### durchgeführten Studie Bezug. Dieser lasse sich entnehmen, dass Lotterien in Abhängigkeit von den jeweiligen Veranstaltungsmerkmalen suchttypische Entwicklungsverläufe verursachen können (BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats - 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 ff., zitiert nach juris Tz. 29 f.).

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht zudem auf den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers bei der Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit und der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung hingewiesen (BVerfG a. a. O.). Das entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH, die den staatlichen Stellen ein weites Ermessen für die Festlegung der Erfordernisse, die sich aus dem Schutzbedürfnis der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, zugestanden hat (EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs.C243/01 - Gambelli, NJW 2004, 139 f. Tz. 63 und vom 6. März 2007 - Rs.C338/04 - Placanica, NJW 2007, 1515, 1517, Tz. 42) und deren Vorgaben bei der Prüfung, ob die Beschränkungen an den Zielen der Suchtbekämpfung und der Bekämpfung der Wettleidenschaft ausgerichtet sind, parallel zu den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts laufen (BVerfGE 115, 276, 316 f).

(b) Ein Verstoß der Regelung in § 4 Abs. 4 GlüStV gegen das Gemeinschaftsrecht lässt sich auch nicht mit dessen mangelnder kohärenter und systematischer Ausgestaltung begründen. Insoweit ist nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. z. B. Urteile vom 6. November 2003 - Rs.C243/01 - Gambelli und vom 6. März 2007 - Rs.C338/04 - Placanica) nicht eindeutig, ob im Rahmen der Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen auf ihre Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht nur auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in dem betroffenen Glücksspielsektor, z. B. den hier streitgegenständlichen Lotteriespiel, oder auf den gesamten Glücksspielbereich, der auch die Geldspielautomaten nach der Gewerbeordnung und andere Glücksspielbereiche (Casinos, Sportwetten etc.) umfasst, abzustellen ist (OVG Niedersachsen, Beschlüsse vom 8. Juli 2008 11 MC 71/08, ZfWG 2008, 260 f. und vom 29. September 2008 - 11 LC 281/06, ZfWG 2008, 386 f.. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Februar 2008 13 B 1215/07, ZfWG 2008, 122, 125 f.). Diesbezüglich erscheinen auch die Ausführungen der Europäischen Kommission zumindest missverständlich, die hinsichtlich der von den Mitgliedstaaten verfolgten Regelungsziele eine sektorale Betrachtungsweise im Glückspielsektor für notwendig erachtet, für die Beurteilung der Kohärenz aber darauf abstellt, dass in Deutschland andere Glückspiele, von denen eine gleiche oder sogar größere Gefahr ausgehe, wie z. B. Pferdewetten, Glückspielautomaten und Casinos, keinen vergleichbaren Beschränkungen unterlägen oder sogar noch ausgeweitet würden, und daraus folgert, dass die deutsche Glückspielpolitik insgesamt nicht kohärent und systematisch sei (Stellungnahme im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866, S. 6 ff. und im Vorabentscheidungsverfahren C46/09 S.15 ff.. i. E. auch VG Schleswig, Vorlagebeschluss vom 30. Januar 2008 - 12 A 102/06, ZfWG 2008, 69, 71).

Demgegenüber geht Generalanwalt B.####### in seinen Schlussanträgen vom 14. Oktober 2008 (Rs.C42/07 - Liga Portuguesa, ZfWG 2008, 323, 348 f. Tz.304 f.) davon aus, dass das Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten neben der Festlegung des Schutzniveaus in Bezug auf die Gefahren des Glückspiele auch umfasst, für die einzelnen Spielformen, wie z. B. staatliche Lotterie, Pferdewetten, Casinospiele etc., unterschiedliche Organisationsformen vorzusehen. Stellte man daher bei der Kohärenzprüfung allein auf das Glückspielsegment des Lottospiels ab (so i. E. OVG Hamburg, Beschluss vom 9. März 2007 - 1 Bs 378/06, ZfWG 2007, 162 ff. zitiert nach juris Tz. 45), wäre die Annahme der Europäischen Kommission, dass das in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene Verbot des Veranstaltens oder Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet allein deswegen gemeinschaftswidrig ist, weil es auf Wetten mit Pferderennen keine Anwendung findet (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 NGlüSpG), nicht durchschlagend.

Abgesehen davon ist in diesem Zusammenhang erneut auf das zu Gunsten der Mitgliedstaaten bestehende weite Gestaltungsermessen in diesem gemeinschaftsrechtlich nicht harmonisierten Bereich hinzuweisen (vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs. C243/01 a. a. O. - Gambelli und vom 6. März 2007 Rs.C338/04 a. a. O. - Placanica. sowie Schlussanträge des Generalanwalts B.#######vom 14. Oktober 2008, Rs.C42/07 Liga Portuguesa, ZfWG 2008, 323 ff. Tz. 250 ff.). Auch wenn die Europäische Kommission zutreffend ausführt, dass es bei der Beurteilung der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht auf die im nationalen Recht vorgesehene gesetzgeberische Kompetenzverteilung nicht ankommen kann, dürfte es dem Gesetzgeber, insbesondere innerhalb eines föderalen Systems wie dem der Bundesrepublik Deutschland, vorbehalten bleiben, zunächst nur Teilmaßnahmen zur Bekämpfung der Wettsucht umzusetzen, solange nur erkennbar bleibt, dass dem ein Gesamtkonzept zu Grunde liegt (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 11 MC 71/08, ZfWG 2008, 255, 263. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07, ZfWG 2008, 122, 128 f.).

(c) Aus den bereits dargestellten Erwägungen ist das in § 4 Abs. 4 GlüSpG versehene Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet angesichts der überragend wichtigen Gemeinwohlziele auch nicht unverhältnismäßig. Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung des Verkaufs von L.#######in Annahmestellen, wie Tabak und Zeitschriftläden, und dem Vertrieb über Internet ist entgegen der Auffassung der Europäischen Kommission bereits darin zusehen, dass dort dem Spieler der Vorgang des Spielens bewusster gemacht wird als bei der bequemeren und zeitlich unbegrenzten Verfügbarkeit des Angebots im Internet (BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08, zitiert nach juris Tz. 40. i. E. auch Schlussanträge des Generalanwalts B.####### vom 14. Oktober 2008, Rs.C42/07 - Liga Portuguesa ZfWG 2008, 323 ff. Tz. 267 ff.) und sich aufgrund des persönlichen Kontakts in der L.#######Annahmestelle der besonders wichtige Jugendschutz effektiver verwirklichen lässt. Diese Gründe treffen im Übrigen auch für die von der Verfügungsklägerin beanstandeten Jackpointstellen, sog. Terminals zur eigenständigen Eingabe von Spielaufträgen, zu, deren Einsatz ausschließlich in den Räumlichkeiten der L.#######Annahmestellen vorgesehen ist. Die Existenz weniger einschneidender Mittel wird von der Verfügungsklägerin nicht vorgetragen. So gilt die Implementierung eines erforderlichen Authentifizierungs- und Identifizierungsverfahren als zu aufwändig und damit unwirtschaftlich (BVerfG, a. a. O. Tz. 48).

(d) Da die den freien Kapitalverkehr beschränkenden Wirkungen von § 4 Abs. 4 GlüStV nur eine zwangsläufige Folge der für die Erbringung von Dienstleistungen auferlegten Beschränkungen ist, entfällt eine Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 56 ff. EGV (Schlussanträge des Generalanwalts B.####### vom 14. Oktober 2008, Rs.C42/07 - Liga Portuguesa, ZfWG 2008, 323, 343 Tz. 229 m. w. Nachw.).

c) Anders als die Verfügungsklägerin meint, lässt sich die Unanwendbarkeit des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes vom 17. Dezember 2007 auch nicht damit begründen, dass dieses nicht gemäß Art. 8.1 der Richtlinie 98/34 des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften vom 22.Juni 1998 (ABl.EU Nr. L 204/37 vom 21. Juli 1998) notifiziert wurde. Aufgrund der Änderung der vorgenannten Richtlinie durch die Richtlinie 98/48 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juli 1998 (ABl.EU Nr.L 217/18 vom 5. August 1998) bedürfen auch Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Internet der Notifizierung durch die Europäische Kommission (Art. 1 Nr. 2).

Soweit die Berufungsbegründung unter Hinweis auf ein Schreiben der Europäischen Kommission - Generaldirektion Unternehmen und Industrie - vom 24. September 2007 beanstandet, das NGlüSpG habe wegen der dort vorgesehenen Möglichkeit, die Verstöße gegen Bestimmungen des GlüStV mit Geldbuße oder Strafe zu ahnden sowie eine für ein Jahr befristete Ausnahmegenehmigung von § 4 Abs. 4 GlüStV zu erteilen (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 und § 27 Abs. 3 NGlüspG), eine wesentliche Änderung gegenüber dem bereits notifizierten GlüStV enthalten und sei daher ebenfalls gemäß Art. 8.1 (3) der Richtlinie 98/34/EG zu notifzieren gewesen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zum einen wurde die grundsätzliche Entscheidung für die vorgesehene Ausnahmegenehmigung von § 4 Abs. 4 GlüStV und deren Ausgestaltung bereits in § 25 Abs. 6 GlüStV normiert, ebenso die Möglichkeit der Ahndung etwaiger Verstöße mit Geldbuße oder Strafe schon mit § 24 GlüStV. Zum anderen ist vorliegend allein die Gemeinschaftswidrigkeit des notifizierten § 4 Abs. 4 GlüStV entscheidungserheblich, der nicht durch die Regelungen des NGlüSpG, sondern durch Art.1 (Gesetz zum Gücksspielstaatsvertrag) des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Glückspielrechts vom 17. Dezember 2007 in Kraft gesetzt worden ist.

d) Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass § 4 Abs. 4 GlüStV trotz der von der Europäischen Kommission angenommenen Unvereinbarkeit dieser Norm mit dem Gemeinschaftsrecht zu beachten ist, solange ihre Gemeinschaftswidrigkeit nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 54/07, zitiert nach juris Tz. 120).

4. Auch der Einwand der Verfügungsklägerin, dass Tipp 24 AG über zahlreiche vor 2009 geworbene Dauerscheinkunden verfüge (Bl.63, 141), rechtfertigt keine andere Entscheidung. So hat die Verfügungsbeklagte schriftsätzlich vorgetragen, dass die in 2008 zulässigerweise abgegebenen "Dauerscheine" bereits in ihrem System eingespeist worden seien, so dass es dafür keines weiteren Datenaustausches bedürfe. Aber auch wenn man angesichts der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (LGU 10) davon ausgehen müsste, dass die von der T.####### 24 AG eingeworbenen "Dauerspielscheine" bzw. sich automatisch verlängernden Spielaufträge, die über das Jahr 2008 hinausreichen, bisher immer erst zu den jeweiligen Ausspielungen an die Verfügungsbeklagte weitergeleitet wurden und daher erst in 2009 übermittelt werden könnten, rechtfertigte dies nicht den Erlass der begehrten Verfügung. In diesem Fall verstieße die Weiterleitung dieser Spielaufträgen ab dem 1. Januar 2009 gegen das Verbot in § 4 Abs. 4 GlüStV, weil die Vermittlung durch die Verfügungsklägerin erst in 2009 erfolgen könnte.

Aus denselben Erwägungen ist eine Wiedereröffnung der Schnittstelle auch nicht im Hinblick auf die von der Verfügungsklägerin zur Vermittlung stehenden Aufträge aus dem EU-Ausland erforderlich. Unabhängig davon, dass nach Ziffer 5.1. des streitgegenständlichen Geschäftsbesorgungsvertrages die Abgabe von Auslandsumsätzen nicht gestattet ist, läge auch vor dem Hintergrund, dass die in Deutschland ansässige Verfügungsklägerin diese ebenfalls an die Verfügungsbeklagte übermitteln müsste, um den im EU-Ausland akquirierten Spielern eine Teilnahme an dem von der Verfügungsbeklagten veranstalteten L.#######zu ermöglichen, in diesem Vorgang letztlich ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV.

Ohne Relevanz ist auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2008 (VG 35 A 15.08), über die Zulässigkeit von Spielvermittlung über das Internet an B.####### Kunden. Zum einen ist der Senat an die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts Berlin im Rahmen der eigenen Prüfung der Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtskonformität des § 4 Abs. 4 GlüStV nicht gebunden. Zum anderen ist der Verfügungsklägerin insoweit eine Weiterleitung über die ihr nach dem Erlass der beiden einstweiligen Verfügungen des LG Hamburg und des OLG Koblenz offen stehenden elektronischen Schnittstellen möglich.

II.

Ein Verfügungsanspruch ergibt sich, anders als die Verfügungsklägerin meint, auch nicht deswegen, weil ihres Erachtens die am 3. Dezember 2008 erfolgte Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrages gegen § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verstoße. Dies folgt bereits daraus, dass unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit der seitens der Verfügungsbeklagten erklärten Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages dieser bereits wegen Gesetzesverstoßes gem. § 134 BGB nichtig ist. Darüber hinaus ist nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 2. Halbs. GWB ein Missbrauch durch Zugangsverweigerung nicht gegeben, wenn das Markt beherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder aus sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dass eine solche Fallkonstellation anzunehmen ist, wenn das Markt beherrschende Unternehmen sonst gegen ein gesetzliches Verbot verstieße, bedarf keiner näheren Ausführung.

Ende der Entscheidung

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