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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 13 VA 1/07 (Kart)
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB § 19 Abs. 1 | |
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 2 |
13 VA 1/07 (Kart)
Verkündet am 10. Januar 2008
Beschluss
In der Kartellverwaltungssache
hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. sowie die Richter am Oberlandesgericht W. und B. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2007 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 5. Dezember 2006 (Az. 24 WB 50420) aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschwerdeführerin in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Betroffene und Beschwerdeführerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Sie beliefert in ihrem Versorgungsgebiet Endverbraucher mit Erdgas. Sie bezieht von ihrem Vorlieferanten das weitgehend in Deutschland geförderte LLGas. Die Beschwerdegegnerin beanstandet die von der Betroffenen in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. März 2006 von den Endverbrauchern in den Abnahmemengen bis 20 kW/ha, bis 35.000 kW/ha und bis 90.000 kW/ha pro Jahr geforderten Gaspreise als missbräuchlich überhöht. Sie hat durch die angefochtene Verfügung vom 5. Dezember 2006
1. festgestellt, dass die Betroffene in ihrem Versorgungsgebiet in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. März 2006 von den Endverbrauchern in den Abnahmemengen bis 20.000 kW/ha , bis 35.000 kW/ha und bis 90.000 kW/ha missbräuchlich überhöhte Jahresgesamtpreise gefordert hat, indem sie in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005 Jahresgesamtpreise gefordert hat, die in der Abnahmemenge 20.000 kW/ha um 107,04 EUR, in der Abnahmemenge 35.000 kW/ha um 175,39 EUR und in der Abnahmemenge 90.000 kW/ha um 420,88 EUR überhöht waren, indem sie in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2006 von den Endverbrauchern Jahresgesamtpreise gefordert hat, die in der Abnahmemenge 20.000 kW/ha um 75,04 EUR, in der Abnahmemenge 35.000 kW/ha um 119,39 EUR und in der Abnahmemenge 90.000 kW/ha um 276,88 EUR überhöht waren,
2. angeordnet, dass die Betroffene ihren im Vollversorgungstarif versorgten Kunden die in den angegebenen Zeiträumen gemäß Ziffer 1 zuviel erhobenen Gaspreise entsprechend dem individuellen Gasverbrauch mit der Jahresabrechnung 2006 zurück zu erstatten hat, und zwar im Einzelnen folgende Beträge:
In der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005
in der Abnahmemenge bis 20.000 kW/ha 0,5 Cent pro Kilowattstunde,
in der Abnahmemenge bis 35.000 kW/ha 0,5 Cent pro Kilowattstunde und in der Abnahmemenge bis 90.000 kW/ha 0,45 Cent pro Kilowattstunde.
In der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2006
in der Abnahmemenge bis 20.000 kW/ha 0,35 Cent pro Kilowattstunde,
in der Abnahmemenge bis 35.000 kW/ha 0,3 Cent pro Kilowattstunde
und in der Abnahmemenge bis 90.000 kW/ha 0,3 Cent pro Kilowattstunde.
Zur Begründung hat die Beschwerdegegnerin ausgeführt, die Betroffene verstoße gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB, weil sie unter Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung Entgelte fordere, die erheblich von denjenigen abwichen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Die Betroffene habe in ihrem Netzgebiet eine marktbeherrschende Stellung i. S. von § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 2 GWB. In sachlicher Hinsicht gehe es vorliegend um die Belieferung von Endverbrauchern mit Erdgas. In räumlicher Hinsicht sei der Markt entsprechend der Ausdehnung des Netzgebietes der Betroffenen abzugrenzen. Als Vergleichsunternehmen seien die Stadtwerke G. und Q. heranzuziehen. Diese seien mit der Betroffenen strukturell vergleichbar. Von den Jahresgesamtpreisen dieser Vergleichsunternehmen wichen die Jahresgesamtpreise der Betroffenen erheblich ab. Abzustellen sei insoweit nicht auf Jahresdurchschnittspreise, sondern auf die Preise zu den Stichtagen 1. November 2005 und 1. Februar 2006. Nur eine derartige Berechnungsweise trage dem Umstand Rechnung, dass der überwiegende Anteil der Jahresabnahme durch die Kunden in der kalten Jahreszeit, also in der Zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des nächsten Jahres erfolge. Eines Sicherheitsabschlages bedürfe es vorliegend nicht. Ein solcher Abschlag sei nur dann vorzunehmen, wenn die Kartellbehörde ihre Entscheidung auf Basis einer schmalen Vergleichsgrundlage, und zwar lediglich unter Berücksichtigung eines einzigen Vergleichsunternehmens, vornehme. Vorliegend seien jedoch zwei Vergleichsunternehmen und drei verschiedene Abnahmefälle zur Beurteilung des Preishöhenmissbrauchs herangezogen worden. An der nachträglichen Feststellung der missbräuchlich hohen Preise bestehe bereits aus Gründen des Verbraucherschutzes ein berechtigtes Interesse. Die von ihr vorgenommene Feststellung sei für den Verbraucher nämlich zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche von Interesse und trage dazu bei, dass der Betroffenen kein kartellrechtswidrig erlangter Vermögensvorteil verbleibe. Die Verfügung zu Ziffer 2 finde ihre Ermächtigungsgrundlage in § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 GWB.
Die Beschwerdeführerin hält die gegen sie ergangene Verbotsverfügung für rechtswidrig. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Untersagungsverfügung sei bereits formell rechtswidrig. Die Beschwerdegegnerin habe ihr unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 GWB nicht in der gebotenen Weise rechtliches Gehör gewährt. Die ihr übersandte Verfahrensakte sei unvollständig gewesen, die Beschwerdegegnerin habe vor Versendung der Akte dieser einzelne Blätter entnommen. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin sei darüber hinaus sowohl in ihrer Ziffer 1 wie auch in ihrer Ziffer 2 materiell rechtswidrig. Bezüglich Ziffer 1 der Verfügung ergebe sich dies bereits daraus, dass die Beschwerdeführerin nicht Normadressatin von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB sei, weil sie auf dem relevanten Markt nicht marktbeherrschend i. S. von § 19 Abs. 2 GWB sei. Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Marktabgrenzung sei zu eng. Abzustellen sei vielmehr auf einen einheitlichen Wärmemarkt der Energieträger. Dieser sachlich relevante Wärmemarkt umfasse in räumlicher Hinsicht mindestens die Region H. H.. Auf dem Wärmemarkt in diesem Gebiet sei sie aber nicht marktbeherrschend. Selbst wenn sie als Normadressatin i. S. von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB anzusehen wäre, fordere sie keine Entgelte, die von denjenigen abwichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Die diesbezügliche Argumentation in der angefochtenen Verfügung sei bereits deshalb unzutreffend, weil die Beschwerdegegnerin rechtsfehlerhaft lediglich Preise von einzelnen Stichtagen herangezogen und diese auf das gesamte Jahr hochgerechnet habe. Darüber hinaus seien auch die beiden von der Beschwerdegegnerin herangezogenen Vergleichsunternehmen mit ihr nicht vergleichbar. Die Beschwerdegegnerin habe die diesbezüglich erforderlichen Untersuchungen nur in unzureichender Art und Weise angestellt. Schließlich habe es die Beschwerdegegnerin rechtsfehlerhaft unterlassen, einen Korrektur, einen Sicherheits- sowie einen Erheblichkeitszuschlag anzusetzen. Schließlich bestehe auch kein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung des angeblichen Missbrauchs. Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung sei bereits deshalb rechtswidrig, da es für die in ihr enthaltene Anordnung keine Ermächtigungsgrundlage gebe. Insbesondere sei § 32 Abs. 2 GWB insoweit nicht einschlägig. Jedenfalls aber ergebe sich die Rechtswidrigkeit der zu Ziffer 2 der Verfügung getroffenen Anordnung bereits daraus, dass die in der Verfügung enthaltene Unterlassungsanordnung rechtswidrig sei.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
die angefochtene Verfügung aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tritt dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegen und wiederholt und vertieft insoweit ihre Argumentation aus der angefochtenen Verfügung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Sowohl der Feststellungsausspruch zu Ziffer 1 wie auch die Anordnung zu Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung sind rechtswidrig.
1. Der Feststellungsausspruch zu Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung ist rechtswidrig.
a) Allerdings besteht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung im Sinne von § 32 Abs. 3 GWB. Von einem berechtigten Interesse i. S. dieser Vorschrift ist u. a. dann auszugehen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht (vgl. Emmerich in Immenga-Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 32 Rdn. 48). Das ist hier - unterstellt, es läge ein Verstoß gegen §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB vor - der Fall.
b) Der angefochtene Feststellungsausspruch unterliegt auch nicht deshalb der Aufhebung, weil die Beschwerdegegnerin den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hätte, § 56 GWB. Insoweit kann dahinstehen, ob ein diesbezüglicher Verfahrensfehler vorliegt. Wäre dies der Fall, hätte er sich jedenfalls auf die Entscheidung in der Sache nicht ausgewirkt.
Gemäß § 56 Abs. 4 GWB ist auf das Verfahren u. a. § 46 VwVfG anzuwenden. Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Das ist hier der Fall. Die von der Beschwerdeführerin vermissten Blätter der Verfahrensakte haben nach ihrem Vortrag keinen Inhalt zum Gegenstand, der für die Begründung der angefochtenen Verfügung oder deren Nachvollziehbarkeit von Bedeutung wäre. Die Verteidigungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin ist dadurch, dass ihr die von ihr aufgezeigten Teile der Verfahrensakte von der Beschwerdegegnerin nicht zur Kenntnisnahme gebracht worden sind, nicht beeinträchtigt worden.
c) Es bedarf keiner Entscheidung, ob Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung deshalb rechtswidrig ist, weil sich anhand der seitens der Beschwerdegegnerin festgestellten Tatsachen nicht ergibt, dass die Beschwerdeführerin - unterstellt, sie wäre als Normadressatin i.S. von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB anzusehen - Entgelte fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB.
Allerdings hat der Senat Zweifel daran, ob die seitens der Beschwerdegegnerin festgestellten Tatsachen vorliegend eine derartige Feststellung rechtfertigen. Die Beschwerdegegnerin hat der angefochtenen Verfügung die von der Beschwerdeführerin bzw. den beiden Vergleichsunternehmen zu den Stichtagen 1. November 2005 und 1. Februar 2006 erhobenen Preise zu Grunde gelegt, die sie dann mit drei verschiedenen Gesamtjahresverbrauchsmengen multipliziert hat. Mit dieser Berechnungsmethode gelangt die Beschwerdegegnerin jedoch lediglich zu fiktiven Jahresgesamtpreisen. Welche Gesamtkosten den Abnehmern der Beschwerdeführerin bzw. der beiden Vergleichsunternehmen bei einer Abnahmemenge von 20.000 kW/ha , 35.000 kW/ha oder 90.000 kW/ha tatsächlich in den genannten Gesamtjahreszeiträumen entstanden sind, bleibt dabei offen. Insoweit kann sich die Beschwerdegegnerin auch nicht darauf berufen, dass der überwiegende Anteil der Jahresabnahme durch die Kunden des in der angefochtenen Verfügung zugrunde gelegten Tarifkundenbereichs in dem Zeitraum 1. November bis 31. März erfolge. Unabhängig davon, ob dies als solches zutreffend ist, räumt die Beschwerdegegnerin damit selbst ein, dass jedenfalls ein (Teil)Verbrauch selbstverständlich auch innerhalb anderer Zeiträume des Jahres erfolgt. Dazu, welchen Anteil dieser Verbrauch an dem Gesamtjahresverbrauch darstellt und welche Preise die Beschwerdeführerin sowie die beiden Vergleichsunternehmen zu den übrigen Zeitpunkten der Jahre 2005 und 2006 erhoben haben, fehlt es an jeglicher Darlegung seitens der Beschwerdegegnerin. Damit aber lässt sich die tatsächliche Kostenbelastung der Verbraucher für die der Verfügung zu Grunde gelegten Zeiträume nicht berechnen. Nur diese tatsächliche Kostenbelastung kann nach Auffassung des Senats aber zur Grundlage einer Missbrauchsverfügung wie der vorliegenden gemacht werden.
d) Ob die angefochtene Verfügung demgemäß bereits aus diesem Grund als rechtswidrig anzusehen ist - wofür nach Ansicht des Senats allerdings vieles spricht - kann im Ergebnis jedoch ebenso dahinstehen wie die weiteren seitens der Beschwerdeführerin gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung vorgebrachten Angriffe. Ziffer 1 der Verfügung der Beschwerdegegnerin erweist sich jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil die von der Beschwerdegegnerin angeführten Tatsachen nicht ausreichend sind, um zu belegen, dass die Beschwerdeführerin auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt marktbeherrschend i. S. von § 19 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 GWB ist.
Die Beschwerdegegnerin hat in der angegriffenen Verfügung den sachlich relevanten Markt auf die Unternehmen begrenzt, die Endverbraucher mit Erdgas beliefern. Diese sachliche Marktabgrenzung hält der Senat für nicht zutreffend.
In der Instanzrechtsprechung sowie der Literatur ist umstritten, ob im Anwendungsbereich des § 19 GWB von einem allgemeinen Angebotsmarkt der Wärmeversorgung auszugehen (so z. B. OLG München, Urteil vom 19. Oktober 2006 - U (K) 309006. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Februar 2005 - U (Kart) 1904), oder ob - wie die Beschwerdegegnerin meint - der sachlich relevante Markt allein auf die Anbieter von Erdgas auf Endkunden zu beschränken ist (so z. B. OLG Dresden, Urteil vom 11. Dezember 2006 - U 142606 Kart. LG Frankfurt, Urteil vom 7. März 2007 - 26 O 46906. Ruppelt in Langen-Bunte, Kartellrecht, Bd. I, 10. Aufl., § 19 Rdn. 11. Loewenheim-Meessen-Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. II, § 19 Rdn. 14. Möschel in Immenga-Mestmäcker, aaO., § 19 Rdn. 34 "Energie"). Begründet wird die zuletzt genannte Auffassung damit, dass verschiedene Energieträger, die den gleichen Bedarf nach Raumwärme zu decken geeignet sind, nicht unbedingt austauschbar seien, da sie unterschiedliche Heizsysteme erforderten, deren Umstellung bei einem Wechsel der Energieträger (z. B. von Gas zu Heizöl) erhebliche Kosten verursache.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 13. Juni 2007 (VIII ZR 3606, NJW 2007, 2540. bestätigt durch Verfügung vom 16. Oktober 2007 - VIII ZR 35106) Ausführungen gemacht, die nach Auffassung des Senats die Richtigkeit der zuerst genannten Ansicht bestätigen. In dem genannten Urteil hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs u. a. folgendes ausgeführt:
"Es fehlt auch an einer Monopolstellung der Beklagten als Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB... Zwar ist die Beklagte im Bereich der Stadt H. der einzige Anbieter von leitungsgebundener Versorgung mit Gas und daher auf dem Gasversorgungsmarkt keinem unmittelbarem Wettbewerb ausgesetzt. Sie steht aber - wie alle Gasversorgungsunternehmen - auf dem Wärmemarkt in einem (Substitutions)Wettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme. ... Für die Gasversorgung hielt der Gesetzgeber das Erfordernis einer Tarifgenehmigung für verzichtbar, weil Neukunden zur Deckung ihres Wärmebedarfs unmittelbar zwischen verschiedenen Energieträgern wählen können und durch eine solche Konkurrenzsituation ein Wettbewerbsdruck entsteht, der allen Kunden zugute kommt, auch wenn für den einzelnen Kunden unter Umständen der Wechsel zu einer anderen Energieart wegen der hiermit verbundenen Kosten keine echte Alternative darstellt".
Der Senat verkennt nicht, dass die vorstehenden Ausführungen in dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Prüfung ergangen sind, inwieweit einseitige Tariferhöhungen eines Gasversorgers gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegen. Ferner ist dem Senat bewusst, dass das Kartellgesetz und § 315 BGB unterschiedliche Zielrichtungen haben. Während das GWB den Missbrauch von Monopolstellungen unterbinden und die Nachteile ausgleichen will, die sich aus einem fehlenden Wettbewerb ergeben, soll § 315 BGB im Unterschied dazu die der einen Vertragspartei übertragene Rechtsmacht, den Inhalt des Vertrages einseitig festzusetzen, eingrenzen und erfordert damit im Wesentlichen eine Prüfung und Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessenlage nur bei den beiden Vertragspartnern. Auch im Hinblick darauf vermag der Senat jedoch nicht zu erkennen, dass die Frage, ob deshalb von einem einheitlichen Markt der Energieanbieter auszugehen ist, weil Gasversorgungsunternehmen auf dem Wärmemarkt in einem (Substitutions)Wettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger stehen, unterschiedlich in dem Sinne beantwortet werden kann, dass sie in dem einen Fall (§ 315 BGB) zu bejahen, in dem anderen Fall (§ 19 GWB) dagegen zu verneinen ist.
Dieser Auffassung steht schließlich auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2002 (KZR 3000, BGHZ 151, 274) entgegen. Zwar hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie nicht bestehe, weil für die Marktgegenseite, die sich entweder für Fernwärme oder für eine Ölheizung entschieden habe, die beiden Formen der Wärmeenergie nicht austauschbar seien. Gerade diese Argumentation hat der VIII. Zivilsenat in seinem vorgenannten Urteil vom 13. Juni 2007 aber mit der Begründung als unerheblich angesehen, dass Neukunden zur Deckung ihres Wärmebedarfs unmittelbar zwischen verschiedenen Energieträgern wählen könnten und durch eine solche Konkurrenzsituation ein Wettbewerbsdruck entstehe, der allen Kunden zugute komme, auch wenn für den einzelnen Kunden unter Umständen der Wechsel zu einer anderen Energieart wegen der hiermit verbundenen Kosten keine echte Alternative darstelle. Mit dieser Begründung ist der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs genau der Argumentation der Oberlandesgerichte (insb. OLG München, a. a. O.) nachgefolgt, die im Hinblick darauf ausdrücklich auch im Anwendungsbereich des § 19 GWB das Vorliegen eines einheitlichen Anbietermarktes der Energieträger bejaht haben.
Im Hinblick auf die vorgenannte Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs geht der Senat mithin davon aus, dass auch im Anwendungsbereich des § 19 GWB von einem einheitlichen Markt für Wärmeenergie auszugehen ist.
Dass die Beschwerdeführerin auf dem so abgegrenzten, räumlich zumindest - wie von der Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt - auf den Bereich H. H. zu erstreckenden Markt eine beherrschende Position inne hat und als Anbieterin von Energie keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist, ist nicht ersichtlich. Dies behauptet die Beschwerdegegnerin auch gar nicht.
2. Die Anordnung zu Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung ist ebenfalls rechtswidrig. Insoweit kann dahinstehen, ob die von Seiten der Beschwerdegegnerin getroffene Anordnung überhaupt auf die Vorschrift des § 32 Abs. 2 GWB gestützt werden kann (ablehnend: Bechthold, GWB, 4. Aufl., § 32 Rdn. 14 a. E.. a. A.: Bornkamm in Langen-Bunte, a. a. O., § 32 Rdn. 26). Ebenfalls braucht der Senat auch an dieser Stelle nicht abschließend über die Rechtmäßigkeit der seitens der Beschwerdeführerin der Verfügung zugrunde gelegte "Stichtagsregelung" zu befinden. Allerdings ist insoweit anzumerken, dass gerade im Rahmen der Anordnung zu Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung die oben angeführten Bedenken gegen die seitens der Beschwerdegegnerin vorgenommene Berechnungsweise besonders deutlich werden. Mit der streitgegenständlichen Anordnung wird der Beschwerdeführerin nämlich die Rückzahlung von angeblich missbräuchlich erhobenen Beträgen aufgegeben, die die Beschwerdegegnerin gar nicht konkret berechnet, sondern lediglich geschätzt hat. Das kann dahinstehen. Die Anordnung zu Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil wie oben ausgeführt - die Beschwerdeführerin auf dem sachlich relevanten Markt keine marktbeherrschende Stellung i. S. von § 19 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 GWB inne hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Satz 1 GWB.
Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen. Der Streitfall hat in Bezug auf die sachliche Marktabgrenzung grundsätzliche Bedeutung, § 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB.
Ende der Entscheidung
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