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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 13 Verg 6/07
Rechtsgebiete: VgV


Vorschriften:

VgV § 3
Wegen der Bedeutung des Schwellenwertes ist es erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswertes in einem Aktenvermerk festhält. Der Vermerk muss erkennen lassen, dass der Auftraggeber vor der Schätzung die benötigte Leistung zumindest in den wesentlichen Punkten festgelegt hat. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert.

Aufträge verschiedener öffentlicher Auftraggeber sind bei der Schätzung des Auftragswerts auch dann selbstständig zu bewerten, wenn bei den Aufträgen sachliche Zusammenhänge bestehen. Anders kann es ausnahmsweise sein, wenn zwei öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass die benötigte Leistung aus technischen oder anderen Gründen von demselben Anbieter beschafft werden soll, und wenn die Auftraggeber deshalb die Beschaffungsvorhaben koordinieren und Angebote für den gemeinsamen Bedarf einholen. Entschließen die Auftraggeber sich dann unmittelbar vor der Auftragsvergabe zu gesonderten Verträgen, müssen sie eine nachvollziehbare Erklärung dafür liefern, aus welchem Grund dies geschehen ist, wenn nicht zur Vermeidung eines förmlichen Vergabeverfahrens.


13 Verg 6/07

Verkündet am 12. Juli 2007

Beschluss

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter Dr. K. und W. sowie die Richterin B. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Auftraggebers und der Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert im Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Landkreis O. (Auftraggeber) ist Träger der Sozialhilfe in seinem Gebiet und eine der sog. "Optionskommunen", welche die Aufgaben nach dem SGB II in eigener Zuständigkeit durchführen. Die Leistungsgewährung erfolgt unmittelbar durch die Kreisverwaltung in Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Gemeinden, während die mit dem sog. Hartz-Reformen eingeführten aktive Arbeitsplatzvermittlung und das "Fallmanagement" von der P., einer kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts, wahrgenommen werden. Der Auftraggeber und die P. setzten dabei jeweils Programme der Beigeladenen ein.

Anfang des Jahres 2006 entschlossen sich der Auftraggeber und die P., eine neue Software zu beschaffen. Die Vergabeakte des Auftraggebers beginnt mit folgendem Vermerk vom 8. März 2006:

"Die Beschaffung eines neuen Programmes wird voraussichtlich mit folgenden Kosten für den Landkreis O. verbunden sein:

Lizenzkosten ca. 50.000 EUR (inkl. Mwst.)

Dienstleistungen ca. 40.000 EUR (inkl. Mwst.) (inkl. Altdatenübernahme und Schulungen)

Softwarepflegekosten für 4 Jahre bis zum Ende der Laufzeit als Optionskommune 01.01.2007 bis 31.12.2010 ca. 100.000 EUR (inkl. Mwst.)

Gesamt ca. 190.000 EUR (inkl. Mwst.).

...

Damit ist es nicht erforderlich, eine EU-weite Ausschreibung durchzuführen."

Der Auftraggeber hat vorgetragen, die Kostenschätzung beruhe auf der mündlichen Auskunft eines Mitarbeiters der Beigeladenen auf der Basis der bisherigen Mengengerüste.

Ab Ende April 2006 ließen sich Vertreter des Auftraggebers und der P., und zwar gemeinsam, von drei Anbietern EDV-Programme präsentieren, u. a. von der Antragstellerin und der Beigeladenen. In der Folgezeit holten sie Kostenangebote dieser Anbieter ein.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 bestellte der Auftraggeber bei der Beigeladenen 47 Lizenzen für das Programm "O./P." SGB II und SBB XII für 31.255 EUR, 20 Lese-Lizenzen zu diesem Programm für 5.000 EUR, Pflegeleistungen für die Software (55 "Concurrent User") zum Preis von monatlich 2.100 EUR (für 48 Monate 100.800 EUR) und IT-Dienstleistungen nach Aufwand, veranschlagt 30 Tage je 1.000 EUR, alle Positionen zzgl. Mehrwertsteuer.

Mit Anwaltsschreiben vom 31. Januar 2007 rügte die Antragstellerin, dass eine EU-weite Ausschreibung erfolgen müsse. Am 21. März 2007 beantragte sie ein Nachprüfungsverfahren.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht: Der für eine EU-weite Ausschreibung maßgebliche Schwellenwert von 200.000 EUR sei deutlich überschritten. Der Auftraggeber habe den Auftragswert unrealistisch gering geschätzt und hierbei in erheblichem Umfang Kostenfaktoren nicht berücksichtigt. Zudem liege eine vergaberechtswidrige künstliche Aufteilung des Beschaffungsvorhabens vor, denn der Auftraggeber und die P. hätten die Beschaffungsvorgänge wegen des notwendigen Datenaustausches koordiniert und gemeinsam Angebote eingeholt. Die Aufteilung in zwei Aufträge sei in der Absicht geschehen, eine europaweite Ausschreibung zu vermeiden.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. den Auftraggeber zu verpflichten, die Beschaffung von Software für den Bereich SGB II sowie zugehörige Dienstleistungen (Pflegeleistungen, Schulungen, Betreuung, Datenmigration) unverzüglich offen und diskriminierungsfrei europaweit auszuschreiben,

2. festzustellen, dass etwaige - ohne Ausschreibung geschlossene - Verträge des Auftraggebers oder von dessen Eigenbetrieben mit der Beigeladenen über die Beschaffung von Software für den Bereich SGB II sowie zugehörige Dienstleistungen nicht sind,

3. hilfsweise zu 1. und 2. - festzustellen, dass die Unterlassung der Ausschreibung rechtswidrig war und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.

Der Auftraggeber ist dem Nachprüfungsantrag entgegengetreten.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig angesehen, weil der Auftrag nicht den maßgeblichen Schwellenwert von 200.000 EUR überschreite.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt und hilfsweise beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer insoweit aufzuheben, als die Kosten des Verfahrens der Antragsstellerin auferlegt worden sind,

weiter hilfsweise, den Beschluss insoweit aufzuheben, als der Streitwert auf 462.886,20 EUR und die Gebührenhöhe auf 2.623 EUR festgesetzt worden ist.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Vergabekammer hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Antrag unzulässig ist, weil der Auftrag den Schwellenwert von 200.000 EUR nicht überschreitet.

a) Das Nachprüfungsverfahren ist im vierten Teil des GWB geregelt. Gemäß § 100 Abs. 1 GWB gilt der vierte Teil des GWB nur für Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind (Schwellenwerte). Für den vorliegenden Liefer und Dienstleistungsauftrag beträgt der Schwellenwert gemäß § 2 Nr. 3 VgV in der Fassung vom 11. Februar 2003 200.000 EUR. Der aufgrund der 3. Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung mit Wirkung vom 1. November 2006 geltende höhere Schwellenwert ist für den vorliegenden Auftrag nicht anzuwenden. Dies folgt daraus, dass bei einer Vergabe ohne Bekanntmachung maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes die Einleitung des Vergabeverfahrens ist (§ 3 Nr. 10 VgV). Der Begriff des Vergabeverfahrens ist dabei nicht formell sondern materiell zu verstehen. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der öffentliche Auftraggeber mit organisatorischen Maßnahmen beginnt, um zu regeln, auf welche Weise das Beschaffungsvorhaben durchgeführt und auf welchem Wege der Leistungsträger ausgewählt werden soll (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Juni 2001 - Verg 3/01). Das war hier Anfang 2006, als der Auftraggeber sich entschloss, ein neues Datenverarbeitungsprogramm für das Sozialamt zu beschaffen, und bevor er die ersten Angebote einholte.

Bei der Schätzung des Auftragswerts ist von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer auszugehen (§§ 1, 3 Abs. 1 VgV). Die Schätzung ist vom Auftraggeber nach objektiven Kriterien, ausgehend von der zu beschaffenden Leistung und der aktuellen Marktlage aufgrund einer sorgfältigen betriebswirtschaftlichen Finanzplanung durchzuführen (OLG München, Beschluss vom 28. September 2005 - Verg 19/05; OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Juli 2000 - 1 Verg 1/99). Der Wert darf nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, den Auftrag der Anwendung der Vergabebestimmungen zu entziehen (§ 3 Abs. 2 VgV). Hält sich der Auftraggeber innerhalb dieses Rahmens, steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen beachtet werden muss (Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 5). Wegen der Bedeutung des Schwellenwertes ist es erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswertes in einem Aktenvermerk festhält (OLG Rostock, Beschluss vom 20. September 2006 - 17 Verg 8/06; OLG Schleswig, Beschluss vom 30. März 2004 - 6 Verg 1/03). Die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert.

b) Nach diesen Grundsätzen ist für den vorliegenden Liefer und Dienstleistungsauftrag von einem unter dem Schwellenwert von 200.000 EUR liegenden Auftragswert auszugehen.

aa) Allerdings stellt die vom Auftraggeber am 8. März 2006 angefertigte Kostenschätzung keine ausreichende Grundlage dar.

Der Auftraggeber hätte vor der Schätzung des Auftragswerts am 8. März 2006 die vorgesehene Leistung zumindest in den wesentlichen Punkten festlegen müssen (vgl. § 3 Abs. 1 VgV). Das er nicht getan. Der Kriterienkatalog stammt erst vom 17. Mai 2006. Darüber hinaus lässt die Kostenschätzung nicht erkennen, wie viele Lizenzen bzw. für wie viele gleichzeitige Nutzer Lizenzen ("Concurrent User") beschafft werden sollten. Diese Unklarheiten werden nicht dadurch ausgeräumt, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren vorgetragen hat, er habe die Schätzung "auf der Basis der bestehenden Mengengerüste" vorgenommen. Denn es ist offen, von welchen Mengengerüsten der Auftraggeber ausging. Während er von den beiden Mitbewerbern der Antragstellerin Kostenangebote für 90 Nutzungslizenzen bzw. 90 Mitarbeiter mit gleichzeitiger Zugriffsmöglichkeit einholte, umfasst das Angebot der Beigeladenen nur 47 Lizenzen zuzüglich 20 "Lese-Lizenzen" und nur 55 "Concurrent User". Die Kostenschätzung lässt auch nicht erkennen, welche Dienstleistungen von der in Ansatz gebrachten Position 40.000 EUR abgedeckt sein sollen. Es werden nur beispielhaft Altdatenübernahme und Schulungen genannt.

bb) Da es somit an einer ordnungsgemäßen Schätzung durch den Auftraggeber fehlt, hat der Vergabesenat den Auftragswert eigenständig unter Berücksichtigung der inzwischen mit der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge und der vorliegende Angebote der anderen Anbieter und zu schätzen.

(1) Für einen Auftragswert von weniger als 200.000 EUR spricht: Der Wert des inzwischen tatsächlich vergebenen Auftrags beträgt 167.055 EUR netto. Allerdings ist das in der Bestellung des Auftraggebers mit 30 Tagen veranschlagte Dienstleistungskontingent schon bei der Einführung der neuen Software verbraucht worden. Während der vierjährigen Vertragslaufzeit sind weitere Dienstleistungen in erheblichem Umfang erforderlich, insbesondere im Zusammenhang mit Updates nach Gesetzesänderungen oder bei Programmverbesserungen, bei der Beseitigung von Anwendungsfehlern sowie im Hinblick auf Beratungen und Schulungen. Ob diese Aufgaben an den in der Pauschalvergütung des Pflegevertrags enthaltenen vier Arbeitstagen jährlich erledigt werden können, erscheint zweifelhaft. Indes wäre bei dem vereinbarten Tagessatz von 1.000 EUR für zusätzliche Dienstleistungen selbst bei einer Verdoppelung oder Verdreifachung des vorgesehenen Dienstleistungskontingents der Schwellenwert von 200.000 EUR noch nicht erreicht.

Das Kostenangebot der Firma L. liegt zwar über dem Schwellenwert von 200.000 EUR. Grund hierfür ist jedoch, dass sich das Angebot auf 90 "Concurrent User" bezieht, während der Auftraggeber für seinen Bedarf nur Lizenzen für 55 "Concurrent User" benötigte und inzwischen tatsächlich bestellte. Bei entsprechender Umrechnung liegt das Kostenangebot unter 200.000 EUR.

Das Preisangebot der Antragstellerin, aus dem sich bei vierjähriger Laufzeit ein Gesamtpreis von 371.700 EUR netto ergibt, betrifft eine Unternehmenslizenz für 120 Arbeitsplätze und 90 Mitarbeiter mit gleichzeitiger Zugriffsmöglichkeit, außerdem weitere 6 Festnutzerlizenzen. Es mag sein, dass dieses Preisangebot auch bei einer Umrechnung auf den tatsächlichen Bedarf des Auftraggebers (55 Mitarbeiter mit gleichzeitiger Zugriffsmöglichkeit) den Schwellenwert übersteigt. Dies rechtfertigt jedoch im Hinblick auf die Preisvereinbarung bei der inzwischen erfolgten Auftragsvergabe und das Kostenangebot der Firma L. nicht die Annahme, dass der Auftragswert mit 200.000 EUR oder mehr zu schätzen gewesen sei.

(2) Ein über dem Schwellenwert liegender Auftrag lässt sich auch nicht damit begründen, dass das Beschaffungsvorhaben entgegen § 3 Abs. 2 VgV künstlich in zwei Aufträge - des Auftraggebers und der P. - aufgeteilt worden sei.

Die P. ist eine rechtlich selbständige kommunale Anstalt öffentlichen Rechts, somit ein vom Landkreis getrennt zu behandelnder öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB. Aufträge verschiedener öffentlicher Auftraggeber sind bei der Schätzung des Auftragswerts auch dann selbständig zu bewerten, wenn bei den Aufträgen sachliche Zusammenhänge bestehen. Anders kann es ausnahmsweise sein, wenn zwei öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass die benötigte Leistung aus technischen oder anderen Gründen von demselben Anbieter beschafft werden soll, und wenn die Auftraggeber deshalb die Beschaffungsvorhaben koordinieren und Angebote für den gemeinsamen Bedarf einholen. Entschließen die Auftraggeber sich dann unmittelbar vor der Auftragsvergabe zu gesonderten Verträgen, müssen sie eine nachvollziehbare Erklärung dafür liefern, aus welchem Grund dies geschehen ist, wenn nicht zur Vermeidung eines förmlichen Vergabeverfahrens.

Ein derartiger Sachverhalt kann hier aber nicht festgestellt werden. Zwar liegen Anhaltspunkte hierfür durchaus vor. In dem Vergabevermerk des Auftraggebers heißt es, es wäre wünschenswert, dass es im Hinblick auf das Beschaffungsvorhaben der P. zu einer Zusammenarbeit mit dem gleichen Anbieter kommen könne, da Beispiele bei anderen Optionskommunen zeigten, dass andernfalls Abstimmungsprobleme auftreten könnten. In dem Kriterienkatalog ist näher ausgeführt, dass und in welcher Hinsicht das Programm eine Kommunikation zwischen den Leistungssachbearbeitern (Landkreis) und den Fallmanagern (P.) ermöglichen solle. Der Auftraggeber und die P. ließen sich, und zwar gemeinsam, von den in Frage kommenden Anbietern Software-Programme präsentieren und besichtigten gemeinsam schon im Einsatz befindliche Programme bei anderen Kommunen. Die in der Vergabeakte des Auftraggebers enthaltenen Kostenangebote der beiden Mitbewerber der Beigeladenen decken den Bedarf sowohl des Landkreises als auch der P. ab. Schließlich haben der Landkreis und die P. auch die gleichen Software-Programme bei der Beigeladenen bestellt. Gegen den Verdacht, dass der Auftraggeber und die P. von einer zunächst beabsichtigten gemeinsamen Vergabe nur im Hinblick auf die Vermeidung einer europaweiten Ausschreibung Abstand nahmen, spricht jedoch die Anhörung des beim Auftraggeber für die Vorbereitung der Auftragsvergabe zuständigen Mitarbeiters K.. Herr K. hat erklärt, dass von vornherein nur eine getrennte Auftragsvergabe in Frage gekommen sei, weil die jeweiligen Entscheidungsgremien des Landkreises und der P. Wert auf eine autonome Beschlussfassung gelegt hätten. Man habe zwar mit dem Mitarbeiterteam der P. darüber gesprochen, dass die Beschaffung gleicher Programme vorteilhaft wäre. Es habe aber keineswegs zwangsläufig ein identisches Programm beschafft werden müssen, da ein Datenaustausch auch mit Programmen verschiedener Hersteller möglich sei. Soweit Kostenangebote den Bedarf sowohl des Landkreises als auch der P. erfassten, beruhe dies wahrscheinlich darauf, dass es auf Mitarbeiterebene des Landkreises entsprechende telefonische Anfragen gegeben habe. Jedenfalls sei eine gemeinsame Auftragsvergabe von Anfang an nicht beabsichtigt gewesen. Für diese Angaben spricht, dass schon der Vergabevermerk vom 8. März 2006 die Aussage enthält, die P. treffe ihre Vergabeentscheidung in eigener Zuständigkeit. Zudem hat der Geschäftsführer der Antragstellerin bestätigt, dass es seitens der Antragstellerin kein offizielles Angebot, sondern nur eine Kostenmitteilung aufgrund telefonischer Anfrage gegeben habe. Bei einer Würdigung der gesamten Umstände kann sich der Senat nicht die notwendige Überzeugung bilden, dass der Auftraggeber und die P. von einer zunächst beabsichtigten gemeinsamen Auftragsvergabe nur im Hinblick auf die Unterschreitung des Schwellenwerts Abstand genommen haben.

2. Die Antragstellerin hat auch mit ihrem Hilfsantrag, den Beschluss der Vergabekammer hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben, keinen Erfolg.

Es kann offen bleiben, ob bei der Kostenverteilung im Verfahren vor der Vergabekammer ein Verschulden der Vergabestelle, das zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens geführt hat, zu berücksichtigen ist. Jedenfalls ist im Streitfall nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin, wie sie vorträgt, durch die unzureichende Dokumentation der Schätzung des Auftragswertes zur Stellung des Nachprüfungsantrags veranlasst wurde. Nach dem Inhalt der Akten war der Antragstellerin im Zeitpunkt des Nachprüfungsantrags den Vermerk des Auftraggebers über die Schätzung des Auftragswertes gar nicht bekannt. Eine andere Feststellung lässt sich auch nicht aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin treffen.

3. Auch der weitere, die Gebührenentscheidung der Vergabekammer betreffende Hilfsantrag ist unbegründet.

Die Vergabekammer ist bei der Bestimmung der Angebotssumme zutreffend vom Angebot der Antragstellerin ausgegangen, weil das Interesse der Antragstellerin, ihre Zuschlagschance zu wahren, maßgeblich ist. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht, die getrennte Auftragsvergabe des Auftraggebers und der P. sei zur Umgehung einer europaweiten Ausschreibung erfolgt. Im Hinblick auf dieses Vorbringen ist die Vergabekammer mit Recht davon ausgegangen, dass das Interesse der Antragstellerin darauf gerichtet gewesen ist, einen Zuschlag entsprechend ihrem Kostenangebot zu erhalten, das sowohl den Landkreis als auch die P. betrifft.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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