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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 13 Verg 9/07
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 25 Nr. 1
VOB/A § 25 Nr. 2
1) Scheidet ein Gesellschafter einer Bietergemeinschaft (GbR) nach Angebotsabgabe wegen Insolvenz aus, ist die Bietergemeinschaft nicht allein deshalb zwingend auszuschließen. Der Auftraggeber hat dann allerdings erneut die Eignung der Bietergemeinschaft zu prüfen.

2) Auch wenn die Leistungsbeschreibung dem Bieter überlässt, wie er den Bau im Einzelnen ausführt, ist ein Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A zwingend auszuschließen, das hier nachträglich Änderungen vornimmt, die Einfluss auf die Wertung haben.

3) Zur Auslegung eines Angebots


13 Verg 9/07

Verkündet am 5. September 2007

Beschluss

In der Vergabesache

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., den Richter am Oberlandesgericht W. und die Richterin am Landgericht B. beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 12. Juni 2007 - VgK 23/ 2007 - insoweit aufgehoben, als der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen worden ist.

Der Auftraggeberin wird aufgegeben, das Angebot der Beigeladenen vom Vergabeverfahren auszuschließen und das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Auffassung des Senats neu zu werten.

Die Anschlussbeschwerde der Beigeladenen wird zurückgewiesen.

Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer als Gesamtschuldner zu tragen. Die dort entstandenen Auslagen der Antragstellerin tragen sie je zur Hälfte. Rechtsanwälte hinzuzuziehen, war notwendig.

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren - einschließlich der durch das Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB entstandenen Mehrkosten - haben die Auftraggeberin zu 1/4 und die Beigeladene zu 3/4 zu tragen.

Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 24.460.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin ist Bieterin im nicht offenen Vergabeverfahren für die Herstellung der wasserseitigen Infrastruktur des ContainerTiefwasserhafens J.W.P., W., BauLos 1: Herstellung eines Tiefwasserhafens mit zugehöriger Terminal und Hinterlandfläche für einen Containerterminal sowie Verlegung der bestehenden Fahrrinne. Das Projekt "J.W.P." wird als gemeinsames Projekt der Bundesländer Niedersachsen und Bremen durchgeführt; beide Bundesländer haben zur Umsetzung des Projektes die Auftraggeberin gegründet, an der das Land Niedersachsen unmittelbar als Gesellschafterin beteiligt ist, während der Anteil des Landes Bremen durch die bremische Gesellschaft B.P. GmbH & Co. KG gehalten wird.

Die Antragstellerin, eine Bietergemeinschaft, verblieb als Einzige neben der Beigeladenen im Wettbewerb, nachdem beide aufgrund eines im Jahr 2005 von der Antragsgegnerin durchgeführten Teilnahmewettbewerbs ausgewählt und zur Abgabe eines Angebots für den zu errichtenden TiefwasserHafen aufgefordert worden waren. Ursprünglich waren fünf Bieter im nicht offenen Verfahren zur Angebotsabgabe aufgefordert worden.

Die Submission erfolgte am 4. Mai 2006. Die Antragstellerin reichte neben ihrem Hauptangebot, das auf 498.881.113,73 EUR lautete, 65 Nebenangebote, einen Sondervorschlag und 88 Kombinationen ein, die Beigeladene bot neben ihrem Hauptangebot, das auf 491.718.299,63 EUR lautete, 4 Sondervorschläge und 224 Nebenangebote an.

Nach den Verdingungsunterlagen sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien Preis (50 %), Qualität (15 %), Konstruktion (15 %) sowie einiger weiterer Kriterien entfallen.

Nachdem die Antragstellerin ihr Angebot abgegeben hatte, wurde - auf Eigenantrag vom 3. August 2006 - über das Vermögen eines ihrer Mitglieder, der Firma M. O. GmbH & Co. KG (künftig nur: O. KG), am 1. September 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Antragstellerin hatte bereits zuvor telefonisch die Auftraggeberin hierüber unterrichtet. Mit Schreiben vom 7. September 2006 bestätigte der inzwischen gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter die Fortführung der Schuldnerin durch ihn und deren weitere Zugehörigkeit zur Bietergemeinschaft. Ausdrücklich schloss er auch die Bereitstellung der für die Ausführung der Baumaßnahme vorgesehenen Geräte und des Personals ein.

Die Antragstellerin überreichte auf Anforderung der Auftraggeberin eine Kopie ihres Bieter/Dach-Arbeitsgemeinschaftsvertrags, Fassung 2005, in dem unter § 23.41 die Möglichkeit eines Ausschlusses des insolvent gewordenen Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss und in § 24.1 die Fortsetzung der Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters geregelt ist. Auf Nachfrage der Auftraggeberin nach dem Originalvertrag verwies die Antragstellerin diese auf die Möglichkeit einer Einsichtnahme.

Die Antragstellerin bot neben ihrem Hauptangebot u. a. einen "Sondervorschlag 4 Ankerlagen" an, in dem das Kajenbauwerk mit einer vierlagig horizontal verankerten Kajenwand ausgeführt wird. In diesem Sondervorschlag verminderte sich die Angebotssumme um rund 41 Mio. auf 389 Mio. netto. Zur Beurteilung der Gleichwertigkeit des Sondervorschlags holte die Auftraggeberin diverse Stellungnahmen von Fachingenieuren ein. Trotz deren überwiegend positiver Beurteilung schloss die Auftraggeberin den Sondervorschlag als nicht gleichwertig aus der Wertung aus.

In der Baubeschreibung zu Ziffer 10.4.5 verlangte die Auftraggeberin von den Bietern ein Ausführungskonzept zum sog. "Polderschluss", der qualifizierten Verschließung einer Lücke im Seitendamm, durch die der tidebedingte Wasseraustausch erfolgt. Zugleich erörterte die Auftraggeberin in der Baubeschreibung ein mögliches Konzept, das Bauausführung, Material und Örtlichkeit eines Polderschlusses vorschlug. Die Beigeladene teilte in ihrem Angebot mit, dass sie von dem in der Ausschreibung vorgeschlagenen Ablauf und Entwurf ausgehe. In ihrem "Ausführungskonzept Polderschluss" wies sie darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Dämme die Rammarbeiten der Kajenhauptwand erst zu 50 % abgeschlossen seien und deswegen mit Erschwernissen durch tidebedingten Wasseraustausch zum Zeitpunkt des Polderschlusses gemäß Ausschreibung nicht zu rechnen sei, so dass keine Sondermaßnahmen erforderlich seien.

Die Auftraggeberin wertete schließlich das Nebenangebot 0003 der Beigeladenen in Höhe von 408.022.405,89 EUR (netto) als das wirtschaftlichste Angebot, in dem diese eine Rohrspundwand als Kajenhauptwand anbot, die mit deutlich größeren und längeren Schrägpfählen (im HZ-Profil) verankert war. Zugleich schloss die Auftraggeberin die Antragstellerin von der Wertung aus mit der Begründung, durch die Insolvenz ihres Mitglieds O. KG habe sich ihre Zusammensetzung und damit auch ihr Angebot geändert. Ohne den Ausschluss wäre das Nebenangebot K79.4 der Antragstellerin als deren wirtschaftlichstes Angebot mit einer Differenz von knapp 3 Millionen EUR hinter dem wirtschaftlichsten Angebot der Beigeladenen zurückgeblieben. Mit Schreiben vom 26. April 2007 erteilte die Antragsgegnerin die entsprechende Bieterinformation gem. § 13 VgV.

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2007 leitete die Antragstellerin daraufhin ein Nachprüfungsverfahren - zum Vergabekammeraktenzeichen VgK - 23/2007 ein.

Dort hat die Antragstellerin beantragt,

1. der Antragsgegnerin zu untersagen, in dem Vergabeverfahren "Container-Tiefwasserhafen J.W.P. - Herstellung der wasserseitigen Infrastruktur (BauLos 1)" den Zuschlag an die Bietergemeinschaft Hoch-Tief/B. /B. /H. /F. /R. zu erteilen;

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Bietergemeinschaft Hoch-Tief/ B. /B. /H. /F. /R. mit ihrem Angebot aus der Wertung auszuschließen;

3. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebotswertung anhand der Vergabeakten mit Stand 15. März 2007 zu wiederholen und abzuschließen,

4. hilfsweise, das Vergabeverfahren aufzuheben;

5. der Antragsgegnerin aufzugeben, den Geschäftsführer J. H. nicht mehr mit dem Vergabeverfahren zu befassen und sicher zu stellen, dass jede Information an, jede Einflussnahme von und jegliche Mitwirkung des Herrn H. bei dem Verfahren unterbleiben;

6. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

7. die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Auftraggeberin und der Beigeladenen nicht für notwendig zu erklären;

8. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Auftraggeberin hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung des Rechtsanwalts auf Seiten der Auftraggeberin für notwendig zu erklären.

Die Beigeladene hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 12. Juni 2007 festgestellt, dass die Auftraggeberin die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt habe, soweit sie sie im Zusammenhang mit der Insolvenz ihres Mitglieds, der M. O. KG GmbH & Co. KG i. I., aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen habe, ohne zuvor die Frage einer fortbestehenden Eignung geprüft zu haben. Außerdem hat die Vergabekammer unter Zurückweisung des weitergehenden Nachprüfungsantrages der Antragstellerin die Auftraggeberin verpflichtet, bei der erneuten Angebotsbewertung, genauer bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Angebotes aufzuklären und zu prüfen, ob auf der Grundlage des Polderschlusskonzeptes der Beigeladenen mit der Kajenhinterfüllung zusätzliche Kosten entstehen würden. Die Vergabekammer hat zur Begründung ausgeführt, dass zwar der insolvent gewordene Mitgesellschafter O. KG aus der Bietergemeinschaft der Antragstellerin ausgeschieden sei; dies führe jedoch nicht zu deren zwingenden Ausschluss. Vielmehr habe die Auftraggeberin die Eignung der Antragstellerin erneut zu überprüfen und dabei zu bedenken, dass weder der quantitative, noch der qualitative Anteil der insolventen O. KG an der Aufgabenverteilung innerhalb der Bietergemeinschaft für den Zuschlagsfall derartig gewichtig sei, dass eine Übernahme der für die O. KG geplanten Leistungen durch die übrigen vier Mitgliedsunternehmen der Antragstellerin von vornherein aussichtslos erscheine.

Zum Polderschluss hat die Vergabekammer ausgeführt, dass das Angebot vollständig und im Hinblick auf den erläuterten Verbindungsdamm widerspruchsfrei sei. Allerdings gebe es noch weiteren Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Auffüllung der Terminalfläche sowie zur Frage, ob die Kajenwand die besonderen statischen Anforderungen durch den späten Kajenschluss erfülle.

Der Sondervorschlag der Antragstellerin sei ermessensfehlerfrei ausgeschlossen worden. Die Wertung des Nebenangebots NA 0003 der Beigeladenen sei nicht zu beanstanden. Auch die weiteren Rügen seien unbegründet.

Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre Rügen weiterverfolgt.

Mit ihrer Anschlussbeschwerde möchte die Beigeladene vor allem erreichen, dass die Antragstellerin wegen der Insolvenz ihres Mitgesellschafters O. KG ausgeschlossen wird.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer beim niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 12. Juni 2007 - VgK 23/ 2007 - aufzuheben und

1. der Antragsgegnerin aufzugeben, das Angebot der Beigeladenen vom Vergabeverfahren auszuschließen,

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.

Die Auftraggeberin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Auch die Beigeladene beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussbeschwerde beantragt die Beigeladenen darüber hinaus, den Beschluss der Vergabekammer beim niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 12. Juni 2007 - VgK 23/ 2007 - abzuändern und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Anschlussbeschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.

B.

Die unselbstständige Anschlussbeschwerde der Beigeladenen ist zulässig (I.). Sie ist jedoch unbegründet, weil die Insolvenz eines Mitgliedsgesellschafters der Antragstellerin nicht zum zwingenden Ausschluss der Antragstellerin führt, wie die Vergabekammer zutreffend entschieden hat (II.).

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hingegen hat auch in der Sache Erfolg. Das Angebot der Beigeladenen ist zwingend auszuschließen, weil es unzulässig abgeändert worden ist. Insoweit war die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und der Auftraggeberin aufzugeben, das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Auffassung des Senats neu zu werten (III.).

I.

Die Anschlussbeschwerde der Beigeladenen ist zulässig.

Die Statthaftigkeit der - im GWB nicht geregelten - unselbstständigen Anschlussbeschwerde ist im Grundsatz in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unumstritten, und zwar auch im Verhältnis von beigeladener Partei und Hauptpartei (vgl. OLG Jena Beschluss vom 2. August 2000 - 6 Verg 4/00 u. 5/00 BauR 2000, 1629; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Mai 2000 - 11 Verg 1/99 - NZBau 2001, 101, 106; siehe auch Jaeger, NZBau 2001, 366, 368; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2003 - 13 Verg 22/03). Zwar bestehen Ansprüche der Bieter auf Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen nur gegen den öffentlichen Auftraggeber, niemals aber gegen andere am Auftrag interessierte Unternehmen (Gröning in Beck'scher VOBKomm., 2001, § 116 GWB Rn. 18). Entscheidend ist jedoch bei der Frage der Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde nicht die Anspruchsbeziehung der Verfahrensbeteiligten untereinander, sondern vielmehr die Frage, ob sie gegenläufige Rechtsschutzziele verfolgen (OLG Jena Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 6 Verg 4/01, VergR 2002, 256, 257). Dies ist hier im Verhältnis von Beigeladener und Antragstellerin der Fall.

Die Beigeladene hat die Anschlussbeschwerde innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung der sofortigen Beschwerde an sie und damit rechtzeitig eingelegt.

II.

Die Anschlussbeschwerde ist jedoch unbegründet. Weder führt die Insolvenz ihres Gesellschafters O. KG zum zwingenden Ausschluss der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A (1.), noch ist sie aus anderen Gründen auszuschließen (2.). Auch ist eine Vorlage an den BGH im vorliegenden Fall nicht geboten, weil die tragenden Gründe dieser Entscheidung nicht von einem Rechtssatz eines anderen Oberlandesgerichts abweichen (3.).

1. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A zwingend von der Wertung auszuschließen.

a) Durch die Insolvenz ihres Mitgliedes O. KG hat sich allerdings ihr Mitgliedsbestand verändert.

Für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters sieht § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB zwar die Auflösung der Gesellschaft vor; dass diese Regelung unter dem Vorbehalt einer vertraglichen Fortsetzungsklausel steht, ergibt sich jedoch bereits aus § 736 Abs. 1 BGB, der ausdrücklich die Möglichkeit voraussetzt, die Gesellschaft fortzusetzen. Der Gesellschaftsvertrag der Antragstellerin enthält in § 24.1 eine entsprechende Regelung.

Wird die Gesellschaft fortgesetzt, scheidet indes nach § 736 Abs. 1 BGB deren insolvent gewordener Gesellschafter aus. Rechtssprechung und Literatur halten es ganz überwiegend für zwingend, den insolventen Gesellschafter aus der fortgesetzten Gesellschaft auszuschließen. Der Gläubigerschutz gebiete es, seine Mitgliedschaft in der werbenden Gesellschaft zu beenden, um auf diese Weise eine Liquidation seiner Beteiligung zu ermöglichen (Ulmer, MüKo BGB, 4. Aufl., § 728 Rz. 31; Habermeier in Staudinger, BGB, 13. Bearb. § 728 Rz. 4). Ausnahmsweise soll der insolvente Gesellschafter in der Gesellschaft verbleiben können, wenn der Insolvenzverwalter die Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft freigibt (Habermeier in Staudinger, a. a. O., m. w. N.). Hintergrund dieser Ausnahme ist, dass nach der Freigabe des Anteils (z.B. aufgrund einer Ablösezahlung der Mitgesellschafter) die Gläubigerinteressen des insolvent gewordenen Teilhabers nicht mehr tangiert sind. Der Insolvenzverwalter der O. KG hat jedoch den Gesellschaftsanteil an der Antragstellerin gerade nicht aus der Masse freigegeben.

Auch § 23.41 des Gesellschaftsvertrages erlaubt es nicht, die insolvente O. KG in der Gesellschaft zu belassen. Denn diese Bestimmung genügt nicht den zwingenden Anforderungen an den Gläubigerschutz, wie sie sich aus §§ 728 Abs. 2 S. 1, 736 Abs. 1 BGB ergeben. Nach § 23.41 kann ein insolventer Gesellschafter aus der Bietergemeinschaft durch Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen werden. Allein die verbliebenen Gesellschafter entscheiden also darüber, ob dessen Gläubiger auf seinen Anteil zugreifen können. Beschließen sie seinen Ausschluss nicht, scheidet eine Liquidation der Gesellschaft aus. Dem Insolvenzverwalter ist es unmöglich, den Gesellschaftsanteil für die Masse zu verwerten. Er bleibt im Gegenteil Mitglied der Gesellschaft mit allen damit verbundenen Folgen, insbesondere auch Haftungsrisiken. Kündigen kann er nur unter den für alle Gesellschafter geltenden Kündigungsvoraussetzungen. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass es den Gläubigerinteressen durchaus auch dienlich sein kann, wenn an die Stelle einer bloßen Verwertung des Anteilswertes eine weitere Beteiligung an einer - erfolgreich - fortgesetzten Bietergemeinschaft tritt. § 23.41 des Gesellschaftsvertrages sieht aber nicht vor, dass die Gesellschaft mit dem insolventen Gesellschafter fortgesetzt wird, wenn die übrigen Gesellschafter dies beschließen und der Insolvenzverwalter zustimmt (davon geht aber anscheinend das von der Antragstellerin vorgelegte Privatgutachten Prof. Dr. H.P. W. aus). § 23.41 des Gesellschaftsvertrages bestimmt vielmehr, dass im Regelfall die Gesellschaft mit dem insolventen Mitglied ohne weiteres fortgesetzt wird, und stellt den Ausschluss einseitig in das Belieben der übrigen Gesellschafter.

b) Dass sich die Bietergemeinschaft der Antragstellerin in der Zusammensetzung geändert hat, zwingt jedoch nicht dazu, sie nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A auszuschließen.

Nach dieser Bestimmung ist ein Angebot zwingend auszuschließen, das bei der Eröffnung nicht vorgelegen hat, etwa weil sich das eröffnete Angebot durch nachträgliche Umstände verändert hat. Hierzu gehören grundsätzlich auch Änderungen in der Person des Bieters. So besteht innerhalb der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass die rechtliche Identität des Bieters zwischen Submissionstermin und Zuschlagserteilung nicht verändert werden darf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 2005 VII Verg 28/05; Beschluss vom 18. Oktober 2006 VII Verg 30/06).

Indessen führt nicht jede Änderung in der Person des Bieters, die nicht auch ihre Identität berührt, zur Änderung des Angebots und damit zum zwingenden Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A. Ändert sich insbesondere die Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft, ändert sich damit entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht automatisch auch das Angebot. Spätestens seit der Entscheidung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der (Außen)GbR steht fest, dass eine Bietergemeinschaft, die ja eine GbR ist, als Teilnehmerin am Rechtsverkehr selbst Trägerin von Rechten und Pflichten und in diesem Rahmen (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig ist (BGH Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - NJW 2001, 1056 ff.). Mit ihrer Teilnahme am Wettbewerb um die streitgegenständliche Auftragsvergabe stellt sich die Antragstellerin danach als teilrechtsfähiges Zuordnungsobjekt der vergaberechtlichen (und u. U. künftigen werkvertraglichen) Rechtsbeziehungen mit der Auftraggeberin dar mit der zwangsläufigen Folge, dass ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl. BGH a. a. O., 1057).

Die Besonderheiten des Vergaberechts gebieten es nicht, Bietergemeinschaften in Vergabeverfahren abweichend zu behandeln.

Um ein faires und transparentes Vergabeverfahren zu gewährleisten, sind Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist an ihr Angebot gebunden und dürfen dementsprechend ihr Angebot danach nicht mehr ändern. Scheidet ein insolventer Gesellschafter aus der Bietergemeinschaft aus, ändert sich dadurch - wie ausgeführt - die Identität des Bieters nicht. Was sich möglicherweise ändert, sind Umstände, die für die Beurteilung der Eignung des - in seiner Identität unveränderten - Bieters von Bedeutung sind. Könnten solche neuen Umstände eingeführt werden, die sich positiv auf seine Stellung im Wettbewerb auswirken, wären Manipulationen zu befürchten. Hier gilt indessen für Bietergemeinschaften dasselbe wie für andere gesellschaftsrechtlich organisierte Bieter auch: Wird beispielsweise ein unzuverlässiger Gesellschafter, der die Eignung des Bieters in Frage stellen könnte, nachträglich ausgetauscht, so darf die Vergabestelle dies nicht mehr berücksichtigen, um nicht gegen den Grundsatz des fairen Wettbewerbs zu verstoßen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die die Eignung des Bieters in Frage stellen. In einem solchen Fall kann und muss die Vergabestelle erneut in die Eignungsprüfung eintreten und ggf. einen ungeeignet gewordenen Bieter nachträglich ausschließen. Dies ist für den - hier vorliegenden - Fall eines vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs in § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A sogar ausdrücklich vorgesehen. Die Vergabestelle kann nicht gezwungen sein, sehenden Auges einen ungeeigneten Bieter zu beauftragen. Konkurrierende Bieter können dadurch nie benachteiligt werden, weil es für sie nur vorteilhaft sein kann, wenn ein nachträglich ungeeignet gewordener Konkurrent ausgeschlossen wird.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beigeladene nochmals den Umstand angesprochen, dass sich Bietergemeinschaften im Vergabeverfahren von sonstigen Gesellschaften, insbesondere auch der OHG, dadurch unterscheiden, dass sie nicht wie diese dauerhaft eigene Organisationsstrukturen sowie eigenes Haftungskapital bilden. Zwar steigt dementsprechend die Bedeutung des einzelnen Gesellschafters. Damit lässt es sich aber nicht rechtfertigen, eine Bietergemeinschaft automatisch auszuschließen, wenn eines ihrer Mitglieder nach Angebotsabgabe insolvent wird und ausscheidet. Dem Wettbewerbsprinzip des § 97 Abs. 1 GWB entspricht es eher, die Zahl der Wettbewerber nicht vorschnell auf diese Weise zu reduzieren. Berücksichtigen lassen sich derartige Umstände sachgerechter in einer nachträglichen Eignungsprüfung im jeweiligen Einzelfall.

Schließlich würde es auch einen nicht hinnehmbaren Widerspruch bedeuten, dass die Insolvenz eines Einzelbieters lediglich zu einer erneuten Eignungsprüfung Anlass gibt, während die Insolvenz eines Mitgliedes einer Bietergemeinschaft - infolge eines zwingenden Ausscheidens des Gesellschafters aus der Bietergemeinschaft - stets und ohne Rücksicht auf den Einzelfall den zwingenden Ausschluss der Bietergemeinschaft zur Folge hätte. Die Möglichkeit für mittelständische Unternehmen, sich erfolgreich an Ausschreibungen öffentlicher Bauleistungen zu beteiligen (vgl. § 97 Abs. 3 GWB), würde in ungerechtfertigter Weise wesentlich eingeschränkt. Für Bauprojekte wie das vorliegende bestünde die Gefahr, dass sich nur noch ganz wenige Großunternehmen mit Aussicht auf Erfolg bewerben könnten. Das Ziel eines möglichst breit angelegten Wettbewerbs würde erheblich erschwert.

Auch die Tatsache, dass Bietergemeinschaften nach einhelliger Meinung nur bis zur Angebotsabgabe gebildet werden und als solche ein Angebot abgeben können, kann als Begründung für einen zwingenden Ausschluss nicht herhalten (so aber OLG Düsseldorf Beschluss vom 26. Januar 2005 - VII . 45/04). Wird eine Bietergemeinschaft erst nachträglich gebildet, ändert sich damit notwendigerweise die Identität des Bieters, der deshalb zwingend auszuschließen ist.

2. Die Antragstellerin ist auch nicht aus anderen Gründen von der Wertung auszuschließen.

Soweit die Auftraggeberin - wie die Vergabekammer es ihr aufgegeben hat -nachträglich erneut geprüft hat, ob die Antragstellerin durch die Insolvenz der O. KG ungeeignet geworden, ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Der Senat hat aufgrund der Anschlussbeschwerde nur zu überprüfen,

ob die Auftraggeberin die Antragstellerin von vornherein hätte ausschließen müssen. Das ist nicht der Fall.

a) Die Auftraggeberin musste die Antragstellerin nicht deshalb ausschließen, weil diese infolge der Insolvenz die im Teilnahmewettbewerb aufgestellten Mindestbedingungen nicht mehr einhält. Dort hat die Auftraggeberin unter III.2.1.1 (Rechtslage - Geforderte Nachweise) zwar Erklärungen der Bieter dazu gefordert, dass sie sich nicht in Liquidation befänden und gegen sie kein Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei. Ob diese geforderten Erklärungen sich außer auf den Bieter selbst auch auf dessen Gesellschafter beziehen, kann dahin stehen. Jedenfalls stellt der Inhalt der abgeforderten Erklärung keine Mindestbedingung dar, mit der die Auftraggeberin sich gebunden hätte. Eine Mindestbedingung dahin, dass der Bieter weder insolvent noch liquidiert wird, kann der Senat den Ausschreibungsunterlagen zum Teilnahmewettbewerb schon deshalb nicht entnehmen, weil die Erklärungen lediglich zur "Rechtslage" abgefordert wurden, und damit erkennbar nur als Informationsgrundlage für eine Eignungsprüfung dienen sollten. Dafür spricht im Übrigen, dass es sich bei den geforderten Erklärungen und Nachweisen ausdrücklich nur um "Bedingungen für die Teilnahme" handelt, was nicht bedeutet, dass deren Inhalt zugleich Bedingung für die Vergabe sein soll.

b) Die Antragstellerin ist auch nicht wegen fehlender Mitwirkung bzw. wegen Unzuverlässigkeit gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 i. V. m. § 8 Nr. 5 c) VOB/A von der Wertung auszuschließen.

Die Beigeladene stellt dazu den Vorwurf in den Raum, die Antragstellerin habe einen rückdatierten Gesellschaftsvertrag eingereicht und sich geweigert, den Originalvertrag vorzulegen, um ihre Manipulationen zu verschleiern. Ein solcher Ausschluss lässt sich aber nicht im Ansatz rechtfertigen. Es ist unstreitig, dass der Antragstellerin kein Grund dafür genannt wurde, warum sie den Original-Bietergemeinschafts-Vertrag vorlegen sollte. Insbesondere ist ihr der Verdacht der Auftraggeberin von einer Rückdatierung nicht mitgeteilt worden. Der Antragstellerin konnte diese Aufforderung daher willkürlich erscheinen. Es war deshalb jedenfalls ausreichend, wenn sie anbot, Einsicht in den Originalvertrag zu gewähren. Die Grundlage, auf der sich der Verdacht einer Rückdatierung aufbaut, ist schmal und besteht lediglich aus Rückschlüssen, die weder zwingend sind noch auch nur nahe liegen. Der Rückschluss, dass die Bietergemeinschaft die den § 736 Abs. 1 BGB abbedingende Regelung der fortbestehenden Mitgliedschaft eines insolvent werdenden Mitgliedes in Ziff. 23.41 des BG-Vertrages erst nachträglich aufgenommen haben müsse, weil erst der Rechtsanwalt Dr. W. aus dem Rechtsanwaltsbüro A. & V. in B. eine solche Möglichkeit unter Verkennung der Rechtslage in seinem Gutachten von August 2006 dokumentiert habe, ist zwar theoretisch möglich, jedoch nicht die einzige denkbare oder auch nur nahe liegende Erklärungsmöglichkeit für die Entstehung dieser Vertragsklausel. Zum einen hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin sich dazu bekannt, diese Regelung - bereits früher - entworfen zu haben. Zum anderen ist es durchaus denkbar, dass dem das Gutachten verfassende Dr. W. die im Bietergemeinschaftsvertrag gewählte Vertragsgestaltung bereits - woher auch immer - bekannt war, bevor er das Gutachten fertig stellte, und er diese Vertragskonstellation für eine gangbare Möglichkeit hielt.

3. Die Sache ist nicht dem BGH gem. § 124 Abs. 2 S. 1 GWB vorzulegen. Der Senat setzt sich nicht in Widerspruch zu tragenden Gründen der Entscheidung anderer Oberlandesgerichte.

Zwar hat das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 26. Januar 2005 - VII - Verg 45/04 - die Ansicht vertreten, Änderungen in der Zusammensetzung der Bietergemeinschaft führten stets zum zwingenden Ausschluss, weil sich das Angebot ändere. Diese Ansicht hat das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 24. Mai 2005 - VII - Verg 28/05 - wiederholt. Bei der zuerst genannten Entscheidung kam es jedoch hierauf nicht an, weil lediglich ein (unselbstständiger ) Teilbetrieb eines Mitgliedsgesellschafters im kritischen Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Zuschlagserteilung veräußert wurde, so dass sich die Zusammensetzung der Bietergemeinschaft nicht änderte. Ein lediglich als obiter dictum vertretener Rechtssatz zwingt jedoch nicht zur Vorlage. Der späteren Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde: Hier änderte sich durch das Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern einer Bietergemeinschaft die Identität des Bieters, weil dadurch die Gesellschaft endete und aus der Bietergemeinschaft ein Einzelbieter wurde.

Das OLG Hamburg hat in seinem Beschluss vom 2. Oktober 2002 - 1 Verg 1/00 - die Antragsbefugnis der das Nachprüfungsverfahren einleitenden Bietergemeinschaft zwar mit der Begründung versagt, ihr Angebot habe keine konkreten Aussichten auf den Zuschlag gehabt, weil zwischenzeitlich zwei Unternehmen aus der Bietergemeinschaft ausgeschieden seien. Die Entscheidung setzt sich aber nicht mit der Frage auseinander, ob das Angebot wegen der Änderung der Zusammensetzung an sich oder deshalb auszuschließen gewesen wäre, weil infolge des Ausscheidens zweier Gesellschafter die Bietergemeinschaft nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den Auftrag auszuführen, also ungeeignet gewesen wäre. Immerhin führt die Entscheidung aus, dass es nicht darauf ankomme, wie die Erklärungen der ausgeschiedenen Partner gesellschaftsrechtlich einzuordnen seien; entscheidend sei, dass die Bietergemeinschaft faktisch nicht mehr aus vier Partnern bestanden habe und eine Kompensation durch die nachträgliche Einbeziehung von Subunternehmern nicht in Betracht gekommen sei. Das spricht für einen Ausschluss wegen fehlender Eignung. Dem entspricht es, dass die Entscheidung unbeanstandet lässt, dass schon früher ein Gesellschafter infolge Insolvenz ausgeschieden war, wodurch sich die Zahl der Gesellschafter von fünf auf vier verringert hatte.

III.

Sofortige Beschwerde

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht und rechtzeitig eingelegt (§§ 116, 117 GWB).

2. Sie ist auch begründet.

Das Angebot der Beigeladenen ist von der Wertung gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A i. V. m. § 24 Abs. 3 VOB/A auszuschließen.

Das Angebot der Beigeladenen, wie sie es gewertet haben möchte (a), stimmt nicht mit dem Angebot überein, das eröffnet worden ist (b). Es ist hinsichtlich des Verbindungsdammes im Zuge der Aufklärungsgespräche abgeändert worden, ohne dass dies nach § 24 Abs. 1 bzw. Abs. 3 VOB/A zulässig gewesen wäre (c).

a) Aufgrund mehrerer Aufklärungsgespräche durch die Vergabestelle sowie nochmaliger Aufklärung vor der Vergabekammer und schließlich auf Nachfrage des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung steht fest, dass die Beigeladene ihr Angebot so verstanden wissen und ausführen will, dass darin ein Verbindungsdamm zwischen den Seitendämmen enthalten ist: Zum Zeitpunkt der Polderschlüsse sei - so die Beigeladene - zwar die Kaje erst zu 50 % geschlossen; an deren Stelle begrenze jedoch ein Verbindungsdamm im Osten den herzustellenden Polder, indem der zuvor hergestellte Unterwasserdamm im Osten, etwa 400 m vor der Kajenwand, in der Bauphase 4/5 aufgehöht und dadurch der vollständige Abschluss des Hafengrodens vom Meer bewirkt werde. Nach Fertigstellung dieses Verbindungsdammes werde der Polder im Norddamm verschlossen, wie es auf der Grundlage des Ausschreibungsentwurfs angeboten worden sei.

b) Ein solches Hauptangebot (sowie die entsprechenden Nebenangebote) hat jedoch nicht bei Angebotseröffnung vorgelegen.

Welchen Inhalt ein eingereichtes Angebot hat, ist auch im Vergabeverfahren durch Auslegung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Maßstab ist dabei, welchen objektiven Erklärungswert das Angebot unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände aus der Sicht des Erklärungsempfängers hatte (Senatsbeschluss vom 7. Juni 2007 - 13 Verg 5/07 - ), wie also ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter, verständiger und sachkundiger Dritter in der Lage des Auftraggebers die Erklärung nach Treu und Glauben unter Beachtung der Verkehrssitte verstehen musste oder durfte (BayObLG Beschluss vom 20. August 2001 - Verg 11/01 - VergR 2002, 77).

Diesen Grundsätzen folgend hat die Auslegung des eröffneten Angebots der Beigeladenen zur Überzeugung des Senats ergeben, dass darin kein Verbindungsdamm enthalten ist, der die beiden Seitendämme über Wasser verbindet und damit die Fläche des Hafengrodens vom Meer abtrennt.

aa) Die Beigeladene hat in den "Angaben zur Bewertungsmatrix" auf S. 51 erläutert, die Grundidee des Aufspülkonzeptes bestehe darin, "neben dem erforderlichen Sandeinbau für das Aufhöhen der Seitendämme möglichst frühzeitig den Hafengroden zu umschließen, um auf diese Weise die Verluste beim Einbau von feinkörnigem Material zu minimieren. Die Herstellung der Dämme für die Grodenumschließung sowie der weitere Einbau von Sand im Terminalgebiet geschehen einerseits im Schutz der jeweils höher liegenden Seitendämme sowie andererseits im Schutz des Baufortschrittes der Spundwand."

Auf vergleichbare Weise hat die Beigeladene den Bauablauf auch im Bodenmanagementprogramm beschrieben (S. 2 des Bodenmanagementprogramms).

Mit der "frühzeitigen Umschließung des Hafengrodens" soll nach der Auffassung der Beigeladenen eindeutig die Herstellung des Verbindungsdammes beschrieben sein. Das ist indessen nicht der Fall, wie sich aus den weiteren Angaben im Bodenmanagement, dem Rahmenterminplan und insbesondere aus der Strömungsuntersuchung von A. ergibt:

Im Angebot der Beigeladenen ist einerseits von der Umringung des Hafengrodens die Rede, andererseits aber nur die Herstellung eines Unterwasserdammes im Osten des Hafengrodens ausdrücklich beschrieben, wie z. B. auf S. 4 des Bodenmanagementprogramms, S. 52 der Angaben zur Bewertungsmatrix, Nr. 320 des Rahmenterminplans. Auf S. 4 des Bodenmanagementprogramms ist sogar ausdrücklich nur von einer Umringung des Hafengrodens "bis zu einem Niveau von NN - 2 m" die Rede. Auf Seite 53 der Anlagen zur Bewertungsmatrix wird beschrieben, wie in Phase 5 damit begonnen werde, die umringte Fläche (des Hafengrodens) aufzufüllen, "nachdem in den vorstehenden Bauphasen die Umringung des Hafengrodens bis zu einem Niveau von ca. NN - 2 erfolgte".

Auch die im Bodenmanagementprogramm und in den Angaben zur Bewertungsmatrix in Bezug genommenen numerischen Strömungsberechnungen der Firma A. (Beeinflussung von Strömung und Morphologie durch den Bau des J.W.P.) widerlegen die Behauptung der Beigeladenen, dass mit der Umschließung des Hafengrodens die Herstellung eines auf NN +3 m erhöhten Verbindungsdammes gemeint war. Denn die genannte Strömungsuntersuchung durch Modellierung der geplanten Baumaßnahmen sieht in Ziff. 4 für die Bauphase 3 lediglich vor, dass "der Hafengroden mit Hilfe eines unter Wasser angelegten Sanddamms vom übrigen Gebiet abgetrennt" wird. Dieser Damm wird in der entsprechenden Abb. 1 mit einem Profil von 2,5 m Höhe bei einer Böschung von 1:10 und einer Kronenbreite von 10m beschrieben. In der Bauphase 4 werden die Sanddämme "rings um den Hafengroden ... gemäß dem Originalprofil wieder aufgebaut" (Ziff. 5.2.2), nachdem die in Bauphase 3 eingebauten Sanddämme erodiert waren (Ziff. 4.2.2 unter: Sanddämme). Als Ergebnis beider Modellversuche wird festgestellt, dass die Sanddämme in beiden Bauphasen erodieren und in Bauphase 4 die Dämme noch rd. 1 m an Höhe verlieren, das Material jedoch innerhalb der Bauwerksgrenzen verbleibt. Im Übrigen bestätigen auch die als Anlage der Strömungsuntersuchung beigefügten zeichnerischen Darstellungen der Bauphasen, auf die nach Erklärung der Beigeladenen im Bodenmanagementprogramm Bezug genommen sein soll, in Abbildung B5 und B6 für die Bauphase 3 sowie in der Abbildung C5 und C6 für die Bauphase 4, dass die beschriebenen, den Hafengroden umschließenden Sanddämme lediglich jeweils eine Höhe von ca. 2,5 m aufweisen und nur bis zu einer Höhe von etwa NN - 3,5 bis - 3 m (Abb. B5 und C5 für den Norddamm), bzw. ca. NN - 6 m (Abb. B6 und C6 für den Süddamm) reichen.

Die Erklärung der Beigeladenen im Termin, die Strömungsuntersuchung von A. beschreibe nur einen Zustand in früheren Bauphasen, überzeugt schon deshalb nicht, weil diese Strömungsuntersuchung die Zielsetzung hatte, Einbau und Erosionsverluste einschätzen zu können, die während der Flächenaufhöhung entstehen, sowie eine alternative Einteilung der Bauphasen zu erörtern, mit der sich die Verluste reduzieren lassen (Zusammenfassung Pagina ii), und dieser Zielsetzung die Modellierung der zwei Bauphasen 3 und 4 genügt haben, weil in diesen beiden Bauphasen eben die Verluste entscheidende Ausmaße haben (35 % in Bauphase 3 und noch 10 % in der Bauphase 4, Zusammenfassung Pagina ii). In diesen entscheidenden zwei Bauphasen ist aber nur von den den Hafengroden umschließenden Unterwasserdämmen ausgegangen worden. In der daran anschließenden Untersuchung (Ziff. 6) wird im weiteren davon ausgegangen, dass das gesamte Aufhöhungsgelände geschlossen ist, wobei in dem Hinweis unterhalb der Tabelle in Ziff. 8 - Schlussfolgerung - ausdrücklich als Bauwerksgrenzen die Steindämme im Norden und Süden und die Hauptspundwand im Osten des Geländes genannt werden.

Die in der Strömungsuntersuchung beschriebene Umschließung des Hafengrodens zur Verminderung des Feinsedimentaustrages steht danach in keinem Zusammenhang mit der Herstellung eines Verbindungsdammes zwischen den Seitendämmen, der einen Abschluss des Hafengrodens vom Meer bewirkt.

bb) Die gesamten Unterlagen der Beigeladenen zu ihrem Hauptangebot enthalten zudem an keiner einzigen Stelle einen Hinweis auf eine geplante Aufhöhung des Unterwasserdammes auf + 3 m NN, was immerhin eine Aufhöhung um ca. 5 m darstellen würde. Soweit die Beigeladene meint, mit der Bezeichnung:

" Hafengroden: Erstellen Damm an Ostseite"

in der schlagwortartigen Beschreibung der Baumaßnahmen in Bauphase 3 im Bodenmanagementprogramm (Seite 5) komme die Herstellung des Verbindungsdammes zum Ausdruck, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Diese Auffassung wird in der Zusammenschau der an mehreren Stellen des Angebots beschriebenen Baumaßnahmen in Bauphase 3 widerlegt, weil sich aus diesen Beschreibungen eindeutig ergibt, dass in Bauphase 3 lediglich der Unterwasserdamm hergestellt wird. Am deutlichsten wird dies im Vergleich der beschriebenen Baumaßnahmen in Bauphase 3 auf Seite 5 des Bodenmanagementprogramms einerseits und in der tabellarischen Auflistung, die als Anlage dem Bodenmanagementprogramm beigefügt ist, andererseits: In ersterem heißt es "Erstellen Damm an Ostseite", in letzterem heißt es "Erstellen UW-Damm Ostseite Groden". Außerdem beschreibt das Bodenmanagementprogramm in der Bauphase 3 auf S. 4 ausdrücklich nur die Herstellung eines Unterwasserdamms, der "bis zu einem Niveau von NN -2 m" eingebaut wird. Auch in Nr. 320 des Rahmenterminplans steht ausdrücklich, dass in Bauphase 3 lediglich ein Unterwasserdamm erstellt wird.

cc) Schließlich ist auch von einer Aufhöhung des Unterwasserdamms im Zuge der weiteren Flächenaufhöhung weder an einer Stelle des Bodenmanagementprogramms noch an anderer Stelle im Angebot der Beigeladenen die Rede. Dem Angebot lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass eine Aufhöhung des Ostdammes auf NN + 3 m etwa lediglich missverständlich als Flächenaufhöhung im Hafengroden oder im Terminalbereich benannt ist. Nach dem Bodenmanagementprogramm beginnt die Auffüllung des Terminals in der dritten Lage auf + 3 m im Teilabschnitt (e) erst in Bauphase 6 nur auf einer Länge von 600 m, während in Bauphase 7/8 zunächst der weitere Einbau der zweiten Lage im Terminalbereich (auf NN - 2 m) vorgetrieben wird mit einem "Nachziehen" der dritten Auffüllungslage bis ca. NN + 3 m. Die Flächenauffüllung in der dritten Lage auf der gesamten Ostlänge erfolgt daher erst, nachdem bereits in Bauphase 5 der endgültige Polderschluss auf dem Niveau von + 2 m erfolgt ist.

dd) Angesichts der Detailfülle, mit der die Beigeladene sowohl ihr Hauptangebot als auch ihre Nebenangebote versehen hat, wäre aber zu erwarten gewesen, dass sie eine Aufhöhung des Unterwasserdammes bzw. die Herstellung eines Verbindungsdammes beschreibt und in seiner technischen Durchführung erläutert. Immerhin ist ja - selbst nach ihrem eigenen Dafürhalten - eine Bauhilfsmaßnahme wie der Verbindungsdamm notwendig, um den Ausschreibungsentwurf schlüssig umzusetzen, solange die Kaje noch nicht verschlossen ist. Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene wie selbstverständlich bei anderen abweichenden Konzepten in Nebenangeboten, etwa in ihrem Nebenangebot 0004, 4004 oder 0544, eine technische Erläuterung bzw. eine Erläuterung der Bauausführung bzw. beides beigefügt hat. Dass sie dies trotz der konzeptionell zwingenden Erforderlichkeit eines Verbindungsdammes und ihrer in den Nebenangeboten gepflegten Übung, technische Besonderheiten zu erläutern, nicht getan hat, deutet ebenfalls darauf hin, dass der Verbindungsdamm bei Erstellung und Eröffnung des Angebotes nicht vorgesehen war.

Die Beigeladene hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Verbindungsdamm nur um eine Bauhilfsmaßnahme handele und sie sogar im Bodenmanagementprogramm ausdrücklich klargestellt habe, dass sich die Beschreibung der Bauphasen nur auf die "für die Flächenaufhöhung relevanten Hauptgewerke" beziehe (S. 2 des Bodenmanagementprogramms). Dies entkräftet jedoch die vorstehende Auslegungsweise nicht. So ist auch der Unterwasserdamm ebenfalls nur eine Bauhilfsmaßnahme und hat dennoch Eingang in das Bodenmanagementprogramm und den Rahmenterminplan gefunden. Letzterer ist, obwohl in der Tat nach der Baubeschreibung erst sechs Wochen nach Zuschlag ein präzisierter Rahmenterminplan vorzulegen gewesen wäre, bereits derartig präzise, dass er darin sogar die einzelnen Bauabschnitte wie etwa die einzelnen Sandeinbringungseinlagen - sogar nach Teilabschnitten - aufführt. Dieser Grad der Präzisierung spricht deshalb gerade dafür, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Rahmenterminplans tatsächlich geplante Baumaßnahmen auch darin dargestellt worden sind. Auch hieraus lässt sich daher der Schluss ziehen, dass ein Verbindungsdamm, wie ihn die Beigeladene nun beschrieben hat, zum Zeitpunkt der Erstellung des Rahmenterminplans nicht geplant gewesen ist.

Schließlich wäre auch schon wegen der weitreichenden konzeptionellen Bedeutung des Verbindungsdammes zu erwarten gewesen, dass die Beigeladene dessen Herstellung an irgendeiner Stelle in ihrem Angebot, sei es in den Angaben zur Bewertungsmatrix, sei es im Bodenmanagementprogramm, sei es im Ausführungskonzept Polderschluss oder auch im Rahmenterminplan, genannt hätte.

ee) Auch die (vorsichtige) Betrachtung des Inhalts einiger Nebenangebote lässt indizielle Rückschlüsse auf den Inhalt des Hauptangebotes zu.

So beinhaltet das Nebenangebot 0004 (sowie auch das Nebenangebot 4004 zum Sondervorschlag 4) die frühzeitige Herstellung des Süddamms und einen dadurch bedingten abgeänderten Bauablauf, in dem bereits in Bauphase 2 vorgesehen ist, mit der Umschließung des Hafengrodens zu beginnen. Aber auch hier ist jeweils beschrieben, dass die Umringung des Hafengrodens lediglich bis zum einem Niveau von ca. NN - 2 m erfolgt, bevor mit der Flächenauffüllung begonnen wird. Es sind sogar mit dem Nebenangebot 4004 Spülphasenpläne eingereicht worden, in denen die Herstellung des Unterwasserdamms im Osten in drei Phasen beschrieben wird und zwar nur bis NN - 2 m. Ein Verbindungsdamm - etwa vergleichbar mit dem, wie er in den nachträglich zum Hauptangebot eingereichten Spülphasenplänen 039 bis 040 eingezeichnet ist - ist darin nicht enthalten, obwohl in Bauphase 6 der erste Polderschluss erfolgt, ohne dass die Kaje geschlossen wäre, oder sonst eine Begrenzung des zu verschließenden Polders im Osten vorhanden wäre. Auch das Nebenangebot 0004 und 4004 konnten daher konzeptionell nicht ohne Verbindungsdamm auskommen, und dennoch ergibt sich zumindest aus den Spülphasenplänen zum NA 4004 eindeutig, dass ein solcher nicht geplant gewesen ist.

Demgegenüber bietet die Beigeladene in ihrem Nebenangebot 0544 ausdrücklich eine Aufhöhung des Sanddammes im Osten an und zwar in der Weise, "auf der Grundlage des Ausschreibungsentwurfes und des von uns vorgesehenen Bauablaufes, der für die Baustufen Polderschluss keine Verstärkung des Norddammes vorsieht, ..., die für den Polderschluss geplanten verstärkten Bereiche entfallen zu lassen und durch eine Norddammkonstruktion konform Regelquerschnitt zu ersetzen" (Begleitschreiben vom 3. Mai 2006 zum Nebenangebot 0554).

In diesem Nebenangebot erfolgt die zu erwartende technische Erläuterung der Aufhöhung des Sanddammes wie auch des in diesem Sanddamm erfolgenden Polderschlusses. Wäre ein Verbindungsdamm bereits im Hauptangebot vorgesehen, wäre es überflüssig zu beschreiben, wie der Sanddamm aufgehöht wird.

ff) Schließlich bestätigt die Beschreibung des Ausführungskonzeptes zum Polderschluss zwingend, dass ein Verbindungsdamm nicht angeboten worden ist. Darin stellt die Beigeladene einen Zusammenhang her zwischen dem Fehlen von Erschwernissen durch den tidebedingten Wasseraustausch zwischen Aufhöhungsfläche und Außenjade einerseits und der noch zu 50 % geöffneten Kaje andererseits. Die Beigeladene hat dies - in wörtlicher Übereinstimmung mit ihrer technischen Anleitung zum Nebenangebot 0544 - wie folgt erläutert:

"Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Dämme über MThw sind die Rammarbeiten der Hauptwand zu 50 % abgeschlossen. Daher sind Erschwernisse durch den tidebedingten Wasseraustausch zwischen Aufhöhungsfläche und Außenjade zum Zeitpunkt des Polderschlusses im Norddamm gemäß Ausschreibung so gering, dass für die Bauarbeiten unseres Erachtens keine Sondermaßnahmen erforderlich sind".

Es liegt auf der Hand, dass bei geschlossener Kaje der Wasseraustausch von rd. 4 Mio. m³ bezogen auf eine schmale Öffnung im Norddamm zu Erschwernissen führt, die jedenfalls entfallen, wenn die Kaje noch weit offen ist und für den tidebedingten Wasseraustausch sorgen kann. Ein Verbindungsdamm hingegen, wenn er denn Gegenstand des Konzeptes gewesen wäre, wie die Beigeladene behauptet, hätte einen tidebedingten Wasseraustausch zwischen Aufhöhungsfläche und Außenjade entfallen und die Erschwernisse bestehen lassen, wie sie eben auch bei einem früheren Kajenschluss vorhanden wären.

gg) Indizielle Bedeutung hat auch das spätere Verhalten der Beigeladenen im Verlauf der Aufklärungsgespräche. Insbesondere die anfängliche Unsicherheit der Beigeladenen hinsichtlich des konzeptionellen Inhalts ihres Angebots stützt das Auslegungsergebnis. Die teilweise sich widersprechenden erläuternden Ausführungen der Beigeladenen im Verlauf der Aufklärung durch die Auftraggeberin deuten darauf hin, dass ein klares Konzept unter Einschluss eines östlichen Verbindungsdammes bei Angebotserstellung zunächst fehlte. So hat die Beigeladene auf das Ersuchen der Auftraggeberin mit Schreiben vom 21. Juli 2006 zur Erläuterung der eingereichten Unterlagen zum Polderschlusskonzept mit Schreiben vom 1. August 2006 zwar auf einen östlichen Begrenzungsdamm hingewiesen; den eigentlichen Polderschluss hat sie jedoch als "am nördlichen Ende des östlichen Begrenzungsdammes des Hafengrodens" geplant beschrieben. Dieses ist angesichts der klaren Örtlichkeit nach dem Ausschreibungsentwurf (1. Polderschluss: N 1+060 bis N 1+315 bzw. 2. Polderschluss: N 1+115 bis N 1+260) am östlichen Ende des Norddamms kaum mit einer sprachlichen Ungenauigkeit zu erklären. Dies gilt umso mehr, als die im genannten Schreiben folgende Erläuterung der Dammherstellung teilweise wortwörtlich übereinstimmt mit derjenigen aus dem Nebenangebot 0544, in welchem der Polder(sand)schluss tatsächlich am nördlichen Ende dieses östlichen Sanddammes erfolgt.

Hinzu kommt die - von der Beigeladenen auch nicht überzeugend ausgeräumte - Unstimmigkeit, die im Zuge des letzten Aufklärungsgespräches am 13. April 2007 durch die Anlage A zu ihrem Schreiben vom 13. April 2007 entstanden ist. In ihrem Bodenmanagementprogramm hat die Beigeladene in der tabellarischen Übersicht für die Bauphasen 4 und 5 Einbaumengen von 7.431.477 m³ errechnet (3.481.675 m³ in Bauphase 4 + 3.949.802 m³ in Bauphase 5). In der Anlage A zum Schreiben vom 13.04.2007 hat die Beigeladene für die Flächenaufhöhung in der Bauphase 4 und 5 des Hauptangebotes mit 7.431.500 m³ fast dieselben Einbaumengen und für den Verbindungsdamm eine zusätzliche Einbaumenge von 677.400 m³ Sand ermittelt. Diese zusätzliche Menge hat sie dann derjenigen aus der Flächenaufhöhung zugeschlagen, was zur Überzeugung des Senats ebenfalls dafür spricht, dass dieser Verbindungsdamm bei der Angebotsabfassung noch nicht in diesem enthalten gewesen ist. Die Erläuterungsbemühungen der Beigeladenen im Termin vom 17. August 2007 entkräften dieses weitere Indiz nicht. Die Beigeladene hat im Termin zum einen angeführt, dass die Einbaumengen für den Verbindungsdamm in der Bauphase 4 und 5 in Höhe von 377.400 m³ (Tiefsaugbagger) in der Einbaumenge von 1.027.500 m³ für die Auffüllung der zweite Lage Terminalabschnitt b, in Höhe von 300.000m³ (Schneidkopfbagger) in der Einbaumenge von 850.000 m³ für das Füllen der ersten Lage Terminalabschnitt c enthalten seien. Dies kann jedoch für die Einbaumenge von 300.000 m³ (Schneidkopfbagger) schon deshalb nicht richtig sein, weil die Sandmenge für die Herstellung des Verbindungsdammes bis + 1,80 m NN schon denknotwendig nicht in der bezeichneten Auffüllungsmenge enthalten sein kann, die lediglich auf - 4,50 m NN reicht. Auch der Hinweis der Beigeladenen im Termin, man habe die Mengen für den Verbindungsdamm deswegen extra ausgeworfen, um - sinngemäß - die Auftraggeberin zufrieden zu stellen und jeden Zweifel an der Gerätekapazität auszuräumen, ist wenig überzeugend.

Schließlich spricht auch die im Termin von der Beigeladenen abgegebene Erklärung zum Sinn des Schlenkers im Verbindungsdamm dafür, dass dieser Verbindungsdamm, wie er sich aus den nachgereichten Spülphasenplänen 039 bis 041 ergibt, erst nachträglich dem Angebot zugefügt worden ist. Die Beigeladene hat im Termin erläutert, der nach Osten verlaufende Schlenker im nördlichen Teil des Verbindungsdammes beruhe darauf, dass die Örtlichkeit des Polderschlusses, wie sie im Ausschreibungsentwurf vorgegeben und demgemäß auch im Angebot der Beigeladenen vorgesehen sei, den Versatz nach Osten notwendig gemacht habe. Unverständlich bleibt aber danach, warum die Beigeladene nicht im Zuge der Angebotserstellung die qualifizierte Verschließung des Norddammes (Polderschluss) mit der Maßgabe angeboten hat, sie schlicht einige Meter nach Westen zu versetzen (was jedenfalls zu keiner konstruktiven Veränderung oder Erschwernis geführt hätte), um den Verbindungsdamm in einer Linie bis zum Norddamm zu führen. Die Erläuterung hierfür, man habe sich vom Ausschreibungsentwurf nicht entfernen wollen, ist wenig überzeugend angesichts der Tatsache, dass die rein örtliche Versetzung des Polderschlusses angesichts der konzeptionellen Abänderung durch Herstellung eines Verbindungsdamms vergleichsweise geringfügig erscheint. Auch der Hinweis darauf, man habe wegen der Strömungsberechnungen ein Versetzen des Polderschlusses nach Westen nicht in Erwägung gezogen, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weil die Strömungsverhältnisse kaum nachhaltiger, als durch die Herstellung eines Verbindungsdammes verändert werden können, zumal - jedenfalls nach den Strömungsuntersuchungen von A. - die Strömungsverhältnisse entlang des Norddammes nahezu die gleichen sind.

Entgegen der Meinung der Auftraggeberin ergibt sich auch nicht aus der Verwendung des Wortes "Polderschluss" im entsprechenden Ausführungskonzept, dass die Beigeladene notwendigerweise einen Verbindungsdamm angeboten haben muss. Diese Argumentation enthält einen Zirkelschluss, zumal der Begriff des Polderschlusses von der Auftraggeberin vorgegeben worden war. Nicht zuletzt dokumentiert im Übrigen der Umstand, dass sowohl das fachkundige alte als auch das fachkundige neue Vergabeteam das Angebot der Beigeladenen in diesem Punkt für aufklärungsbedürftig gehalten haben, dass auch für Fachleute das Angebot nicht nur so verstanden werden konnte, dass ein Verbindungsdamm im Osten vorgesehen war.

c) Das danach nachträglich um einen Verbindungsdamm ergänzte Angebot der Beigeladenen muss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A ausgeschlossen werden.

Nachträgliche Angebotsänderungen sind nur in den engen Grenzen des § 24 Nr. 3 VOB/A zulässig, die hier nicht eingehalten sind.

Allerdings können nur solche Änderungen einen Ausschluss begründen, die irgendeinen Einfluss auf die Wertung der Angebote haben können. Für Baumaßnahmen ist dabei zusätzlich zu beachten, dass es grundsätzlich Sache des Unternehmers ist, welchen Bauablauf er wählt. Er als Werkunternehmer schuldet am Ende "nur" den Erfolg, in der Regel aber nicht eine konkrete Art der Ausführung. Jedoch kann dem Bieter (als leistungsfähigem, fachkundigem und zuverlässigem Auftragnehmer) die Freiheit, die technische und wirtschaftlich günstigste Möglichkeit der Bauausführung selbst zu suchen, nur in dem Rahmen belassen werden, den die Baubeschreibung und das Leistungsverzeichnis steckt (Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10.Aufl. § 24 VOB/A, Rz. 8). Dem Bieter ist daher die Art der Bauausführung insoweit selbst zu überlassen, als die Ausschreibungsbedingungen sie nicht festlegen, sei es durch zwingende Vorgaben, sei es aufgrund abgeforderter Baukonzepte pp.. Mit anderen Worten: Ist also der Bieter in der Wahl der Bauausführung "frei", kann er durch Aufklärungsgespräche die von ihm geplante Bauausführung erläutern (ohne dass sich irgendein Anhaltspunkt im Angebot hierzu finden müsste), ggf. sogar ändern, solange er dadurch nicht gegen die Vergabegrundsätze verstößt, insbesondere den Wettbewerb nicht manipuliert (vgl. Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam, a. a. O. § 24 VOB/A Rz. 28).

So liegt der Fall jedoch hier: Indem die Beigeladene nachträglich den Verbindungsdamm einfügt, ändert sie die Konzeption sowohl der Flächenauffüllung als auch der besonders abgeforderten Baumaßnahme Polderschluss grundlegend und kompensiert damit ein entscheidendes Defizit des Hauptangebotes. Dies wirkt sich maßgeblich auf den Wettbewerb aus.

Nach der Bewertungsmatrix war Zuschlagskriterium unter anderem die Qualität des Ausführungskonzepts der Randdämme sowie der Nassbaggerarbeiten, der Flächenaufhöhung und des Bodenmanagements. Hierauf hatte der Verbindungsdamm erheblichen Einfluss.

Das ursprüngliche Angebot der Beigeladenen wäre sogar nicht wertungsfähig gewesen, woran offenbar auch weder die Auftraggeberin noch die Beigeladene selbst zweifeln. Ohne den Verbindungsdamm fehlt es bereits an einem (zwingend geforderten) Konzept zur Verschließung des Polders. Die Beigeladene hat zwar Recht, wenn sie meint, dass das von der Auftraggeberin zwingend geforderte Ausführungskonzept Polderschluss tatsächlich nur ein Konzept zur qualifizierten Schließung des Norddammes erfordere. Indessen hat auch die Antragstellerin Recht, wenn sie dagegen hält, dass der Ausschreibung zu Grunde liege, dass durch den Polderschluss im Norddamm ein Abschluss vom Meer hergestellt werden müsse. Anderenfalls ist die Ausführung eines qualifizierten Dammverschlusses sinnlos und zwar im doppelten Sinne: Im Wortsinn, weil ein Polder begrifflich die Eindeichung und damit den Abschluss vom Meer bedeutet, und außerdem deshalb, weil ein Polderschluss bedeutet, den Damm unter den erschwerten Bedingungen einer durch die letzte enge Öffnung strömenden Tide zu verschließen. Beides ist nicht gegeben, wenn die Kaje über ca. 800 m geöffnet ist. Der im ursprünglichen Hauptangebot enthaltene qualifizierte Verschluss des Norddammes verliert seinen technischen Sinn, weil eine besonders qualifizierte Bauausführung gar nicht notwendig ist, wenn der tidebedingte Wasseraustausch über eine 800 m breite Kajeöffnung erfolgen kann. Es ergibt sich stattdessen das (eben dann konzeptionell ungelöste) Problem, dass bei offen stehender Kaje das Meerwasser aus den noch wasserbedeckten Flächen des Hafengrodens und des Terminals über die erst zu schließende Kaje tidebedingt ausgetauscht wird, bis der Polder schließlich durch den Kajenschluss verschlossen ist, für den aber ein (gefordertes) Konzept nicht vorliegt.

3. Da das Angebot der Beigeladenen aus der Wertung zu nehmen ist, kann dahinstehen, ob die übrigen Beanstandungen der Antragstellerin begründet sind.

C.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit das Verfahren vor der Vergabekammer betroffen ist, auf §§ 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GWB i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 159 S. 1 VwGO analog.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO analog. Der Berechnung der Kostenquote liegt die Überlegung zugrunde, dass sich die Anschlussbeschwerde der Beigeladenen zwar nicht auf den Streitwert für das Beschwerdeverfahren, jedoch kostenwirksam dergestalt auswirkt, dass der Antrag der Beigeladenen aus der Anschlussbeschwerde ein eigenes Gewicht in gleicher Höhe wie der Wert der sofortigen Beschwerde besitzt. Weil sich die Auftraggeberin jedoch nur gegen die sofortige Beschwerde verteidigt, sich jedoch nicht der Anschlussbeschwerde der Beigeladenen angeschlossen hat, wog ihr Anteil am Unterliegen im Beschwerdeverfahren insgesamt entsprechend geringer als der Anteil der Beigeladenen.

Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat nach § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt. Danach beträgt der Streitwert 5 % der Bruttoauftragssumme, die sich wiederum nach dem wirtschaftlichsten (zuschlagfähigen) Angebot der Antragstellerin richtet. Der Streitwert errechnet sich mithin aus 5 % der Bruttoauftragssumme von 489.056.159,68 EUR (incl. Nachlass).

Ende der Entscheidung

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