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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 17.01.2002
Aktenzeichen: 14 U 134/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 847 a. F. |
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Schlussurteil
Verkündet am 17. Januar 2002
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. April 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 30.000 DM zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen zukünftigen auf Grund des Verkehrsunfalls vom 24. April 1998 eintretenden materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Forderung nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen zukünftigen auf Grund des Verkehrsunfalls vom 24. April 1998 eintretenden immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht sicher vorhersehbar ist.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 51 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 49 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 32 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 68 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: 32.000 DM.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat im Hinblick auf den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch sowie die Feststellungsanträge Erfolg.
I.
Nachdem mit rechtskräftigem Grund und Teilurteil des Senats vom 14. Dezember 2000 der Schmerzensgeldanspruch des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden war, war lediglich noch über dessen Höhe zu befinden.
1. Ausgangspunkt für die Frage der Höhe des zu bemessenden immateriellen Schadens ist, dass der Schmerzensgeldanspruch ein Ausgleichsanspruch eigener Art ist, dem eine doppelte Funktion zukommt. Der Anspruch soll einerseits für den Geschädigten einen Ausgleich für die immateriellen Nachteile, das heißt für die körperlichen und seelischen Lebensbeeinträchtigungen schaffen, wodurch der Verletzte in die Lage versetzt werden soll, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten an Stelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde (Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl., § 847 Rdnr. 4). Andererseits soll dem Geschädigten Genugtuung für das ihm zugefügte Unrecht gewährt werden.
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sind alle Umstände maßgeblich, die dem Fall sein besonderes Gepräge geben. Als Folgen sind insbesondere zu berücksichtigen das Verletzungsbild in Form der Art und Dauer der Beeinträchtigung und vorhandenen Schmerzen, das Vorliegen eines Dauerschadens, der Heilungsverlauf und der gegenwärtige körperliche Zustand.
2. Auf dieser Grundlage hält der Senat ein Schmerzensgeld von insgesamt 30.000 DM für die durch das Unfallereignis vom 24. April 1998 hervorgerufenen immateriellen Beeinträchtigungen für angemessen.
Zu berücksichtigen waren insbesondere die schweren Verletzungen des Klägers, die er durch den Unfall erlitten hat. Im Vordergrund steht dabei die Schultereckgelenkkapselsprengung rechts vom Typ Tossy III mit Abriss aller Bänder in der Schulter sowie die erlittene rechtsseitige Thoraxprellung. Diese schwerwiegenden und schmerzhaften Verletzungen führten zu einer langdauernden Heilbehandlung, die auf Grund des eingetretenen Dauerschadens noch nicht abgeschlossen ist und fort während der medizinischen Betreuung bedarf. Der Kläger musste sich am 28. April 1998 einer ersten operativen Versorgung der rechten Schulter unterziehen, durch die der Kapselbandapparat refixiert und das Akromioklavikulargelenk mit einer Metallplatte stabilisiert wurde. In der nachfolgenden Mobilisationsphase traten zunehmend Schmerzen bei erheblich eingeschränkter Mobilität der rechten Schulter auf, weil sich Teile des eingesetzten Stabilisierungsapparats gelöst hatten. Der Kläger musste sich deshalb einer zweiten Operation am 28. Mai 1998 unterziehen, in der das entsprechende Material ersetzt wurde. Trotz anschließender intensiver stationärer Rehabilitationsmaßnahmen vom 30. Juni bis zum 21. Juli 1998 und der anschließenden ambulanten Heilbehandlung im Reha-Zentrum ... stellte sich wiederum ein verstärkter Schmerz bei zunehmender Einschränkung der Beweglichkeit im rechten Schultergelenk ein. Schwer wiegt in diesem Zusammenhang insbesondere, dass sich ein vorzeitiger Verschleiß im Schultergelenk gebildet hat, der zu einer erheblichen Schmerzsymptomatik beim Kläger führte, die wiederum die Einnahme von Schmerzmedikamenten erforderlich machte und - möglicherweise auf Dauer - noch erforderlich macht. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen führten zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensfreude und zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers. So sind etwa Überkopfarbeiten dem Kläger nicht mehr möglich, es bestehen auch erhebliche Hebeschwierigkeiten. Hierdurch ist der Kläger auch in seinen Freizeitaktivitäten stark eingeschränkt. Diese Verletzungsfolgen stehen auf Grund des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen ..., das der Oberarzt ... miterstellt und im Senatstermin mündlich erläutert hat, fest. Zudem hat der Kläger anlässlich seiner persönlichen Anhörung dem Senat seine Beschwerden glaubhaft geschildert.
Insgesamt hat das Unfallgeschehen deutliche Einschränkungen der Lebensqualität für den Kläger erbracht. Er wird an den unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen und ihren Folgen auch künftig zu leiden haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ist der Erfolg einer weiteren Operation, mit der die eingetretene Hochstellung des Schultergelenks gemildert werden könnte, wegen der vorangegangenen Operationen unklar. Bei Würdigung der Gesamtumstände erscheint dem Senat deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 30.000 DM als angemessen aber auch ausreichend, wobei der Senat die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bei der Bemessung berücksichtigt hat (vgl. laufende Nr. 1898, 1774, 1639 bei Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 19. Auflage sowie OLGR Hamm 2000, 290 ff.).
3. In der Zuerkennung eines Schmerzensgeldes von 30.000 DM an Stelle der beantragten Mindestsumme von 10.000 DM liegt kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht nicht über den Antrag der Partei hinausgehen darf. Bei Ansprüchen, die wie das Schmerzensgeld auf eine angemessene und billige Entschädigung für erlittene Beeinträchtigungen gerichtet sind, ist die Anbringung unbezifferter Anträge, durch die die Bemessung der begehrten Leistung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, grundsätzlich zulässig. Die Angabe eines Mindestbetrages oder einer Größenvorstellung, zu der der Kläger verpflichtet ist, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, zieht dem Ermessen des Gerichts bei der Festsetzung des für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes im Hinblick auf § 308 ZPO keine Grenzen. Deshalb ist auch die Zuerkennung eines den Mindestbetrag oder die Größenvorstellung übersteigenden Betrages von dem Antrag des Klägers gedeckt (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BGH NJW 1996, 2425, 2427).
II.
Der Antrag auf Feststellung einer Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden ist zulässig, weil der Kläger auf Grund der schwerwiegenden Verletzungen einen Dauerschaden in der rechten Schulter erlitten hat, dessen künftige Entwicklung noch nicht vorhersehbar ist, sodass der Eintritt von nicht vorhersehbaren Spätschäden jedenfalls möglich erscheint. Es können deshalb weitere finanzielle Lasten und noch nicht vorhersehbare gesundheitliche Beeinträchtigungen verletzungsbedingt auftreten. Deshalb ist der Feststellungsantrag auch in der Sache begründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat festgesetzt gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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