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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 14 U 136/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 251 Abs. 2
Den Integritätszuschlag von bis zu 130 % der Wiederbeschaffungskosten eines verunfallten KFZ kann nicht beanspruchen, wer sein Fahrzeug nur billig und notdürftig mit u. a. erheblichen Spachtelarbeiten repariert. Das fehlende (und dadurch sogar widerlegte) Integritätsinteresse wird auch nicht durch eine spätere fachgerechte Reparatur dokumentiert, die durch einen anschließenden zweiten Unfall erforderlich geworden ist.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 136/04

Verkündet am 9. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 4. Mai 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.250,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf 11.900,35 EUR für die Zeit vom 4. April bis zum 9. Mai 2001, auf 3.719,68 EUR für die Zeit vom 10. Mai bis zum 20. Juni 2001, auf 2.185,80 EUR für die Zeit vom 21. Juni 2001 bis zum 17. Januar 2002 und auf 2.250,21 EUR für die Zeit ab dem 18. Januar 2002 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 66 % und die Beklagte 34 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 96 % und die Beklagte 4 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.411,93 EUR.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO)

Die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz richtet, soweit das Landgericht hinsichtlich des Fahrzeugschadens mehr als den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert für das verunfallte Fahrzeug berücksichtigt und hinsichtlich des Nutzungsausfalles einen längeren Zeitraum als 17 Tage zugrunde gelegt hat, erweist sich ganz überwiegend als begründet.

1. Zu Unrecht ist der Einzelrichter davon ausgegangen, dass dem Kläger hinsichtlich des Fahrzeugschadens die Reparaturkosten in der vom Sachverständigen kalkulierten Höhe zustehen, obwohl diese den Aufwand für die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs übersteigen. Vielmehr kann der Kläger als reinen Fahrzeugschaden nur denjenigen Betrag beanspruchen, den er hätte aufwenden müssen, wenn er sich ein gleichwertiges Fahrzeug als Ersatz beschafft hätte und das verunfallte Fahrzeug zum Restwert veräußert hätte. Den darüber hinausgehenden Betrag in Form der vom Sachverständigen veranschlagten Reparaturkosten für eine Wiederherstellung in einer Fachwerkstatt, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, kann der Kläger deswegen nicht beanspruchen, weil derartige Aufwendungen im vorliegenden Fall unverhältnismäßig wären, § 251 Abs. 2 BGB.

Der Auffassung des Landgerichts, der Kläger könne im vorliegenden Fall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zum sog. "Integritätszuschlag" bei der Reparatur von beschädigten Kraftfahrzeugen mehr beanspruchen, weil die Reparaturkosten einen Betrag in Höhe von 130 % des Wiederbeschaffungswertes nicht überstiegen und das Integritätsinteresse durch Durchführung einer fachgerechten Reparatur nachgewiesen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Kläger hat nämlich, wie das Landgericht auch nicht übersehen hat, nicht etwa nach dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall (dessen zweifelhafte Umstände im Berufungsverfahren nicht zu vertiefen sind, weil die Beklagte den Einwand einer Manipulation des Unfallgeschehens im zweiten Rechtszug nicht weiterverfolgt) das Fahrzeug fachgerecht reparieren lassen (wie es nach der einhelligen Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung erforderlich ist, vgl. allein die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, Rn. 27 zu § 249, auch der Senat vertritt dies in ständiger Rechtsprechung). Vielmehr hat der Kläger (beziehungsweise dessen Sohn) das Unfallfahrzeug offensichtlich zunächst nur notdürftig repariert, wie sich daraus ergibt, dass der Kraftfahrzeugsachverständige S. (den zunächst der Kläger selbst mit der Begutachtung der Unfallschäden beauftragt hatte) noch am 2. Juli 2001 (vgl. Schreiben Bl. 35 d. A.) der nachfragenden Beklagten erklärt hat, das Fahrzeug sei nicht nach Maßgabe seines Gutachtens repariert worden, sondern die hinteren Seitenteile seien lediglich gerichtet und erheblich gespachtelt worden. Eine derartige Reparatur ist nicht fachgerecht, sondern stellt sich als notdürftige Billigreparatur dar, die gerade nicht geeignet ist, das Integritätsinteresse des Klägers zu dokumentieren, dieses vielmehr sogar widerlegt. Dass der Kläger sein Fahrzeug (erst) danach möglicherweise fachgerecht hat reparieren lassen, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Landgerichts kein anderes Ergebnis. Diese später erfolgte weitere Reparatur ist nämlich deswegen erforderlich gewesen, weil der Sohn des Klägers (merkwürdigerweise erneut bei einem Besuch in H.) im Juli 2001 mit diesem Fahrzeug einen weiteren Unfall erlitten hat, der entgegen seiner Behauptung nicht etwa gänzlich andere Fahrzeugteile betroffen hat, sondern ausweislich des Gutachtens in dem informationshalber beigezogenen Verfahren 16 O 4987/01 Landgericht Hannover (dort Bl. 11 d. A.) ebenfalls die Fahrzeugseiten, beispielsweise die hintere linke Seitenwand und die hintere rechte Tür. Schon deswegen kommt der späteren weiteren Reparatur keine Indizwirkung für das vom Kläger behauptete Integritätsinteresse nach dem streitgegenständlichen Unfall zu.

Angesichts dessen kann dahinstehen, dass überdies das vom Kläger behauptete Integritätsinteresse sogar dann zu verneinen wäre, wenn nicht der weitere Verkehrsunfall die erneute Reparatur ohnehin erfordert hätte: Der Kläger hat sein Fahrzeug zunächst richten, grob spachteln und lackieren lassen. Anschließend musste er sich belehren lassen, dass angesichts einer solchen Reparatur eine Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht möglich ist. Selbst wenn er dann aus freien Stücken (also ohne das Erfordernis wegen des zwischenzeitlich stattgefundenen weiteren Unfalls) sein Fahrzeug fachgerecht hätte reparieren lassen, hätte er damit nicht sein Integritätsinteresse, also das affektive Interesse am Erhalt seines vertrauten Fahrzeugs, dokumentiert, sondern allenfalls sein Interesse an einer möglichst hohen Schadensersatzleistung (und einem entsprechenden wirtschaftlichen Gewinn, denn die Reparatur hat der Sohn des Klägers in Eigenleistung und mit gebrauchten Ersatzteilen durchgeführt).

Soweit der Kläger im Übrigen im Berufungsverfahren und insbesondere im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, bereits die erste Reparatur sei entgegen den Feststellungen des Sachverständigen S. fachgerecht gewesen (wofür er, allerdings erst in der mündlichen Verhandlung, seinen Sohn als Zeugen angeboten hat), ist dieser Vortrag im Berufungsverfahren neu und in Ermangelung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Im ersten Rechtszug hat der Kläger nämlich vorgetragen (und damit im Ergebnis sogar zugestanden), dass er die erste Reparatur "schlicht und einfach" habe "nachbessern" lassen, um "in den Genuss des vollen Reparaturaufwandes zu gelangen" (Schriftsatz vom 12. Februar 2004, Bl. 52 oben d. A.). Angesichts dessen kann dahinstehen, dass entsprechender Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren auch deswegen verspätet gewesen wäre, weil die vom Kläger beantragte Beweisaufnahme gegebenenfalls den (einen neuen Termin erfordernden) Gegenbeweis der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung beantragten Vernehmung des Sachverständigen S. erfordert hätte.

2. Soweit sich die Berufung der Beklagten dagegen richtet, dass das Landgericht hinsichtlich des Nutzungsausfalls 21 Kalendertage zugebilligt habe, obwohl lediglich von 17 Tagen auszugehen sei, ist dies nur teilweise richtig. In der Tat begründet das Landgericht den von ihm errechneten Zeitraum mit 7 Tagen Wartezeit bis zum Eingang des Gutachtens, 3 Tagen Überlegungszeit und weiteren 7 Tagen Reparaturzeit. Diesem Zeitraum von zusammengerechnet 17 Tagen sind allerdings noch zwei weitere Tage hinzuzurechnen, weil die Reparaturzeit von 7 Arbeitstagen durch ein in jeder denkbaren Konstellation dazwischenliegendes Wochenende zu verlängern ist (was für die Zeit des Wartens auf das Gutachten und die Überlegungszeit selbstverständlich nicht gilt). Ausgehend von den vom Landgericht angenommenen Zeiträumen, die ja auch die Beklagte im Ergebnis zugesteht, ist der Nutzungsausfall deshalb auf Grundlage von 19 Tagen zu je 156 DM zu berechnen, was einem Gesamtbetrag von 2.946 DM bzw. 1.515,47 EUR entspricht.

3. Sowohl hinsichtlich des Fahrzeugschadens, bei dem statt der vom Landgericht angenommenen Reparaturkosten von 13.102,33 EUR lediglich der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert von 9.008,96 EUR anzunehmen ist, als auch hinsichtlich des Nutzungsausfalles, der um 312 DM bzw. 159,52 EUR zu kürzen ist, war die Berechnung des Landgerichts entsprechend zu korrigieren. Zusammen mit den von der Berufung nicht angegriffenen Positionen für Abschleppkosten, Sachverständigengutachten, Kostenpauschale und Rechtsanwaltskosten ergibt sich ein Gesamtbetrag von 11.964,76 EUR, von dem von der Beklagten geleistete Zahlungen von 8.180,67 EUR und 1.533,88 EUR in Abzug zu bringen waren, woraus sich ein restlicher Zahlungsanspruch des Klägers von 2.250,21 EUR ergibt.

4. Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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