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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: 14 U 141/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 397
Aus der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt nach teilweiser Regulierung eines Verkehrsunfallschadens durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer diesem gegenüber erklärt, dass er die Zahlung als "abschließende Schadensregulierung" betrachte, und seine Anwaltsgebühren unter Bezugnahme auf das DAV-Abkommen abrechnet, kann nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass er zugleich namens seines Mandanten auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichte. Die konkreten Begleitumstände des Einzelfalles können vielmehr zu dem Ergebnis führen, dass dieses Verhalten kein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages darstellt.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 141/05

Verkündet am 20. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Mai 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden und das dem Urteil zugrundeliegende Verfahren aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens wird dem Landgericht übertragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis zu 16.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden nach einem Verkehrsunfall, den ein Versicherungsnehmer der Beklagten am 5. Juni 2000 in B.V. verursachte und bei dem die Klägerin Verletzungen erlitt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen dieses Unfalls ist unstreitig. Mit Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 17. Mai 2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Das Landgericht hat aufgrund des zwischen den Parteien vorprozessual geführten Schriftwechsels das Zustandekommen eines Erlassvertrages angenommen, der die Klägerin hindere, weitergehende unfallbedingte Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten durchzusetzen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld (mindestens 10.992,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2005) zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - sämtliche zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Folgeschäden aus dem Unfallereignis vom 5. Juni 2000 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,

3. hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und erhebt im Übrigen die Einrede der Verjährung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten S 22 U 143/03 Sozialgericht Hannover (= L 6 U 128/05 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen) nebst Beiakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt entsprechend ihrem Hilfsantrag gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die seitens der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls vom 5. Juni 2000 gegenüber der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind nicht verjährt.

a) Zwar hat die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung (Bl. 131 unten) die Einrede der Verjährung erhoben, obwohl dies ohne weiteres bereits in erster Instanz möglich gewesen wäre. Die Einrede stützt sich jedoch auf Tatsachen, über die kein Beweis zu erheben ist, und ist deshalb trotz ihrer erstmaligen Geltendmachung im Berufungsverfahren nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen.

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. war hier zunächst gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift gehemmt, solange die Parteien über den seitens der Beklagten zu leistenden Schadensersatz verhandelten. Diese Verhandlungen endeten mit dem Anwaltsschreiben der Klägerin vom 27. November 2001 (Bl. 10), in dem diese der Beklagten mitteilte, dass sie deren letzte Zahlung als "abschließende Schadensregulierung" betrachte. Geht man mit dem Vortrag der Beklagten davon aus, dass dieses Schreiben bei ihr am 28. November 2001 eingegangen ist - die Klägerin bestreitet dies (Bl. 145) , so endete die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. (frühestens) am 28. November 2004. Die Klage ist jedoch erst per Telefax am 22. Dezember 2004 beim Landgericht Verden eingegangen (Bl. 1).

b) Hier ist die Verjährung in der Zeit vom 26. April 2004 bis zum 21. Mai 2004 allerdings nochmals gemäß § 852 Abs. 2 BGB a. F. gehemmt gewesen, weil die Parteien erneut über den Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls vom 5. Juni 2000 verhandelt haben.

Mit Schreiben ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 26. April 2004 (Bl. 135) hat sich die Klägerin vorprozessual nochmals an die Beklagte gewandt. Deren Antwort vom 29. April 2004 (Bl. 137) reicht aus, um Verhandlungen zwischen den Parteien anzunehmen. Das für den Beginn der Verjährungshemmung maßgebliche "Verhandeln" im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB a. F. ist nämlich weit zu verstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt dafür jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben daher schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BGH VersR 2001, 1167; NJWRR 2001, 1168, 1169; jeweils m. w. N.).

Diesen Voraussetzungen genügte das bereits erwähnte Schreiben der Beklagten vom 29. April 2004. Zwar wird darin auf das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 27. November 2001 Bezug genommen, in dem diese die seinerzeitige (letzte) Zahlung der Beklagten als "abschließende Schadensregulierung" bezeichnet hatte. Die Beklagte hat angesichts dessen jedoch nicht von vornherein jegliche weiteren Verhandlungen abgelehnt, sondern den nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt E., um eine Stellungnahme hierzu gebeten. Daraus folgt, dass die Beklagte die Korrespondenz nicht als beendet ansah, sondern davon ausging, dass die Klägerin weiterhin mit ihr in Verbindung bliebe. Endgültig beendet worden sind die Verhandlungen dann erst durch das Schreiben der Beklagten vom 18. Mai 2004 (Bl. 142), in dem sie Rechtsanwalt E. unter Verweisung auf den Klageweg mitteilte, dass sie nicht bereit sei, erneut in die Schadensregulierung einzutreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 1959, 34, 36; 1962, 615, 616; ebenso OLG Hamm VersR 1997, 1112, 1113 m. w. N.) wirkt die Hemmung der Verjährung zurück auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche des Berechtigten gegenüber dem Verpflichteten, wenn es zu schwebenden Vergleichsverhandlungen - wie hier - kommt. Dies bedeutet, dass für den Beginn der Hemmung auf den 26. April 2004 abzustellen ist, nämlich auf den Tag, an dem das Anwaltsschreiben der Klägerin vom selben Tage per Telefax bei der Beklagten einging (vgl. Sendebericht Bl. 136). Die Hemmung der Verjährung endete alsdann mit dem Zugang des Schreibens der Beklagten vom 18. Mai 2004 (Bl. 142) bei dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Dies war - wie die Klägerin unwidersprochen (Bl. 148) vorgetragen hat (Bl. 146) - erst am 21. Mai 2004 der Fall.

Die Verjährung war also gehemmt vom 26. April 2004 bis zum 21. Mai 2004. Da die Tage, in deren Verlauf der Hemmungsgrund entsteht und wegfällt, zur Hemmungszeit gehören (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 209 Rn. 1 m. w. N.), war die Verjährung hier also in einem Zeitraum von 26 Tagen gehemmt.

c) Wie oben unter II. 1. a) im Einzelnen dargelegt, endete die Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 BGB a. F. hier (frühestens) am 28. November 2004. Nach § 205 BGB a. F. wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Dies bedeutet, dass sich die Frist hier um die Hemmungszeit von 26 Tagen bis zum 24. Dezember 2004 (einschließlich) verlängert hat. Da die Klage am 22. Dezember 2004 beim Landgericht Verden eingegangen ist, ist die Verjährungsfrist rechtzeitig unterbrochen worden. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobene Einrede der Verjährung greift also nicht durch.

2. Somit stellt sich die Frage, ob die Auffassung des Landgerichts zutrifft, dass zwischen den Parteien ein Erlassvertrag gemäß § 397 BGB zustande gekommen ist, der eine weitergehende Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin ausschließt. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

Die Einzelrichterin hat den Abschluss eines Erlassvertrages angesichts des Inhalts des Schreibens des seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin vom 27. November 2001 (Bl. 10) sowie der gleichzeitig übersandten Kostenrechnung vom 23. November 2001 (Bl. 34) angenommen. In dieser Kostennote wird der Beklagten eine 15/10 Geschäftsgebühr gemäß (DAV)Vereinbarung in Rechnung gestellt. Dass diese Art der Abrechnung die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche nicht von vornherein hindert, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 22. Mai 2003 (OLGR Celle 2003, 300) ausgesprochen. Auch der Bundesgerichtshof hat inzwischen entschieden, dass aus der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt nach teilweiser Regulierung eines Verkehrsunfallschadens durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer diesem gegenüber seine Anwaltsgebühren unter Bezugnahme auf das DAV-Abkommen abrechnet, nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden kann, er verzichte zugleich namens seines Mandanten auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche (VersR 2006, 659).

Bei der Frage, ob hier zwischen den Parteien ein Verzichts, Erlass oder Abfindungsvertrag zustande gekommen ist, muss allerdings auch der Inhalt des bereits erwähnten Schreibens des Bevollmächtigten der Klägerin vom 27. November 2001 in Betracht gezogen werden. Darin heißt es unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 22. November 2001 (Bl. 32), dass die Klägerin deren weitere Zahlung als "abschließende Schadensregulierung" betrachte. Diese Erklärung könnte vom (maßgeblichen) Empfängerhorizont der Beklagten betrachtet den Erklärungswert gehabt haben, dass die Klägerin die über die befriedigten Ansprüche hinausgehenden Schadensersatzforderungen nicht weiterverfolgen werde. Zwar war dies ersichtlich nicht gemeint; denn Rechtsanwalt S. hat der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom selben Tage (Bl. 111) seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagte freiwillig keine weiteren Leistungen erbringen werde; er habe den Vorgang insoweit abgerechnet und werde danach die restlichen Ansprüche klageweise geltend machen. Daraus folgt in aller Deutlichkeit, dass Rechtsanwalt S. mit dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 27. November 2001 (lediglich) zum Ausdruck bringen wollte, dass er bzw. die Klägerin die aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 22. November 2001 erbrachte Leistung als die letzte Zahlung ansah, die die Beklagte freiwillig zu erbringen bereit war. Nur lässt sich diese wesentliche Einschränkung dem Schreiben an die Beklagte vom 27. November 2001 nicht einmal ansatzweise entnehmen.

Zwar hat die Klägerin auf Seite 3 ihrer Berufungsbegründung vom 22. August 2005 (Bl. 107) für den Fall, dass dieses Schreiben ein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages darstellen sollte, diese Erklärung hilfsweise wegen Irrtums nach § 119 BGB angefochten. Diese Anfechtung muss hier jedoch von vornherein unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgt ist, nachdem die Klägerin von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hatte (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bereits auf Seite 3 der Klageschrift vom 22. Dezember 2004 (Bl. 4) referiert die Klägerin nämlich den Standpunkt der Beklagten, aufgrund ihres - der Klägerin - Schreibens vom 27. November 2001 von der Leistungspflicht frei zu sein. Dies bedeutet, dass die Klägerin schon damals allen Grund gehabt hätte, ihre in diesem Schreiben möglicherweise abgegebene Erklärung nach § 119 BGB anzufechten.

§ 397 BGB verlangt einen Erlassvertrag, also übereinstimmende Willenserklärungen des Gläubigers und des Schuldners, dass diesem die Schuld erlassen werde. Das Schreiben der Beklagten vom 22. November 2001 (Bl. 32) stellt zweifellos kein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages dar, das die Klägerin mit ihrem besagten Schreiben vom 27. November 2001 angenommen haben könnte. In dem Schreiben der Beklagten vom 22. November 2001 wird die darin angekündigte weitere Zahlung nämlich nicht etwa davon abhängig gemacht, dass die Klägerin ihrerseits auf weitere Schadensersatzansprüche verzichtet. Damit bleibt (nur) die Möglichkeit, dass das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 27. November 2001 als Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages anzusehen ist. Dieses Angebot könnte die Beklagte dann entweder stillschweigend (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 397 Rn. 6 m. w. N.) oder dadurch angenommen haben, dass sie Rechtsanwalt S.s Kostennote vom 23. November 2001 beglich.

Bei der Antwort auf die Frage, ob das an die Beklagte gerichtete Schreiben vom 27. November 2001 tatsächlich ein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages darstellt, ist auch zu berücksichtigen, dass ein Angebot mit einem solchen Inhalt nicht zu vermuten und im Zweifel eng auszulegen ist (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 397 Rn. 4 m. w. N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden; die der Erklärung zugrundeliegenden Umstände haben dabei besondere Bedeutung. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet diese Tatsache im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme. Selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung des Gläubigers darf deshalb ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BGH NJW 2002, 1044, 1046 m. w. N.).

Hier gibt es in der Tat verschiedene Umstände, die entgegen dem Wortlaut des Schreibens vom 27. November 2001 gegen einen Verzichtswillen der Klägerin sprechen und die auch der Beklagten bei Erhalt dieses Schreibens durchaus bekannt waren. So fehlte es bereits an einem triftigen Grund für eine solche von der Klägerin ausgehende Erklärung. Die Beklagte hatte sie hierzu nicht aufgefordert und ihr insbesondere für den Verzicht auf weitergehende Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 5. Juni 2000 keine weitergehende Zahlung (im Sinne eines Abfindungsvergleichs) angeboten. Wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 22. November 2001 (Bl. 32) ergibt, war dieser bekannt, dass die Klägerin die Beschwerden im linken Knie und in der rechten Schulter ebenso für unfallbedingt hielt wie ihre Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit (vgl. zu letzterem das Schreiben des früheren Arbeitgebers der Klägerin vom 20. Oktober 2001; Bl. 7). Trotz der Formulierung in dem Schreiben der Klägerin vom 27. November 2001 durfte die Beklagte daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Klägerin allein aufgrund ihres - der Beklagten - Schreiben vom 22. November 2001 ohne Not und gewissermaßen "aus freien Stücken" auf weitergehende Ansprüche, die sich offenbar insbesondere auf die angeblich unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit stützten, verzichten wollte. Immerhin hatte die Klägerin bereits bis November 2001 Schadensersatzansprüche in einer Gesamthöhe von 15.346,95 DM bei der Beklagten angemeldet. Dies folgt aus der Angabe des Gegenstandswertes in entsprechender Höhe in Rechtsanwalt S.s Kostenrechnung vom 23. November 2001 (Bl. 34). Noch mit Schreiben vom 7. November 2001 (Bl. 162 f.) hatte Rechtsanwalt S. für die Klägerin im Übrigen weitere Ansprüche bei der Beklagten angemeldet und mit Klageerhebung gedroht, falls bis zum 15. November 2001 als "letzter Frist" keine Zahlung erfolgen sollte.

Angesichts all dieser Begleitumstände, die auch der Beklagten bekannt waren, musste diese bei einer verständigen Würdigung des Anwaltsschreibens der Klägerin vom 27. November 2001 trotz dessen Wortlaut ("abschließende Schadensregulierung") zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich hierbei um kein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages handelte, das sie - die Beklagte - in der Folgezeit etwa hätte annehmen können.

3. Da somit zwischen den Parteien kein Erlassvertrag zustande gekommen ist, bedarf die Sache weiterer Aufklärung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Unfallbedingtheit insbesondere der von der Klägerin im Bereich ihrer rechten Schulter geklagten Beschwerden. Sollte ein Gutachten diesen Vortrag der Klägerin bestätigen, ist darüber hinaus noch Zeugenbeweis zu ihrer Behauptung zu erheben, dass sie auch ihren Arbeitsplatz unfallbedingt verloren hat (vgl. den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin Bl. 3 und das Bestreiten der Beklagten Bl. 31).

Dieser nicht unerhebliche weitere Aufklärungsbedarf hat den Senat veranlasst, dem Hilfsantrag der Klägerin zu entsprechen und die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Prozessökonomie (vgl. hierzu BGH BauR 2005, 590) erscheint es nicht sachgerecht, diese absehbar umfangreiche Sachaufklärung in das Berufungsverfahren zu verlagern, zumal den Parteien damit eine Instanz genommen würde.

4. Über die Kosten des Berufungsverfahrens wird das Landgericht zugleich mit der neuen Sachentscheidung - je nach deren Ausgang - zu befinden haben. Einer Vollstreckbarkeitserklärung bedarf es nicht, weil diese Entscheidung des Senats keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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