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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 14 U 147/03
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 8
StVO § 10
Der durch das Zeichen 325 zu § 42 StVO eröffnete verkehrsberuhigte Bereich erstreckt sich lediglich bis zum Standort des Zeichens 274.1 zu § 41 StVO. Unmittelbar im Anschluss daran gelten wieder die allgemeinen Verkehrsregeln, insbesondere die Vorfahrtsregeln des § 8 StVO.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 147/03

Verkündet am 7. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 24. August 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. Juli 2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.029,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Januar 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 2/3 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Verurteilung der Beklagten.

Gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG n. F. haften die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3 für die der Klägerin entstandenen Folgen des Unfalls, der sich am 24. November 2002 gegen 14:40 Uhr in C. auf der Kreuzung der Straße O. ... mit dem K.weg ereignete. Den Beklagten zu 1 trifft an dem Zustandekommen dieses Unfalls ein überwiegendes Verschulden, weil er das nach § 8 Abs. 1 StVO gegebene Vorfahrtsrecht der Klägerin missachtet hat.

Obwohl die Straße O. ..., aus der die Klägerin herauskam, durch das Verkehrszeichen 325 zu § 42 StVO - aufgestellt am Beginn der Straße O. ... in einer Entfernung von 8,5 m von der Fluchtlinie des diese Straße kreuzenden K.weges - als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen war, trafen die Klägerin unter den hier gegebenen Umständen nicht die besonderen Pflichten des § 10 StVO. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, wo ein verkehrsberuhigter Bereich endet, wenn das Zeichen 326 (Ende) zu § 42 StVO nicht erst unmittelbar an der Einmündung der aus dem Bereich herausführenden Straße, sondern bereits vorher aufgestellt ist. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass auch bei einer solchen Konstellation aus einem verkehrsberuhigten Bereich in den fließenden Verkehr mit der Folge eingefahren wird, dass § 10 StVO gilt (vgl. LG Gießen, NZV 1996, 456; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 10 Rn. 6 a), endet der verkehrsberuhigte Bereich nach anderer Ansicht am Standort des Zeichens 326, sodass unmittelbar im Anschluss daran wieder die allgemeinen Verkehrsregeln und insbesondere die Vorfahrtsregeln des § 8 StVO gelten (vgl. LG Koblenz, Urteil vom 11. August 1998 - 6 S 388/97 , veröffentlicht im NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs- und Haftungsrecht 1998, 260; Janiszewski, NStZ 1997, 267 ff., 270; Janiszewski/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 17. Aufl., § 10 Rn. 5; ebenso im Fall eines 30 m vor der Einmündung einer anderen Straße angebrachten Zeichens 326 [Ende] OLG Hamm StVE Nr. 22 zu § 10 StVO). Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil das Ende des verkehrsberuhigten Bereichs vorliegend nicht durch das Verkehrszeichen 326, sondern durch das Zeichen 274.1 (Beginn der Tempo 30Zone) zu § 41 StVO markiert worden ist. Da Vorschriftszeichen wie dieses nach § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO im Allgemeinen dort stehen, wo oder von wo an die Anordnungen zu befolgen sind, endete der verkehrsberuhigte Bereich und begann die Tempo 30Zone am Standort dieses Schildes. Nur diese Beurteilung entspricht den Grundsätzen der Klarheit, Eindeutigkeit und Erkennbarkeit, die bei Regelungen durch Verkehrszeichen und bei deren Würdigung zu beachten sind (vgl. OLG Hamm, a. a. O.).

Dies hat zur Folge, dass die Klägerin im Kreuzungsbereich der Straße O. ... mit dem K.weg nicht aus einem verkehrsberuhigten Bereich herausfuhr, sondern sich in einer Tempo 30Zone bewegte, sodass an der Kreuzung nicht § 10 StVO, sondern § 8 Abs. 1 (rechts vor links) galt. Dem Beklagten zu 1 ist daher vorzuwerfen, dass er das Vorfahrtsrecht der Klägerin nicht beachtet hat.

Andererseits trifft aber auch die Klägerin ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Denn sie hat, obwohl die Straße O. ... in einem breiten Trichter in den K.weg einmündet, sich offensichtlich nicht hinreichend aufmerksam nach links orientiert und infolgedessen das von dort herannahende Fahrzeug des Beklagten zu 1 übersehen. Da das Fehlverhalten des Beklagten zu 1, das zu dem Unfall geführt hat, insgesamt schwerer wiegt als dasjenige der Klägerin, hält der Senat eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten für angemessen.

Zur Höhe des erstattungsfähigen Schadens, den die Klägerin mit insgesamt 7.543,58 EUR geltend macht, sind Abzüge nicht gerechtfertigt. Die Klägerin rechnet auf der Basis des Gutachtens des Kfz-Sachverständigen R. K. vom 5. Dezember 2002 (Bl. 29) ab, das die voraussichtlichen Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer mit 5.598,09 EUR beziffert. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten hat sie auch Anspruch auf die in diesem Betrag enthaltene Mehrwertsteuer, weil sie durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung des Ford-Autohauses K. vom 23. Dezember 2002 über 5.610,99 EUR (Bl. 54 ff.) belegt hat, dass sie die Reparatur tatsächlich durchgeführt und infolgedessen einen leicht höheren Betrag an Mehrwertsteuer gezahlt hat, als der Sachverständige K. kalkuliert hatte. Wie sich aus der Rechnung des Autohauses K. weiter ergibt, sind bei der Reparatur auch Überführungskosten in die Lackierwerkstatt in Höhe von 114,75 EUR entstanden, deren Anfall die Beklagten zunächst bestritten hatten (vgl. Bl. 16). Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Ford Fiesta der Klägerin bei dem Unfall eine merkantile Wertminderung in Höhe von 1.400 EUR erlitten hat. Die Beklagten legen nämlich in keiner Weise dar, weshalb der von dem Sachverständigen K. in dieser Höhe festgestellte Betrag etwa unzutreffend sein sollte.

Zwei Drittel des somit erstattungsfähigen Schadens in Höhe von 7.543,58 EUR macht einen Betrag von 5.029,05 EUR aus. Auf die Berufung der Klägerin waren die Beklagten daher als Gesamtschuldner zu verurteilen, diesen Betrag an die Klägerin zu zahlen, während die Klage im Übrigen abgewiesen bleiben musste.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB. Da die Beklagte zu 2 die Schadensersatzansprüche der Klägerin mit Schreiben vom 27. Januar 2003 (Bl. 6) ernsthaft und endgültig verweigert hatte, war eine Mahnung hier entbehrlich. Der ausgeurteilte Betrag ist daher ab dem 30. Januar 2003, d. h. dem Tag, an dem das Schreiben der Beklagten zu 2 vom 27. Januar 2003 beim späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist, zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Wie oben dargelegt, hat der Senat bei der Frage, wo der verkehrsberuhigte Bereich endet, maßgeblich auf den Standort des Zeichens 274.1 (Beginn der Tempo 30Zone) abgestellt. Damit weicht er aber - soweit ersichtlich - von keiner diese Frage bei der hier vorliegenden Fallkonstellation anders beurteilenden Rechtsprechung ab.

Ende der Entscheidung

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