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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 14 U 176/01
Rechtsgebiete: BGB, PflVG


Vorschriften:

BGB § 823
PflVG § 3
Zum Anscheinsbeweis für ein Verschulden des bei Glatteis verunglückten Kraftfahrers, wenn die Glätte vorhersehbar war.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 176/01

Verkündet am 21. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. Mai 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: unter 20.000 €.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 543 Abs. 1 ZPO a. F., 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das Landgericht hat mit zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen die Beklagten zur Zahlung eines (weiteren) Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000 DM verurteilt (10.000 DM hat die Klägerin vorprozessual bereits erhalten) sowie die Verpflichtung festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin zukünftige immaterielle Schäden, soweit nicht sicher vorhersehbar, zu ersetzen haben. Entsprechende Ansprüche stehen der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 29. November 1998 gegen 4 Uhr nachts auf der ####### Richtung #######, Höhe #######, zu (§§ 823, 847 BGB, 3 PflVG).

1. Zutreffend hat das Landgericht insbesondere ein Verschulden des Beklagten zu 1 an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls bejaht, bei welchem die Klägerin erheblich verletzt wurde, weil sie sich als Beifahrerin in dessen Fahrzeug befand, mit welchem er infolge Glatteises ins Schleudern kam und von der Fahrbahn abgeriet. Zwar ist, wie die Beklagten zutreffend ausführen, nur dann von einem Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des bei Glatteis Schleudernden auszugehen, wenn die Glätte vorhersehbar gewesen ist (so das OLG Schleswig, VersR 1999, S. 375 ff., der BGH hat sich im Wege eines Nichtannahmebeschlusses - VI ZR 303/97 - dieser Auffassung angeschlossen, a. a. O.). Zu Recht ist dabei jedoch das Landgericht angesichts der durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die Glatteisbildung für den Beklagten zu 1 vorhersehbar gewesen ist. Dabei kann es im Ergebnis dahin stehen, ob sich aus den Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen (die die Fahrtstrecke des Beklagten zu 1 nur auf den letzten Kilometern geteilt haben) entnehmen lässt, dass die Fahrbahn schon vor der Unfallstelle wahrnehmbar eisglatt gewesen ist. Jedenfalls nämlich hätte der Beklagte zu 1 angesichts der Witterung mit Glätte auf der Fahrbahn rechnen müssen, weil die Fahrbahn nass war und Temperaturen in Gefrierpunktnähe herrschten. Bei solchen Bedingungen ist mit Glatteis zu rechnen, dieses mithin nicht unvorhersehbar (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, Rdnr. 21 zu § 3 StVO m. w. N.). Dass es vor dem Verkehrsunfall Nässe durch Niederschlag, überwiegend in Form von Nieselregen, gegeben hat, steht aufgrund der Aussagen der vernommenen Zeugen, insbesondere des den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten ####### sowie des unbeteiligten Zeugen ####### fest. Damit steht im Übrigen auch das von den Beklagten selbst vorgelegte Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 9. März 2000 (Bd. I, Bl. 113 ff. d. A.) in Einklang, das ebenfalls von Nieselregen spricht. Gerade diese Feuchtigkeit war es, die die örtliche Polizei nach Bekundung des Zeugen ####### angesichts der kritischen Temperaturen um den Gefrierpunkt sogar weiterreichende Maßnahmen zur Verkehrssicherung an jenem Tage in Erwägung ziehen ließ.

Entgegen der Darstellung der Beklagten lagen die Außentemperaturen an jenem Tage auch nicht so weit oberhalb des Gefrierpunkts, dass mit Glatteis nicht zu rechnen gewesen wäre. Auch wenn der Beklagte in ein von Westen her aufziehendes Tiefdruckgebiet mit Kaltluftfront hinein gefahren ist, der Kälte also entgegen, war mit Glätte schon angesichts der Temperaturen des Vortages ohne weiteres zu rechnen. Diese haben im Übrigen nicht etwa, wie der Beklagte hat vortragen lassen, 'um plus 5 Celsius gelegen'. Vielmehr waren ausweislich des von den Beklagten selbst vorgelegten Wettergutachtens am frühen Nachmittag des Vortages Maximalwerte zwischen 4 und 5° erreicht worden. Bereits in der zweiten Tageshälfte und während der Nacht sind die Temperaturen langsam und kontinuierlich abgesunken, wie es auch den natürlichen Tag-/Nachttemperatur-schwankungen entspricht. Dass die tiefste Nachtemperatur 5° unter der höchsten Tagestemperatur liegt, ist weder ungewöhnlich noch unvorhersehbar. Da der aus dem Wettergutachten ersichtliche kontinuierliche Temperaturabfall bereits am frühen Nachmittag des Vortages begonnen hat, hätte der Beklagte zu 1 dieses Geschehen außerdem auch ohne Weiteres aus eigener Anschauung deswegen wahrnehmen können, weil er sich (im Zweifel erst zum Abend hin) zuvor aus Richtung ####### nach ####### zwecks Discothekenbesuch begeben hatte. Ob er bei Antritt der Rückfahrt aus ####### von dort gegebenen Temperaturen von wenigen Grad über dem Gefrierpunkt ausgegangen ist (wie er diese festgestellt hat, ist nicht vorgetragen), ist dem gegenüber unbeachtlich. Schon angesichts der allgemeinen Wetterlage (Feuchtigkeit bei Temperaturen von nur wenigen Grad über dem Gefrierpunkt) war das Auftreten von Eisglätte auf der Fahrbahn vorhersehbar.

2. Auch die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrages von weiteren 25.000 DM über die vorprozessual bereits gezahlten 10.000 DM hinaus ist nicht zu beanstanden. Sie ist angesichts der im angefochtenen Urteil geschilderten erheblichen Verletzungen der Klägerin, die unstreitig in ihrer Erwerbsfähigkeit fortdauernd gemindert ist, angemessen. Dabei kann es im Ergebnis dahin stehen, ob von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin von 30 % auszugehen ist, wie diese selber vorträgt, oder ob die Minderung nur 15 - 20 % (so die Beklagten) beträgt. Ein Gesamtschmerzensgeld von 35.000 DM läge auch bei Vorliegen einer Erwerbsminderung von 'nur' 20 % angesichts der gravierenden Verletzungen und fortdauernden orthopädischen Beeinträchtigungen noch im Rahmen des zur Orientierung und im Interesse der Gleichbehandlung aller Geschädigten zu berücksichtigenden allgemeinen Schmerzensgeldniveaus, wie es sich beispielsweise den einschlägigen Schmerzensgeldtabellen entnehmen lässt.

Den Verletzungen der Klägerin in etwa vergleichbar sind z. B. die in der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm, 20. Aufl., unter lfd. Nrn. 2029, 2030, 2049 und 2061 aufgeführten Entscheidungen.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 ZPO n. F. keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Ende der Entscheidung

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