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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: 14 U 210/00
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 7
Zur Haftung aus Betriebsgefahr, wenn es zu keiner Berührung zwischen verunglücktem Radfahrer und Kraftfahrzeug gekommen ist.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 210/00 4 O 192/00 LG Hildesheim

Verkündet am 7. Juni 2001

####### Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Juli 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim teilweise wie folgt geändert:

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für den Kläger: 12.000 DM.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Klage.

1. Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Beklagten, dass die vom Kläger erhobene Feststellungsklage wegen deren Subsidiarität gegenüber der Leistungsklage unzulässig sei. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 5. April 2000 lag noch kein abgeschlossenes Schadensbild vor. Die nach dem Unfall des Klägers im Bereich des linken Handgelenks eingebrachten Metallplättchen sind - wie er unwidersprochen vorgetragen hat (Bl. 106 f.) - erst Anfang Mai 2000 wieder operativ entfernt worden. Auch wenn die ärztliche Behandlung dadurch - jedenfalls vorerst - abgeschlossen sein dürfte, brauchte der Kläger nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs während des Rechtsstreits nicht von der einmal zulässig erhobenen Feststellungsklage zur Leistungsklage überzugehen.

2. Die Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache Erfolg.

a) Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts vermag der Kläger nämlich nicht zu beweisen, dass die Beklagte zu 1 seinen Sturz vom Fahrrad schuldhaft dadurch verursacht hat, dass sie ihrer Wartepflicht beim Erreichen des kombinierten Geh-/Radweges nicht genügt hat. Zeugen für den von ihm behaupteten Unfallhergang gibt es nicht. Es ist auch zu keiner Berührung des Fahrrades mit dem von der Beklagten zu 1 gesteuerten Pkw Nissan gekommen. Vielmehr kam der Kläger - wie er bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat bestätigt hat - nach dem Sturz noch etwa 11 m vor dem Standort des Fahrzeugs der Beklagten zu liegen. Daher fehlt es auch an den notwendigen Anknüpfungstatsachen, um etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens den Unfallhergang zu rekonstruieren.

Die Beklagten haben in erster Instanz durch beide Rechtsanwälte, die sie vertreten haben, vortragen lassen, dass die Beklagte zu 1 vor dem Geh-/Radweg angehalten gehabt habe, als der Kläger stürzte (vgl. Bl. 24 und 34). In dieser Weise hat sich auch die Beklagte zu 1 bei ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat geäußert. Zwar heißt es in dem Schriftsatz der Beklagten zu 1 und 2 vom 5. Juni 2000 weiter (Bl. 24 unten/25 oben):

Trotz einer eingeschränkten Sicht durch Sträucher und Bäume im Bereich der Unfallstelle konnte der Kläger das Fahrzeug der Beklagten zu 1 wahrnehmen, bevor das Fahrzeug der Beklagten in den Radweg eingefahren ist, sonst hätte der Kläger auch nicht die Vollbremsung vorgenommen.'

Mit diesem Vorbringen wollten die Beklagten nach Auffassung des Senats jedoch einzig die Sichtverhältnisse an der Unfallstelle erläutern, nicht aber entgegen ihrem sonstigen Vortrag einräumen, dass die Beklagte zu 1 gegen die sie treffende Wartepflicht verstoßen habe.

Natürlich ist es möglich, dass die Beklagte zu 1 das Vorfahrtsrecht des Klägers missachtet hat. Dies kann der Kläger - wie dargelegt - nur eben nicht beweisen. Es ist auch durchaus denkbar, dass sich die Beklagte zu 1 verkehrsgerecht verhalten hat und der Kläger lediglich aus der (unbegründeten) Furcht, dass dies nicht der Fall sein werde, - nicht zuletzt wegen der von ihm als Radfahrer eingehaltenen recht hohen Geschwindigkeit von 30 - 35 km/h - gewissermaßen sicherheitshalber eine objektiv nicht erforderliche Vollbremsung eingeleitet hat, die alsdann zu seinem Sturz geführt hat.

b) Schließlich lässt sich - unabhängig von den vorstehenden Ausführungen - auch nicht feststellen, dass der Sturz des Klägers überhaupt auf den 'Betrieb' des Fahrzeugs der Beklagten i. S. v. § 7 Abs. 1 StVG zurückzuführen ist. Zwar ist das Haftungsmerkmal 'bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs' i. S. d. § 7 Abs. 1 StVG entsprechend dem weiten Schutzzweck dieser Norm weit auszulegen. Deshalb wird ein Unfall, der sich infolge einer Abwehr- oder Ausweichreaktion ereignet hat, selbst dann dem Betrieb des Kfz zugerechnet, das die Reaktion ausgelöst hat, wenn diese objektiv nicht erforderlich war. Stets ist aber aufgrund einer insoweit gebotenen wertenden Betrachtung des Schadensereignisses die Feststellung erforderlich, dass die Reaktion des geschädigten Verkehrsteilnehmers - aus seiner Sicht des konkreten Verkehrsgeschehens vor dem Unfall - subjektiv vertretbar erschien. Es müssen also Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass das Verhalten des in Anspruch Genommenen dem Geschädigten subjektiv zur Befürchtung hätte Anlass geben können, es werde ohne seine Reaktion zu einer Kollision mit dem anderen Verkehrsteilnehmer kommen (vgl. Kammergericht Berlin KGR 1996, 211 m. w. N.). Dass ein solcher Fall vorlag, also der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Schaden gegeben war, muss der Kläger darlegen und beweisen (KG a. a. O.). Dieser Beweis lässt sich im hier gegebenen Fall, wenn keine Berührung stattgefunden hat, zwar in der Regel nur sehr schwer erbringen. Zweifel gehen aber auch in einem solchen Fall zu Lasten des Klägers als Geschädigten. Aus den bereits genannten Gründen lassen sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger infolge des Betriebs des von der Beklagten zu 1 geführten Pkw zu der von ihm durchgeführten Gefahrenbremsung veranlasst sehen durfte, weil er andernfalls eine Kollision befürchten musste, nicht feststellen. Es kann vielmehr auch so gewesen sein, dass der Kläger - auch aus seiner Sicht - grundlos abgebremst hatte.

3. Da sich die Klage nach alledem unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt als begründet erweist, war sie auf die Berufung der Beklagten unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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